[fessenheim-fr] Korrektur / Bundestag: Experten uneins über AKW-Laufzeitverlängerung
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Do Nov 10 19:57:47 CET 2022
Hallo Leute!
Korrektur: Der Text weiter unten bezieht sich auf die
öffentliche Anhörung im "Ausschuß für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz".
Der Bundestag hat am Mittwoch, 9. November 2022, erstmals über den von
der Bundesregierung vorgelegten Entwurf für die Novellierung des
Atomgesetzes (20/4217) beraten. Nach der Debatte überwiesen die
Abgeordneten die Vorlage an den federführenden "Ausschuß für Umwelt,
Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz". Schon am
Freitag, 11. November 2022, soll über die Vorlage abgestimmt werden...
Etwas anderes ist die Veranstaltung im Petitionsausschuß am Mi.,
9. November, wo die 58.471-mal mitgezeichneten öffentliche
Petition (ID 136760) von Prof. Dr. André Thess (Institutsleiter
am Lehrstuhl für Energiespeicherung der Universität Stuttgart)
verhandelt wurde. Auf diese Veranstaltung bezog sich Stefan
heut Mittag...
Siehe hierzu auch:
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw45-pa-petitionen-918016
Bei beiden (!) Veranstaltungen ging es um eine AKW-Laufzeitverl.
über den 15. April 2023 hinaus.
Und bei beiden (!) Veranstaltungen durfte auch die Nuklear(ia)-
Frau Anna Veronika Wendland sprechen...
Ciao
Klaus Schramm
-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: [fessenheim-fr] Fwd: Bundestag: Experten uneins über
AKW-Laufzeitverlängerung
Datum: Thu, 10 Nov 2022 16:21:29 +0100
Von: Klaus Schramm <klausjschramm at t-online.de>
Antwort an: Info-Mailingliste der Freiburger Anti-Atom-Gruppe
<fessenheim-fr at listi.jpberlin.de>
An: [fessenheim-fr] <fessenheim-fr at listi.jpberlin.de>
Hallo Leute!
Diese Mitteilung aus dem Petitions-Ausschuß des
D. B'tages möchte Claudia gerne weiterverbreiten...
Ciao
Klaus Schramm
-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff: Bundestag: Experten uneins über AKW-Laufzeitverlängerung
Datum: Thu, 10 Nov 2022 12:30:51 +0100
(...)
*Experten uneins über AKW-Laufzeitverlängerung*
Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz/Anhörung
von 11 - 13 Uhr am 09.11.2022 (hib 641/2022)
*Berlin: *(hib/SAS) Die Gesetzentwürfe von Bundesregierung und
CDU/CSU-Fraktion für eine 19. Änderung des Atomgesetzes sind in einer
öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare
Sicherheit und Verbraucherschutz am Mittwoch auf ein geteiltes Echo der
Experten gestoßen.
Dabei lehnten einzelne Sachverständige jede Regelung zum befristeten
Weiterbetrieb der letzten drei aktiven deutschen Atomkraftwerke (AKW) ab
und pochten auf den geplanten Atomausstieg zum Jahresende. Von den
übrigen Sachverständigen begrüßte ein Teil der insgesamt neun Experten
das Vorhaben der Bundesregierung, andere unterstrichen die Vorteile der
von der Union vorgeschlagenen Regelung.
Diese plädiert mit ihrem Gesetzentwurf (20/3488) dafür, angesichts der
angespannten Lage auf dem Gas- sowie dem Strommarkt die drei AKW
Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 mindestens bis 31. Dezember 2023
weiter laufen zu lassen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/4217)
sieht hingegen einen Weiterbetrieb der AKW im Streckbetrieb nur bis 15.
April 2023 vor. Die Anschaffung neuer Brennstäbe wird explizit
ausgeschlossen. Beide Gesetzesinitiativen zielen auf eine Änderung des
Atomgesetzes, das nach geltender Rechtslage die Abschaltung der
Reaktoren verlangt. Ohne Änderung würde ihre Betriebserlaubnis am 31.
