[fessenheim-fr] Patt bei Atomenergie in der Schweiz

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Sa Mai 30 19:15:28 CEST 2009


29.05.2009

Patt bei Atomenergie in der Schweiz

Hauptstadt Bern will auf erneuerbarre Energien umsteigen

Ein aktueller Beschluß des Gemeinderats der Schweizer Hauptstadt Bern 
wird in den Mainstream-Medien als "Atomausstieg" dargestellt. Konkret 
wurde lediglich das Ziel vorgegeben, bis im Laufe der kommenden 30 
Jahre die Nutzung der Atomenergie zu reduzieren und sukzessive mehr 
Strom aus erneuerbaren Energien einzukaufen. Dieser Beschluß ist 
insofern positiv, als er der von den Schweizer Energie-Konzernen 
propagierten "Renaissance der Kernenergie" zuwiderläuft.

Ende 2008 hatte es noch geheißen, in der Schweiz sei der Neubau von 
drei Atomkraftwerken geplant. Im Januar wurde dann gemeldet, daß die 
Schweizer Strom-Konzerne - mit Blick auf die Volksabstimmung - 
lediglich einen einzigen Neubau in Beznau nahe dem Hochrhein planen, 
wo sich bereits ein AKW befindet. Offenbar besteht die Hoffnung, daß 
dort der Widerstand am geringsten sein wird.

Im Sommer 2008 hatte der Schweizer Stromkonzern Atel Pläne für den 
Bau eines zweiten Reaktors am AKW-Standort Gösgen im Kanton Solothurn 
eingereicht. Im Herbst folgten die Konkurrenten Axpo und BKW, die die 
ältesten der fünf Schweizer AKW - ebenfalls an den bestehenden 
Standorten - ersetzen wollen. Die Reaktoren des AKW Beznau I und II 
im Kanton Aargau des AKW Mühleberg bei Bern sollen in 
unverantwortlicher Weise bis zum Ablauf einer 50-jährigen Laufzeit in 
Betrieb bleiben. Dies würde bedeuten, daß - Katastrophen einmal 
ausgeschlossen - kein AKW vor 2020 abgeschaltet würde.

2020 werden Lieferverträge aus Frankreich - unter anderem über Strom 
aus dem AKW Fessenheim - auslaufen, so daß angeblich mit einer 
"Versorgungslücke" gerechnet werden muß. Die Prognose einer solchen 
"Versorgungslücke" beruht aber auf der Annahme eines zumindest 
konstanten Stromverbrauchs in der Schweiz. Dies widerspricht jedoch 
der Erfahrung in anderen europäischen Ländern, wo der Stromverbrauch 
sich vom Zuwachs des BIP abgekoppelt hat. Da in den kommenden Jahren 
in Europa zumindest kein nennenswertes BIP-Wachstum zu erwarten ist, 
dürfte auch in der Schweiz zukünftig der Stromverbrauch rückläufig 
sein.

In der Schweiz wurde im vergangenen Jahr spekuliert, daß die Strom-
Konzerne Atel, Axpo und BKW sehr wohl intern dieselben realistischen 
Prognosen über den zukünftigen Stromverbrauch teilen und lediglich 
aus propagandistischen Gründen vom Neubau drei Atomkraftwerken in die 
öffentliche Diskussion gebracht haben. So bestünde die Chance, sich 
von drei auf eins herunter handeln zu lassen und exakt das zu 
erreichen, was tatsächlich geplant war.

Im Januar 2009 sprach nun bereits Axpo-Chef Heinz Karrer vor 
deutschen JournalistInnen in Bern von einer Reduktion der Neubaupläne 
von drei auf zwei AKW. Unvorsichtiger Weise verriet er dabei, man 
werde nicht mehr bauen als nötig. Auch die Konzerne Atel und BKW 
wissen recht genau, daß auf dem übersättigten europäischen Strommarkt 
- nicht zuletzt wegen des gigantischen französischen Angebots an Atom-
Strom zu Dumpingpreisen - kaum die Chance bestehen dürfte, in Zukunft 
Schweizer Überkapazitäten kostendeckend loszuschlagen. Die Schweizer 
Anti-AKW-Bewegung hatte bereits im vergangenen Jahr darauf 
hingewiesen, daß bei drei neuen AKW mit jeweils 1.600 Megawatt 
Leistung weitaus mehr Strom produziert würde als mit den heute 
bestehenden Schweizer AKW.

