[fessenheim-fr] Info-Serie Atomenergie - Folge 12

klausjschramm at t-online.de klausjschramm at t-online.de
So Aug 30 13:02:55 CEST 2009


Hallo Leute!

Hier nun die zwölfte und letzte Folge unserer Info-Serie.
Und nochmals der Aufruf: Am 5. September nach Berlin!
Fahrkarten für Busse könnt Ihr über den BUND bekommen.

Ciao
   Klaus Schram


Info-Serie Atomenergie
Folge 12

Das ungelöste Problem der Endlagerung

Bereits im Jahr 2004 wurde das US-amerikanische Projekt eines 
atomaren Endlagers vorläufig gestoppt: Ein US-amerikanisches Gericht 
bemängelte in seinem Urteil über die Pläne, hochradioaktiven Müll im 
Yucca Mountain in Nevada einzulagern, die von der US-Regierung 
abgegebene Sicherheitsgarantie für 10.000 Jahren. Diese sei 
unzureichend.

Die Halbwertszeit von Plutonium-239 beispielsweise beträgt 24.400 
Jahre. Das bedeutet, daß beispielsweise von den 30 Tonnen Plutonium, 
die im deutschen Hanau gelagert sind, nach 24.400 Jahren immer noch 
15 Tonnen weiterstrahlen. Und nach 48.800 Jahren sind es immer noch 
7,5 Tonnen und so fort. Seit Christi Geburt lebten rund 80 
Generationen - ein Zeitraum von 24.000 Jahren entspricht rund 960 
Generationen.

Eine "Sicherheitsgarantie" für 10.000 Jahre abgeben zu wollen, ist 
grenzenloser Hochmut. Es mag zwar sinnvoll erscheinen, angesichts der 
Zeiträume, über die große Mengen der bis heute angefallenen 
radioaktiven Stoffe äußerst gefährlich bleiben, eine 
Sicherheitsgarantie für eine Million Jahre oder mehr zu fordern. 
Dennoch ist es sinnlos und zwecklos. Zurück zum Beispiel Hanau: 
Selbst nach 366.000 Jahren strahlt von den heute vorhandenen 30 
Tonnen immer noch ein Kilogramm. Und wenige Tausendstel Gramm dieses 
Stoffes einzuatmen genügt, um unausweichlich Lungenkrebs zu bekommen.

Wie Analysen der hochradioaktiven Abfälle aus Atomkraftwerken zeigen, 
tragen Isotope wie etwa Jod-129, Technetium-99, Zirconium-93, Niob-
94, Uran-233, Cäsium-135, und insbesondere Neptunium-237 sogar nach 
mehr als einer Million Jahren noch erheblich zur Strahlenbelastung 
des Atommülls bei. Laut einem Gutachten der Universität Bremen ist 
radioaktiver Müll, selbst nachdem er in Glasblöcke eingeschmolzen 
wurde, noch nach einer Million Jahren und in zehn Metern Entfernung 
so gefährlich, daß allein seine Gammastrahlung eine Jahresdosis 
bewirkt, die 250- bis 560-mal höher ist, als es der Grenzwert der 
Strahlenschutzverordnung erlaubt. Das Governing Council der UNO 
spricht nicht ohne Grund von mindestens 20 Millionen Jahren, 
innerhalb derer hochradioaktive Abfälle strikt von der Umwelt 
ferngehalten werden müssen.

Ein Gedankenexperiment: Gehen wir der Einfachheit halber lediglich 
von einer Million Jahren aus. Um ein atomares "Endlager" in dieser 
Zeit auch nur von zwei Beschäftigen permanent über- und bewachen zu 
lassen, sind rund 17,6 Milliarden Arbeitsstunden notwendig. Bei 
Lohnkosten von 20 Euro pro Stunde und Beschäftigten, entstehen 
Personalkosten von insgesamt rund 400 Milliarden Euro.

Die ältesten bekannten Keilschriften hinterließen die Sumerer vor 
5.000 Jahren - dies entspricht rund 200 Generationen. In 8.000 bis 
12.000 Jahren spätestens wird der heutige Sprachschatz komplett 
verloren sein. Niemand wird mehr die Warnschilder vor atomaren 
"Endlagern" entziffern können. Als "Lösung" dieses Problems wurde 
schon ernsthaft vorgeschlagen, eine spezielle Priesterkaste zu 
begründen, um das Wissen um die Gefährlichkeit der "Endlager" 
zukünftigen Generationen zu übermitteln. Allein diese Überlegungen 
müßten jeden verantwortungsbewußten Menschen überzeugen, daß das 
Betreiben von Atomkraftwerken ein Verbrechen ist.

