[fessenheim-fr] Auch Terrorangriffe gegen AKW

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Do Mär 31 17:57:24 CEST 2011


31.03.2011

Restrisiko:
Auch Terrorangriffe gegen AKW
sollen nicht länger ausgeblendet werden

Grafik: Nur ein Restrisiko? 

Berlin (LiZ). Bundes-Atom- Minister Norbert Röttgen hat heute darüber 
informiert, welchen Prüfauftrag die Reaktor-Sicher- heitskommission 
(RSK) im Rah- men des 3-monatigen Morato- riums übernehmen soll. 
Rudolf Wieland, RSK-Vorsitzender, erläuterte den Umfang der 
Prüfungen. So soll nun auch das Risiko eines terroristischen Angriffs 
mit Hilfe eines entführten Passagierflugzeugs untersucht werden. 
Bereits im Jahr 2003 war durch eine Publikation des Magazins 'focus' 
eine geheime Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) 
bekannt geworden, wonach sämtliche Atomkraftwerke in Deutschland 
nicht ausreichend gegen einen Angriff aus der Luft geschützt sind.

Laut Wieland soll nun erneut untersucht werden, wie sich ein von 
Terroristen herbeigeführter Absturz von Flugzeugen der gängigen Typen 
auswirke: Geschwindigkeit, Aufprallwinkel und Folgen eines 
Kerosinbrandes würden bei dieser Studie berücksichtigt. Obwohl das 
Risiko eines Terroranschlags auf ein AKW nach Vorbild der Anschläge 
vom 11. September 2001 auf World Trade Center und Pentagon von der 
Anti-AKW-Bewegung bereits über zwanzig Jahre hin thematisiert worden 
war, konnte auch die 'focus'-Meldung vom 7. April 2003 schnell wieder 
aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt werden. Der damalige 
"grüne" Bundes-Atom-Minister Jürgen Trittin verhinderte eine 
Veröffentlichung der GRS-Studie und ignorierte das Thema erfolgreich.

Wieland kündigte nun eine umfangreiche Prüfung durch die RSK entlang 
eines "Anforderungskataloges" an. Dabei müsse das bisher "nicht 
abgedeckte Risiko" identifiziert werden. Untersucht würden neben 
"terroristischen Einwirkungen" auch naturbedingte Ereignisse wie etwa 
höhere Wasserstände, ein Staudammbruch, Erdbeben, Trockenheit sowie 
die Auswirkungen von niedrigeren und höheren Temperaturen. Ferner 
werde geprüft, ob die Meiler gekühlt werden könnten, wenn der Strom 
länger ausfällt. Sieben Experten-Teams der GRS würden nun erneut die 
einzelnen Bereiche bei den Anlagen prüfen. Bereits am 15. Mai sollen 
erste Ergebnisse vorgestellt werden. Bis Mitte Juni soll die 
Untersuchung veröffentlicht werden. Da sich die ExpertInnen der GRS 
bis heute nicht dagegen zur Wehr setzten, daß die brisanten 
Ergebnisse von 2003 der Öffentlichkeit vorenthalten wurde, bestehen 
erhebliche Zweifel, ob diesmal sämtliche Ergebnisse auf den Tisch 
kommen.

Bereits jetzt werden Stimmen aus der Wirtschaft und Politik laut, die 
von einem "übereilten" Atom-Ausstieg abraten. So warnte etwa die 
"schwarze" saarländische Sozialministerin Annegret Kramp-Karrenbauer 
vor "erheblichen Preissteigerungen" bei einem Ausstieg. Der 
Endverbraucher dürfe nicht zu stark belastet werden. Der "schwarze" 
Europaabgeordnete Herbert Reul, Vorsitzender des Industrie- und 
Energieausschusses des EU-Parlaments, kritisierte die angeblichen 
Ausstiegsbestrebungen der "schwarz-gelben" deutschen Bundesregierung 
als "unverantwortlich". Das habe "mit seriöser Politik nichts mehr zu 
tun, das ist nur noch kopflos."

