[fessenheim-fr] Massive Kuerzung bei Photovoltaik
klausjschramm at t-online.de
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Fr Feb 24 00:24:20 CET 2012
22.02.2012
Massive Kürzung bei Photovoltaik
Energie-Wende erfordet realen Atom-Ausstieg
Die derzeit in Deutschland in den Mainstream-Medien geführte
Diskussion vor dem Hintergrund der angekündigten massiven Kürzung der
Einspeisevergütung für Strom aus Photovoltaik lenkt von einer
ehrlichen Bilanz von Kosten und Einsparungen ab. Eine Energie-Wende
in Deutschland setzt einen Atom-Ausstieg voraus und würde unterm
Strich auch finanziell positiv zu Buche schlagen.
Derzeit wird in den Mainstream-Medien über Pro und Contra der
"Förderung" erneuerbarer Energien eine Schein-Diskussion
veranstaltet. Es werden Zahlen in den Raum geworfen, wonach die
erneuerbaren Energien mit 5 bis 6 oder gar mit 13,5 Milliarden Euro
(Bundesnetzagentur) subventioniert würden.
Dies stellt eine doppelte Irreführung der Öffentlichkeit dar. Denn
zum einen wird trotz des im Sommer 2011 von "Schwarz-Rot- Grün-Gelb"
angekündigten Atom-Ausstiegs die Atomenergie in Deutschland nach wie
vor auf direktem und indirektem Weg mit über 14 Milliarden Euro pro
Jahr subventioniert. Zum anderen flossen zwar tatsächlich über die
Einspeisevergütung im vergangenen Jahr 13,5 Milliarden Euro anteilig
aus den überwiegend von den Haushalten bezahlten Stromrechnungen an
die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien - doch meist wird
bei der Nennung dieser Zahl unterschlagen, daß die Einspeisung von
Strom aus erneuerbaren Energien zugleich den Strompreis senkt und
etliche andere geldwerte Auswirkungen mit sich bringt, die bei einer
fairen Bilanz einberechnet werden müßten.
Einzuberechnen sind zum einen die vermiedenen Kosten durch die
unbestreitbare Absenkung des an den Strombörsen ausgehandelten
Strompreises. Allein dieser Betrag beläuft sich nach Berechnungen des
Fraunhofer Instituts für Innovationsforschung auf 0,5 Cent pro
Kilowattstunde und damit rund 3 Milliarden Euro pro Jahr. Zum anderen
sind die vermiedenen externen Kosten in eine Bilanz einzusetzen.
Diese vermiedenen Kosten ergeben sich daraus, daß Strom aus
erneuerbaren Energien dieselbe Menge an Strom aus klimaschädlicher
Erzeugung verdrängt. Anzusetzen sind dabei durchschnittlich 550 Gramm
Kohlendioxid pro Kilowattstunde. Allein nach offiziellen Zahlen sind
pro Tonne Kohlendioxid 70 Euro externe Kosten anzusetzen. Daraus
ergibt sich, daß rund 4 Cent pro Kilowattstunde an externen Kosten
vermieden werden. Dies ist bereits mehr als die 3,6 Cent pro
Kilowattstunde, die ein durchschnittlicher Haushalt anteilig mit der
Stromrechnung für die Einspeisevergütung der erneuerbaren Energien
aufbringt.
Im vergangenen Jahr haben die erneuerbaren Energien einen Anteil von
20 Prozent am Stromverbrauch Deutschlands von insgesamt rund 600 TWh
(Terawattstunden) überschritten. Dies entspricht rund 120 TWh. 4 Cent
pro Kilowattstunde an vermiedenen externen Kosten ergeben daher eine
Summe von 4,8 Milliarden Euro, die den erneuerbaren Energien in einer
fairen Bilanz gutgeschrieben werden müssen.
Außerdem sind die vermiedenen Kosten des ansonsten bei der Strombörse
einzukaufenden Stroms in der Bilanz für die erneuerbaren Energien in
Rechnung zu bringen. Diese liegen im Mittel des vergangenen Jahres
bei 7 bis 8 Cent pro Kilowattstunde. Vorsichtig mit 7 Cent eingesetzt
ergibt sich ein weiterer Betrag von 8,4 Milliarden Euro, der den
erneuerbaren Energien gutgeschrieben werden muß. Die realen Kosten
des Atomstoms, bei dessen betriebswirtschaftlicher Berechnung die
Kosten im Falle eines Super-GAU in Deutschland ebenso wenig
einberechnet sind wie die Kosten einer Endlagerung des Atommülls für
mehrere Millionen Jahre, ist hierbei noch gar nicht berücksichtigt.
