[fessenheim-fr] Info-Serie Atomenergie - Folge 6

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Do Jul 30 16:49:48 CEST 2009


Info-Serie Atomenergie
Folge 6

Uran-Ressourcen
und die Zukunft der Atomenergie

Der Treibstoff der Atomkraftwerke, Uran, wird immer teurer, denn - 
wie irgendwann bei jeder endlichen Ressource auf einem endlichen 
Planeten - gehen die weltweiten Vorräte zur Neige. Den Betreibern 
geht schon bald das Uran aus.

Grafik: Uranvorkommen weltweit

Der Uranbedarf für die weltweit rund 440 kommerziellen Atomkraftwerke 
liegt bei 62.000 Tonnen pro Jahr. Allein in der EU werden nach 
öffentlich verfügbaren Angaben jährlich rund 20.000 Tonnen Uran zur 
Stromerzeugung in Atomkraftwerken benötigt. Der Preis für Uran hat 
sich allein im Zeitraum zwischen April 2004 und April 2006 
vervierfacht - von 10 US-Dollar je Pound (454 Gramm) auf 40 US-Dollar 
je Pound. Im selben Zeitraum verdreifachte sich der Preis für Rohöl.

Bekanntlich bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Während jedoch 
die Nachfrage ohne einen weiteren Ausbau der Atomenergie konstant 
bleibt, verkleinert sich das Angebot. Laut Angaben der 
Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) ebenso wie der Nuclear 
Energy Agency (NEA) in der Organisation für wirtschaftliche 
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 1999 lag die Menge 
des - je nach Höhe der unterstellten Förderkosten - mehr oder weniger 
"wirtschaftlich" abbaubaren Urans bei insgesamt noch 1,25 bis vier 
Millionen Tonnen. Dies würde maximal für eine Dauer von 65 Jahren - 
also bis zum Jahr 2064 reichen.

Die im Verband Schweizer Elektrizitätsunternehmen organisierte 
Schweizer Atomlobby gab im September 2005 auf ihrer Homepage die 
Auskunft: "Teilt man die aus heutiger Sicht technisch und 
wirtschaftlich abbaubaren Reserven durch den jetzigen Verbrauch, 
erhält man die so genannte statische Reichweite. Diese beträgt (...) 
für Uran (ohne Brutreaktoren) rund 50 Jahre." Nach deren 
offensichtlich optimistischer Berechnung, bei denen keine Steigerung 
des Uran-Verbrauchs angenommen wurde, ergäbe sich also eine maximale 
Reichweite bis 2055.

Die Umweltorganisation Greenpeace veröffentlichte im Jahr 2006 eine 
Studie über die Reichweite der Uranvorräte der Welt: "Unter 
Berücksichtigung verschiedener Szenarien zur weltweiten Entwicklung 
des Kraftwerkbestandes, scheinen die Uranvorräte etwa zwischen 2026 
und 2070 erschöpft. Geht man davon aus, daß Atomkraft tendenziell 
rückläufig ist, mit Ausbaubemühungen nur weniger Länder, werden die 
Vorräte nach realistischen Schätzungen bis circa 2050 reichen."

Die Fachzeitschrift Politische Ökologie schreibt in ihrer Ausgabe vom 
März 2004: "Bei den Steigerungsraten des Verbrauchs, welche die 
Internationale Agentur der OECD berechnete, ergibt sich (...) Uran 
reicht bei der heutigen Förderung nur bis 2040."

Nun lag die Jahresfördermenge 2007 lediglich bei 41.000 Tonnen. Die 
weltweit benötigten 62.000 Tonnen pro Jahr können daher nur bei 
gleichzeitiger Reduzierung der Lagerbestände gedeckt werden.

Bei den von der IAEA genannten 1,25 bis vier Millionen Tonnen Uran 
handelt es sich jedoch nur zum Teil um gesicherte, zum Teil aber auch 
um lediglich vermutete Uranvorkommen. Aus ökonomischen Gründen werden 
immer zunächst die am kostengünstigsten anzubauenden Vorkommen eines 
Rohstoffs abgebaut und erst nach und nach die weniger ergiebigen und 
aufwendiger zu erschließende Ressourcen. Der erhöhte Aufwand und die 
Verknappung wird daher in den kommenden Jahren zu drastisch 
ansteigenden Uran-Preisen führen.