Jahr für Jahr kommt allein in Deutschland rund 400 Tonnen 
hochradioaktiver Müll in Form von abgebrannten Brennstäben aus 
Atomkraftwerken zusammen. Noch 1967 ließ die damalige Bundesregierung 
zu, daß rund 100 Fässer mit Atommüll vor Madeira in den Atlantik 
gekippt wurden. Bis zum Jahr 2007 häufte sich in Deutschland ein Berg 
von 12.500 Tonnen hochradioaktiver abgebrannter Brennelemente und 
120.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Müll auf.

Hinzu kommen 80.000 Liter strahlende und wärmeentwickelnde, 
radioaktive Flüssigkeit, die "Atomsuppe" in der sogenannten Versuchs-
Wiederaufarbeitsungsanlage Karlsruhe. Die nach der experimentellen 
Separierung von Brennstäben aus Atomkraftwerken zurückgebliebene 
"Atomsuppe" enthält 504 Kilogramm Uran und 16,5 Kilogramm 
hochgiftiges Plutonium als Einlage. Sie dümpelt hinter drei Meter 
dicken Stahlbetonwänden vor sich hin und muß permanent gekühlt 
werden, da sie sich durch radioaktive Spaltprozesse selbst erhitzt 
und hoch explosiv ist. Kühlung und Bewachung kosten Tag für Tag 
immense Summen und treiben die Kosten um so höher, je länger sich die 
geplante Verglasung hinauszögert. Drei Notstromsysteme werden dafür 
vorgehalten, damit verhindert werden kann, daß die radioaktive 
Flüssigkeit "kritisch" wird. Die offiziellen Schätzungen der Kosten 
für die Beseitigung dieser mittlerweile 19 Jahre alten atomaren 
Hinterlassenschaft verantwortungsloser Zauberlehrlinge mußte Jahr für 
Jahr erhöht werden und liegt mittlerweile bei 2,6 Milliarden Euro.

Seit Juni 2005 dürfen laut Atomgesetz keine abgebrannten 
Brennelemente mehr zur "Wiederaufarbeitung" ins Ausland verbracht 
werden. Entsprechend mußten neue Zwischenlagermöglichkeiten 
geschaffen werden. Insgesamt gibt es in Deutschland 16 Zwischenlager. 
Davon sind 12 in den vergangenen Jahren an AKW-Standorten neu 
eingerichtet worden. Die radioaktiven Abfälle werden darin in CASTOR-
Behältern gelagert, die nach offiziellen Angaben gerade einmal 40 
Jahre lang dichthalten sollen.

Diese Zwischenlager sind nicht als Bunker sondern als einfache Hallen 
gebaut, da im Falle eines Einsturzes die Luftkühlung der sich infolge 
anhaltenden Kernzerfalls gefährlich erwärmenden CASTOR-Behälter noch 
funktionieren soll und dies bei leichten Hallentrümmern eher 
gewährleistet ist. Diese Leichtbauweise erhöht jedoch die Gefahr, daß 
bei einem terroristischen Angriff nach dem Beispiel des 11. September 
2001 große Teile des radioaktiven Inventars freigesetzt werden. Dabei 
kann es sich um ein Vielfaches der beim Atombombenabwurf auf 
Hiroshima freigesetzten Menge an Radioaktivität handeln.

Bis zum Jahr 2030 wird der Atommüllberg Dank eines deutschen "Atom-
Ausstiegs", der den Betrieb von Atomkraftwerken mit einer 
unbefristeten Laufzeit von mindestens 35 Jahren garantiert, auf über 
24.000 Kubikmeter allein an hochradioaktivem Material angewachsen 
sein - so denn nicht zuvor eine Katastrophe eintritt oder dem 
Wahnsinn Einhalt geboten werden kann.

Ein Atomkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1.300 Megawatt 
produziert jährlich rund 30 Tonnen und in 35 Jahren Betriebsdauer 
demnach rund 1.000 Tonnen hochradioaktiven Abfall. Weltweit entstehen 
in den etwa 440 Atomkraftwerken schätzungsweise 8.300 Tonnen 
hochradioaktiver Atommüll pro Jahr. Bei einer durchschnittlichen 
Betriebszeit von 25 Jahren hinterläßt diese Generation von 
Atomkraftwerken rund 200.000 Tonnen hochradioaktiven Atommüll sowie 
ein Vielfaches dessen an schwach- und mittelradioaktivem Müll.

