[fessenheim-fr] Terrorziel Atomkraftwerk
klausjschramm at t-online.de
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Mi Jun 17 15:17:09 CEST 2009
17.06.2009
Terrorziel Atomkraftwerk
TV-Magazin 'Frontal21' veröffentlicht Geheimbericht
Mittlerweile seit sechs Jahren ist bekannt, daß deutsche
Atomkraftwerke gegen den gezielten Absturz eines Passagier-Flugzeugs
nach dem Vorbild der Terrorangriffe vom 11. September 2001 nicht
ausreichend geschützt sind. Der damalige Bundes-"Umwelt"-Minister
Jürgen Trittin hatte Ende 2001 ein Gutachten in Auftrag gegeben und
danach in der Schublade verschwinden lassen. BehördenvertreterInnen
der Bundesländer hatten Kopien erhalten und Stillschweigen
vereinbart. Der damalige Sprecher Trittins, Michael Schroeren, der
unter Sigmar Gabriel weiterhin im Amt ist, verweigerte damals mit
Hinweis auf das vereinbarte Stillschweigen eine Stellungnahme, als
das Nachrichten-Magazin 'focus' am 7. April 2003 das geheime
Gutachten publik machte. Doch offenbar setzen AKW-Beteiber und
Parteien darauf, daß das Wissen um diese Gefahr in Vergessenheit
gerät, wenn es aus der öffentlichen Wahrnehmung weitestgehend
verdrängt wird.
Gestern berichtete das TV-Magazin 'Frontal21' von einem weiteren
vertraulichen Gutachten, das die Internationale Länderkommission
Kerntechnik (ILK) in Auftrag gegeben hatte. Aus diesem gehe hervor,
daß nahezu alle im Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke
nicht ausreichend vor der Gefahr von Terrorangriffen geschützt seien.
In dem Gutachten heißt es, vor allem bei älteren Kernkraftwerken sei
im Falle eines Terrorangriffs "mit schweren bis katastrophalen
Freisetzungen radioaktiver Stoffe zu rechnen".
Laut 'Frontal21' ließen die Bundesländer Bayern, Hessen und Baden-
Württemberg nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA
durch die Internationale Länderkommission Kerntechnik (ILK)
untersuchen, was passieren könnte, wenn ein Flugzeug ein
Atomkraftwerk angreifen würde. Das vertrauliche Gutachten vom
November 2002, das 'Frontal21' zugespielt wurde, kommt zu folgendem
Ergebnis: "Von den 19 in der Bundesrepublik betriebenen
Kernkraftwerken haben nur (...) drei (...) Anlagen eine bauliche
Auslegung, die einem gezielten Flugzeugabsturz ohne gravierende
Freisetzungen radioaktiver Stoffe ... standhalten kann." (Seit dem im
Jahr 2000 von "Rot-Grün" verkündeten "Atom-Ausstieg" wurden in
Deutschland bisher lediglich zwei von 19 Atomkraftwerken
stillgelegt.)
Weiter zitiert 'Frontal21' aus dem geheimen Gutachten: "Bei allen
anderen Kernkraftwerken ist bei einem Aufprall auf das Reaktorgebäude
mit schweren bis katastrophalen Freisetzungen radioaktiver Stoffe zu
rechnen." Dies seien vor allem Kraftwerke aus frühen Baujahren mit zu
dünnen Stahlbetonwänden. Die Gutachter nennen konkret die Kraftwerke
Biblis A und B sowie Isar I als besonders gefährdet. Weiter heißt es:
Bauliche Maßnahmen zum Schutz der Reaktorgebäude seien aus
technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht machbar oder nicht
sinnvoll. Und am Ende ist in dem geheimen Gutachten zu lesen: "Die
Gutachten wurden wegen der o.g. Brisanz als - Vertraulich -
eingestuft und sind nur einem beschränkten Mitarbeiterkreis
zugänglich, nicht jedoch der Öffentlichkeit (auch nicht dem
Landtag)."
Der Atomexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Heinz
Smital, ist empört über die Geheimhaltung. "Es ist ein unglaublicher
Skandal, daß die Beauftragten, die ein Gutachten schreiben, die
Ergebnisse nicht mitteilen beziehungsweise mit Kräften, die die
Atomkraft weiter betreiben wollen, unter einer Decke stecken - und so
Tatsachen, die die Bevölkerung gefährden, einfach unter Verschluss
halten." Und es ist bezeichnend für den Zustand der Semi-Demokratie
Deutschland, daß auch die gewählten VertreterInnen des Volkes keinen
Einblick erhalten sollten.
Greenpeace kündigt an, gemeinsam mit AnwohnerInnen gegen den
Weiterbetrieb von Isar I und anderen älteren Atomkraftwerken zu
klagen. Das Bundesverwaltungsgericht hat im vergangenen Jahr den
Beschluß gefasst, daß mögliche Opfer terroristischer Angriffe auf
Atomkraftwerke ein Klagerecht haben.
Wie groß tatsächlich die Bedrohung durch terroristische Angriffe ist,
läßt sich in Deutschland schwer beurteilen, da hierüber kaum
belastbare Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. 'Frontal21'
liegt allerdings die "Vertrauliche Lageeinschätzung" des
Bundeskriminalamtes aus dem Jahr 2007 vor, in der es heißt: "Die
Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge auf kerntechnische
Einrichtungen (...) muß letztendlich in Betracht gezogen werden."
Umweltverbände und Bürgerinitiativen der Anti-AKW-Bewegung fordern
daher schon lange als einzig sinnvolle Konsequenz die sofortige
Stilllegung aller Atomkraftwerke. So erklärte auch Heinz Smital von
Greenpeace gegenüber 'Frontal21': "So ein Ergebnis ist eigentlich
gleichzusetzen mit dem Entzug einer Betriebsgenehmigung. Weil
Kraftwerke nur dann betrieben werden können, wenn von ihnen keine
Gefahr ausgeht. Und wenn die Berechnungen der ILK zu so einem
eindeutigen Ergebnis kommen, wäre das eigentlich das Aus für die
Atomkraft in Deutschland." Es sei unverantwortlich, Menschen dieser
Gefahr auszusetzen.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mußte gestern gegenüber
'Frontal21' einräumen, daß sich Deutschland im "Zielspektrum
islamistisch-terroristischer Gruppierungen befindet". Auch
Kernkraftwerke könnten "grundsätzlich zu einem Angriffsobjekt von
Terroristen werden". Konsequenzen gedenkt er jedoch nach wie vor
keine zu ziehen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel
Atomkraftwerke sind potentielle Terror-Ziele
BUND warnt vor 9/11 in Deutschland (5.09.08)
Neues EPR-Atomkraftwerk kann durch Flugzeug-Attacke
zerstört werden
Sprecher des französischen Anti-Atom-Bündnisses droht Haft
(26.03.08)
Auch neue EPR-Atomkraftwerke terrorgefährdet
Greenpeace kritisiert Zensur der französischen Regierung
(25.09.05)
Präventiver Abschuß von Flugzeugen
Es geht um ungesicherte AKWs (12.01.05)
Bestätigung für Holger Strohm:
Deutsche AKWs ungesichert gegen Flugzeug-Terror
Geheime GRS-Studie wurde österreichischen Medien zugespielt
(17.12.03)
AKWs ungeschützt gegen Terror-Angriffe (7.04.03)
Mehr Informationen über die Mailingliste fessenheim-fr