[fessenheim-fr] Schwindel mit Öko-Strom

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Mo Jan 7 02:17:36 CET 2008


6.01.2008

               Schwindel mit Öko-Strom 

      Atom-Strom wird mit RECS umetikettiert 

      Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und die
      Umwelt-Organisation Greenpeace werfen einigen der großen
      Strom-Konzerne Etikettenschwindel mit Öko-Strom vor. Die Praxis,
      Atom- oder Kohle-Strom durch den Handel mit
      RECS-Umweltzertifikaten auf dem deutschen Markt als Öko-Strom zu
      verkaufen, sei "Betrug am Verbraucher", so Greenpeace energy, selbst
      Anbieter auf dem Markt für Öko-Strom.[1] 

      "Umweltzertifikate" nach dem Renewable Energy Certificate System
      (RECS) erlauben es Strom-Konzernen beispielsweise an der Leipziger
      Strombörse für 7 Cent je Kilowatt Strom aus dem AKW Krümmel
      einzukaufen, diesen für 0,05 Cent mit einem Zertifikat eines
      norwegischen Wasserkraftwerks als Öko-Strom zu etikettieren und mit
      saftigem Aufschlag zu verkaufen. Der Betreiber des Wasserkraftwerks
      darf dann allerdings die entsprechende Menge seines Öko-Stroms nur
      noch als "Egal-Strom" vermarkten. Der springende Punkt: Im
      Gegensatz zu echten Öko-Strom-Anbietern wie Greenpeace energy
      oder den Energiewerken Schönau fließt der Aufschlag in die Taschen
      der Atom-Mafia und wird nicht zum Ausbau von
      Erneuerbaren-Energie-Kraftwerken, also neuen Windkraftanlagen,
      neuen Wasserkraftanlagen oder neuen Photovoltaikanlagen eingesetzt.

      Aktuell wurden einige solche Umetikettierungen bekannt. Rechtlich sind
      die Konzerne allerdings nicht zu belangen, da RECS-Umweltzertifikate
      legal sind und sogar von der EU unterstützt werden. Kriminell wird es
      allerdings, wenn das beim Etiketten-Tausch beteiligte Energiewerk den
      beispielsweise aus Wasserkraft erzeugten Strom nicht etwa herabstuft,
      sondern ebenfalls als Öko-Strom verkauft. 

      Thorsten Kasper vom Bundesverband der Verbraucherzentralen
      spricht von einem "reinen Verschiebebahnhof". Auch er weist darauf
      hin, daß bei diesem System keine einzige Kilowattstunde mehr an
      Öko-Strom erzeugt wird. "Eine Täuschung des Verbrauchers", sagt
      auch Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des
      Saarlandes. Nun zeigt sich, daß die unabhängigen Anbieter von
      Öko-Strom nicht ohne Grund jede Geschäftsbeziehung zu
      Unternehmen aus der Atombranche ablehnen. Auch bei den
      Vergleichen, die der Bund der Energieverbraucher über die Jahre
      hinweg immer wieder unter den verschiedenen Öko-Strom-Anbietern
      vornahm, war ein entscheidendes Kriterium ("Atomindex"), ob das
      Unternehmen Connections zur Atombranche unterhielt. So gehört
      beispielsweise der regionale Versorger Badenova, der seit 1. Januar
      2008 Freiburg[2] angeblich atomstrom-frei beliefert, zu 47 Prozent der
      Thüga, einer Tochter des Atomkraftwerk-Betreibers E.on. 

      Die RECS-Zertifizierung wurde 2002 in 15 europäischen Ländern
      eingeführt, um angeblich so einen Herkunftsnachweis für Strom aus
      erneuerbaren Energien zu schaffen und den Handel mit
      Öko-Strom-Zertifikaten zu ermöglichen. Inzwischen sind 173
      Unternehmen beteiligt, darunter Energie-Konzerne und
      Umweltverbände. Bezeichnender Weise befindet sich der deutsche
      RECS-Hauptsitz ausgerechnet im Haus des mit dem AKW Krümmel[3] im
      Juni in die Schlagzeilen geratenen Energie-Konzerns Vattenfall in
      Hamburg. Zudem ist der RECS-Vorsitzende bei Vattenfall angestellt und
      dessen Vertreter bei E.on. Auch die anderen beiden der Großen Vier, die
      den deutschen Strommarkt beherrschen, RWE und EnBW haben ihre
      Finger im Spiel. Illusionen, welchem Zweck RECS dient, dürften sich
      somit erübrigen. 

      In anderen europäischen Ländern, in denen RECS genutzt wird, kommt
      der Zweck der Sache teils offen zur Sprache. In einer Schweizer
      Werbebroschüre von RECS ist beispielsweise zu lesen, das System sei
      "sehr interessant", weil es "eine einfache Ergänzung des
      Angebotsportfolios ohne Zubau erlaubt" - also ohne Zubau von
      Kraftwerken für den Strom aus Wasser, Wind oder Sonne. 

      So ist nun auch der Verdacht aufgekommen, daß sich Städte wie
      Freiburg oder Kassel, die sich neuerdings als "atomstrom-frei"
      deklarieren, der Hilfe solcher Tricks bedienen. Der 'spiegel' deckte auf,
      daß die Stadt Kassel, die damit wirbt, sich seit Oktober 2007
      ausschließlich mit Öko-Strom beliefern zu lassen, lediglich per RECS
      umetikettiert wurde. Die Aussage der Städtischen Werke Kassel, ihr
      Strom werde "klimaneutral durch skandinavische Wasserkraft erzeugt",
      erhält so einen faden Beigeschmack. Zudem stellt sich die Kasseler
      Behauptung, die "eingesparten Emissionen" wirkten sich "weltweit
      positiv auf das Klima aus", als Bluff heraus. 

      "Das System ist eine Mogelpackung", sagt Robert Werner,
      Geschäftsführer von Greenpeace energy. Er empfiehlt
      VerbraucherInnen, sich bei ihrem Versorgungsunternehmen zu
      erkundigen, ob diese RECS-Zertifikate nutzen, und gegebenenfalls den
      Anbieter zu wechseln. 

      Der Bluff kann für die Großen Vier, RWE, E.on, Vattenfall und EnBW,
      allerdings auch nach hinten losgehen. Die Ankündigungen von Kassel
      und Freiburg hatten - ob zu recht oder nicht - eine große und positive
      Öffentlichkeits-Wirkung. Folgen nun immer mehr Städte dem Beispiel
      könnte schon bald der in Europa erzeugte Öko-Strom den Bedarf nicht
      mehr decken. Die Folge wäre, daß auch die Großen Vier einerseits
      gezwungen wären, Öko-Kraftwerke zu bauen und daß sie andererseits
      zunehmend auf ihrem Atom-Strom sitzen bleiben. 

        

      REGENBOGEN NACHRICHTEN 

        

      Anmerkungen 

      1 Siehe auch: 

            Atom-Ausstieg selber machen 

            Informationen zum deutschen "Atom-Ausstieg" 

      2 Siehe auch unseren Artikel: 

            Freiburg jetzt atomstromfrei? (14.12.07) 

      3 Siehe auch unseren Artikel: 

            Abgeschaltetes AKW Krümmel mit "normalen" Pannen 
            War "AKW-Tuning" Ursache des Beinahe-GAU am 28. Juni? 
            (28.12.07) 




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