[fessenheim-fr] StZ: Sicherheitsmängel in Neckarwestheim - Revol
klausjschramm at t-online.de
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Mo Aug 3 14:02:09 CEST 2009
Hallo Leute!
Also wenn die geschilderten Sicherheitslücken nicht
in einem Artikel der 'Stuttgarter Zeitung' stünden, würde
ich das alles - zumindest in seiner Totalität - eher für
unwahrscheinlich halten. Aber zumindest ein Teil der
Behauptungen von Karl R. scheint sich wohl bestätigt zu
haben...
Ciao
Klaus Schramm
Stuttgarter Zeitung, 03.08.09
> Sicherheitsmängel in Neckarwestheim
> Revolver im Atomkraftwerk
Andreas Müller, veröffentlicht am 03.08.2009
Sogar einen legalen Wanderweg quer durchs Reaktorgelände hat der
Undercoveragent Karl R. entdeckt. Foto: dpa
Neckarwestheim - Die Frage war ein wenig heikel für die
Landesumweltministerin. Ob sie dem angeblichen "EnBW-Erpresser", der
Waffenattrappen und Alkohol ins Kernkraftwerk Neckarwestheim
geschmuggelt
haben will, dankbar sei für die Hinweise auf Sicherheitslücken? Die
Atomaufsicht interessiere sich immer sehr dafür, wie
Zugangskontrollen
noch verbessert werden könnten, antwortete Tanja Gönner (CDU). Auch
wenn
keine Regelverstöße festgestellt worden seien, habe man zusammen mit
Innenministerium und Landeskriminalamt bereits in mehreren Punkten
Konsequenzen gezogen. Welche das seien, dürfe sie aus verständlichen
Gründen nicht näher erläutern. Insgesamt, so Gönner, könne man die
Tipps
des einstigen Mitarbeiters einer Fremdfirma durchaus "als hilfreich
bezeichnen".
Es ist schon der dritte in diesem Jahr bekanntgewordene Fall, in dem
ihren
Atomaufsehern von außen auf die Sprünge geholfen wurde. Erst deckte
ein
Kleinunternehmer auf, dass man problemlos mit verschlossenen Paketen
ins
Kernkraftwerk Philippsburg gelangen konnte. Die Folge: die Kontrollen
wurden umgehend verschärft. Dann meldete ein anonymer Informant, dass
der
frühere Reaktorchef und heutige EnBW-Technikvorstand die
Sicherheitsregeln
für sich und seinen Fahrer außer Kraft gesetzt habe. Prompt setzte es
eine
"scharfe Rüge" aus dem Ministerium.
Was jetzt ans Licht kommt, ist noch erheblich brisanter - und
zugleich
bizarrer. Im Fall des Karl R., jenes aus Heilbronn stammenden
Mitarbeiters, konzentrierte sich die öffentliche Aufmerksamkeit
zunächst
auf den Erpressungsverdacht. Noch am gleichen Tag, da er der EnBW
über
seine Erfahrungen in Neckarwestheim berichtete, stellte der
Stromkonzern
Strafantrag wegen Nötigung. Begründung: im Verlauf des Gesprächs
hätten
sich "deutlich erkennbare Anzeichen" ergeben, dass der "Hinweisgeber"
Geld
fordere.
Im Vordergrund stand der Hinweis auf Sicherheitslücken
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen ihn wegen
versuchter Erpressung. Diesen Verdacht scheint auch ein Dokument zu
erhärten, das den Fahndern vorliegt. Doch R.s Anwältin, eine bekannte
Strafverteidigerin, spricht von einer "missverständlichen
Formulierung".
Ihr Mandant habe keinerlei erpresserische Absichten gehabt, er habe
nur
Sicherheitslücken aufdecken wollen.
Die EnBW vermutet noch ein weiteres Motiv: dem Mann sei es auch darum
gegangen, in die Medien zu kommen. In gewisser Weise könnte das
stimmen.
Karl R. nämlich führt ein ungewöhnliches Doppelleben. Im Alltag ist
der
43-Jährige ein gewöhnlicher Werktätiger, der sich zum Beispiel als
Chemielaborant verdingte. Daneben tritt er, unter einem Pseudonym,
als
Illusions- und Entfesselungskünstler auf - etwa bei einer
Geburtstagsparty
von Paris Hilton. Als solcher war er Ende 2007 ins "Nachtcafe" von
Wieland
Backes eingeladen. Dort traf er auf einen Gast, den er seit langem
bewundert: den Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff. Man machte
sich
bekannt und kam ins Gespräch.
Wallraff als Vorbild
Bei einem von Wallraffs Rechercheprojekten, erfuhr Karl R., ging es
um
Sicherheitsmängel in Kernkraftwerken. Das Thema elektrisierte ihn.
Der
Atommeiler vor den Toren Heilbronns war ihm seit langem suspekt, und
im
Bekanntenkreis hörte er merkwürdige Geschichten von dort. Also
heuerte er
im Frühjahr 2008 für einige Monate bei einer internationalen
Servicefirma
an, die in Neckarwestheim diverse Arbeiten erledigt. Die
Zuverlässigkeitsprüfung für Personal, das auf das Reaktorgelände
darf,
bestand er trotz eines nicht ganz makellosen Vorlebens.
Doch den Job als Fahrer und Reinigungskraft betrachtete R. vor allem
als
Tarnung zum Recherchieren - ganz im Sinne seines "großen Vorbilds"
Wallraff, mit dem er jetzt kooperierte. Mit versteckter Kamera und
Mikrofon dokumentierte der Undercover-Reporter, wie lax die
Kontrollen im
Kernkraftwerk seien. Das Material lieferte er bei Wallraff und einem
Kölner Filmproduzenten ab, die es gemeinsam verwerten wollten. Erst
als
sich die Zusammenarbeit zerschlug, ging er zur EnBW.
