[fessenheim-fr] NZZ: Heisse Kontroverse um Export von Brennelementen nach Leibstadt
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
So Jan 24 18:08:22 CET 2021
Hallo Leute!
Hier ein ausnehmend sachlicher und ausgewogener Artikel
in der Wochenend-Ausgabe der NZZ - s.u.
Ciao
Klaus Schramm
Heisse Kontroverse um Export von Brennelementen nach Leibstadt
Deutsche Umweltschützer gehen gegen eine angeblich illegale Ausfuhr an
das Kernkraftwerk vor. Die Lieferfirma verweist auf eine vorhandene
Bewilligung.
Andreas Schmid
23.01.2021, 21.45 Uhr
Umweltschützer sehen im Kernkraftwerk Leibstadt eine Gefahr.
Foto: Urs Hubacher / Keystone
Im Dezember 2020 hat das Kernkraftwerk Leibstadt im Kanton Aargau zwei
Lieferungen von Brennelementen aus Deutschland erhalten. Für die Ausfuhr
aus Niedersachsen in die Schweiz hätten jedoch gültige
Ausfuhrbewilligungen gefehlt, moniert der Bund für Umwelt und
Naturschutz (Bund).
Die Herstellerfirma – eine Tochtergesellschaft des französischen
Atomkonzerns Framatome – habe die Transporte auf die Schweizer Seite des
Rheins durchgeführt, obwohl beim zuständigen deutschen Bundesamt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie vor einem deutschen Gericht
Einsprachen gegen die Ausfuhrgenehmigung hängig seien.
Eine Bund-Regionalgruppe will erwirken, dass die bestehende
Exportbewilligung für die Brennelemente-Fabrik aufgehoben wird; und
solange die Instanzen nicht entschieden hätten, dürfe die Firma – wegen
der aufschiebenden Wirkung der Eingaben – keine Brennelemente ins
Ausland liefern.
Komplizierte Situation
Das ist die Sicht der Umweltschützer. Die Gegenseite interpretiert die
Rechtslage völlig anders. Sowohl die Behörden als auch das Gericht seien
nochmals ausdrücklich über die geplanten Transporte in die Schweiz
informiert worden und hätten nicht interveniert, sagt
Framatome-Sprecherin Karin Reiche.
Sie hält fest: «Wir verfügen über eine gültige Exportbewilligung.»
Dennoch habe die Firma vor einigen Tagen entschieden, bis zur
gerichtlichen Klärung von weiteren Lieferungen an das Kernkraftwerk
Leibstadt abzusehen. «Damit wollen wir einer weiteren Eskalation
entgegenwirken.»
Thomas Gerlach, der Kommunikationschef des Kernkraftwerks Leibstadt,
gibt an, die neuen Brennelemente würden erst bei den Jahresrevisionen im
Sommer verwendet. «Die Lieferungen sind rechtmässig erfolgt, Framatome
besitzt sowohl eine Export- als auch eine Transportgenehmigung.»
Gerlach fügt an: Einsprüche gegen Ausfuhrbewilligungen hätten keinen
aufschiebende Wirkung. Das habe ein deutsches Gericht im Dezember in
einem analogen Fall festgehalten.
Das Kernkraftwerk Leibstadt – der jüngste Schweizer Atomstrom-Produzent
– ist seit 1984 in Betrieb. Es stellt über 15 Prozent des in der Schweiz
benötigten Stroms her. Die Firma beschäftigt etwa 500 Angestellte.
Wie die Berliner Tageszeitung «taz» berichtete, wurden im deutschen
Bundesumweltministerium wegen des Vorgehens von Framatome Vorwürfe laut.
Dass die Gesellschaft trotz ausstehenden Entscheiden an der Ausfuhr von
Brennelementen festhielt, bezeichnete der zuständige Staatssekretär in
der Zeitung als «nicht akzeptabel». Der Vorgang könne strafrechtliche
Folgen haben, weshalb der Fall zur Prüfung der Staatsanwaltschaft
übergeben werde.
Zur Kritik aus dem Bundesumweltministerium nimmt Karin Reiche,
Sprecherin von Framatome, keine Stellung. Die Aussagen seien der Firma
lediglich aus Medienberichten bekannt. «Wir wollen das nicht kommentieren.»
Für die deutsche Umweltorganisation Bund könnte durch den Export der
Brennelemente ins grenznahe Leibstadt eine Gefahr für die Bundesrepublik
ausgehen, denn ein Unfall in Leibstadt hätte auch gravierende Folgen
etwa für das Trinkwasser aus dem Bodensee.
Stefan Auchter, Geschäftsführer des Regionalverbands südlicher
Oberrhein, sagt: «Die Bauteile werden in einer deutschen Fabrik
hergestellt, die in der Vergangenheit durch Störfälle in die
Schlagzeilen geriet.»
Auchter hält fest, für seinen Verband sei der von Deutschland
beschlossene Atomausstieg erst vollständig, wenn auf eigenem Territorium
auch keine Brennelemente mehr produziert würden. Die Framatome-Fabrik
sei aber vom Verzicht auf Atomkraft nicht betroffen.
Gericht am Zug
Mit den Exporten von Brennelementen nach Leibstadt habe die Lieferfirma
die Eingaben seines Verbands missachtet, sagt Auchter. «Ein Widerspruch
hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung, ausser er ist offensichtlich
unzulässig, oder ein Gericht hebt den Aufschub auf.» Auchters Ärger ist
gross: Weil die Brennstäbe erst im Frühling in Leibstadt benötigt
würden, wäre dem Exporteur seiner Meinung nach genug Zeit geblieben, den
Gerichtsentscheid abzuwarten.
Framatome selbst hatte die Justiz angerufen, um die Gültigkeit der
Exportbewilligung bestätigen zu lassen. In einem Eilverfahren soll das
zuständige Gericht nun darüber entscheiden.
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