[fessenheim-fr] Sargnagel für Endlager Gorleben

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So Aug 23 20:30:35 CEST 2009


22.08.2009

Sargnagel für Endlager Gorleben

Verträge laufen 2015 aus

Weltweit gibt es nach wie vor kein Endlager für hochradioaktiven 
Müll. In Deutschland klammern sich Strom-Konzerne, Siemens und 
alimentierte PolitikerInnen an den einst von Ernst Albrecht 
ausgewählten Standort an der "Zonengrenze". Daß Gorleben nachweislich 
nicht geeignet ist, interessiert nicht und die Hoffnung aller 
Atomkraft-BefürworterInnen richtet sich bislang auf eine "schwarz-
gelbe" Koalition in Berlin, die nach dem 27. September den Weg für 
die Etablierung des Endlagers Gorleben frei machen sollte. Doch 
Ironie der Geschichte: Daß die Verträge über das Nutzungsrecht am 
Gorlebener Salzstock bis zum 31. Dezember 2015 befristet sind, 
vergaßen die Herrschaften, für die nur die Profite der Gegenwart 
zählen.

Marianne Fritzen, eine Gorleben-Aktivistin der ersten Stunde, 
Mitgründerin der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg und 
mittlerweile 85 Jahre alt, grub dieser Tage vergilbte Kopien alter 
Verträge aus. In den 1970er Jahren waren ihr Grundstücksverträge in 
die Hände gefallen, nachdem die DWK (Deutsche Gesellschaft zur 
Wiederaufarbeitung) mit Druck und viel Geld Bauern zum Verkauf von 
Gelände über dem Salzstock Gorleben veranlaßt hatte.

Im Sommer 1978 hatte die Anti-Atom-Bewegung Geld gesammelt, um der 
DWK noch Grundstücke vor der Nase wegschnappen zu können. In Hamburg, 
Frankfurt und Berlin spendeten GegnerInnen des Endlager-Projekts 
Gorleben und so kamen rund 800.000 Mark zusammen. So hofften sie, 
eine entscheidende Parzelle des Gorlebener Bauern Herbert Tiedemann 
kaufen zu können. Doch als die Atomkraft-GegnerInnen Tiedemann 
besuchen wollten, war dieser bereits weg. Kurz zuvor hatte er die 
Parzelle an die DWK verkauft - wie etliche andere Bauern zuvor. An 
die hundert solche Verträge, so Fritzen, hatte die DWK geschlossen. 
Das Bundesamt für Strahlenschutz - Rechtsnachfolger der DWK - 
bestätigt diese Größenordnung.

Doch einige verkauften nicht. Andere verkauften zwar, aber überließen 
die sogenannten Nießrechte am Salz unter ihren Grundstücken nur 
befristet an die DWK. Diese Nießrecht sind bis zum 31. Dezember 2015 
befristet. "Werden die Nießrechte nicht vertraglich neu geregelt, so 
kann unter Tage nicht ausgebaut werden," erläutert die 
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow Dannenberg in einer aktuell 
verbreiteten Medienmitteiling. Ein Sprecher der Umweltorganisation 
Greenpeace bezeichnete das Auslaufen der Verträge als "Sargnagel für 
das Thema Gorleben". Doch ein schnelles Ende von Gorleben ist nicht 
zu erhoffen, wie der Bundes-Atom-Minister Sigmar Gabriel aus der Lage 
zu schließen meint.

Bundes-Atom-Minister Gabriel nutzt die Gelegenheit, um sich einmal 
mehr - gerade nun vor der Bundestagswahl - als Gegner des Endlager-
Projekts darzustellen: "Angesichts dieser Rechtslage ist es fraglich, 
ob in Gorleben überhaupt jemals weitergemacht werden kann, selbst 
wenn man das für sinnvoll hielte." Umso wichtiger sei ein neues 
Suchverfahren, samt Vergleich verschiedener Standorte. "Wer 
ausschließlich auf den Standort Gorleben setzt, geht ein hohes Risiko 
ein, Zeit und viel Geld zu verschwenden", heißt es vom Ministerium.

