[fessenheim-fr] Atom-Ausstieg teuer?
klausjschramm at t-online.de
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Mi Mai 11 20:51:02 CEST 2011
Hallo Leute!
Hier ein Artikel zur aktuellen Diskussion über die Kosten
einer Energie-Wende.
Ciao
Klaus Schramm
10.05.2011
Atom-Ausstieg teuer?
Im Gegenteil: Ersparnis von jährlich mehr als 8 Milliarden Euro
Um die finanzielle Bilanz einer Energie-Wende mit sofortigem Atom-
Ausstieg abzuschätzen, gilt es auf der einen Seite die Kosten für den
schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien als Minus mit den
Einsparungen an Subventionen für die Atomenergie als Plus zu
verrechnen. Nach der gestern veröffentlichten brutalstmöglichen
Schätzung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) soll ein
"übereilter" Umbau der Energieversorgung bis zum Jahr 2020 insgesamt
51 Milliarden Euro kosten.
Auf der Plus-Seite ließen sich hingegen bei einem sofortigen Atom-
Ausstieg jährlich Subventionen von 14 Millarden Euro einsparen. Dies
ergibt in den neun Jahren bis 2020 eine Summe von 126 Milliarden Euro
- und damit nach Abzug der vom BDI veranschlagten 51 Milliarden Euro
unterm Strich ein Plus von satten 75 Milliarden Euro. Eine Energie-
Wende mit sofortigen Atom-Ausstieg würde also für den Staatshaushalt
eine Ersparnis von jährlich mehr als 8 Milliarden Euro bedeuten.
Wie in unserem Hintergrund-Artikel "Die Subventionierung der
Atomenergie" ausführlich dargelegt, wurde die Atomenergie bis in die
jüngste Vergangenheit mit jährlich mindestens 17 Milliarden Euro
subventioniert. Ein Teil dieser Subventionierung wäre durch die im
vergangenen Herbst von "Schwarz-Gelb" eingeführte Brennelemente-
Steuer gekappt worden. Die Bundesregierung ging zwar nur von
Einnahmen in Höhe von jährlich 2,3 Milliarden Euro aus - in die
Gesamtsumme von 17 Milliarden Euro für die verschiedenen Formen der
(zu weiten Teilen verdeckten) Subventionierung der Atomenergie war
der Verzicht auf eine im Vergleich zu den anderen Energieträgern
angemessene Besteuerung von Uran jedoch mit 3 Milliarden Euro pro
Jahr eingegangen. Da bei einem sofortigen Atom-Ausstieg keine Steuern
auf Uran mehr eingenommen werden können, muß dieser Betrag abgezogen
werden, so daß eine Einsparung von jährlich 14 Milliarden an
Atomenergie-Subventionen in die Rechnung eingeht.
Nun wird in den Mainstream-Medien immer wieder in Zweifel gezogen,
daß ein sofortiger Atom-Ausstieg überhaupt möglich sei. Hierbei wird
jedoch regelmäßig eine wichtige Information unterschlagen. Nach wie
vor ist die Gesamtleistung des Kraftwerksparks in Deutschland weit
höher als die jemals abgerufene Höchstlast. In Deutschland steht ein
Kraftwerkspark mit einer installierten Leistung von insgesamt 155
Gigawatt zur Verfügung. Diese Zahl wird vom Bundesverband der Energie-
und Wasserwirtschaft (BDEW) aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen
veröffentlicht
(http://www.bdew.de/internet.nsf/id/DE_Energiedaten).
Diese Zahl wird auch auf der entsprechenden Seite bei Wikipedia
(http://de.wikipedia.org/wiki/Installierte_Leistung) für das Jahr
2009 genannt. Gehen wir hier jedoch vorsichtig von der ebenfalls auf
der genannten Internet-Seite des BDEW im Abschnitt "10.3
Stromversorgung am Tag der Winterhöchstlast" genannten Zahl von 129
GW für die Netto-Kraftwerksleistung aus. Selbst bei Höchstlast wurden
in den vergangenen Jahrzehnten nie mehr als 80 Gigawatt Leistung in
Anspruch genommen - zuletzt am 3. Dezember 2007. Die Gesamtleistung
der 17 derzeit noch nicht stillgelegten Reaktoren in 12 deutschen
Atomkraftwerken beträgt 22 Gigawatt. Selbst wenn also konservativ
eine Sicherheits-Reserve von 10 Gigawatt Leistung als nötig erachtet
würde, könnten sämtliche deutschen Atomkraftwerke ohne Verlust an
Versorgungs-Sicherheit sofort stillgelegt werden. Nach Abzug der 22
Gigawatt der deutschen Atomkraftwerke bleibt eine Gesamtleistung des
deutschen Kraftwerksparks von 107 Gigawatt. Statt der bei äußerster
Vorsicht veranschlagten 10 Gigawatt bliebe also immer noch eine
Sicherheitsreserve von 27 Gigawatt.
Tasächlich wäre eine Energie-Wende nicht wie vom Bundesverband der
Deutschen Industrie als "übereiltes" Szenario dargestellt in neun
Jahren, sondern sogar in acht Jahren bei einer sofortigen Stilllegung
der Atomkraftwerke realisierbar. Selbst bei dem gebremsten Wachstum
der erneuerbaren Energien, wie es in den vergangenen Jahren wegen der
Behinderung durch behördliche Auflagen und wegen der weitaus höhere
Subventionierung der Atomenergie zu beobachten war, könnte die
Stromversorgung in Deutschland in acht Jahren zu 100 Prozent auf
Ökostrom umgestellt werden. Für rund fünf Jahre müßte dabei ein
höherer Einsatz der vorhandenen Kohle- und Gaskraftwerke in Kauf
genommen werden.