Was R. den, wie er sagt, "fassungslosen" Zuhörern dort berichtete,
erfuhr
die Öffentlichkeit nur in knappen Sätzen. Der Mann wolle unerlaubt
Gegenstände auf das Reaktorgelände gebracht haben, darunter
Waffenattrappen und Alkohol, teilte Gönners Ministerium mit. Noch
fehlten
dafür Belege, doch die Ausführungen über "mögliche Verstecke unter
den
Fahrersitzen eines Lieferwagens" seien nachvollziehbar gewesen.
Allerdings
gehe es nur um den äußeren Sicherheitsbereich, wird stets betont.
Beim Objektschutz soll es fidel zugehen
Im Detail klingt es noch abenteuerlicher, was R. auch im Gespräch mit
der
Stuttgarter Zeitung schilderte. Nur anfangs habe er die Waffen, zwei
nicht
funktionsunfähige Revolver, unter dem Sitz versteckt. Nach und nach
habe
er "immer mehr probiert". Mal hätten sie im offenen Handschuhfach
gelegen,
nur hinter Papieren versteckt, mal sogar in einen Lappen eingewickelt
auf
dem Armaturenbrett. Nie habe es bei der Einfahrt Probleme gegeben.
Auch
Messer und Armeedolche will R. auf diese Weise aufs Reaktorareal
gebracht
haben. Mitarbeiter hätten sie ihm in der Maschinenhalle sogar
geschliffen,
ohne irgendjemanden zu alarmieren. Solche Freundschaftsdienste seien
in
der Belegschaft üblich. Zeitweise habe er über fünf verschlossene
Spinde
verfügt, in denen man Revolver und Dolche hätte deponieren können.
Auch Alkohol, berichtet R., lasse sich leicht auf das Reaktorgelände
bringen. Dort gilt zwar ein striktes Alkoholverbot, doch unter den
Mitarbeitern des Wachdienstes gebe es erhebliche Alkoholprobleme.
Lager
für Bier, Wein und Rum im toten Winkel der Videoüberwachung, von
denen er
wissen will, konnte die Atomaufsicht bei Vor-Ort-Terminen jedoch
nicht
finden. Beim Objektschutz, behauptet der Rechercheur, gehe es
überhaupt
recht fidel zu. So diene die Hochleistungskamera auf dem Kühlturm,
mit der
man Fernes ganz nah heranzoomen kann, als "Belustigungsprogramm" -
etwa
beim Blick in benachbarte Schlafzimmer.
Behauptungen könnten mit Filmmaterial untermauert werden
Gönners Atomaufseher betrachteten den Mann keineswegs als Fantasten.
Nach
anfänglichen Schwierigkeiten, in Kontakt zu kommen, mache er einen
"offenen und kooperativen Eindruck", sagt ein Sprecher. Seine
Darstellungen würden "ernst genommen" und erschienen "zumindest zum
Teil
plausibel". Nur eines mochte man ihm nicht abnehmen: dass er auch
Personen
auf das Gelände hätte schmuggeln können, versteckt in Säcken für Post
oder
geschreddertes Papier. Da hatte auch Günter Wallraff seine Zweifel.
Ursprünglich sei geplant gewesen, ihn in den Atommeiler
einzuschleusen,
bestätigte er der StZ. Aber Karl R. sei ihm für dieses Vorhaben dann
doch
nicht als geeignet erschienen.
Er habe den Kontakt schon länger "auf Eis gelegt" und nach den
Erpressungsvorwürfen eingestellt, sagt Wallraff. R. wiederum wirft
seinem
Duzfreund Günter und dessen Filmproduzenten vor, sie hätten ihn erst
benutzt und dann fallengelassen. Besonders erbost ist er darüber,
dass die
Filmfirma das übergebene Material - zwanzig Stunden Bild und Ton -
nicht
mehr herausgibt. Was EnBW und Atomaufsicht als "Behauptungen"
bezeichnen,
könne er damit beweisen.
Wanderwege quer über das Reaktorgelände
Zunächst bemühte sich auch das Umweltministerium erfolglos, an die
Videos
heranzukommen. Inzwischen aber zeigt sich der Geschäftsführer der
Cologne-Film, Gerhard Schmidt, kooperativ. In einem Schreiben an die
EnBW,
mit Kopie an Atomaufsicht und Staatsanwaltschaft, offeriert er
Einsicht in
die Dokumente. Man sei bereit, so Schmidt, "Ihnen das von Herr R.
aufgenommene Videomaterial in unseren Räumen Köln, Sachsenring 2-4,
vorzuführen". Ein Besichtigungstermin könne ab 4. August vereinbart
werden.
Schon jetzt verdankt Atomaufseherin Tanja Gönner dem "Filmautor"
einen
weiteren Erkenntnisgewinn. Ob sie etwas von einem Wanderweg quer über
das
Reaktorgelände in Neckarwestheim wisse? Nein, musste die erstaunte
Ministerin einräumen. Eine Nachfrage in ihrem Ressort ergab: die
Route
existiert tatsächlich, aufgrund uralter Wegerechte. Wanderer würden
vom
Wachschutz empfangen und durchs Gelände eskortiert. Alle Versuche der
EnBW, eine Verlegung zu erreichen, seien bisher gescheitert.
Vielleicht
klappt es ja nun, da Karl R. das Kuriosum öffentlich gemacht hat.
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sicherheitsmaengel-in- neckarwestheim-revolver-im-atomkraftwerk.html
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