"Schön wäre es, aber wir werden jeden einzelnen Grundstücksbesitzer, 
der sein Salzrecht gewahrt hat, überzeugen müssen, daß in Gorleben 
schon lange nicht mehr erkundet wird, sondern daß es eine 
Vorfestlegung gibt, der man einen Riegel vorschieben muß", erklärt 
Bürgerinitiativ-Sprecher Wolfgang Ehmke. Auf jeden Fall sieht sich 
die Anti-Atom-Bewegung nicht am Ende ihres Lateins, wenn, wie 
anzunehmen, eine "schwarz-gelbe" Bundesregierung nach den Wahlen die 
Wünsche der Konzerne in Gorleben zu realisieren versucht.

Vor allem für die Großen Vier - RWE, E.on, Vattenfall und EnBW - ist 
die Lage kritisch. Seit Jahren warten sie darauf, daß die "Erkundung" 
des Gorlebener Salzstocks, die illegal aber real längst ein Ausbau 
zum Endlager[1] war, weitergeht. Bisher verhindert dies ein 
Moratorium, das spätestens im Herbst 2010 endet und frühestens nach 
der Bundestagswahl von "Schwarz-Gelb" gekippt werden kann. Dann 
allerdings benötigt das Behörden-Räderwerk nochmals einige Zeit, bis 
die "Erkundung" formal wieder anlaufen kann - bis Ende 2015, das wird 
knapp.

Die Großen Vier, die darauf verweisen, daß sie bereits 1,4 Milliarden 
Euro - von hunderten Milliarden an staatlichen Atom-Subventionen - in 
die "Erkundung" des Gorlebener Salzstocks investiert hätten, drängen 
zur Eile. Möglichst schnell müsse nun das Moratorium fallen, denn 
eine Verlängerung der Salzverträge werde "eher schwierig", heißt es 
von ihrer Seite. Als es nach dem Regierungswechsel 1998 und dem Start 
der "rot-grünen" Bundesregierung in der öffentlichen Diskussion um 
einen realen Atom-Ausstieg ging, warnten die Großen Vier vor 
Enteignung und dem Beginn des Sozialismus. Doch mit Blick auf die 
abgeschlossenen Grundstücksverträge drohen sie selbst nun unverhohlen 
mit Enteignung: Mit der Enteignung der GrundstückseigentümerInnen.

Die rechtlichen Mittel und willfährige PolitikerInnen stehen den 
Großen Vier zur Verfügung. Doch diesmal spielt die Zeit gegen sie. 
Zwar kann das Recht auf Enteigung von "Schwarz-Gelb" in die 
entsprechenden Gesetzestexte flink eingefügt werden. Doch jedem 
Enteigneten steht der Rechtsweg offen. Zunächst kann gegen die 
Enteigung geklagt werden und daraufhin gegen die Höhe der 
Entschädigung. Und das kann dauern.

"Die Rechtsposition der Gorleben-Betreiber wankt. Das Jahr 2015 
könnte ein Schlüsseljahr werden, doch wir drängen natürlich schon 
jetzt auf die Aufgabe Gorlebens. Der Treck der Bauern nach Berlin und 
die Anti-Atom-Demo am 5. September soll ein anti-nuklearer 
Paukenschlag werden", sagt Ehmke.


REGENBOGEN NACHRICHTEN


Anmerkungen

[1] Siehe auch unseren Artikel:

      Illegaler Ausbau unter Gorleben
      1,5 Milliarden Euro bereits für Ausbau als "Endlager" 
investiert
      (28.05.09)

Siehe auch:

      Der deutsche "Atom-Ausstieg"
      Folge 2 der Info-Serie Atomenergie

      Die Subventionierung der Atomenergie
      Folge 3 der Info-Serie Atomenergie

      Das ungelöste Problem der Endlagerung
      Folge 12 der Info-Serie Atomenergie




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