[fessenheim-fr] Deutscher Atommuell soll in die USA

Klaus Schramm klausjschramm at t-online.de
Do Jun 5 16:13:05 CEST 2014


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Subject: [Aafr] Deutscher Atommüll soll in die USA
Date: Wed, 04 Jun 2014 07:53:58 -0500
From: Elke

http://www.heise.de/tp/artikel/41/41935/1.html


Deutscher Atommüll soll in die USA

Elke Brandes und Ralf Streck 04.06.2014

Getarnt als Material zur Wiederaufarbeitung soll Atommüll aus dem
Forschungszentrum Jülich ins US-Atomwaffenzentrum in South Carolina
verschifft werden

Atomkraftgegner in den USA haben herausgefunden, dass es seit drei
Jahren konkrete Verhandlungen darüber gibt, Atommüll mit hoch
angereichertem Uran aus dem havarierten AVR-Kugelhaufenreaktor im
Forschungszentrum Jülich ins Atomwaffenzentrum Savannah River Site in
South Carolina zu bringen. Tatsächlich drängt die Zeit, denn in Jülich
musste die Betriebsgenehmigung für die Lagerung schon zwei Mal
außerordentlich verlängert werden. Dass Atommüll in den USA sicher
gelagert werden könnte, daran werden die Zweifel angesichts der Vorgänge
in einem Lager für mittelradioaktiven Müll immer größer.

Immer mal wieder fallen negative Schlaglichter auf den 1988 havarierten
und stillgelegten AVR-Kugelhaufenreaktors im Forschungszentrum Jülich
(FJZ). Eine Expertenstudie kam 2008 zu dem Ergebnis, dass der Reaktor
einst nur knapp an einer Katastrophe "vorbeigeschlittert" sei. Erst
kürzlich wurde ein Bericht erstellt, der die wesentliche Kritikpunkte
aus der Zeit bestätigte. "Der AVR hätte nie betrieben werden dürfen,
weil er hochgradig unsicher war", bekräftigt der FZJ-Sicherheitsforscher
Rainer Moormann, der einst auf die gravierenden Probleme hingewiesen hatte.

Damit nicht genug, wurde auch bekannt, dass strahlender Müll aus dem
Reaktor ebenfalls im einstürzenden und absaufenden "Versuchsendlager"
Asse versenkt wurde. Mehr als 100 Fässer mit verstrahlten
AVR-Graphitkugeln wurden dort eingelagert. Es zeigte sich erneut, wie
schlampig sowohl auf Seiten der Reaktorbetreiber und im Endlager Asse
mit den hochgefährlichen Stoffen umgegangen wurde. So ist nur die Anzahl
der gelieferten und eingelagerten Fässer dokumentiert worden.

Deshalb musste die Anzahl der verstrahlten Kugeln im Nachhinein
geschätzt werden, die nun in der Asse auf die teure Rückholung warten
(Hohe Radioaktivität in der Asse). Und 2011 kam es dann erneut zu
Schlagzeilen, weil in Jülich sogar fast 2300 Brennstoffkugeln mit hoch
angereichertem Uran "vermisst" wurden.

Brennelementkugeln sollen in die USA verschifft werden

Klar ist, dass in einem Zwischenlager in Jülich derzeit in 152
CASTOR-Behältern fast 300.000 intakte abgebrannte Brennelementkugeln
lagern und die sollen nun offensichtlich in die USA verschifft werden.
Die Zeit drängt, denn die Betriebsgenehmigung für die Lagerung in Jülich
ist schon vor fast einem Jahr abgelaufen und wurde zwei Mal noch bis zum
kommenden Juli verlängert.

Telepolis liegt eine am 1. April unterzeichnete Absichtserklärung
zwischen der US Energiebehörde (Department of Energy, DOE), dem
Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem
Nordrhein-Westfälischen Wissenschaftsministerium vor, die einen Export
des Atommüll in die USA vorsieht.

Als Begründung für den Atommüllhandel wird darin unter anderem genannt:

Die Annahme des Brennstoffes würde durch die US-Richtlinie zur
Minimierung von hoch angereichertem Uran (highly enriched Uranium, HEU)
unterstützt. Mit dieser Richtlinie beabsichtigt die US Energiebehörde,
HEU im zivilem Handel zu reduzieren und schließlich vollständig zu
entfernen, indem sie das aus den USA stammende HEU in Brennstoffen aus
Deutschland entfernt und zur sicheren Lagerung zurück in die USA bringt,
wo es in eine Form umgewandelt wird, in der es nicht mehr für Atomwaffen
oder anderes improvisiertes Gerät zur Verbreitung von nuklearem Material
genutzt werden kann. Die Lagerung des Brennstoffes würde auch den Zielen
des Atom-Sicherheitsgipfels in 2014 beisteuern.

