[fessenheim-fr] Artikel zu Bure in tp
Klaus Schramm
klausjschramm at t-online.de
Do Jun 5 22:33:37 CEST 2014
Hallo Leute!
Hier ein Artikel zu Bure in 'telepolis', der sich ein
bißchen kritisch gibt - aber nichts enthält zu den
Thermalwasser-Vorkommen in unmittelbarer Nähe der
Opalinus-Tons, nichts zu der ungenügenden Dicke der
Opalinus-Tonschicht von nur 130 Meter und nichts zu
der wissenschaftlichen Studie von 2008, die beweist,
das Opalinuston für die Einlagerung hochradioaktiven
Mülls ungeeignet ist, weil er unter Hitzeeinwirkung
Risse bildet...
Ciao
Klaus Schramm
Der Kampf ums Endlager
Susanne Götze 05.06.2014
Frankreichs erstes Endlager für hochradioaktiven Atommüll gilt als
unterirdisches High-Tech-Projekt und bleibt dennoch umstritten
Zwischen Paris und Nancy soll das erste französische Endlager für
hochradioaktiven Atommüll entstehen. Doch auch im Land der Atomkraft
gibt es Widerstand. Die Energiekonzerne versuchen indes alles, um die
Öffentlichkeit von dem Mammutprojekt zu überzeugen und kaufen sich in
die Region ein. Ab 2030 sollen dort 240.000 Fässer für bis zu 100.000
Jahre gelagert werden.
Deutschland weiß noch nicht, wohin mit seinem Atommüll. Die Bundesländer
spielen in der aktuellen Endlager-Kommission "Reise nach Jerusalem", um
bloß nicht als Standort für die strahlenden Fässer ins Gespräch zu
kommen. Da lohnt ein Blick ins Nachbarland: In Frankreich hat man das
Problem Atommüll mit einer altbewährten Methode gelöst. Und zwar mit
viel Geld. Was den Betreibern Areva und EDF fehlt, ist nur noch die
Baugenehmigung.
Während in deutschen Atomlagern Gesteinsbrocken von der Decke stürzen
und rostige Atommüllfässer in feuchten Höhlen vergammeln, plant
Frankreich ein High-Tech-Endlager. Auserkoren wurde eine Region gut 250
Kilometer südöstlich von Paris, im Department Meuse, mit einer
Bevölkerungsdichte von 31 Einwohnern pro Quadratkilometer ein
französisches Mecklenburg-Vorpommern.
Unter verschlafenen Wäldchen und der weiten Hügellandschaft rund um das
kleine Dorf Bure soll ab 2018 das erste französische Endlager für
hochradioaktiven Müll errichtet werden. Bisher haben die Atom- und
Energiekonzerne Areva und EDF schon über 1,6 Milliarden Euro in ein
unterirdisches Labor investiert. Rund 16 Milliarden werde Cigéo, wie das
Projekt heißt, insgesamt kosten, glaubt man den Schätzungen der Betreiber.
"Nichts ist dem Zufall überlassen, alles wird vollautomatisch gesteuert"
Zwei Kilometer vom Dorf Bure entfernt, haben die Geologen bereits ein
ausgefeiltes Tunnelsystem in 500 Meter Tiefe gegraben sowie ein
Technologiezentrum, ein Archiv und sogar ein Hotel gebaut. "Alle Länder,
die Atomkraft besitzen, haben sich nach vielen Tests mittlerweile zur
Untergrundspeicherung bekannt", erklärt der Physiker Gregory Kegelaer,
der für die französische Atommüllbehörde ANDRA tätig ist.
Eingang zum ANDRA-Forschungszentrum. Bild: Ji-Elle; gemeinfrei
Sein Job ist es, die Öffentlichkeit von der Sicherheit des Projektes zu
überzeugen. Kegelaers Kollegen bauen seit 1998 aufwendig isolierte
Tunnelsysteme in einer tief unter der Erdoberfläche liegenden
Tongesteinsschicht. Getestet werden die Stabilität der Transport- und
der Lagertunnel. In letztere sollen später die Atommüllfässer von
Robotern eingeführt werden. "Nichts ist dem Zufall überlassen, alles
wird vollautomatisch gesteuert", begeistert sich Kegelaer. Anhand
aufwendiger Modellen erklärt der Physiker die Fortschritte der
Unter-Tage-Forschung:
Experimente mit radioaktiven Material haben ergeben, dass die
radioaktiven Teilchen im Falle einer Freisetzung allein rund 100.000
Jahre brauchen, um aus der Tonschicht heraus in die umliegende
Erdschicht zu wandern.