Dies ist im Zusammenhang mit den unvermeidlich steigenden 
Energiepreisen wegen der zunehmenden Verknappung der fossilen 
Energieträger zu sehen. Bei Erdöl war das weltweite Fördermaximum 
bereits in den Jahren nach der Jahrtausendwende erreicht und seitdem 
schrumpft das Angebot. Nur bei den derzeitigen Uranpreisen und unter 
den gegenwärtigen Bedingungen einer - im Gegensatz zu anderen 
Energieträgern - fehlenden Besteuerung von Uran und der Befreiung der 
Atomkraftwerke von einer ernstzunehmenden Haftpflichversicherung 
können mit einem durchschnittlichen Atomkraftwerk jährlich rund 300 
Millionen Euro Gewinn erzielt werden. Schon bei den heute realistisch 
auf rund fünf Milliarden Euro zu veranschlagenden Baukosten für ein 
Atomkraftwerk, ergibt sich daraus ein Amortisationszeitraum von über 
16 Jahren. Kein Fall für Investoren - erst recht nicht, wenn bei 
steigenden Uran-Preisen mit einer Verringerung des jährlichen Gewinns 
und einem daraus resultierend noch erheblich längeren 
Amortisationszeitraums gerechnet werden muß.

Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, wenn der Bundesverband 
der Deutschen Industrie (BDI) in einer Studie aus dem Jahr 2005 mit 
dem Titel "Ökonomische Auswirkungen alternativer Laufzeiten von 
Kernkraftwerken in Deutschland" annimmt, die Brennstoffkosten für 
Atomkraftwerke würden in den kommenden 25 Jahren konstant bleiben. 
Nach wie vor hoffen interessierte Kreis darauf, daß die 
Investitionskosten bei dem ins Auge gefaßten Neubau von 
Atomkraftwerken wie in den 1960er und 70er Jahren weitgehend dem 
Staat aufgebürdet werden können.

Seltsamer Weise bleibt in der BDI-Studie zudem unberücksichtigt, daß 
die Uran-Ressourcen Westeuropas verschwindend gering und nur unter 
höchstem Kostenaufwand abzubauen sind. Uran macht also 
importabhängig. 96 Prozent der globalen Uranreserven finden sich in 
nur zehn Staaten der Erde. Über die meisten wirtschaftlich nutzbaren 
Ressourcen verfügen dabei Kanada und Australien, die heute zusammen 
für rund 45 Prozent der geförderten Mengen stehen, gefolgt von 
Kasachstan, Süd-Afrika und Brasilien. Außerdem finden sich noch 
nennenswerte Vorkommen in Namibia, Usbekistan, den USA, Niger und 
Rußland. Auffällig ist, daß große Produzenten wie Australien, Niger 
und Namibia selbst über gar keine Atomkraftwerke verfügen.

Gerne wird ansonsten von Seiten der Industrie mit dem Argument für 
Atomenergie geworben, Deutschland müsse unabhängig von der 
gefährdeten Energieverorgung durch fossile Energieträger wie Öl und 
Gas werden. Die Abhängigkeit von Rohstoff-Importen läßt sich jedoch 
ganz offensichtlich mit Atomenergie nicht lösen.

Würden die immer wieder in die öffentliche Diskussion getragenen 
Ausbaupläne der Atomindustrie Wirklichkeit, wäre mit einem noch 
schnelleren Ende der Uran-Reserven zu rechnen. Nach einem Szenario 
für 2030, das mit steigendem Stromverbrauch und einem Anstieg des 
weltweiten Atomstrom-Anteils auf 50 Prozent rechnet, ergibt sich eine 
drastische Verknappung der Uran-Ressourcen. Wenn die 
Atomstromerzeugung ab dem Jahr 2010 linear ansteigt und 2030 das 
Fünffache des derzeitigen Niveaus erreicht, würden hierfür bis 2030 
etwa 4,5 Millionen Tonnen Uran benötigt - mehr als die von der IAEA 
angegebene Menge der "gesicherten und vermuteten" Uran-Ressourcen.

Besonders bedenklich ist zudem, daß die Energieschwemme, die in 
diesem Szenario dargestellt ist, den Ausbau einer energieintensiven 
Infrastruktur in der Wirtschaft fördern würde. Zugleich würden auf 
diesem Weg Energie-Effizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien 
völlig uninteressant. Es ist widersinnig, damit zu argumentieren, ein 
Ausbau oder ein längeres Festhalten an der Atomenergie für eine 
"Übergangszeit" gäbe den erneuerbaren Energien eine Chance für deren 
Ausbau. Der im Szenario beschriebene energieintenive Pfad läßt zudem 
den dringend nötigen Kampf gegen den Treibhauseffekt außer acht.