Dezember 2022 auslaufen.
*Ein klares Votum* für das Festhalten am Ausstiegsbeschluss *lieferte
Heinz Smital von Greenpeace*: Die eigentlichen Probleme, Gasmangel und
hohe Strompreise, ließen sich mit beiden Gesetzesentwürfen nicht lösen.
Engpässe im Stromnetz könne man „einfacher und unproblematischer“ durch
die Hebung von Lastenmanagement-Potenzialen entgegenwirken. Auf
„scheibchenweises Verlängern der AKW-Laufzeiten zu setzen, sei in jedem
Fall falsch - und vor allem risikoreich: Der “Salami-Betrieb„ sei die
“gefährlichste Art„ einen Reaktor zu betreiben sagte der Physiker, weil
nicht mehr “substanziell investiert, sondern improvisiert„ werde.
An den Gründen für den Atomausstieg in Deutschland, habe sich nichts
geändert, betonte auch *Christoph Pistner, Bereichsleiter Nukleartechnik
& Anlagensicherheit beim Öko-Institut*. Im Gegenteil: Die jüngsten
Ereignisse hätten sie eher bestätigt, so Pistner mit Blick auf den Krieg
in der Ukraine, in dem auch Atomanlagen wie das AKW Saporischschja unter
Beschuss geraten seien. Doch aufgrund der infolge des Krieges
schwierigen Lage der europäischen Stromversorgung sei der kurzfristige
Weiterbetrieb der deutschen AKW nach Risikoabwägung “vertretbar und
sinnvoll„, erklärte der stellvertretende Leiter der
Reaktor-Sicherheitskommission, die das Bundesumweltministerium berät.
*Auch Claudia Kemfert* vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
(DIW) in Berlin sprach sich explizit gegen über das Frühjahr
hinausgehende Laufzeitverlängerungen aus: Diese seien für die Sicherheit
der Stromversorgung nicht notwendig, aus energieökonomischer Sicht
unnötig und zudem kontraproduktiv, so die Energieexpertin. Zur
Begründung verwies sie vor allem auf den “viel zu geringen Beitrag„ der
drei AKW zur Versorgungssicherheit. Der Stresstest der Netzbetreiber
habe gezeigt, dass diese auch ohne die AKW gewährleistet sei. Auch die
Auswirkungen auf den Strompreis seien mit 0,5 bis 0,8 Prozent “sehr,
sehr gering„. Kemfert verwies demgegenüber neben Sicherheitsrisiken auch
auf die hohen Kosten der Atomenergie und die ungelöste Endlagerfrage.
Vor allem aber blockierten längere Laufzeiten den dringend nötigen
Ausbau der erneuerbaren Energien, erklärte die
Wirtschaftswissenschaftlerin. Diese ergänzten sich mit
Speichertechnologien, Demand-Side-Management und flexiblen
Backup-Kapazitäten - aber eben nicht mit unflexiblen Atomkraftwerken.
Dass die Atomkraft anders als oft behauptet keine “Renaissance„ erlebe,
bekräftigte auch der *international tätige Atomanalyst Mycle Schneider*
in seiner Stellungnahme. Der Blick auf die Zahlen und Fakten belege
stattdessen das Bild einer mit zahlreichen Problemen kämpfenden,
alternden Industrie, die auf dem “Weltmarkt der stromerzeugenden
Technologien irrelevant„ geworden sei. Es finde ein “undeklarierter,
organischer Ausstieg„ statt, der durch Laufzeitverlängerungen nicht
aufgehalten werden könne, sagte Schneider. So sei der Atomstromanteil
weltweit erstmalig 2021 unter die Zehn-Prozent-Marke gefallen, es seien
mehr AKW vom Netz gegangen als gebaut worden. In den vergangenen Jahren
seien es vor allem China und Russland gewesen, die neue AKW-Projekte
gestartet hätten.