"Nur eine künstlich unter Tage errichtete Anlage ist wirklich vernünftig"
Während die Franzosen Tongestein favorisierten, würden die Schweden und
Finnländer bei der Atommülllagerung eher auf Granitstein setzen und
Deutschland auf Salzstöcke. Allerdings sei diese Idee, Atommüll in alten
Minen oder Salzstöcken unterzubringen keine sehr gute gewesen, räumt der
ANDRA-Mitarbeiter ein. Zwischen den Zeilen erkennt man klar die
Botschaft: Deutschland müsse erkennen, dass nur eine künstlich unter
Tage errichtete Anlage wie das Cigéo wirklich vernünftig ist.
Hier werde es kein Wasser geben, das eindringt und kontaminiert wird und
auch keine herunterbrechenden Gesteinsbrocken, wie erst vor kurzem im
Zwischenlager Asse. Die aktuellen Zwischenfälle im neuen
US-amerikanischen Endlager Waste Isolation Pilot Plant in New Mexiko
(siehe Unfall in US-Atomlager verstärkt Zweifel an Lagerung von Atommüll
in Salz) hingegen sind nach Ansicht von Kegelaer "Logistikprobleme".
Dort wurden nach unbestätigten Angaben 20 Arbeiter verstrahlt, nachdem
es zu einem Brand gekommen war.
Überzeugungsarbeit und Geld, das verteilt wird
Allerdings sind längst nicht alle so begeistert vom Cigéo wie Gregory
Kegelaer. Die Liste der Gegner ist lang: Naturschützer, Atomkraftgegner,
Anwohner und sogar Skeptiker aus den deutschen Anrainerstaaten. Aus
diesem Grund bemühen sich die staatliche Atombehörde und die Konzerne,
so viel wie möglich Überzeugungsarbeit zu leisten: Eine eigens für die
Region gegründete Gesellschaft verteilt großzügig Gelder der
Energieversorger: 30 Millionen Euro pro Jahr bekommen jeweils das
Departement Meuse sowie Haute Marne, deren Untergrund betroffen ist.
Restaurierte Rathäuser, neue Hotels, Sportplätze, neue Straßen und
Abwassersysteme wurden dort in den letzten Jahren finanziert wie in wohl
keiner anderen Gegend Frankreichs. In Zeiten klammer Kassen verwandelt
sich die Region in ein Land, wo plötzlich Milch und Honig fließen. Jeder
Bürger, Unternehmer oder Gemeinderat muss nur einen Antrag auf ein
Projekt einreichen und bekommt dieses mit großer Wahrscheinlichkeit auch
bezahlt.
"Sie kaufen sich die Gewissen der Leute", heißt es bei den
Atomkraftgegnern, die sich vor zehn Jahren im Dörfchen Bure ein altes
Bauernhaus zugelegt haben. Im Haus des Widerstands, wie es von seinen
Bewohnern genannt wird, leben eingefleischte Atomkraftgegner. Die
Stammbesetzung des Hauses wechselt mindestens einmal im Jahr, damit sich
"nichts einschleift".
"Niemand glaubt dieses Märchen"
Manche Gäste kommen nur übers Wochenende, um die Aktivisten zu
unterstützen, so wie Bernadette und Gilles, die aus Paris angereist
sind. Das Ehepaar ist um die 50, hat zwei Kinder und wirkt nicht so, als
würden sie ständig in selbstverwalteten Hausprojekten leben: "Gegen
dieses Wahnsinnsprojekt muss einfach was unternommen werden", meint
Bernadette, die früher als Krankenschwester gearbeitet hat.
Niemand glaubt dieses Märchen von den 100.000 Jahren Sicherheit -
deshalb muss ein für allemal Schluss sein mit der Atomkraft.
