[fessenheim-fr] Atom-Ausstieg und BZ

klausjschramm at t-online.de klausjschramm at t-online.de
Mo Jun 14 21:13:59 CEST 2010


Hallo Leute!

Hier eine Reaktion auf die heutige
Ausgabe der BZ.

Ciao
   Klaus Schramm


Richtigstellung zum BZ-Artikel
"Zehn Jahre Atomkonsens
Der Ausstieg geht in die Verlängerung"

Auf Seite 2 der 'Badischen Zeitung' wurde am 14. Juni von dem vor 
etlichen Jahren noch als in Umwelt-Themen kritisch geltenden BZ-
Reakteur Franz Schmider einmal mehr ein ganzseitiger 
desinformierender Artikel zum Thema Atomenergie veröffentlicht. (Zu 
erinnern ist an einen Artikel 16. Juni 2009 auf Seite 3 - siehe 
hierzu beispielsweise: www.netzwerk-regenbogen.de/desinf090618.html)

1. "Die 1998 gewählte rot-grüne Bundesregierung strebte den 
kompletten Ausstieg Deutschlands aus der friedlichen Nutzung der 
Kernenergie an, das war in erster Linie eine Forderung der Grünen."

Tatsächlich bestand zu dieser Zeit eine starke Anti-AKW-Bewegung. Daß 
von rund 60 geplanten Atom-Projekten bis zum Jahr 2000 nur rund 20 
durchgesetzt werden konnten, ist nicht etwa Parteien, sondern dem 
Druck der Anti-AKW-Bewegung, die von Schmider mit keinem Wort erwähnt 
wird, zu verdanken. 1977, 1979 und 1988 mußten AKW stillgelegt 
werden. 1989 mußte der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) wegen 
Milliardenverlusten aufgegeben werden. Ebenfalls 1989 wurde der im 
bayerischen Wackersdorf begonnene Bau einer 
"Wiederaufarbeitungsanlage" gestoppt. 1990 wurden das AKW Greifswald 
und das AKW Rheinsberg stillgelegt und damit insgesamt 6 Atom-
Reaktoren der früheren DDR endgültig heruntergefahren. 1991 mußte der 
Schnelle Brüter in Kalkar wegen Milliardenverlusten aufgegeben 
werden. Und 1994 wurde das AKW Würgassen stillgelegt.

Nur wegen dieses Drucks und unter dem Eindruck der Reaktor-
Katastrophe von Tschernobyl hatte die "S"PD im Jahr 1986 auf einem 
Bundesparteitag in Nürnberg einen Atomausstieg binnen 10 Jahren 
gefordert. Von der Partei "Bündnis 90 / Die Grünen" wurde in den 
1990er Jahren die zwischen 1979 und 1989 vertretene Forderung nach 
einem sofortigen Atomausstieg Jahr für Jahr aufgeweicht. Es hieß 
dann: In 20 Jahren, in 25 Jahren, in 28 Jahren...

Einen realen Atom-Ausstieg gab's in Österreich im Jahr 1978 und in 
Italien im Jahr 1987. Auch in Deutschland ging seit der Reaktor-
Katastrophe von Tschernobyl kein neues Atomkraftwerke mehr in Bau. 
Und 1989 ging mit Block 2 des AKW Neckarwestheim der letzte vor 1986 
beantragte Reaktor ans Netz.

2. "Die Kraftwerksbetreiber verwiesen auf ihre Betriebsgenehmigungen, 
pochten auf Rechtssicherheit und drohten mit 
Entschädigungsforderungen, sollten sie zum Abschalten gezwungen 
werden."