1969 erklärte der deutsche Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker: 
"Dieses ist, soweit ich sehen kann, wenn man es ernstlich behandeln 
will, überhaupt kein Problem. Ich habe mir in Karlsruhe sagen lassen, 
daß der gesamte Atommüll, der in der Bundesrepublik im Jahr 2000 
vorhanden sein wird, in einen Kasten hineinginge, der ein Kubus von 
20 Meter Seitenlänge ist. Wenn man das gut versiegelt und verschließt 
und in ein Bergwerk steckt, dann wird man hoffen können, daß man 
damit dieses Problem gelöst hat." Und elf Jahre zuvor, 1955, hatte 
der Physik-Nobelpreisträgers Werner Heisenberg frohgemut verkündet: 
"Was schließlich den Atommüll betrifft, so genügt es durchaus, ihn in 
einer Tiefe von drei Metern zu vergraben, um ihn vollkommen 
unschädlich zu machen."

Der Atommüll muß für mehrere Million Jahre sicher von der Biosphäre, 
von Menschen, Tieren und Pflanzen abgeschirmt werden. Dies ist 
realistisch betrachtet eine unlösbare Aufgabe. Bei einer 
unterirdischen Lagerung besteht die Gefahr, daß der Atommüll über 
kurz oder lang mit Grundwasser in Berührung kommt. Der Geologe 
Professor Eckard Grimmel zeigt in seinem Buch 'Kreisläufe der Erde' 
auf, daß es in Folge von Gesteins- und Wasserkreisläufen nach 
heutigem wissenschaftlichem Kenntnisstand nur eine Frage der Zeit 
ist, bis die Biosphäre mit kurz- und langlebigen Nukliden verseucht 
wird.

Auch die U.S. National Academy of Sciences stellte schon 1983 fest, 
daß "praktisch das gesamte Jod-129 [Halbwertszeit 15,7 Millionen 
Jahre] in nicht wiederaufgearbeitetem bestrahltem Brennstoff in 
Endlagern in Naßgestein irgendwann einmal in die Biosphäre 
eindringt."

Daß ein sicheres atomares Endlager aus heutiger wissenschaftlicher 
Sicht nicht möglich ist, stellte bereits der Sachverständigenrat für 
Umweltfragen der Deutschen Bundesregierung - personell noch in der 
Besetzung aus der Regierungszeit Bundeskanzler Kohls - in seinem 
'Umweltgutachten 2000' fest:

"Eine Abschätzung des Gefährdungspotentials über einen derartig 
langen Zeitraum [von über 10.000 Jahren, d. Verf.] hinweg ist nahezu 
ausgeschlossen. (...) Der Umweltrat hält aufgrund der 
Charakteristiken bestrahlter Brennelemente und der darin begründeten, 
in weiten Teilen ungelösten Entsorgungsprobleme eine weitere Nutzung 
der Atomenergie für nicht verantwortbar."

grafik: Morsleben, Schacht Konrad, Asse II und Gorleben

Morsleben

Die Regierung der DDR bestimmte in der 1960er Jahren das ehemalige 
Kali- und Salzbergwerk Morsleben in der Nähe von Helmstedt an der 
Grenze zur BRD zum atomaren Endlager. Ein Langzeit-
Sicherheitsnachweis wurde von den DDR-Behörden nicht als notwendig 
erachtet. Gegen das vermeintliche Endlager Morsleben hatte Angela 
Merkel, Physikerin und damalige "Umwelt"-Ministerin unter 
Bundeskanzler Helmut Kohl, nach dem Zusammenbruch der DDR keine 
Einwände erhoben. Aus westdeutschen AKW wurden weitere tausende 
Kubikmeter radioaktiver Müll eingelagert. Mittlerweile ist 
unstrittig, daß dieses Bergwerk nicht als atomares Endlager taugt. 
1998 stoppte das Oberverwaltungsgericht Magdeburg die weitere 
Einlagerung in Morsleben. WissenschaftlerInnen hatten Merkel bereits 
1996 ausdrücklich vor der unterirdischen Lagerung von Atommüll in 
Morsleben und einer daraus resultierenden radioaktiven Verseuchung 
des Grundwassers gewarnt. Merkel informierte die Öffentlichkeit 
damals nicht über diese Bedenken, sondern ordnete an, "weiterhin 
kostengünstig Atommüll aus Westreaktoren ins Endlager Morsleben in 
Sachsen-Anhalt zu verkippen."