Der Bürgermeister von Bure sieht das Endlager etwas pragmatischer. Mit
dem Geld von ANDRA hat sein 90-Seelen Dorf eine 900.000 Euro teure
Festhalle und ein Drei-Sterne Hotel bekommen: "Ohne Andra wäre das hier
alles heute eine Wüste", so Gérard Antoine. Der alte etwas ängstlich
wirkende Mann spricht nicht gerne mit den Medien. Aufgrund seiner
Haltung hätte er schon Morddrohungen bekommen und müsse ständig mit
Beschimpfungen leben.
Natürlich sei das alles nicht einfach, räumt er ein - schöner wäre es
gewesen, wenn sie eine große Fabrik mit vielen Arbeitsplätzen gebaut
hätten. Aber man könnte sich die Investoren eben nicht aussuchen. Doch
das letzte Wort sei ja noch nicht gesprochen und der Atommüll noch nicht da.
Das soll bis 2025 auch so bleiben. Denn erstmal brauchen die Betreiber
eine Baugenehmigung für die richtige Anlage, die ab 2018 gut zwei
Kilometer nördlich von der heutigen Versuchsanlage gebaut werden soll.
Eine einberufene öffentliche Debatte im vergangenen Jahr zeigte, dass es
- den Millionen zum Trotz - noch erhebliche Skepsis gegenüber dem
Projekt gibt: Auch das Saarland und Rheinland-Pfalz machten Eingaben und
meldeten vor allem hinsichtlich der zu erwartenden Atomtransporte
Bedenken an.
Ein bis zwei Atomtransporter pro Tag
Laut Andra sollen nach einer Pilotphase ab 2030 ein bis zwei
Atomtransporter pro Tag im Endlager ankommen. Sollte der strahlende Müll
mit dem Zug herangefahren werden, müsste das Lager noch an das Bahnnetz
angeschlossen werden. Dann wären es bis zu zwei Züge pro Woche.
"Die öffentliche Debatte war eine große Farce", sind sich die Bewohner
im "Haus des Widerstands" einig. Die Entscheidung stehe längst fest, die
Diskussion um die Baugenehmigung sei nur noch eine große Show. Nach
Milliardeninvestitionen werde man sich kaum plötzlich umentscheiden, so
die Gegner einhellig. Dennoch haben sie die Hoffnung noch nicht
aufgegeben: In den nächsten Monaten wollen sie mit vielen Aktionen auf
das "Wahnsinnsprojekt" aufmerksam machen.
Auch Eric Sutre hat mit dem "Wahnsinn" zu tun. Mit seinen längeren
graumelierten Haaren und seiner Lederjacke könnte er sogar als
Atomkraftgegner durchgehen. Sutre ist jedoch Sprecher der Versuchsanlage
von Bure. Vor den Gegnern des Projektes fürchten er und seine Kollegen
sich nicht; er erklärt betont gelassen:
Es gibt immer Leute, die gegen industrielle Großprojekte protestieren -
das ist überall so.
Trotzdem interessiert sich der Geologe und heutige
Kommunikationsbeauftragte von ANDRA für "seine Gegner". Er lässt sich
öfters auf den Versammlungen der Bewegung blicken und diskutiert auch
schon mal mit: "Ich habe großen Respekt vor der Überzeugung und dem
Durchhaltevermögen dieser Leute", so Sutre. "Einmal haben hier Gegner
vor dem Zentrum gecampt - allerdings haben sie nicht lange ausgehalten -
denn hier ist einfach nichts, weder Presse noch Publikum." Außer ein
paar Sachschäden oder kurzweilige friedliche Protestaktionen erwartet
der Andra-Sprecher nicht viel von der Anti-Atomszene.
Für Sutre ist die Sache klar: Der Müll muss irgendwo hin. Und einen
höheren Standard als die Versuchsanlage in Bure mit einem derart langen
Vorlauf an öffentlichen und wissenschaftlichen Austausch habe es so noch
nie gegeben. Die Region sei wie für die Sache gemacht: Nur drei Bauern
gäbe es in der Umgebung und viele Hausbesitzer, die sich aber nicht viel
für das Projekt interessierten. Einige seien sogar stolz auf die neue
"Attraktion" im Dorf und führten ihre Verwandten und Freunde zur
Versuchsanlage.
Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Anwohner auch nach 2030 noch in der
Gegend wohnen bleiben, wenn jede Woche LKW mit Atommüll durchs Dorf fahren.
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