Mit der "Wiederaufarbeitung" und dem Schnellen Brüter sollten 
Konzepte verfolgt werden, um die Uran-Ressourcen zu strecken. Doch 
diese Konzepte sind bereits vor Jahren gescheitert. In Deutschland 
wurde der Bau einer "Wiederaufarbeitungsanlage" in Wackersdorf 1991 
aufgegeben. Der "Schnelle Brüter" in Kalkar mußte ebenfalls 1991 
endgültig stillgelegt werden.

In sogenannten Wiederaufbereitungsanlagen (WAA) - in Frankreich 
offiziell als Plutonium-Fabriken (usine plutonium) bezeichnet - 
werden abgebrannte Brennlemente mechanisch und chemisch zerlegt, um 
Uran und das neu entstandene Plutonium zu separieren. Das Plutonium 
sollte dann als Brennstoff für "Schnelle Brüter" verwendet werden, um 
auf diese Weise die begrenzten Uranreserven um den Faktor 60 zu 
strecken. Von Anfang an wurden WAA wie in La Hague (Frankreich) oder 
Sellafield (Großbritannien) zur Plutoniumgewinnung für den Bau von 
Atombomben mittels des gewonnen Plutoniums konzipiert. Die Risiken 
des Konzepts liegen angesichts der Bedrohung nicht zuletzt durch den 
internationalen Terrorismus auf der Hand. Die Forderung nach 
weltweiter Abrüstung der Atomwaffen-Arsenale spricht klar gegen die 
"Wiederaufbereitung".

Gleichzeitig ist die "Wiederaufarbeitung" aus Umweltsicht der 
gefährlichste und unfallträchtigste Schritt der nuklearen 
Brennstoffkette: Die Geschichte der Anlagen von La Hague und 
Sellafield (früher hieß es Windscale) zeigt, daß schon der 
"Normalbetrieb" zu radioaktiver Verseuchung fährt. Für La Hague wurde 
errechnet, daß 20-mal mehr Müll entsteht, als mit den abgebrannten 
Brennelemente angeliefert wird. Radioaktive Nuklide, die von beiden 
Anlagen ins Meer gepumpt werden wie Technetium-99 sind noch an der 
norwegischen und grönländischen Küste nachweisbar. Hochproblematisch 
ist es auch, daß für die Anlieferung der Brennelemente und den 
Rücktransport der Reststoffe und Abfälle zahlreiche Transporte von 
und zu den "Wiederaufarbeitungsanlagen" nötig sind. Und mit jedem 
Transport steigen die Kosten und vor allem die Risiken einer 
radioaktiven Verseuchung durch Unfälle oder einen Terrorangriff.

Die immer wieder prognostizierten Energieverbrauchssteigerungen sind 
nicht unabänderlich. In Deutschland beispielsweise stagniert der 
Stromverbrauch seit der Jahrtausendwende bei rund 620 Terawattstunden 
pro Jahr. Es gibt eine Vielzahl von noch wenig eingesetzten 
Möglichkeiten, Energie effizienter zu nutzen. Erneuerbare Energien 
aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse sind tatsächlich heimische und 
damit sichere Energieträger. Verbunden mit Effizienzverbesserung und 
Stromeinsparung sind sie die umweltfreundliche und wirtschaftliche 
Lösung für die Energieprobleme der Zukunft.

Angesichts des knappen Urans und der knappen fossilen Energieträger 
können wir es uns nicht leisten, noch mehr Zeit mit absurden 
Diskussionen um die Atomenergie zu verschwenden. Alle Kraft muß 
stattdessen eingesetzt werden für eine drastische Reduktion des 
Energieverbrauchs, für Effizienzsteigerung und für die zügige 
Umstellung des Strom-, Wärme- und Verkehrssektors auf erneuerbare 
Energien. Ein solcher Umbau der Energiewirtschaft ist auch 
erforderlich, um Kriege um knappe Energierohstoffe wie Öl, Erdgas und 
Uran zu verhindern.


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Die übrigen Folgen der Info-Serie:

  1 Grundlagenwissen

  2 Der deutsche "Atom-Ausstieg"

  3 Die Subventionierung der Atomenergie

  4 Der siamesische Zwilling: Atombombe

  5 Umweltverbrechen Uran-Abbau

 

  7 Die Geschichte der Atom-Unfälle

  8 Die stille Katastrophe

  9 Der italienische Atom-Ausstieg

10 Schwedens "Atom-Ausstieg"

11 Atomenergie in Frankreich

12 Das ungelöste Problem der Endlagerung




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