Bis 1998 wurden in Morsleben knapp 37.000 Kubikmeter schwach- und 
mittelradioaktiver Müll eingelagert. Im Jahr 2001 wurde bekannt, daß 
tonnenschwere Brocken sich von der Decke der Stollen lösen und auf 
die Atommüll-Fässer zu fallen drohen. Die Einlagerungskammern mußten 
umgehend mit Salz verfüllt werden. Seitdem ist das Bundesamt für 
Strahlenschutz (BfS) dafür zuständig, den Einsturz des Bergwerks 
Morsleben zu verhindern. Doch für ein geeignetes Verfahren, um das 
gesamte Bergwerk dauerhaft dicht zu machen, gibt es bis heute kein 
Konzept. Die Kosten für die abschließenden Arbeiten, die sich auf 
insgesamt 2,2 Milliarden Euro belaufen dürften, werden den 
SteuerzahlerInnen aufgebürdet.

Das Versuchs-Endlager Asse II

grafik: Atommüll in unterirdischem Salzbergwerk

Das ehemalige Kali- und Salz-Bergwerk Asse II wurde ab 1965 von der 
Bundesregierung als Versuchs-Endlager eingerichtet. Es diente nach 
offiziellen Angaben dem Zweck, die Einlagerung von radioaktivem Müll 
in Salz zu testen und so letztlich den Beweis für die Tauglichkeit 
des Salzstocks Gorleben als atomares Endlager zu liefern. Das im Jahr 
1964 stillgelegte Bergwerk wurde von der Bundesregierung für 600.000 
DM angekauft und dem Kernforschungszentrum Karlsruhe (KFK) und der 
Gesellschaft für Strahlenschutz (GFS) - später: Helmholtz-Zentrum 
München - als Atommüll-Lager und Experimentierfeld überlassen.

Im Gegensatz zur Mehrheit der GeologInnen in anderen Ländern der Welt 
erachteten WissenschaftlerInnen der Bundesanstalt für Bodenforschung 
die in Norddeutschland häufig vorkommenden unterirdischen 
Salzvorkommen als ein geeignetes Material, um radioaktiven Müll 
einzuschließen. So wurde über Jahre hin bedenkenlos radioaktiver Müll 
im Versuchs-Endlager Asse II versenkt. Nach den Angaben der 
Betriebsbücher, die sich mittlerweile als äußerst unzuverlässig 
erwiesen haben, wurden in Asse II bis 1979 insgesamt rund 126.000 
Fässer Atommüll eingelagert. Das radioaktive Inventar stammte 
überwiegend aus kommerziell betriebenen Atomkraftwerken, des weiteren 
aus den Atomforschungszentren, aus Atommüllsammelstellen und auch von 
der Bundeswehr. Es wurden skrupellos auch undichte und korrodierte 
Fässer eingelagert, flüssige Abfälle, Rückstände von Pestiziden, 
Tierkadaver und giftige Schwermetalle, so etwa mehrere Tonnen Blei, 
sowie hochgiftiges Quecksilber und Arsen. Über die Menge des 
eingelagerten ultragefährlichen Plutoniums schwanken die Angaben 
zwischen 9 und 24 Kilogramm.

Im Jahr 2007 wurde bekannt, daß bereits seit 1988 Wasser in die 
Stollen von Asse II eindringt. Der Zufluß hat sich auf insgesamt 
zwölfeinhalb Kubikmeter pro Tag ausgeweitete. Über Jahre hin war die 
Tatsache von Seiten des Betreibers geleugnet worden. ExpertInnen des 
industrienahen 'Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit', hatten 
beharrlich behauptet, die Langzeitsicherheit von Asse II sei 
gewährleistet und ein ehemaliges Salzbergwerk sei "absolut sicher". 
Dabei war damals bekannt, daß die beiden benachbarten Schächte Asse I 
und Asse III bereits abgesoffen waren. Von dem weniger als zehn 
Kilometer entfernten Salzbergwerk Hedwigsburg war nach einem 
Wassereinbruch nur noch ein wassergefüllter Krater übrig geblieben. 
Und einer der Gründe, warum der Vorbesitzer des Bergwerks Asse II 
1964 die Salzförderung aufgegeben hatte, war das Fehlen eines 
Fluchtwegs "im Falle eines größeren Wassereinbruchs."

Die Lauge sammelte sich in den Stollen von Asse II und wurde über 
Jahre hin vom Betreiber ohne Genehmigung in tiefer gelegene Stollen 
gepumpt und in andere Bergwerke in Niedersachsen geschafft. Die 
aggressive Salzlauge greift die Fässer bei Kontakt an und verursacht 
eine Korrosion des Metalls. Binnen weniger Jahrzehnte können so 
radioaktive Partikel mit dem Wasser durch den Gebirgsdruck nach oben 
dringen. Die wasserführenden Schichten oberhalb der Asse-II-Stollen 
reichen von Hildesheim bis Magdeburg und vom Harz bis Lüneburg.