Dies ist "rot-grüne" Propaganda. Tatsächlich gab es zu dieser Zeit in 
Deutschland im Gegensatz zu Ländern wie der Schweiz, Frankreich oder 
den USA keine befristeten Betriebsgenehmigungen. Mit einfachen 
gesetzlichen Regelungen wie etwa einer angemessenen Besteuerung der 
Uranbrennstäbe, einer Angemessenen Versicherungspflicht für AKW-
Betreiber und der Sicherung der Rückstellungen für den Abriß von 
Atomkraftwerken und für die Endlagerung hätte der Betrieb von 
Atomkraftwerken so sehr verteuert werden können, daß die AKW-
Betreiber zu einem sofortigen Atom-Ausstieg gezwungen gewesen wären. 
Der TV-Journalist Franz Alt, der Präsident von Eurosolar Hermann 
Scheer und auch die ÖDP hatten diese Alternative publik gemacht, so 
daß sie heute nicht mehr totgeschwiegen werden kann.

3. "Was wurde vor zehn Jahren im Atomkonsens vereinbart? Der 
Atomkonsens sieht vor, dass in Deutschland keine neuen Atomkraftwerke 
gebaut werden."

In den 14 Jahren zwischen 1986 und 2000 wurde in Deutschland kein 
einziger Bauantrag für ein AKW gestelt.

4. "Für die in Betrieb befindlichen Meiler wurden Restlaufzeiten 
vereinbart, allerdings nicht mit einer exakten Festlegung der 
Jahreszahl."

Mit dieser Formulierung soll verschleiert werden, daß die deutschen 
Mainstream-Medien über Jahre hinweg den Begriff "Restlaufzeiten" 
verwendeten, obwohl dieser an keiner Stelle des Vertrags auftaucht. 
Statt dessen war bereits im Jahr 2000 klar, daß mit der Vereinbarung 
von Reststrommengen der Weiterbetrieb von 17 deutschen AKW für 
unbestimmte Zeit garantiert werden sollte. In dem "rot-grünen" Gesetz 
für einen angeblichen Atom-Ausstieg heißt es denn auch: "Die 
Bundesregierung gewährleistet den ungestörten Betrieb der 
Kernkraftwerke wie auch deren Entsorgung." Dies ist der zentrale Satz 
- alles andere war schmückendes Beiwerk.

5. "Prinzipiell wird für jedes einzelne Kraftwerke eine Regellaufzeit 
von 32 Jahren festgeschrieben."

Selbst bei großzügiger Rechnung und bei der Grundannahme, daß alte 
Atomkraftwerke dieselben Stillstandszeiten hätten wie neue, ergibt 
sich bereits eine Gesamtlaufzeit von 35 Jahren. Die immer wieder 
kolportierte Zahl von 32 Jahren ist eine Luftnummer.

6. "Die ersten beiden Reaktoren, die als Ergebnis des Atomkonsenses 
stillgelegt wurden, sind Stade in Niedersachsen (11. November 2003) 
und Obrigheim in Baden-Württemberg (11. Mai 2005)."

Das AKW Stade war - nach mittlerweile auch öffentlich zugänglichen 
internen Unterlagen - bereits vor 1998 unrentabel. Es wurde also nur 
wegen der Inszenierung eines "rot-grünen" Atom-Ausstiegs bis zum Jahr 
2000 weiterbetrieben und durfte dann sogar noch bis 2003 am Netz 
bleiben, um den Druck, weitere Atomkraftwerke stilllegen zu müssen, 
auf dieses Uralt-AKW abzulenken. Das AKW Stade war 31 Jahre in 
Betrieb. Konzipiert sind die deutschen Atomkraftwerke jedoch nur für 
eine Betriebsdauer von 25 Jahren. Und das AKW Obrigheim aus dem Jahr 
1968, das im Mai 2005 abgeschaltet wurde, war - wie leicht 
nachzurechnen ist - 37 Jahre in Betrieb. Das mittlerweile älteste 
deutsche AKW, das AKW Biblis A (Betriebsbeginn: Februar 1975) ist 
mittlerweile mehr als 35 Jahre in Betrieb. Der Atom-Kritiker und 
Besteller-Autor Holger Strohm schrieb bereits im Jahr 2001: "(...) 
Dabei waren Atomkraftwerke anfangs nur für 25 Jahre Betrieb 
ausgelegt. Seit über einem Jahrzehnt ist kein neues Atomkraftwerk 
mehr ans Netz gegangen. Das heißt, die Atomkraftwerke laufen länger 
als ursprünglich geplant, und das wird uns als Ausstieg verkauft. Wir 
werden arglistig getäuscht!"