Gegen Sicherheitsbedenken gegenüber Laufzeitverlängerungen wandte sich
hingegen der *Physiker Ulrich Waas*, bis 2021 Mitglied der
Reaktor-Sicherheitskommission. Die drei deutschen AKW seien auf dem
aktuellen Stand der sicherheitstechnischen Anforderungen und könnten
“ohne Abstriche„ im Sicherheitsniveau weiterbetrieben werden, wenn die
erforderlichen Vorkehrungen nicht “über Nacht getroffen würden„, mahnte
Waas mit Blick etwa auf das nötige Personal. Die Atomkraft könne als
Brückentechnologie nach dem Ausfall von Gas einen Beitrag leisten - vor
allem mit Blick auf das politische Ziel der Klimaneutralität, so sein
Urteil.
Diese Meinung vertrat auch *Anna Veronika Wendland*: Sie kritisierte,
die Bundesregierung habe sich in ihrer Begründung des Gesetzentwurfs
ausschließlich auf Fragen der Versorgungssicherheit, des Strompreises
und der Netzstabilität bezogen und die Klimasicherheit ausgespart. Der
Weiterbetrieb der drei letzten deutschen AKW müsse aber angesichts der
Klimakrise neu bewertet werden, so Wendland, die Historikerin am
Herder-Institut ist und bis 2021 dem Vorstand des Atom-Lobbyverbands
Nuklearia angehörte. In Abwägung der Risiken gelte es, das Risiko der
Kernenergie mit den Risiken der Klimaerwärmung sowie der zusätzlichen
Kohleverstromung zu vergleichen. Die Kohlenutzung stelle ein höheres
Risiko für Gesundheit, Umwelt und Klima dar als die Kernenergienutzung,
so Wendland.
*Jonas Egerer*, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität
Erlangen-Nürnberg, führte ein anderes Argument für AKW-Laufzeiten über
2023 hinaus an: Er verwies auf Ergebnisse einer eigenen Studie im Team
unter anderem mit der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm zur Wirkung
längerer AKW-Laufzeiten auf die Strompreisentwicklung. Demnach seien die
größten Effekte auf die Strompreise zu erwarten, wenn die drei deutschen
Atomkraftwerke auch 2024 noch weiterbetrieben würden: Dann sei ein
Preiseffekt von 0,5 bis 2 Cent pro Kilowattstunde möglich.
*Aus rechtlicher Perspektive* schließlich hatten die auf das
Energierecht spezialisierte *Rechtsanwältin Dörte Fouquet* und der
*Atom- und Strahlenrechtsexperte Christian Raetzke* die beiden
vorliegenden Gesetzentwürfen betrachtet - und waren dabei zu
unterschiedlicher Einschätzungen gekommen: Während Fouquet den im
Regierungsentwurf vorgesehenen Streckbetrieb als “geringsten Eingriff„
begrüßte, der den Fahrplan zum Atomausstieg in Deutschland nicht
gefährde und das Programm des Rückbaus und der späteren
Atommüll-Endlagerung nicht aufhalte, kritisierte Raetzke die fehlende
Abwägung mit Gemeinwohlbelangen wie dem Klimaschutz. Dass diese über den
kommenden Winter hinaus nicht vorgenommen werde sei ein “Defizit„. Die
mit Verfassungsrang ausgestatteten Gemeinwohlbelange würden im
Unions-Entwurf besser berücksichtigt, so Raetzke.
*Fouquet* hatte zuvor zudem darauf hingewiesen, dass ein Weiterbetrieb
über den 15. April 2023 hinaus, wie in die Union wolle, eine
grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erfordere. Das
habe ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Laufzeitverlängerungen
der belgischen Kraftwerke Doel 1 und Doel 2 gezeigt, so die
Sachverständige. Auch die im Fall der Beschaffung neuer Brennstäbe
nötige Notifizierung an die EU-Kommission könne den Weiterbetrieb
verzögern. Ganz anderer Auffassung war auch hier Raetzke: Die Pflicht
zur Durchführung einer UVP bestehe aus seiner Sicht nicht.
https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-920318
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