Noch 1985 behauptete die GFS in einer Broschüre, daß "ein 
Wasserzutritt in das Salzbergwerk Asse im höchsten Maße 
unwahrscheinlich" sei.

In einem für das Bundesumweltministerium erstellten Statusbericht 
wurde im Sommer 2008 festgestellt, daß Asse II einsturzgefährdet ist 
und die radioaktive Lauge das Grundwasser zu verseuchen droht. Nun 
soll das Versuchs-Endlager nach Atomrecht stillgelegt werden. Wie 
genau das geschehen wird, ist noch unklar. Es gibt Pläne, das gesamte 
Bergwerk mit einer Magnesiumchlorid-Lösung zu fluten. 
WissenschaftlerInnen, die dies für äußerst gefährlich erachten, raten 
dagegen, den Atommüll so schnell wie möglich aus den Stollen zu 
bergen und an die Erdoberfläche zu holen.

Im Zeitraum zwischen Mitte 2007 und Mitte 2009 wurden in immer 
kürzeren Abständen immer wieder neue Fakten über die ungeheuerlichen 
Zustände im "Versuchs-Endlager" bekannt. Bereits im November 2007 
mußte Bundes-"Umwelt"-Minister Gabriel einräumen, daß in Asse II eine 
Umweltkatastrophe droht. Der Wasserzutritt war nicht länger zu 
leugnen und ein Gutachten hatte ergeben, daß "Gefahr im Verzug" ist. 
Das unterirdische Salzgebirge, das einem mehrstöckigen Hochhaus 
gleicht, verliert an Tragfähigkeit und droht einzustürzen. Doch 
Gabriel verzögert die Bergung des Atommülls und spielt stattdessen 
auf Zeit.

Im Juni 2008 wurde bekannt, daß Wasserzuflüsse in Stollen von Asse II 
bereits radioaktiv kontaminiert sind. Dies läßt darauf schließen, daß 
Fässer mit Atommüll bereits durchgerostet sind.

Juli 2008: In einer Liste des Betreibers, des Helmholtz-Zentrums 
München, fanden sich Eintragungen über "Brennstäben in Blechdosen". 
Es besteht daher der dringende Verdacht, daß in Asse II auch 
hochradioaktiver Müll eingelagert wurde.

September 2008: Bundes-"Umwelt"-Minister Gabriel muß einräumen, daß 
offenbar niemand genau wisse, was in dem "Forschungsbergwerk" 
eingelagert wurde. Es handele sich um die "problematischste 
Nuklearanlage in ganz Europa". Die Zustände in Asse II seien 
unhaltbar. Als "Konsequenz" wird jedoch lediglich der bisherige 
Betreiber, das Helmholtz-Zentrum München, durch das Bundesamt für 
Strahlenschutz (BfS) ausgewechselt.

Januar 2009: Seit Dezember 2008 liegen Informationen vor, daß eine in 
rund 750 Meter Tiefe liegende Kammer mit schwach- und 
mittelradioaktiven Abfällen akut einsturzgefährdet sei. Gabriel 
behauptet, hierüber erst wenige Tage zuvor informiert worden zu sein.

Februar 2009: Seit dem 6. Februar wird erneut radioaktiv 
kontaminierte Lauge aus Asse II in das stillgelegte Bergwerk 
'Mariaglück' transportiert. Die dringend erforderliche Rückholung des 
Atommülls aus den einsturzgefährdeten Stollen wird dagegen weiter 
verzögert.

23. Februar 2009: Greenpeace deckt auf, daß mehr als 70 Prozent der 
Radioaktivität im maroden Salzbergwerk Asse II von atomaren Abfällen 
aus Atomkraftwerken stammen. Die aus einem Inventarbericht stammenden 
Zahlen widerlegen die bisherige Darstellung der vier großen Energie-
Konzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW, sie hätten nur geringe 
Mengen Atommüll in das als Versuchslager deklarierte Bergwerk Asse II 
gebracht.

15. April 2009: Der 'stern' berichtet, daß sich in Asse II auch 
Fässer mit Pestiziden, Arsen und Blei befinden.

24. April 2009: Laut neu zum Vorschein gekommenen Dokumenten nutzte 
auch die Bundeswehr das "Versuchs-Endlager", um radioaktiven Müll 
billig loszuwerden.