7. "Wie wurde der Atomkonsens gesetzlich umgesetzt? Die 
Vereinbarungen flossen in das neue Atomgesetz von 2002 ein. Es 
definiert neu nicht mehr die Nutzung der Kernenergie als Ziel, 
sondern den Ausstieg. Das Gesetz untersagt unter anderem die 
Wiederaufbereitung von Brennstäben. Dadurch entfallen die Transporte 
von und nach Sellafield (England) und La Hague (Frankreich)."

Tatsächlich wurden die von Atom-Minister Jürgen Trittins Vorgängerin, 
Angela Merkel, gestoppten CASTOR-Transporte von La Hague nach 
Gorleben wieder aufgenommen und die "Grünen" versuchten, diese 
Transporte als unvermeidbar und notwendig zu rechtfertigen.

8. "Laut Atomgesetz ist die Zwischenlagerung von radioaktivem Müll 
nur eine vorübergehende Lösung. Die Zwischenlager werden in der Regel 
auf sechs Jahre genehmigt. Zugleich akzeptiert das Atomgesetz ein 
Zwischenlager als Nachweis für die Entsorgung von Atommüll."

Tatsächlich diente die Genehmigung von Zwischenlagern dem Zweck, die 
Anti-AKW-Bewegung auszumanövrieren. In den 1990er Jahren konnte die 
Anti-AKW-Bewegung durch die Blockade von CASTOR-Transporten starken 
Druck ausüben. Die Atomkraftwerke drohten an ihrem eigenen Müll zu 
ersticken. Im Jahr 2001 äußerte Trittin in der Presse, er erwarte 
"ein Abflauen der Proteste von Atomkraftgegnern." Und zu den 
Transporten erklärte Trittin: "Zum Atomausstieg gehört nicht nur, daß 
Transporte vermieden werden, sondern auch, daß sich nicht alle 
vermeiden lassen." Und der spätere Freiburger Oberbürgermeister 
Dieter Salomon gab ebenfalls 2001 zu Protokoll: "Die CASTOR-
Blockierer, das sind nicht unsere Wähler!"

9. "Wie geht es weiter? Für die neue Bundesregierung ist klar, dass 
die Laufzeiten der Atomkraftwerke über die 32 Jahre hinaus verlängert 
werden sollen - die Angaben schwanken zwischen 8 und 28 Jahren. 
Bundesumweltminister Norbert Röttgen wollte ursprünglich bis Herbst 
ein energiepolitisches Konzept für die Zukunft vorlegen und dann über 
eventuelle Laufzeitverlängerungen entscheiden. Das dauert den 
Kraftwerksbetreibern zu lange. Jetzt soll das Konzept schon früher 
vorliegen."

Selbstverständlich kann jede wie auch immer gefärbte Bundesregierung 
den Weiterbetrieb der AKW lediglich für die maximal vier Jahre 
dauernde Legislaturperiode garantieren, für die sie gewählt wurde. 
Jedes Gesetz kann mit entsprechenden Mehrheiten wieder geändert 
werden. Dies beweist gerade der "Atomkonsens", von dem es noch vor 
wenigen Jahren hieß, er sei unumkehrbar.

10. "Der Atomkonsens hält ausdrücklich fest, dass "die 
Bundesregierung keine Initiative ergreifen wird, mit der die Nutzung 
der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen diskriminiert wird". Mit 
Verweis auf diesen Passus will die Stromwirtschaft gegen die 
Brennelementesteuer angehen, die die Bundesregierung in ihrem 
Sparpaket vorsieht."

Eine Streichung von Privilegien stellt keine Diskriminierung dar. 
Würden die Subventionen der Atomenergie von insgesamt mehr als 17 
Milliarden Euro pro Jahr gestrichen, würden die AKW sehr schnell 
abgeschaltet. Und die erneuerbaren Energien bekämen in Deutschland 
endlich eine faire Chance.




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