Axpo-Chef Karrer räumte Ende Januar zugleich ein, daß zu viele AKW-
Projekte bei der Volksabstimmung zu einer totalen Niederlage führen 
könnten. Nun ist allerdings absehbar, daß es zu Streitigkeiten unter 
den drei Schweizer Strom-Konzernen kommen wird, denn Karrer 
präferiert "aus logischen Gründen" das Atel-Projekt in Beznau.

Auch der Direktor des Schweizer Bundesamts für Energie (BFE), Walter 
Steinmann, befürwortete im Januar 2009 "mit Blick auf die Stimmung 
unter den Bürgern" sich vor der Volksabstimmung im Jahr 2012 auf ein 
einziges AKW-Neubau-Projekt zu einigen.

Die Mächtigen in der Schweiz spekulieren auf eine in ganz Europa zu 
beobachtende Schwäche der Anti-AKW-Bewegung. Laut einer Umfrage der 
BFE seien in der Schweiz nur noch 52 Prozent gegen Atomenergie. 
Lediglich auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, in der Nähe 
eines AKW zu leben, antworteten 72 Prozent mit Nein. Die Atomenergie-
BefürworterInnen stellen deshalb Überlegungen an, daß bei einer 
Abstimmung über zwei Standorte ein hohes Risiko besteht, daß keines 
der beiden Ersatz-AKW eine Mehrheit findet. Einem einzigen AKW-Neubaz 
im Osten der Schweiz könnten dagegen die im Westen wohnenden Menschen 
eher zustimmen - und umgekehrt. "Wir werden zumindest zu einem KKW 
noch mal ja sagen müssen", erklärt daher Steinmann mit treuherzigem 
Blick.

Ebenfalls im Januar wurde in der Schweiz eine Studie der Energy 
Consulting Group (ECG) publik, laut der ein "steigender Strombedarf" 
mit vier bis sechs Gaskombikraftwerke sowie einem "Kernkraftwerk" 
gedeckt werden müsse. Da das Schweizer CO2-Gesetz den Bau von 
grösseren Gaskombikraftwerken verunmögliche, seien Gesetzesänderungen 
nötig. Hauptpfeiler der Schweizer Stromversorgung solle weiterhin die 
Wasserkraft bleiben. Bei einer Modernisierung der Wasserkraftwerke 
könne allerdings trotz steigender Stromproduktion deren prozentualer 
Anteil aufgrund des prognostizierten Nachfragezuwachses rückläufig 
sein.

Vor dem Hintergrund der gesamten Energie-Diskussion in der Schweiz 
ist beim Berner Beschluß nun interessant, daß das 
Versorgungsunternehmen Energie Wasser Bern (ewb) zukünftig keine 
neuen Beteiligungen an Atomkraftwerken mehr eingehen und die 
bestehenden Beteiligungen am AKW Fessenheim und am AKW Gösgen nicht 
verlängern darf. Und immerhin sollen mehrere 100 Millionen Franken in 
den Ausbau von Produktionskapazitäten aus erneuerbaren Energien 
investiert werden. Derzeit beträgt der Atomstrom-Anteil, am Strom, 
den ewb verkauft, bei 50 bis 60 Prozent.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Schwedische Regierung wünscht neue Atomkraftwerke
      Kommt nun doch die "Renaissance der Atomenergie"? (5.02.09)

      Weltwirtschaftskrise trifft Energie-Konzerne
      Keine Investitionen für AKW-Neubauten (4.02.09)

      Demo gegen Schweizer
      Atom-Endlager in Benken (20.09.08)

      Endlager-Pläne in Ton zerbröseln
      Konsequenzen für Benken (Schweiz) und Bure (Frankreich)
      (4.01.08)

      'Stopp-Atom'-Allianz in der Schweiz gegründet
      Breites Bündnis unter Federführung von Greenpeace Schweiz
      (31.08.07)

      Neuformierung der Anti-Atom-Bewegung in der Schweiz
      Mehrjährige Kampagne gegen AKW-Neubau geplant
      Kein Kampf um Atomausstieg? (3.07.07) 



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