[fessenheim-fr] Geologie spielte kaum eine Rolle
klausjschramm at t-online.de
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Mo Jan 11 11:41:32 CET 2010
10.01.2010
Endlager-Standort Gorleben
Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle
Ausgebauter Salzstock Gorleben Die lange geheim gehaltenen Kabinetts-
Protokolle der nieder- sächsischen Regierung unter Ernst Albrecht
liegen mittlerweile vor. Aus den streng geheimen Akten der Jahre 1976
und 1977 ist ersichtlich, daß geologische Kriterien bei der Auswahl
des Endlager-Standorts Gorleben damals kaum eine Rolle spielten und
fachliche Einwände der beteiligten Wissenschaftler vom Tisch gewischt
wurden. Dennoch wurden im Laufe der Jahre rund 1,5 Milliarden Euro in
den Ausbau des Salzstocks zu einem atomaren Endlager investiert.
Entgegen der häufig verbreiteten Fehlinformation konnte dort jedoch
bis heute kein radioaktier Müll unterirdisch eingelagert werden. Die
Summe von 1,5 Milliarden Euro wurden von der deutschen Atom-Mafia in
den vergangenen Jahren immer wieder dreist als Argument eingesetzt,
eine "weitere Endlagersuche" sei nicht tragbar.
Am 22. Februar 1977 benannte der damalige niedersächsische
Ministerpräsident Ernst Albrecht Gorleben nicht nur als Standort für
ein zukünftiges Endlager für hochradioaktiven Müll, sondern zugleich
für eine "Wiederaufarbeitungsanlage" nach dem Vorbild der
Plutoniumfabriken in La Hague und Windscale/Sellafield. Seltsamer
Weise gab es damals nicht nur ein, sondern zwei Auswahl-Verfahren. In
einem ersten Auswahl-Verfahren untersuchten GeologInnenen unter der
Leitung von Professor Gerd Lüttig und Rudolf Wager in den Jahren 1972
bis 1975 bundesweit 250 Salzstöcke. Lüttig war als Vizepräsident der
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und des
Niedersächsischen Landesamts für Bodenforschung damals ranghöchster
Geologe in Niedersachsen. Nach Aussage Lüttigs war "Gorleben am Ende
nicht dabei." Es wurde wasserlösliches Carnalit gefunden und bereits
damals festgestellt, daß der Gorlebener Salzstock an der oberen
Schicht abgelaugt ist und daher keine Barriere gegen Wasserzutritt
bietet. Drei andere Salzstöcke in Niedersachsen kamen in die engere
Wahl. Dort sollten Probebohrungen durchgeführt werden. Bereits die
Vorbereitung dieser Bohrungen stieß Anfang 1976 auf Protest.
Im Februar 1976 wurde Ernst Albrecht, Vater der Ministerin Ursula von
der Leyen, mit Hilfe von Überläufern der zuvor regierenden "rot-
gelben" Landesregierung zum neuen Ministerpräsidenten Niedersachsens
gewählt. Albrecht stoppte die Probebohrungen und leitete das zweite
Auswahlverfahren ein, das ab März 1976 von einer interministeriellen
Arbeitsgruppe durchgeführt und geheim gehalten wurde. Auch in diesem
Auswahl-Verfahren wurden nur Salzstöcke - und nicht etwa wie in
anderen Ländern Granit- oder Lehm-Formationen - in Betracht gezogen.
Von zunächst 140 Salzstöcken in Niedersachsen schlossen die
BeamtInnen 117 aus, da sie an der Erdoberfläche nicht für den Bau
eines 12 Quadratkilometer großen "Nukleares Entsorgungszentrum" (NEZ)
geeignet erschienen. Die verbliebenen 33 Standorte wurden mit Hilfe
eines Punkte-Schemas bewertet. Der Gorlebener Salzstock erreichte
dabei lediglich 32 von insgesamt 266 Punkten, kam aber dennoch in die
engere Auswahl der sieben "bestgeeigneten" Standorte.
Zu diesem Zeitpunkt ging die Bundesregierung unter Kanzler Helmut
Schmidt (SPD) nach wie vor davon aus, daß mehrere Standorte benannt
und mittels Bohrungen geprüft würden. Dies war die Position von
Bundeskanzleramt und Innenministerium noch im Oktober 1976. Damals
trafen sich Vertreter der niedersächsischen Landesregierung und des
Bundes mit Betreibern in den Räumen des Strom-Konzerns RWE.
Mindestens fünf Tiefenbohrungen sollte es an jedem der auszuwählenden
Standorte geben, steht in dem Protokoll des Gesprächs. Das würde ein
Jahr in Anspruch nehmen. Erst danach sollte entschieden werden, an
welchem Ort weiter gearbeitet würde.
Einen Monat nach diesem Treffen jedoch erhielten die
Ministerialbeamten in Hannover den Auftrag, lediglich einen einzigen
Standort auszuwählen. Mehr als an einem Standort wollte Albrecht
keinen Ärger mit der Bevölkerung riskieren. Andere Landesregierungen
fühlten sich von der Forderung der Bundesregierung, mögliche
Standorte für ein NEZ mit unterirdischem atomarem Endlager zu
benennen, ohnehin nicht angesprochen.