29. April 2009: Nicht nur Kammer 4 - wie bereits seit Ende 2008 
bekannt - , sondern auch Kammer 7 in 725 Meter Tiefe ist akut 
einsturzgefährdet.

Schacht Konrad

Das einzige ordnungsgemäß nach Atomrecht genehmigte Endlager für 
Abfälle mit "vernachlässigbarer Wärmeentwicklung" in Deutschland ist 
das ehemalige Eisenerzbergwerk Schacht Konrad bei Salzgitter. Seit 
1976 wurde es zunächst als Endlager für schwach- und 
mittelradioaktiven, seit 1985 für Atommüll mit "vernachlässigbarer 
Wärmeentwicklung" vorgesehen. Es wird derzeit zum Endlager ausgebaut, 
2013 sollen die ersten Abfälle eingelagert werden. Oft wird in der 
öffentlichen Diskussion Schacht Konrad als "genehmigtes Endlager" 
dargestellt und somit suggeriert, daß damit die Problematik eines 
atomaren Endlagers gelöst sei. Entscheidend ist jedoch, daß für 
hochradioaktiven Müll weltweit bis heute kein Endlager vorhanden ist.

Im Planfeststellungsverfahren erhoben nahezu 300.000 Menschen 
Einwendungen. Die "rot-grüne" Bundesregierung beschloß mit dem "Atom-
Ausstieg" im Jahr 2000 zugleich die zwei Jahre später erteilte 
Genehmigung für Schacht Konrad. Klagen von AnwohnerInnen und 
Nachbargemeinden wies das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2007 
zurück. Über die Verfassungsbeschwerde eines Landwirts und der Stadt 
Salzgitter ist noch nicht entschieden. Auch in Schacht Konrad sollen 
bis zu 865 Kilogramm Plutonium eingelagert werden.

Eine Langzeit-Sicherheitsprognose für Schacht Konrad basiert im 
Wesentlichen auf theoretischen Grundlagen und nicht auf empirisch 
erhobenen Daten. Die zugrunde liegenden Berechnungen sind Jahrzehnte 
alt und entsprechen längst nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

Gorleben

In der BRD wurden in den 1960er Jahren von der Bundesanstalt für 
Bodenforschung Salzstöcke als geeignet für die Endlagerung von 
hochradioaktivem Müll empfohlen. In den 1970er Jahren kam die Idee 
eines "nuklearen Entsorgungszentrums" auf, in dem alle deutschen 
Atomabfälle zentral untergebracht werden sollten. Die Wahl fiel ohne 
umfangreiche geologische Untersuchungen auf Gorleben. 1979 begannen 
die "Erkundungsarbeiten". In einer Anhörung des Innenausschusses des 
Deutschen Bundestages am 20. Juni 1984, als die Tiefbohrungen 
abgeschlossen waren, sprachen sich fünf von neun ExpertInnen aus 
geologischen Gründen für einen Abbruch der "Erkundung" des Gorlebener 
Salzstocks aus.

Inzwischen muß selbst der derzeitige Bundes-"Umwelt"-Minister Sigmar 
Gabriel einräumen, daß Gorleben nicht aus geologischen Gründen, 
sondern wegen der Nähe zur damaligen DDR-Grenze und wegen der 
geringen Bevölkerungsdichte, die ein geringes Widerstandspotential 
versprach, ausgewählt worden war. Wie im Fall Asse II gab es auch in 
Gorleben nie ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren. Die 
bisherigen "Erkundungsarbeiten" wurden auf der Grundlage des 
Bergrechts durchgeführt, so daß eine Bürgerbeteiligung umgangen 
werden konnte.

Eine der wichtigsten Anforderungen, die ursprünglich als unabdingbar 
für die Auswahl zu einem Endlager angesehen wurden, galt, daß das 
Lager trocken sein müsse und keinen Kontakt zum Grundwasser aufweisen 
dürfe. Das "Versuchs-Endlager" Asse II hat bewiesen, daß ein 
Salzstock als Endlager diese Anforderung nicht erfüllt. Auch der 
Gorlebener Salzstock hat bereits Wasserkontakt.

Bereits seit Mitte der 1980er Jahre wurde von kritischen 
WissenschaftlerInnen festgestellt, daß das Deckgebirge des Gorlebener 
Salzstocks instabil ist. So liegt die "Gorlebener Rinne", eine bis zu 
320 Meter tiefe eiszeitliche Schmelzwasserrinne, die mit 
grundwasserführendem Gestein gefüllt ist, genau über dem tektonisch 
nach oben aufgewölbten Hut des Salzstocks.

