[fessenheim-fr] Atom-Ausstieg?
klausjschramm at t-online.de
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Fr Jul 1 17:10:38 CEST 2011
Hallo Leute!
Hier ein Kommentar zu dem, was gestern im Deutschen Bundestag
beschlossen wurde und was uns nun als Nachricht serviert wird.
Ciao
Klaus Schramm
Atom-Ausstieg?
Lügenpack!
Gestern wurde im Deutschen Bundestag angeblich ein "Atom-Ausstieg"
beschlossen. Auch wenn dies von nahezu allen deutschen Medien nun als
Nachricht verbreitet wird, handelt es sich um eine Lüge. Schlimmer
noch, damit wird ein Verbrechen gedeckt.
Die Titel:
"Atomausstieg: Parteien reklamieren Erfolg für sich" (ARD-Tagesschau)
"Atomausstieg ist besiegelt" (Badische Zeitung)
"Atom-Ausstieg: Atomkraft läuft aus" (Der Westen)
"Atom: Bundestag verabschiedet sich von der Kernkraft" (focus)
"Bundestag billigt Energiewende" (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
"Atomausstieg besiegelt" (Hamburger Abendblatt)
"Bundestag beschließt Atomausstieg" (junge Welt)
"Atomausstieg: Nach mehr als 30 Jahren am Ziel" (Märkische
Oderzeitung)
"Atomausstieg: Epochaler Schritt" (Mitteldeutsche Zeitung)
"Bundestag beschließt Atomausstieg" (Neues Deutschland)
"Historischer Beschluss - Bundestag besiegelt Aus für Atomkraft"
(spiegel)
"Bundestag beschließt Atomausstieg" (stern)
"Bundestag: Historischer Beschluss: Atomausstieg bis 2022 perfekt"
(Stuttgarter Zeitung)
"Atomausstieg - Und der Staat bewegt sich doch" (Süddeutsche Zeitung)
"Bundestag beschliesst Atomausstieg" (taz)
Gelegentlich wurden die zugehörigen Artikel noch - wie etwa in der
'taz' - mit einer weiteren Lüge garniert: "Als erste Industrienation
der Welt will Deutschland alle Atomkraftwerke abschalten." Eine
besonders dreiste Lüge, nachdem wegen des Volksentscheids in Italien
kürzlich auch in einigen deutschen Medien an den (realen) Atom-
Ausstieg des Jahres 1987 erinnert wurde.
Die Gleichschaltung der deutschen Medien-Landschaft ist erschreckend.
Verwunderlich jedoch ist sie nicht, wenn wir uns die
Besitzverhältnisse und Abhängigkeiten bewußt machen.
Dabei geht es nicht einmal vorrangig darum, daß mit der Nachricht,
ein Atom-Ausstieg sei beschlossen worden, eine Lüge verbreitet wird.
Denn zugleich decken alle, die uns heute einen Atom-Ausstieg
weismachen wollen, ein gigantisches Verbechen.
Wer Russisches Roulette spielt, hält sich die Mündung selbst an die
Schläfe. Für viele Jahre jedoch - wie lange über das Jahr 2013 hinaus
ist völlig offen - soll uns das Spiel mit dem Risiko zugemutet
werden, obwohl eine Mehrheit in diesem Land diesem Spiel nie
zugestimmt hat. Spätestens seit der Reaktor-Katastrophe von
Harrisburg im Jahr 1979 und nicht erst seit dem 11. März 2011 muß
klar sein, daß es sich beim "Restrisiko" nicht um eine "abstrakte
Größe" handelt, sondern um ein reales Risiko, das uns jederzeit den
Rest geben kann.
Doch dieses Verbrechen hat noch etliche weitere Facetten:
Die Menschenopfer der stillen Katastrophe in der Umgebung von
Atomkraftwerken, von Urananreicherungsanlagen, von Plutoniumfabriken
(sogenannten Wiederaufarbeitungs- anlagen) und in den Gebieten des
Uran-Bergbaus.
Das ungeheuerliche Verbrechen, tausenden zukünftigen Generationen
einen Müll zu hinterlassen, der gefährlicher und giftiger ist als
alles, was Menschen je erfunden haben und für dessen sichere Lagerung
wir bis heute (nach über 50 Jahren kommerziellen Betriebs von
Atomkraftwerken) keine Lösung benennen können.
Die Gefahr der Proliferation, die nicht nur mit der Lieferung von
Atomtechnologie in Diktaturen oder Staaten mit instabilen Regierungen
(Beispiel: Libyen) verbunden ist, sondern gleichzeitig mit der
Ausbildung von WissenschaftlerInnen (Beispiel: Abdul Qadeer Khan) in
Universitäten und Forschungseinrichtungen im Umgang mit der zugleich
zum Zwecke der Energiegewinnung, aber auch dem des Baus der Atombombe
geeigneten Atomtechnologie.
Die Blockierung der Entwicklung der erneuerbaren Energien, denen
durch die fortgesetzte Subventionierung der Atomenergie finanzielle
Fördermittel allein in Deutschland im zweistelligen Milliardenbereich
pro Jahr entzogen werden.
Allein diese fünf Facetten des Wahnsinns zeigen, daß der Betrieb
jedes Atomkraftwerks - auch nur um einen einzigen Tag länger -
unmoralisch und verbrecherisch ist.