Auf Anfrage von US-Umweltschützern und Umweltschützerinnen hatte die DOE
mitgeteilt, dass ein Umweltgutachten für die Aufnahme von etwa 900 kg
hoch angereichertem Uran in das Atomwaffenzentrum Savannah River Site
(SRS) bei Aiken in South Carolina in Auftrag geben wurde.

Hintertüren

Dort soll der Atommüll laut der Vorvereinbarung angeblich zu seiner
Aufarbeitung gelagert werden. Bestätigt wurde damit ein Bericht des
Spiegels aus dem vergangenen Jahr, wonach deutsche und US-amerikanische
Behörden über einen möglichen Export von knapp 300.000 abgebrannten
Graphitkugeln aus dem AVR-Reaktor in Jülich verhandeln.

Nun ist klar, dass die Verhandlungen sich schon über drei Jahre
hinziehen. Hier drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass in den USA
ein neuer Abnehmer für den strahlenden Müll gesucht wurde, nachdem die
Versuche vor gut drei Jahren gescheitert waren, Atommüll in großem Stil
nach Russland zu verfrachten.

Der Spiegel hatte auch darüber berichtet, dass dieser Atommüll-Export in
die USA über eine Hintertür in dem im Sommer letzten Jahres
verabschiedeten Endlagersuchgesetz möglich ist. Denn das lässt den
Export von Atommüll aus Forschungszentren zu. Tatsächlich handelte es
sich beim Jülicher AVR Reaktor aber ohnehin nicht um einen
Forschungsreaktor.

Der Versuchsreaktor wurde von Energieunternehmen betrieben und speiste
über 20 Jahre Strom ins Netz ein. Der AVR wurde zwar vom FJZ
wissenschaftlich betreut und mit Betriebskostenzuschüssen unterstützt,
war aber formal unabhängig.

Verhandlungen über weitere Abnahmen

Doch damit nicht genug, machen die lokalen Umweltschützerinnen und
Umweltschützer von SRS Watch mit Bezug auf ihnen vorliegenden Daten
deutlich, dass es bei den 152 Castoren mit dem Atommüll aus Jülich nicht
bleiben soll. Denn verhandelt werde auch über die Annahme von weiteren
305 Castoren mit 605,000 Graphitkugeln aus dem THTR-300 in Hamm.

Dabei handelt es sich um das teure Debakel eines Atommeilers, der
zwischen 1985 bis zur schnellen Stilllegung 1989 nur an 432
Volllasttagen in Betrieb war. Dafür wurde der Strom hoch subventioniert,
denn neben offiziellen Subventionen gab es zudem für den erzeugten Strom
eine Abnahmegarantie zu einem an der Steinkohleverstromung orientierten
Preis, der damals um etwa 40 % über dem Abnahmepreis für andere
Atommeiler lag.

Welche neue Hintertür gefunden wird, um auch diesen Müll in die USA zu
schaffen, darauf darf man gespannt sein. Interessant ist vor allem die
Argumentation der "Rücknahme" des Brennstoffs durch den Hersteller USA,
die immer wieder verlautet wurde und auch in der Absichtserklärung
auftaucht. Mit der Argumentation könnte Deutschland praktisch seinen
gesamten Atommüll loswerden, indem es ihn an die Hersteller und
Lieferanten zurück gibt.

"Kein Einlagerungsplan"

Atomkraftgegner und Umweltschützer wehren sich auf beiden Seiten des
Atlantiks vehement dagegen, deutschen Atommüll in die USA zu
verschiffen. Der Leiter der lokalen Umweltorganisation Savannah River
Site Watch und langjährige Atomkraftgegner, Tom Clements, macht klar,
dass unter dem Vorwand der Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen
nun Atommüll in den USA entsorgt werden soll.

Das deutsche Atommüll-Dilemma, wie mit dem Atommüll umgegangen werden
soll, darf aber kein Atommüllproblem für Savannah River Site werden.

Deutschland müsse ihn selbst entsorgen und unsinnige und gefährliche
Transporte verhindern.

Auf Anfrage von Telepolis zweifelte Tom Clements daran, dass es gelingen
werde, über die Umrüstung einer bestehenden Aufarbeitungsanlage aus den
abgebrannten Graphitkugeln neue Brennstäbe für US-Atomkraftwerke
herzustellen.

Während unklar ist, ob ein so unüblicher hochradioaktiver Müll überhaupt
im SRS verarbeitet werden kann, ist sicher, dass es keinen
Einlagerungsplan für den Müll gibt.

Bislang wurde eine geplante Umwandlung nur mit geringen Mengen im Labor
erreicht. Auch die Energiebehörde gibt zu, dass die Entwicklung längst
nicht abgeschlossen sei. Bisher seien 1,5 Millionen Dollar in das
Projekt geflossen, doch müssten weitere 8,5 Millionen Dollar für die
Fortführung zur Verfügung gestellt worden. Und Clements nimmt es der
Energiebehörde nicht ab, dass sie den Import von deutschem Atommüll als
Maßnahme zur Anti-Proliferation plane.