Eine der wesentlichen Anforderungen an ein atomares Endlager ist ein 
Mehrbarrieren-System. Bei einem Salzstock wäre als eine 
Mindestanforderung anzusehen, daß eine durchgehende tonhaltige 
Deckschicht das Salz vom Kontakt mit Grundwasser schützt. Im Falle 
des Gorlebener Salzstocks ist jedoch die tonhaltige Deckschicht auf 
einer Fläche von rund acht Quadratkilometern komplett erodiert. Das 
Salz ist dort nur von wasserführenden Sanden und Kiesen bedeckt. 
Zudem steigt der Salzstock weiter auf. Er hat durch Salzauflösung 
bereits einen Teil seiner Substanz verloren und wird durch 
Wasserkontakt weiter abgelaugt. Eine Vielzahl von Hohlkammern mit 
Salzlösung und Gasen widersprechen dem Bild eines homogenen 
Salzstocks, der für eine Endlagerung von Atommüll geeignet wäre.

Bundes-"Umwelt"-Minister Sigmar Gabriel ist derweil vom Kriterium 
Mehrbarrieren-System abgerückt. In einer von ihm autorisierten 
Stellungnahme, in der Sicherheits-Kriterien für ein atomares Endlager 
aufgelistet wurden, ist keine Rede mehr vom Mehrbarrieren-System.

Von den AKW-Betreibern wird weiterhin öffentlich behauptet, daß "alle 
bisherigen Erkenntnisse die Eignung des Gorlebener Salzstocks 
gezeigt" hätten. Seit Jahren wird Atommüll nach Gorleben 
transportiert, um so den Widerstand zu zermürben und um vollendete 
Tatsachen zu schaffen. Und von den Mainstream-Medien wurde über Jahre 
hin mit ihrer Berichterstattung das Bild suggeriert, der in CASTOR-
Behältern herantransportierte Atommüll werde bereits unterirdisch 
eingelagert. Tatsächlich jedoch stehen die CASTOR-Behälter lediglich 
in einer oberirdischen Leichtbauhalle auf einem Grundstück gegenüber 
des Erkundungs-Bergwerks.

Am 28. Mai 2009 wurde bekannt, daß der Ausbau des Gorlebener 
Salzstocks zum Endlager seit Mitte der 1980er Jahre heimlich und 
illegal vorangetrieben wurde. Aus einem der 'Frankfurter Rundschau' 
vorliegenden internen Schriftstück des Bundesamtes für Strahlenschutz 
(BfS) geht hervor, daß der Ausbau des Salzstocks unter dem Deckmantel 
der Erkundungsarbeiten begonnen worden war, obwohl kein 
Planfeststellungsbeschluß vorliegt, der eine Eignung des Salzstock 
zuvor bestätigen müßte.

Eine Aussage über die Eignung des Salzstocks kann es laut BfS 
frühestens in 15 Jahren geben - und dies heißt im Klartext: Mit dem 
Wissen der "schwarz-gelben" (bis 1998), der "rot-grünen" (von 1998 
bis 2005) und der "schwarz-roten" Bundesregierung (ab 2005) wurde 
hier illegal gehandelt. Darüber hinaus heißt es in dem internen 
Schriftstück: "In Gorleben lagen die bisherigen Erkundungskosten 
außerordentlich hoch, was jedoch darin begründet liegt, daß hier 
parallel zur Erkundung bereits der Ausbau zum Endlager begonnen 
wurde." "Die Erkundungslüge ist aufgeflogen", stellte die 
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg in einer umgehend 
veröffentlichten Medienmitteilung fest.

Ein Sprecher des BfS räumte ein, daß die bislang in Gorleben 
angefallenen Kosten höher seien, als es allein für eine "Erkundung" 
im Rahmen eines Standortauswahlverfahrens notwendig gewesen wäre. Die 
bisher aufgelaufenen 1,5 Milliarden Euro wurden von den deutschen AKW-
Betreibern in den vergangenen Jahren immer wieder als Argument 
vorgebracht, eine "weitere Endlagersuche" sei nicht tragbar.