Der Abzug, der bei einer Bilanz also zumindest zu berücksichtigen,
beträgt als Summe aus 3 Milliarden, 4,8 Milliarden und 8,4 Milliarden
insgesamt 16,2 Milliarden. Dies ist bereits mehr als die
Einspeisevergütung, die sich laut Bundesnetzagentur im vergangenen
Jahr auf 13,5 Milliarden Euro belief.
Während zur Zeit im öffentlichen Diskurs meist nur diese Zahl von
13,5 Milliarden Euro als Subventionierung des Stroms aus erneuerbaren
Energien auftaucht, hat zumindest der Bundesverband der Deutschen
Industrie (BDI) in einer im Mai vergangenen Jahres veröffentlichten
Studie einen Teil der vermiedenen Kosten berücksichtigt und so eine
Summe von 51 Milliarden Euro der Öffentlichkeit präsentiert, die ein
"übereilter" Umbau der Energieversorgung bis zum Jahr 2020 hin zu
erneuerbaren Energien kosten würde. Dies ergäbe bei der betrachteten
Zeitspanne von neun Jahren immerhin eine - fiktive - Subventionierung
der erneuerbaren Energien von rund 5,7 Milliarden Euro pro Jahr. Doch
selbst bei der höchst einseitigen Betrachtungsweise des BDI ergäbe
sich folgende Bilanz: Da der BDI behauptet, Atomkraftwerke würden
auch ohne staatliche Subventionierung betrieben, kann die Summe von
14 Milliarden pro Jahr eingespart werden und so stünde den genannten
51 Milliarden Euro in neun Jahren eine Einsparung von 126 Euro
gegenüber. Euro unterm Strich ergibt sich also ein Plus von satten 75
Milliarden Euro.
Da im öffentlichen Diskus zur Zeit die Subventionierung der
Atomenergie mit jährlich über 14 Milliarden Euro in Deutschland meist
völlig ausgeblendet wird, entsteht ein völlig schiefes Bild. Erwähnt
sei der Vollständigkeit halber, daß sich die deutsche Kohle-
Subvention auf jährlich 13 Milliarden Euro beläuft. Auf der anderen
Seite jedoch gleichen die erneuerbaren Energien die
Einspeisevergütung, die sich im vergangenen Jahr auf 13,5 Milliarden
Euro belief, mehr als aus und schlagen daher finanziell positiv zu
Buche. Im Vergleich zur Subventionierung von Atomenergie und Kohle
sind die Fördermittel für erneuerbare Energien mit den in die Menge
gestreuten Kamellen eines Kölner Karnevals-Prinzen zu vergleichen.
Daß sich die deutsche Bevölkerung trotz der großangelegten und breit
von den Mainstream-Medien unterstützten Kampagne gegen die
erneuerbaren Energien nicht im erhofften Ausmaß irreführen läßt,
zeigen aktuelle Umgfrageergebnisse: Nach wie vor ist eine Mehrheit
für einen beschleunigten Ausbau insbesondere der Solarenergie. Laut
einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS
Emnid halten 69 Prozent den bisherigen Ausbau dieser Energieform
nicht für zu schnell. 60 Prozent der Befragten vertraten die Ansicht,
die Politik tue zu wenig zur Förderung des Solarstroms.
Vorbereitet wurde der nun zu erwartende und von den Ministern Norbert
Röttgen und Philipp Rösler zu verkündende Kahlschlag bei der
Einspeisevergütung durch eine jahrelange kaum beachtete Verschiebung
der Lasten zu Ungunsten der privaten Haushalte. Auf diese Weise wurde
offenbar die derzeitige Kampagne gegen die "ausufernden Kosten", die
angeblich durch die erneuerbaren Energien verursacht werden,
vorbereitet. Ursprünglich sollten alle StromkundInnen - private wie
unternehmerische - die Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren
Energien anteilig über die Stromrechnung bezahlen. Doch zunächst
wurden ausgerechnet stromintensive Groß-Konzerne wie etwa die
Aluminium-Produzenten und Chemie-Unternehmen geschont. Nach und nach
wurden immer mehr Ausnahmen eingeführt. Zu Beginn erfreuten sich
bundesweit lediglich rund 600 Betriebe einer Ausnahmegenehmigung.
