[fessenheim-fr] "2022 ist sicher!"
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Do Okt 11 17:45:17 CEST 2018
Hallo Leute!
Gestern gab es nun eine Verlautbarung des neuen
französischen "Umwelt"-Ministerns François de
Rugy, die da - kurz zusammengefaßt - lautet,
die Stilllegung des AKW Fessenheim bis 2022 sei
sicher. Siehe den Artikel des luxemburgischen
'Tageblatts' (s.u.).
Inzwischen sind wir ja schon gewohnt, darüber
hinwegsehen zu müssen, daß "abschalten" und
"stilllegen" synonym verwebdet werden ;-)
Doch entscheidend ist die Frage: Ist auf dieses
Versprechen mal ausnahmsweise Verlaß?
In einem ersten Kommentar auf der Internetseite
www.tageblatt.lu/headlines/frankreich-atomkraftwerk-fessenheim-wird-bis-2022-abgeschaltet-sein
war schon um 12:24 Uhr zu lesen: "... Gehe jede Wette ein!"
Nun ja, es gibt Risiken, da verbietet es sich,
Wetten zu machen.
Ciao
Klaus Schramm
Frankreich: Atomkraftwerk Fessenheim wird bis 2022 abgeschaltet sein
10. Oktober 2018. 10:39 Uhr - Akt: 10. Oktober 2018. 15:36 Uhr
Der neue Umweltminister Frankreichs lässt nicht mit sich spielen.
Mangels fehlender Aussagen des Strombetreibers EDF entscheidet er, dass
Fessenheim vom Netz geht.
Frankreich hat wieder einen Umweltminister. François de Rugy,
ausgewiesener Grüner und Umweltschützer, scheut sich nicht vor klaren
politischen Entscheidungen. Seine erste und wegweisende: Das älteste
Atomkraftwerk Frankreichs, von der atomaren Kontrollbehörde ASN als das
sicherste bezeichnet, geht vom Netz. Bis 2022 wird es abgeschaltet sein,
verkündete der Minister am Donnerstag.
Frankreich hat ein Übergangsgesetz für den Energiebereich, in dem
festgelegt ist, dass die nukleare Energie bis 2025 nur noch 50 Prozent
des nationalen Energiebedarfs decken soll. Der Rechnungshof hat dazu
ausgerechnet, dass 17 Kernkraftwerke abgeschaltet werden müssen, um das
Ziel zu erreichen.
Royal verhinderte mögliche erste Schritte
Das unter Staatspräsident François Hollande beschlossene Gesetz ist von
seiner ehemaligen Lebensgefährtin und Mutter seiner Kinder, Ségolène
Royal, die zugleich Umweltministerin war, nie umgesetzt worden. Im
Gegenteil – Ségolène Royal hatte gar mögliche erste Schritte verhindert.
Da Frankreich mit der Abschaltung der beiden 900-Megawatt-Blöcke in
Fessenheim eine Lücke in der Stromversorgung gehabt hätte, koppelte sie
das Schicksal von Fessenheim an jenes des EPR-Reaktors in Flamanville in
der Normandie. Fessenheims Reaktoren sollten erst abgeschaltet werden,
wenn der EPR-Reaktor dort ans Netz gehen würde. Das war eine dem
Übergangsgesetz entgegengesetzte Energiepolitik.
Umweltminister Nicolas Hulot, der kein Befürworter der Kernenergie ist,
fand im Bereich der Energiewende in Frankreich nichts vor, womit man das
Ziel 2025 hätte realisieren können. Als ein neues mittelfristiges
Energiekonzept in Frankreich vorgestellt werden sollte, musste er
hinauszögern und ankündigen, dass die Reduzierung der Kernkraft
frühestens bis 2035 – also erst zehn Jahre später – realisierbar sei.
Das Verhältnis zwischen Hulot und dem nationalen Kernkraftwerksbetreiber
EDF war gespannt. Der Minister rieb sich an dem Energiegiganten.
Abschaltung 2022?
François de Rugy ist ein erfahrener Politiker – im Gegensatz zu seinem
Vorgänger Nicolas Hulot. Der war eher ein Lobbyist in Sachen Umwelt, der
sich plötzlich in der Verantwortung fand und sich als großer Zweifler,
aber nicht als entschlossener Politiker erwies. De Rugy ist ein anderer
Charakter. Da EDF keine konkreten Aussagen machen könne, sagte er, sei
mit dem Abschalten der Reaktoren in Fessenheim bis 2022 zu rechnen. Das
heißt: Noch vor dem Ende der Amtszeit von Staatspräsident Emmanuel
Macron wird in Fessenheim kein Atomstrom mehr produziert.
François de Rugy trennt damit das Schicksal von Fessenheim von dem des
EPR in der Normandie. Das bringt umfangreiche Schwierigkeiten mit sich.
