[fessenheim-fr] Menschenversuche

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Mi Feb 17 23:59:02 CET 2010


17.02.2010

Verbrecherische Menschenversuche
bei französischen Atombomben-Tests

Atombombe Frankreichs Militärführung hat 1961 Hunderte Soldaten der 
radioaktiven Strahlung einer in der Sahara getesteten Atombombe 
ausgesetzt. Dies wurde jetzt durch die Veröffentlichung von bislang 
streng geheimen Akten bekannt. Ein Truppenteil wurde sogar bis auf 
eine Entfernung von 275 Metern an das Explosionszentrum kommandiert. 
Erst im vergangenen Jahr hatte sich die französische Regierung 
erstmals bei der Bevölkerung des Moruroa-Atolls entschuldigt, die 
infolge der französischen Atombomben-Tests nach 1966 in 
verbrecherischer Weise radioaktiver Strahlung ausgesetzt worden war.

Frankreichs Kriegsminister Hervé Morin behauptete nun allerdings, die 
im Umfeld der Atomtests eingesetzten Soldaten hätten nur sehr geringe 
Strahlenmengen abbekommen. Aus den geheimen Akten, aus denen die 
Zeitung 'Le Parisien' zitiert, geht nicht nur hervor, daß bei dem mit 
dem Codewort "Gerboise verte" (grüne Wüstenspringmaus) bezeichneten 
Menschen-Versuch im französisch besetzten Algerien am 25. April 1961 
Hunderte Soldaten radioaktiver Strahlung ausgesetzt wurden, sondern 
auch, daß dies "zu Versuchszwecken" geschah. Mit diesem faschistoiden 
Menschen-Versuch sollte "die physiologischen und psychologischen 
Wirkungen der Atomwaffe auf den Menschen" erkundet werden, um die 
"nötigen Elemente für die physische Vorbereitung und moralische 
Ausbildung des modernen Kämpfers" zu bestimmen.

"Zwanzig Minuten nach der Explosion stiegen die Männer aus ihren 
Schutzräumen und betrachteten furchtsam den Atompilz", heißt es in 
den Geheim-Akten. Weitere 40 Minuten später habe sich eine Patrouille 
dem Explosionsort genähert, unter den Füßen verbrannter Sand. Einigen 
Soldaten befahl die Militärführung bis auf 275 Meter an das 
Explosionszentrum heranzurücken. Viele der Soldaten erkrankten später 
an Krebs und anderen Verstrahlungsfolgen. Fünfzig Jahre nach diesen 
ersten französischen Atombomben-Tests in der algerischen Sahara will 
die französische Regierung in diesem Jahr erstmals Opfer 
entschädigen.

Im April 1961 simulierte das französische Militär auf dem Atomtest-
Gelände zwei defensive Manöver sowie die Rückeroberung eines von 
einer Atombombe zerstörten Areals. Dafür setzte die Armeeführung vor 
allem in Deutschland stationierte Rekruten ein. 35 Minuten nach der 
Explosion rückte ein Truppenteil zu Fuß bis auf 700 Meter zum Zentrum 
vor. Soldaten in Geländewagen folgten nach einer Stunde. "Diese 
Patrouille wurde 275 Meter vor dem Punkt null gestoppt", heißt es in 
den Geheim-Akten.

Das französische Militär folgerte nach dem Versuch, daß "der 
Kommandeur niemals die verseuchte Zone betreten" sollte. Weil die 
Mobilität der Infanteristen von Gasmasken halbiert werde, sollten die 
Soldaten die Gasmasken durch einfache Staubmasken ersetzen. Für die 
folgenden unterirdischen Atomversuche beschloß die Militär-Führung, 
das Absetzen der Schutzmasken "in kontaminierter Atmosphäre" 
zeitweise zu erlauben. Bei zwölf der 13 unterirdischen Atomtests 
gelangte Radioaktivität in die Umwelt.

Etwa 4800 noch lebende französische Atomtest-Opfer sind heute 
Mitglied des Verbands der Veteranen der Nuklearversuche AVEN. 35 
Prozent von ihnen sind an Krebs, 55 Prozent an anderen, der 
Verstrahlung zugeschriebenen Krankheiten erkrankt, nur zehn Prozent 
sind gesund. Nach Angaben des Kriegsministeriums waren 150.000 
Zivilisten und Soldaten an den Atomtests in der Sahara und in 
Polynesien beteiligt, die sich von 1960 bis 1996 hinzogen.

Kriegsminister Morin behauptet, er habe die Geheim-Akten nicht 
gekannt. Die Soldaten hätten aber "nur sehr schwache" 
Strahlungsmengen abbekommen. Zu den Atomversuchen sagte Morin: "Das 
ist ein herrliches Epos, das Symbol der Beständigkeit einer Nation, 
die die Mittel ihrer eigenen Souveränität erringen wollte." Er habe 
gegen eine starke Lobby erreicht, daß Paris in diesem Jahr zehn 
Millionen Euro für die Opfer zur Verfügung stelle. "Wir können diese 
Summe erhöhen, wenn es nötig ist."