Vier Wochen Zeit blieb den Ministerialbeamten in Hannover, eine
Auswahl zu treffen und dem Kabinett einen Vorschlag zu machen.
Wissenschaftliche Beratungsrunden, etwa die Weizsäcker-Runde beim
Ministerpräsidenten, spielten bei diesem Verfahren keine Rolle. Sie
werden in dem Kabinettsvorschlag nicht einmal erwähnt. Auch
nachgeordnete Behörden durften nicht eingeschaltet werden. Das
Auswahlverfahren, an dessen Ende Gorleben benannt wurde, lief als
streng vertrauliche interne Angelegenheit der Landesregierung ab, als
geheime Kommandosache.
Lediglich das Oberbergamt in Clausthal und das Landesamt für
Bodenforschung wurde hinzugezogen. Und der TÜV. Der erstellte im
Rahmen des Auswahlverfahrens im Oktober/November 1976 das einzige
Gutachten unter sicherheitstechnischen Aspekten. Gorleben kam auch
darin zunächst nicht vor. Sieger des Castings war ein Salzstock in
Schleswig-Holstein. Gorleben wurde nachträglich, ebenso wie die Grube
Mariaglück bei Celle, handschriftlich in der Expertise nachgetragen.
Einen Monat, nachdem der Auftrag an die Ministerialen erging, einen
Vorschlag zu machen, sollte das Kabinett entscheiden. Mitte Dezember
1976 wurde noch einmal vertagt. Am 22. Februar 1977 gab Ernst
Albrecht das Ergebnis bekannt: Gorleben.
Die Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD) war allerdings
zwischenzeitlich durchaus von der Absicht Ernst Albrechts
unterrichtet worden. Anders, als es die Mythenbildung um Gorleben
will, hatte der Bund nichts Grundsätzliches gegen Gorleben wegen der
Grenznähe zur DDR einzuwenden. Lediglich Bedenken militärischer Art
wurden diskutiert. So heißt es etwa in einer Kabinetts-Vorlage: "Die
Bundesressorts sind der Auffassung, daß ein Entsorgungslager auf dem
Salzstock Gorleben von der DDR durch eine 'Handstreichaktion'
unterhalb der Schwelle der kriegerischen Auseinandersetzungen in
Besitz genommen werden könnte." Die Bekanntgabe des Standorts
Gorleben mußte hinausgeschoben werden, damit die Bundesregierung sich
mit dem DDR-Regime zwischenzeitlich verständigen konnte und mögliche
Einwände dieser Seite "ausgeräumt" werden konnten. Nachdem dies
geklärt war, war die Bundesregierung schnell bereit, den Standort
Gorleben zu akzeptieren.
Allerdings ging die Bundesregierung noch mehrere Jahre lang davon
aus, daß es zu einem Vergleich mehrerer Standorte kommen würde. Erst
nachdem die Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen
Bundesanstalt (PTB) den Weisungen der angereisten Ministerialbeamten
nachgegeben und ihre Bewertung von Gorleben veränderte hatten,
beschloß auch das Bundeskabinett im Juli 1983 - mittlerweile unter
CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl - förmlich: es bestehe keine
Notwendigkeit, andere Salzstöcke zu prüfen. Die Bewertung, die zu
diesem Beschluß führte, hatte die Regierung mit ihrem Druck auf die
PTB-Wissenschaftler selbst herbei geführt.[1]
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
[1] Siehe hierzu unseren Artikel
Gorleben: Regierung Kohl setzte 1983
Gutachter unter Druck (9.09.09)
Siehe auch unsere Artikel zum Thema:
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)
Schacht Konrad angeblich verfassungskonform
Gericht nahm Beschwerde nicht zur Entscheidung an (26.11.09)
Morsleben-Kongreß
Forderung nach Offenlegung einer geheimen Studie
zur Rückholbarkeit des radioaktiven Mülls (21.11.09)
CASTOR-Transporte ins Zwischenlager Ahaus
Der Weg zum illegalen Endlager (14.11.09)
Atommüll-Lager Morsleben
Chance zur Stilllegung per Öffentlichkeitsbeteiligung
(23.10.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Decke eingestürzt (9.10.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich (2.10.09)
Endlagerpläne in Schweden hinfällig
Auch Kupfer hält nicht dicht (30.09.09)
Verstärkter Laugeneinbruch
im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)
Karlsruhe: "Atomsuppe" wird verglast
Verbleib nach wie vor ungeklärt (17.09.09)
Gorleben: Regierung Kohl setzte 1983
Gutachter unter Druck (9.09.09)
Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)
Sargnagel für Endlager Gorleben
Verträge laufen 2015 aus (22.08.09)
Skandal-Serie Asse II:
Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)
Asse II: Strom-Konzerne drückten
die Sicherheits-Standards (3.06.09)
Illegaler Ausbau unter Gorleben
1,5 Milliarden Euro bereits für Ausbau als "Endlager"
investiert
(28.05.09)
Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
in den Inventar-Listen (7.05.09)
Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
(29.04.09)
Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an (24.04.09)
Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)
Versuchslager Asse II
Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)
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Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)
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(5.09.08)
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Folge 12 der Info-Serie Atomenergie
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