In Fessenheim hängen 2.000 Beschäftigte mit ihren Familien direkt oder
indirekt von den beiden Reaktoren ab. Die Kleinstadt lebt von den
Kernreaktoren. Um die Zukunft von Fessenheim zu sichern, wurde eine
deutsch-französische Entwicklungsgesellschaft gegründet. Ihr steht ein
200 Hektar großes Gelände entlang des Rhein-Seitenkanals auf
elsässischer Seite zur Verfügung. Es soll einige Dutzend Projekte für
diese künftige Gewerbezone geben.
30 Millionen, um soziale Folgen abzufedern
Außerdem will die Regierung 30 Millionen Euro über einen Zeitraum von
zehn Jahren zur Abfederung sozialer Folgen zur Verfügung stellen. Der
Strombetreiber selbst wird auf dem Gelände des Kraftwerks ein
Technologiezentrum zur Entwicklung der notwendigen Techniken zum
Abwracken von Kernkraftwerken einrichten. Im Vordergrund sollen große
metallische Teile stehen wie etwa Turbinen, die nicht nuklear verstrahlt
sind. Für den nuklearen Bereich, der erst abstrahlen muss, bevor man
sich ihm zuwenden kann, rechnet EDF früheren Äußerungen zufolge mit etwa
20 Jahren. Der finanzielle Einsatz der Regierung soll allerdings nur auf
Fessenheim beschränkt bleiben, weil es sich um eine “Spezialsituation”
handele. Der Pakt zur Schließung der Anlage soll im Frühjahr 2019
unterzeichnet werden, wobei es durchaus zu Verzögerungen kommen könne.
Am Ende der beiden Blöcke bestünde aber kein Zweifel. “Diese
Entscheidung ist unumkehrbar”, sagt der zuständige Staatssekretär im
Umweltministerium, Sébastien Lecornu.
Für Fessenheim ist die Entscheidung eine wirtschaftliche Katastrophe.
Das Kernkraftwerk steht für 75 Prozent der Steuereinnahmen, das sind
drei Millionen Euro pro Jahr. “Das Dorf lebt seit 49 Jahren von der
Kernkraftanlage”, sagt Bürgermeister Claude Bender. Die Infrastruktur
der etwa 2.000 Einwohner umfassenden Kleinstadt entspricht der einer
Mittelstadt. Kindertagesstätte mit Einrichtung für Babys, Schulen und
Mediathek, ein ganz neues Rettungszentrum: Alles ist vorhanden. Mit der
Schließung der Anlage endet für die einst arme, auf Landwirtschaft
ausgerichtete Kleinstadt ein goldenes Zeitalter. “Wir müssen damit
rechnen, 350 bis 400 Einwohner zu verlieren”, sagt der Bürgermeister.
“Es werden die jungen Familien, die mobilen, sein, die gehen. Das heißt
dann, dass die Kindertagesstätte nicht mehr ausgelastet sein wird, dass
auch Klassen in den Schulen geschlossen werden müssen.”
EDF-Mitarbeiter werden versetzt
Kein Problem gibt es statistisch gesehen für die 850 EDF-Mitarbeiter.
Sie werden versetzt. Was sich aber einfach anhört, bereitet Probleme. Da
gibt es Hausbesitz, da müssen die Kinder umgeschult werden, da verlieren
Ehepartner ihre Arbeit und müssen sich am neuen Arbeitsort ihres
Partners neue Arbeit suchen, was bei über neun Prozent Arbeitslosigkeit
in Frankreich nicht einfach ist. Bürgermeister Bender befürchtet einen
Zusammenbruch des Immobilienmarktes, der viele zu verkaufende Häuser bei
nicht vorhandener Nachfrage aufweisen würde. Fragen nach der Zukunft
stellen sich auch die Mitarbeiter von Zulieferfirmen, Hotels und
Gaststätten, die ein ungewisses Schicksal haben werden.
Fessenheim richtet gerade Gelände her für ein neues Wohnquartier mit
vielen Eigenheimen, denkt auch an ein modernes Medizinzentrum. “3.000
Einwohner bis 2030” heißt die Parole im Ort, der nun wie ein Kartenhaus
zusammenbricht. Dabei hatte schon Staatspräsident François Hollande in
seinem Wahlkampf versprochen, die beiden Reaktoren für immer
herunterzufahren. Geglaubt hatte das niemand. Es war ja auch nicht
eingetreten. Bis Emmanuel Macron kam und begann, das von Hollande
initiierte Übergangsgesetz mit seinem zweiten Umweltminister Francois de
Rugy umzusetzen.
+++
Kommentar
J.C. KEMP 10. Oktober 2018. at 12 h 24 min
Da gehen sicher viele Jahre noch durchs Land. Und dann wird er doch
nicht abgeschaltet und viele weitere kommen noch dazu. Gehe jede Wette ein!
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