Gegenüber den Atomtest-Opfern auf dem polynesischen Atoll Moruroa 
hatte sich die französische Regierung über Jahrzehnte vor 
Entschädigungen oder auch nur einer Entschuldigung gedrückt. Zudem 
war die Aufarbeitung außerordentlich erschwert worden, weil der 
französische Staat eine Vielzahl an Dokumenten als "geheim" 
deklariert hatte. Paris hatte noch bis 2001 bestritten, daß bei den 
insgesamt 210 Atombomben-Tests zwischen 1960 und 1996 in der Sahara 
und im Pazifik irgendein Mensch zu Schaden gekommen sei. Zu erinnern 
ist auch daran, daß der französische Staat noch bis in die jüngste 
Vergangenheit nicht vor Mord zurückschreckte, um sein Atom-Programm 
durchzusetzen. So wurde bei einem am 10. Juli 1985 vom französischen 
Geheimdienst ausgeführten Anschlag auf ein Greenpeace-Schiff, das zu 
Protesten gegen die Atomtests in Polynesien eingesetzt war, ein 
Mensch getötet.

Doch auch Atomwaffen-Nationen wie die USA oder Großbritannien 
agierten nicht weniger gewissenlos. So wurde im April 2007 bekannt, 
daß in Großbritannien über Jahre hinweg MitarbeiterInnen der 
Nuklearindustrie für faschistoide Menschenversuche mißbraucht worden 
waren. In den 1960er und 1970er Jahren wurde ihnen unter anderem 
Flüssigkeit mit radioaktivem Cäsium-134 verabreicht. Auch 
WissenschaftlerInnen im Regierungsauftrag waren in die 
menschenverachtenden Experimente verwickelt. Und im Oktober 2007 
wurde aus Regierungs-Akten bekannt, daß die Fakten über den Unfall in 
der WAA Sellafield von 1957 systematisch verharmlost worden waren. 
Der radioaktive Fallout von 1957 war rund doppelt so groß wie bis 
dahin offiziell dargestellt. Auch die Zahl der Krebsfälle, die das 
Unglück auslöste, stellte sich als deutlich höher heraus.

Bereits 1994 war bekannt geworden, daß die US-Regierung zwischen 1944 
und 1974 Experimente mit radioaktiven Stoffen an 23.000 US-
BürgerInnen vorgenommen hatte. Die Versuchspersonen wurden oft 
unzureichend, in vielen Fällen gar nicht informiert. Unter anderem 
handelte es sich um die Injektion von radioaktivem Plutonium und - 
wie in dem nun aufgedeckten Verbrechen des französischen Militärs - 
um Truppenbewegungen am Detonationsort nach einem Atombomben- Test.

im August 1999 wurde bekannt, daß an der US-amerikanischen UAA 
Paducah im Bundesstaat Kentucky rund 1.800 Beschäftigte ohne ihr 
Wissen 23 Jahre lang Plutonium und anderem radioaktiven Material 
ausgesetzt waren. Auch in diesem Fall war eine hohe Zahl von 
Krebsfällen bewußt in Kauf genommen worden. Zweifellos waren die 
Zustände in der Sowjetunion oder andern Staaten, deren Regierungen 
dem Irrsinn der Atomtechnologie verfallen sind, nicht besser.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Unverantwortlicher Umgang
      mit dem hochgiftigen Bombenstoff Plutonium (15.10.09)

      Atombombe und Wahnsinn
      "..., weil sie das Leben nicht lieben" Erich Fromm (6.08.09)

      Hiroshima, Nagasaki und die Atomkraft - strahlende Folgen
      Vortrag von Prof. Dr. Inge Schmitz-Feuerhake in Freiburg 
(8.07.09)

      Atombombentest in Nordkorea
      Weiterdrehen an der Spirale des Irrsinns (25.05.09)

      US-Regierung bricht Schweigen über Israels Atombombe
      Neue Perspektive bei Verhandlungen mit dem Iran? (11.05.09)

      Euratom,
      Milliarden-Subventionen und die Bombe (22.04.09)

      Frankreichs Verbrechen auf Moruroa
      188 Atom-Bomben und die Folgen (29.09.08)

      Schweizer Atomwaffen-Skandal
      Zehn Millionen Dollar von der CIA (26.08.08)

      Putin reiht sich in die Polonaise
      der Atom-Irren ein / Bau neuer Atomraketen angekündigt 
(19.10.07)

      Neue Fakten über atomaren Unfall
      in der WAA Sellafield im Jahr 1957 (8.10.07)

      Zwei Irre und die A-Bombe
      Sarkozy offeriert Gaddafi AKW als Eintritt in den Club 
(27.07.07)

      Brasiliens Präsident Lula auf dem Atom-Trip
      Ein weiterer Irrer giert nach der A-Bombe (11.07.07)

      50 Jahre GKSS
      und Deutschlands Streben nach der Atombombe (17.05.06)

      Menschenversuche der britischen Atom-Mafia aufgedeckt
      Der 'Observer' veröffentlicht brisante Dokumente (23.04.07)

      Ein weiterer Irrer outet sich
      Chirac droht dem Iran mit der Atombombe (20.01.06)

      Israels Spiel mit der Atombombe (23.03.04)

      Gedanken zu Hiroshima
      von Robert Jungk, 1985 (6.08.03)

      Sind Kernwaffen notwendig?
      Rede von Lee Butler, 1999 (14.01.02)

      Der Anschlag auf Greenpeace
      Dokumentation der Geheimdienst-Aktion von 1985

      Der siamesische Zwilling: Atombombe
      Info-Serie Atomenergie - Folge 4 



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