[fessenheim-fr] das "arme" Fessenheim
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Sa Jun 5 15:08:15 CEST 2021
Hallo Leute!
Im Schweizer TV/Radio SRF wurde ein Artikelchen
veröffentlicht, das einem Lamento über das
"arme" Fessenheim gleichkommt - s.u.
Ciao
Klaus Schramm
Fessenheim ein Jahr vom Netz - Alter AKW-Standort im Elsass ringt mit
der Zukunft
Eine Region verliert ihr AKW und 1000 Arbeitsplätze. Die Pandemie
beschert dem ländlichen Fessenheim aber auch Zuzüger.
Autor: Daniel Voll
Vor dem Hotel «Chez Valérie» in Fessenheim sitzen zwei Velo-Touristen
unter einem Sonnenschirm. In der Gaststube weist die Wirtin auf die
leere Bar: «Hier war früher abends jeder Platz besetzt, und auch die
Hotelzimmer waren stets gut belegt», sagt sie. Jetzt laufe das Geschäft
wegen der Pandemie schlecht.
Der Klagen aus dem Gewerbe kennt Gemeindepräsident Claude Brender: «Aber
der Effekt der AKW-Schliessung für die Gemeinde ist im Gefolge der
Pandemie kaum sichtbar.» Er erinnert an monatelang geschlossene
Restaurants und rückläufige Detailhandelsumsätze. All dies dürfte also
mehr eine Folge der Pandemie sein, denn ganz Frankreich kaufe heute
sparsamer ein.
Zulauf in der Pandemie
Zugleich zeigen sich die Folgen der Pandemie auch positiv: Seit Beginn
der Krise zogen viele Städter aufs Land – auch nach Fessenheim. «Die
Bevölkerung hat trotz Arbeitsplatzverlust leicht zugenommen», sagt
Brender. Er hatte befürchtet, dass mit dem Wegzug von AKW-Angestellten
einzelne Strassenzüge zu Phantom-Quartieren verkommen könnten.
Doch freie Liegenschaften wurden zu guten Preisen verkauft. Und für die
Häuser der AKW-Angestellten gibt es sogar eine Warteliste. Zuzüger kämen
nicht nur aus dem Elsass, sondern auch aus dem angrenzenden Bundesland
Baden-Württemberg – wegen der deutlich günstigeren Grundstücke und
Liegenschaften.
Steuern fehlen
Schmerzhaft sind die Folgen der AKW-Schliessung dagegen für die
Gemeinde. Die Einnahmen sind eingebrochen. Électricité de France (EDF)
lieferte früher Gewerbesteuern an den Gemeindeverband Haut-Rhin-Brisach
und seine 29 Gemeinden ab. 15 Millionen Euro jährlich, davon zwei
Millionen an Fessenheim.
Diese Steuereinnahmen fehlen in der Gemeindekasse. Aber sie muss
trotzdem Beiträge an einen nationalen Ausgleichsfonds entrichten, der
bei der letzten Reform der Gewerbesteuer geschaffen wurde. Gehörten
Fessenheim und Nachbargemeinden einst zu den Gewinnern, müssen sie nun
Ausgleichszahlungen leisten, obwohl keine Gewerbesteuern mehr anfallen.
«Es ist eine Art geschlossenes System, das keine Regierung verändern
wollte – ob links oder rechts. Aber wir werden bestraft und müssen
voraussichtlich in den nächsten Jahren zurückzahlen, was uns das AKW
während 40 Jahren eingebracht hat», so Brender.
Konkurs der Gemeinden befürchtet
Über dem Eingang des Gemeindehauses hängt ein Transparent, das vor einem
Konkurs der Gemeinden warnt und vom Staat Hilfe fordert. Mit den
Transparenten wollen die Behörden des Gemeindeverbandes
Haut-Rhin-Brisach Ende Juni in Paris vor der Nationalversammlung
protestieren.
Um den drohenden Konkurs zu vermeiden, habe die Gemeinde Investitionen
zurückgestellt und Sanierungen hinausgeschoben, sagt Brender. Wenn die
letzten Bauten des Kraftwerks abgebrochen sind, fällt auch die halbe
Million an Grundstückssteuern weg, welche EDF noch bezahlt.
Darum hofft die Gemeinde, dass der Stromkonzern auf dem Gelände einen
Technologiepark einrichtet – zum Recycling von Maschinen aus anderen
Kraftwerkanlagen, die in Zukunft abgeschaltet werden.
Verlust von «Juwel» wiegt schwer
Brender versteckt nicht, dass ihn die Schliessung von Fessenheim noch
immer ärgert: Ein schwerer Fehler, den er weder Hollandes Sozialisten
noch «La République en Marche» und Macron verzeihen könne: «Da wurde ein
Juwel der französischen Industrie geschlossen – aus rein wahltaktischen,
politischen Überlegungen.»
https://www.srf.ch/news/international/fessenheim-ein-jahr-vom-netz-alter-akw-standort-im-elsass-ringt-mit-der-zukunft
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