Obwohl das DOE behauptet, dass das Material sicher entsorgt würde, gibt
es keinen Entsorgungsplan für hochradioaktiven Müll, und daher geht es
im Grunde um den Transport ins SRS zur langfristigen oder endgültigen
Lagerung.

Der Leiter von SRS Watch geht davon aus, dass ein Geschäft gemacht
werden soll, um viel Geld in die leeren Kassen der SRS-Betreiber zu
spülen. SRS Watch weist auch darauf hin, dass auf dem SRS-Gelände längst
Atommüll aus anderen Ländern gelagert werde. Plutonium sei unter anderem
schon aus Kanada, Belgien, Italien und Schweden angeliefert worden. Dazu
lagern auf dem Gelände 180 Millionen Liter flüssigen hochradioaktiven
Abfalls aus der Atomwaffenproduktion der 1950er Jahre. Die Tanks
beginnen längst undicht zu werden, weshalb der Müll unter hohem
finanziellem Aufwand in neue Behälter umgefüllt werden muss.

Dass mit einer angeblichen Rückholung des Atommülls in die USA gegenüber
dem Partner Deutschland argumentiert wird, entbehrt tatsächlich jeder
Logik. Oder wird der Bundesrepublik unterstellt, Handel mit
atomwaffenfähigem Material zu betreiben? Wohl kaum, ohnehin hätte
Deutschland auch trotz der Rücknahme der Graphitkugeln noch ausreichend
Material dafür auf Lager. Die USA müsste also das gesamte strahlende
Material aus Deutschland abnehmen, wenn diese Begründung ernst zu nehmen
wäre.

450 Millionen Euro Exportkosten?

So dürfte tatsächlich eher der enorme finanzielle Druck eine bedeutende
Rolle spielen, unter dem der SRS-Komplex steht. So bot sich die SRS
zuletzt auch als Zwischenlager für US-amerikanischen Atommüll an, was
aber zunächst durch den Einspruch von besorgten Bürgerinnen und Bürgern
verhindert werden konnte.

Der Spiegel hatte im September 2013 veröffentlicht, dass für den Export
des Atommülls aus Jülich 450 Millionen Euro im Gespräch seien. Das wäre
weitaus mehr als der Bau eines neuen Zwischenlagers dort kosten würde.
Erweitert man das gedanklich auf die mehr als doppelt so große Menge
Atommüll aus dem THTR, dann könnte es sich um eine Größenordnung von
über einer Milliarde Euro handeln.

Und mehr als kurios ist auch, wenn in der Absichtserklärung von einer
"sicheren Lagerung" des Atommülls in den USA gesprochen wird. Bekannt
ist, dass auch die USA - wie alle anderen Länder - über kein Endlager
für hochradioaktiven Müll verfügen. Und die Vorgänge in der Waste
Isolation Pilot Plant (WIPP) im US-Bundesstaat New Mexico lassen
erheblich Zweifel an einem verantwortlichen Umgang mit Atommüll in den
USA aufkommen.

Dabei wurde in dem Salzstock nur langlebiger mittelradioaktiver Abfall
aus der Atombombenproduktion eingelagert. Doch das Lager musste nach
einem Unfall im Februar geschlossen werden, bei dem Plutonium
freigesetzt wurde.

Aufplatzende Fässer

Inzwischen hat sich bestätigt, dass mindestens ein Atommüllfass wie
erwartet aufgeplatzt ist, das aus der Atomwaffenfabrik Los Alamos kam.
Die Inspektoren, die den Vorfall untersuchen, fanden heraus, dass zwar
tatsächlich die Decke eingestürzt war. Aber das war offenbar nicht die
Ursache für das Aufplatzen des Behälters, sondern es kam im Fass zu
einer Explosion. Der Grund dafür war offenbar, dass falsches
handelsübliches Katzenstreu beigemischt wurde.
	
Aufgeplatztes Fass; Foto: US Department of Energy 	

Mit anorganischem Katzenstreu sollen die Nitrate im radioaktive Material
stabilisiert werden, so dass es nicht austrocknet und sich überhitzt.

Vermutet wird nun, dass aber auch organisches, aus Mais oder Weizen
hergestelltes Katzenstreu verwendet wurde, was weitere Explosionen und
damit die Freisetzung von Plutonium zur Folge haben könnte. Das große
Problem besteht nun darin, heraus zu finden, welche Fässer mit dem
falschen Katzenstreu befüllt wurden, die sich als explosive Zeitbomben
im WIPP oder in den anderen Lagerstätten befinden.











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