Mit dem gestrigen Beschluß des Deutschen Bundestages legalisieren
vier Parteien das Verbrechen, Atomkraftwerke weiter zu betreiben. Daß
dies unter demselben Vorwand eines Atom-Ausstiegs geschieht, ist nur
formal dasselbe Verbrechen wie vor elf Jahren. Auch wenn nun
lediglich neun von bisher 17 Reaktoren weiterbetrieben werden dürfen,
ist das damit verbundene Risiko erheblich höher als noch vor elf
Jahren. Nach der auslegungsbedingten maximalen Betriebszeit von 25
Jahren nimmt das Risiko infolge der unvermeidbaren Versprödung der
Reaktordruckbehälter von Jahr zu Jahr immer stärker zu.
Das derzeitige Alter der neun "jüngeren" Reaktoren:
Grafenrheinfeld: 29 Jahre
Gundremmingen B: 27 Jahre
Gundremmingen C: 26 Jahre
Grohnde: 26 Jahre
Philippsburg II: 26 Jahre
Brokdorf: 25 Jahre
Isar II: 23 Jahre
Emsland: 23 Jahre
Neckarwestheim II: 22 Jahre
Für dieses Verbrechen können nicht einmal mildernde Umstände geltend
gemacht werden, denn ein sofortiger Atom-Ausstieg wäre in Deutschland
ohne technische Schwierigkeiten und ohne Einbußen des derzeit
gewohnten Lebensstandards möglich.
Die Gesamtleistung des Kraftwerksparks ist weit höher als die jemals
abgerufene Höchstlast. In Deutschland steht ein Kraftwerkspark mit
einer installierten Leistung von insgesamt 155 Gigawatt zur
Verfügung. Diese Zahl wird vom Bundesverband der Energie- und
Wasserwirtschaft (BDEW) aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen
veröffentlicht
(http://www.bdew.de/internet.nsf/id/DE_Energiedaten).
Diese Zahl wird auch auf der entsprechenden Seite bei Wikipedia
(http://de.wikipedia.org/wiki/Installierte_Leistung) für das Jahr
2009 genannt. Gehen wir hier jedoch vorsichtig von der ebenfalls auf
der genannten Internet-Seite des BDEW im Abschnitt "10.3
Stromversorgung am Tag der Winterhöchstlast" genannten Zahl von 129
GW für die Netto-Kraftwerksleistung aus. Selbst bei Höchstlast wurden
in den vergangenen Jahrzehnten nie mehr als 80 Gigawatt Leistung in
Anspruch genommen - zuletzt am 3. Dezember 2007.
Im Jahr 1998 waren in Deutschland 19 Reaktoren in Betrieb. Die
Gesamtleistung der 17 nach dem "Atom-Ausstieg" von "Rot-Grün" von
2005 bis heute weiterbetriebenen Reaktoren in 12 deutschen
Atomkraftwerken beträgt 22 Gigawatt. Selbst wenn also konservativ
eine Sicherheits-Reserve von 10 Gigawatt Leistung als nötig erachtet
würde, könnten sämtliche deutschen Atomkraftwerke ohne Verlust an
Versorgungs-Sicherheit sofort stillgelegt werden. Nach Abzug der 22
Gigawatt der deutschen Atomkraftwerke bleibt eine Gesamtleistung des
deutschen Kraftwerksparks von 107 Gigawatt. Statt der bei äußerster
Vorsicht veranschlagten 10 Gigawatt bliebe also immer noch eine
Sicherheitsreserve von 27 Gigawatt.
Nun war in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit immer wieder
davon die Rede, der von der "schwarz-gelben" Bundesregierung unter
Kanzlerin Angela Merkel angebotene "Atom-Ausstieg" stelle einen
Kompromiß dar. Ganz gleichgültig, ob wir in einer solch gefährlichen
Problematik bereit sein könnten oder wollten, Kompromisse einzugehen:
Bei dem, was nun gestern von vier Parteien im Deutschen Bundestag
beschlossen wurde, handelt es sich nicht etwa um einen Kompromiß,
sondern um das Optimum, was die AKW-Betreiber in Deutschland derzeit
erwarten können.
Es handelt sich auch nicht etwa um einen "halben Atom-Ausstieg" wie
allenthalben zu hören ist. Denn bei den acht Reaktoren, die - nach
dem Stand der regierungsamtlichen Verlautbarungen - demnächst
stillgelegt werden sollen, handelt es sich samt und sonders um
Reaktoren, die bereits die auslegungsbedingte Höchstbetriebsdauer von
25 Jahren überschritten hatten. Die Laufzeit von Biblis A
(Betriebsbeginn 1975) wurde beispielsweise bereits um 11 Jahre
verlängert. Die für die übrigen neun Reaktoren genannten Abschalt-
Jahreszahlen sind irrelevant, da sie nach 2013 liegen, dem Jahr der
kommenden Bundestagswahl. Und jede zukünftige Bundesregierung kann
dann die Laufzeiten weiter verlängern. Daß ein solcher "Ausstieg aus
dem Ausstieg" keineswegs unwahrscheinlich ist, bewies nicht allein
der Beschluß von
"Schwarz-Gelb" im vergangenen Herbst, sondern schon zuvor
entsprechende
Kehrtwenden in Spanien (2009) und Schweden.
Dieser gestern verkündete "Atom-Ausstieg" bedeutet daher, daß die
Laufzeiten
von neun Reaktoren auf unbestimmte Dauer verlängert werden sollen!
Selbst der "j
üngste" der insgesamt 17 Reaktoren, Neckarwestheim II, der 1989 in
Betrieb ging, hätte 2014 das Ende seiner anlagebedingten maximalen
Betriebszeit erreicht. Bei Merkels "Atom-Ausstieg" handelt sich im
Wesentlichen eine Bestandsgarantie.
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