Weltweit kein Endlager

Im November 2003 hatte der italienische Ministerpräsident Silvio 
Berlusconi den Beschluß durchgesetzt, in Italien ein atomares 
Endlager einzurichten. Wenig bekannt ist in Deutschland, daß Italien 
bereits 1987 nach einem erfolgreichen Volksentscheid innerhalb von 
nur einem Jahr den Atom-Ausstieg realisieren konnte. Drei 
Atomkraftwerke wurden stillgelegt und ein viertes, nahezu 
fertiggestelltes Atomkraftwerk wurde auf Gas-Öl-Betrieb umgerüstet. 
Offenbar wollte Berlusconi 2003 Italien als europäischen Endlager-
Standort feilbieten. Doch der Proteststurm in der für das Endlager 
vorgesehenen abgelegenen Region Basilicata war so stark, daß 
Berlusconi seinen Plan bereits im Dezember 2003 zurückziehen mußte.

In der Schweiz und in Frankreich werden Endlager-Konzepte verfolgt, 
die unterirdische Tonschichten als ideal zur Aufnahme von Atommüll 
darstellen. So ist in der Schweiz der grenznahe, am Rhein gelegene 
Ort Benken vorgesehen und Frankreichs Regierung läßt im abgelegenen 
Bure in Lothringen auf einem streng bewachten Areal "Erkundungs"-
Bohrungen vorantreiben. Doch im Januar 2009 wurden Untersuchungen an 
der Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich bekannt, wonach 
sowohl der unter Benken als auch unter Bure befindliche Opalinuston 
ungeeignet ist, wärmeentwickelnden Atommüll aufzunehmen. Denn unter 
bestimmten Bedingungen, die bei der Einlagerung radioaktiver und 
stark Wärme abstrahlender Stoffe angenommen werden müssen, bilden 
sich im Opalinuston beträchtliche Risse.

Am 9. März 2009 wurde bekannt, daß die von Ex-US-Präsident George W. 
Bush mit wenig Fortune vorangetriebenen Pläne für ein atomares 
Endlager im Yucca Mountain in Nevada von der neuen US-Regierung unter 
Barack Obama aufgegeben werden. Jahrzehntelange wissenschaftliche 
Untersuchungen haben erwiesen, daß die Einlagerung von 
hochradioaktivem Atommüll in Granit die vorgegebenen 
Sicherheitsanforderungen nicht ausreichend erfüllen kann. Zumindest 
hat die US-Regierung die Gelder für Yucca Mountain im nächsten 
Haushalt weitgehend gestrichen. Auch das schwedische Endlager-Konzept 
in Granit, das bislang als weltweit führend galt, ist gescheitert. 
GeologInnen wiesen im angeblich seit 1,6 Millionen Jahre stabilen 
Urgestein Spuren von mindestens 58 Erdbeben der Stärke acht auf der 
Richterskala allein in den zurückliegenden 10.000 Jahren nach.

Der weitaus größte Teil des weltweit angefallenen Atommülls befindet 
sich nach wie vor in "Zwischenlagern". Atomkraftwerke werden nun 
schon seit mehr als 50 Jahren betrieben und noch immer weiß niemand, 
wo der hochradioaktive Müll einmal bleiben kann. Häufig wird 
ausgerechnet von Atomkraft-GegnerInnen ein "konstruktiver" Beitrag 
zur Lösung des Endlager-Problems eingefordert. Doch erst wenn alle 
Atomkraftwerke in Deutschland stillgelegt sind, wenn also ein Atom-
Ausstieg real ist, kann ernsthaft nach einer Lösung gesucht werden. 
Ansonsten würde mit Sicherheit eine allgemein akzeptierte Notlösung 
als Argument benutzt werden, den Betrieb von Atomkraftwerken bis zum 
nächsten Super-GAU fortzusetzen.

Solange jedoch weiterhin Atomkraftwerke in Betrieb sind, wird der 
Druck, ein Lager zu finden, so groß sein, daß nicht der optimale 
Standort gewählt wird, sondern ein beliebiger. Denn für die AKW-
Betreiber genügt jeglicher "Nachweis" eines Endlagers, um die Nutzung 
der Atomenergie fortzusetzen. Morsleben und Asse II haben deutlich 
gezeigt, wohin dies führt.


NETZWERK REGENBOGEN


Die übrigen Folgen der Info-Serie:

  1 Grundlagenwissen

  2 Der deutsche "Atom-Ausstieg"

  3 Die Subventionierung der Atomenergie

  4 Der siamesische Zwilling: Atombombe

  5 Umweltverbrechen Uran-Abbau

  6 Uran-Ressourcen und die Zukunft der Atomenergie

  7 Die Geschichte der Atom-Unfälle

  8 Die stille Katastrophe

  9 Der italienische Atom-Ausstieg

10 Schwedens "Atom-Ausstieg"

11 Atomenergie in Frankreich 



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