Entgegen immer wieder in den Medien lancierter Propaganda der Energie-
Konzerne stellt eine Vollversorgung des Strombedarfs mit erneuerbaren
Energien kein "Flächenproblem" dar. Allein die derzeitige
landwirtschaftliche Stillegungsfläche Deutschlands von rund 2
Millionen Hektar würde ausreichen, um ausschließlich mit Photovoltaik-
Anlagen rund 900 TWh pro Jahr - also weit mehr als den derzeitigen
Strombedarf von rund 600 TWh pro Jahr - zu decken.
Bis zum Jahr 2019 könnte bei den bisherigen Ausbauraten mit
Windenergie eine Stromproduktion von rund 310 TWh pro Jahr erreicht
werden. Mit Biomasse könnten im Jahr 2019 109 TWh und mit
Photovoltaik 465 TWh erzielt werden. Die erneuerbaren Energien
könnten den Strombedarf im Jahr 2019 also problemlos decken. Würden
die bisherigen politischen Hindernisse aus dem Weg geräumt, könnte
100 Prozent Ökostrom sogar in weniger als 8 Jahren erreicht werden.
Bei dieser Hochrechnung ist der Ausbau der Wasserkraft - gerade in
Baden-Württemberg liegt ein gewaltiges Potential an Wasserkraft
kleiner Flüsse und Bäche bisher brach - noch gar nicht eingerechnet.
Ein weiteres gewaltiges Potential ist ebenso wenig eingerechnet: Die
technologischen Möglichkeiten der Effizienzsteigerung und
Stromeinsparung. So ist es völlig unsinnig, eine hochwertige Energie
wie Strom für die Wärmebereitstellung einzusetzen. Der Betrieb von
Elektroherden, Waschmaschinen mit elektrischen Heizstäben oder gar
Nachtstrom-"speicher"-Öfen hätte längst verboten werden müssen. Die
Umstellungskosten für die Beseitigung dieses technologischen
Irrsinns, der allein der Profitsteigerung der Strom-Konzerne diente,
müßte von diesen zu 100 Prozent getragen werden. Allein mit der
Vermeidung von Standby-Verlusten kann der Stromverbrauch um rund 18
TWh pro Jahr gesenkt werden.
Würden die vorsichtig veranschlagten Finanzmittel von rund 8
Milliarden Euro pro Jahr, die nach einem sofortigen Atom-Ausstieg
frei würden, für eine Anschubfinanzierung von Energie-Effizienz-
Technologie im Bereich der industriellen Produktion eingesetzt,
könnte innerhalb weniger Jahre der heutige Strombedarf um die Hälfte
reduziert werden. Um so schneller wäre somit eine Umstellung auf 100
Prozent Ökostrom möglich.
Bei einem Energie-Szenario für das Jahr 2019 sei hier nur einmal
vorsichtig eine Reduzierung des jährlichen Stromverbrauchs in
Deutschland um 170 TWh auf 430 TWh angepeilt. Diese 430 TWh können
bei sehr vorsichtiger Prognose im Jahr 2019 wie folgt bereitgestellt
werden: Windenergie 260 TWh, Photovoltaik 80 TWh, Wasserkraft 50 TWh
und Biomasse 40 TWh.
Da im dargestellten Szenario von den bisher zu beobachtenden
Wachstumsraten ausgegangen wird, müssen für den weiteren Ausbau der
erneuerbaren Energien lediglich die Kosten des EEG angesetzt werden.
Von diesen Kosten sind die vermiedenen externen Kosten abzuziehen,
die bei einer Stromerzeugung mit dem heutigen Energiemix pro TWh
anfallen. Die Daten über die externen Kosten stammen vom
Bundesumweltministerium. Dabei produzieren die heutigen Kraftwerke
auf fossiler und atomarer Basis im Schnitt 548,5 Gramm CO2 pro kWh
Strom. Das Bundesumweltministerium geht von 70 Euro pro Tonne CO2
aus. Damit ergeben sich externe Kosten von 4,07 Cent pro kWh Strom.
Diese eingesparten externen Kosten werden den erneuerbaren Energien
gutgeschrieben. Außerdem werden den erneuerbaren Energien die
vermiedenen Erzeugungskosten des auf fossiler und atomarer Basis
erzeugten Stroms gutgeschrieben. Ihre eigenen externen Kosten werden
hinzugerechnet. Im Ergebnis kostet daher der beschriebene Ausbau der
erneuerbare Energien über einen Zeitraum von 8 Jahren lediglich 12,3
Milliarden
Euro.
Doch wie hier aufgezeigt wurde, kann selbst bei den vom BDI
veranschlagten
Horror-Kosten von 51 Milliarden Euro in neun Jahren unterm Strich
eine positive
Bilanz gezogen werden. Und eigentlich sollten statt der finanziellen
Seite die
postiven Auswirkungen eines Atom-Ausstiegs im Zentrum stehen: Die
Verminderung
der tödlichen Bedrohung durch das "Restrisiko", die Vermeidung von
Krebs und
Leukämie in der Umgebung der Atomkraftwerke, die Reduzierung des
unverantwortlichen Uran-Abbaus zu Lasten indigener Völker und vieles
andere
mehr.
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