Das von Bundeskanzlerin kurz vor den Landtagswahlen in Rheinland-
Pfalz und Baden-Württemberg verkündete dreimonatige Moratorium soll 
neben einer Prüfung der Risiken der 17 deutschen Reaktoren eine 
Abschaltung der sieben ältesten Reaktoren, die vor 1980 in Betrieb 
gingen, umfassen. Ob diese Reaktoren jedoch stillgelegt werden, ließ 
Merkel offen. Auch Röttgen lehnte es heute ab, sich in dieser Frage 
vor einem Ergebnis der anstehenden Überprüfungen festzulegen. 
Lediglich einige Mainstream-Medien lieferten Titelzeilen wie etwa: 
"Altmeiler stehen vor dem Aus."

Fünf der Reaktoren wurden mittlerweile heruntergefahren, Biblis B war 
zur Revision ohnehin schon vom Netz, Brunsbüttel ist nach einer 
"Panne" bereits seit 2007 außer Betrieb. Auch der "jüngere" Meiler 
Krümmel (Betriebsbeginn: September 1983) bleibt außer Betrieb. Er 
liefert ebenfalls seit 2007 nach einer Beinahe-Katastrophe (mit 
Ausnahme kurzzeitiger Versuche) keinen Strom. Zudem befindet sich 
derzeit das AKW Grafenrheinfeld in Bayern in einer planmäßigen 
Revision, so daß aktuell nur acht Reaktoren Strom liefern.

Im Jahr 2010 war die deutsche Stromversorgung auch ohne acht 
Reaktoren gesichert. Im ersten Quartal 2010 hat die BRD mit mehr als 
9 Milliarden Kilowattstunden den höchsten Exportüberschuß ihrer 
Geschichte produziert. Die netto exportierte Strommenge entspricht 
der Produktion der sechs deutschen Reaktoren Biblis A (Inbetriebnahme 
1974), Biblis B (1976), Neckarwestheim I (1976), Isar I (1977), 
Philippsburg I (1979) und Grafenrheinfeld (1981). Außerdem waren zu 
diesem Zeitpunkt die beiden AKW Brunsbüttel und Krümmel bereits seit 
36 Monaten außer Betrieb.

Daß ein sofortiger Atom-Ausstieg in Deutschland längst ohne 
Versorgungsprobleme möglich ist, beweisen auch folgende Zahlen: Der 
gesamte Kraftwerkspark in Deutschland umfaßt eine Leistung von 139,5 
Gigawatt (Statistical Yearbook, 31.12.2009), während durch 
Atomkraftwerke lediglich insgesamt 20,3 Gigawatt abgedeckt werden. 
Auch in den extremen Wintern der vergangenen Jahre wurde nie mehr als 
eine Gesamtleistung von 80 Gigawatt abgerufen. Selbst bei einer 
großzügig bemessenen Reserve an Kraftwerksleistung in Höhe von 10 
Gigawatt bliebe bei Abschaltung sämtlicher deutscher AKW reichlich 
Kraftwerksleistung um die winterliche Höchstlast abdecken zu können.


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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      AKW Philippsburg
      Mit Nebelwerfer gegen Terror-Gefahr? (21.07.10)

      Terrorziel Atomkraftwerk
      TV-Magazin 'Frontal21' veröffentlicht Geheimbericht
      (17.06.09)

      Atomkraftwerke sind potentielle Terror-Ziele
      BUND warnt vor 9/11 in Deutschland (5.09.08)

      Neues EPR-Atomkraftwerk
      kann durch Flugzeug-Attacke zerstört werden (26.03.08)

      Lizenz zum Abschuß von Passagierflugzeugen
      Bundesverfassungsgericht entscheidet
      über "Luftsicherheitsgesetz" (9.11.05)

      Auch neue EPR-Atomkraftwerke terrorgefährdet
      Greenpeace kritisiert Zensur der französischen Regierung
      (25.09.05)

      Präventiver Abschuß von Flugzeugen
      Es geht um ungesicherte AKWs (12.01.05)

      Amt für Fragenschutz
      Wendländer bekommen keine Auskunft von "Rot-Grün"
      (21.06.04)

      Deutsche AKWs ungesichert gegen Flugzeug-Terror
      Geheime GRS-Studie in österreichischen Medien
      (17.12.03)

      AKWs ungeschützt
      gegen Terror-Angriffe (7.04.03) 





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