Heute sind dies über 6000. Und so bezahlen inzwischen nahezu
ausschließlich Privathaushalte und Handwerksbetriebe die
Einspeisevergütung. Deren Last stieg auf diese Weise
überproportional. Und VerbraucherInnen-Verbände, deren
Führungspersonal nicht selten ein gelbes Parteibuch besitzt, griffen
dies auf, um nunmehr eine "untragbare Belastung" der VerbraucherInnen
zu beklagen. Wäre die Verteilung jedoch entsprechend dem realen
Anteil am Stromverbrauch müßte ein deutscher Durchschnittshaushalt
lediglich 7,60 Euro statt 10,50 Euro pro Monat für die
Einspeisevergütung aufbringen.
Angesichts der realen Geldflüsse und Subventionen ist es schlicht
absurd, wenn in den Mainstream-Medien zur Zeit suggestiv die Frage
gestellt wird, ob 10,50 Euro pro deutschem Durchschnittshaushalt viel
oder wenig Förderung der erneuerbaren Energien sei. Würde in
Deutschland tatsächlich ein Atom-Ausstieg vollzogen - und die
sofortige Stilllegung der neun Atom-Reaktoren, die de facto
unbefristet weiter betrieben werden dürfen, wäre versorgungstechnisch
kein Problem - und würden zudem in den kommenden acht Jahren
Steinkohle- und Braunkohle-Kraftwerke schrittweise stillgelegt,
müßten überhaupt keine Einspeisevergütungen für Strom aus
erneuerbaren Energien gezahlt werden, denn die Strompreise würden
über die üblichen Marktmechanismen dafür sorgen, daß der Ausbau von
Windkraftanlagen, Solarzellen, Wasserkraftwerken und Biogasanlagen
auf der Grundlage landwirtschaftlicher Abfälle und Mist weitaus
zügiger vonstatten ginge als in den vergangenen Jahren. In nur acht
Jahren wäre so eine Energie-Wende zu einer Vollversorgung des
Strombedarfs aus erneuerbaren Energien realisierbar.
All diese Überlegungen zu den Kosten - oder finanziellen Vorteilen -
einer Energie-Wende sollten jedoch in Anbetracht der herannahende
Klimakatastrophe zweitrangig sein. Vor wenigen Jahren noch
präsentierte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel als "Vorreiterin" im
Klimaschutz. Nun jedoch werden die Minister Röttgen und Rösler mit
den angekündigten Kürzungen dafür sorgen, daß Deutschland die
vollmundig angekündigten Reduktionsziele nicht wird einhalten können.
Wieder einmal stellen sich die Versprechungen von Partei-
PolitikerInnen als heiße Luft heraus.
Und nicht zuletzt sollten die möglichen Kosten einer Energie-Wende in
Relation gesetzt werden - nicht nur zu den Kosten eines Super-GAU,
die auf mehrere hundert Milliarden Euro zu veranschlagen sind,
sondern - insbesondere zu dem Leid, das den von einem Super-GAU
betroffenen Menschen zugefügt wird. Denn das, was sich in Tschernobyl
und Fukushima ereignete, kann uns schon morgen auch in Deutschland
treffen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Stuttgart ergrünt
EWS steigt bei Stuttgarter Stadtwerken ein (19.02.12)
Erneuerbare Energien
haben auch in Frankreich eine Chance (16.02.12)
Trotz Kälte
kein Strommangel in Deutschland (3.02.12)
Energie-Wende in den USA?
90 Prozent für erneuerbare Energie (15.01.12)
Baden-Württemberg bleibt schwarz
Atomenergie unangefochten, Erneuerbare gebremst
(14.01.12)
Stimmungsmache gegen Erneuerbare
im Dienste der "Großen Vier" (13.01.12)
Solon insolvent
Rückschlag für erneuerbare Energien (15.12.11)
Südwest Presse
hängt sich an Stromimport-Lüge an (8.10.11)
Strom-Importe wegen Merkels "Atom-Ausstieg"?
Lügen! Lügen! Lügen! (12.09.11)
Erneuerbare bei über 20 Prozent
Energiewende dennoch gebremst (29.08.11)
Merkels "Atom-Ausstieg"
Täuschungsversuch wie vor 11 Jahren
Wie Kretschmann 2002 einen
"politischen Selbstmord" überlebte (30.05.11)
Atom-Ausstieg teuer?
Im Gegenteil: Ersparnis von jährlich
mehr als 8 Milliarden Euro (10.05.11)
86 Prozent der Deutschen:
Erneuerbare Energien sind wichtig
Wieviel kostet Öko-Strom wirklich? (16.10.10)
Greenpeace deckt auf: Deutsche Kohle-Subvention
mit jährlich 13 Milliarden Euro (4.06.10)
Die Subventionierung der Atomenergie
Folge 3 der Info-Serie Atomenergie
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