[fessenheim-fr] Japanisches AKW schwerer beschädigt

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Do Jul 19 23:23:43 CEST 2007


18.07.2007

       Japanisches AKW durch Erdbeben schwerer beschädigt 
                      als bisher bekannt 

      Über 50 Prozent mehr Radioaktivität ausgetreten 
      Auch Schweizer AKWs mangelhaft gegen Erdbeben geschützt

      Aus dem japanischen Atomkraftwerk Kashiwazaki ist nach dem
      schweren Erdbeben1 vom Montag mehr Radioaktivität ausgetreten als
      bislang gemeldet wurde. Das berichtet die japanische
      Nachrichtenagentur Kyodo Tsushin am Mittwoch. 

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      Der AKW-Betreiber, die Tokio Electric Power (Tokyo Denrioku) - kurz:
      TEPCO - räumte inzwischen laut Kyodo Tsushin ein, zu Wochenbeginn
      falsche Angaben zu radioaktiven Belastungen gemacht zu haben. So
      sei durch radioaktiv kontaminiertes Wasser nicht wie zunächst
      gemeldet 60.000 Becquerel, sondern 90.000 Becquerel an Radioaktivität
      ins Meer gelangt. Am Montag hatte TEPCO zunächst behauptet, es sei
      keine Radioaktivität ausgetreten. 

      Dank Messungen von UmweltschützerInnen wurde später bekannt, daß
      auch die Angabe von 60.000 Becquerel unmöglich zutreffen konnte.
      Weiter mußte TEPCO einräumen, daß "geringe Mengen" Radioaktivität
      an die Luft abgegeben worden sind. Gemeldet wurden nun auch rund
      50 nicht näher spezifizierte Schäden am AKW. Im Fundament wurden
      Risse entdeckt. Der Bürgermeister von Kashiwazaki, Hiroshi Aida,
      verbot daraufhin den Betrieb. Es ist zumindest damit zu rechnen, daß
      das beschädigte AKW für mehrere Monate betriebsbedingt ausfällt. Die
      Wirtschaftszeitung 'Nikkei' berichtete heute, das weltgrößte AKW
      könnte möglicherweise noch mehr als ein Jahr lang abgeschaltet
      bleiben. Den Stopp werde die japanische Regierung möglicherweise
      anordnen, bis eine Studie zur Reaktor-Sicherheit abgeschlossen sei 

      Angeblich seien auch Fässer auf dem AKW-Gelände während des
      Erdbebens umgestürzt und ausgelaufen. Mit dieser reichlich obskuren
      Mitteilung versuchte der AKW-Betreiber offenbar zunächst das
      Austreten radioaktiv kontaminierter Flüssigkeit aus den
      Reaktorgebäuden zu verschleiern. Die zuständige Aufsichtsbehörde
      hat erst heute ein weiteres Leck entdeckt. Für die öffentliche
      Gesundheit oder die Umwelt bestehe jedoch keine Gefahr. 

      Die Herkunft des kontaminierten Wassers ist bisher nicht ausreichend
      geklärt. Eine weitere im Laufe der Zeit nachgeschobene Erklärung ist
      ebenfalls wenig glaubwürdig: So sei radioaktiv verseuchte Wasser aus
      einem Tank für verbrauchte Brennstäbe geschwappt, als er durch das
      Beben erschüttert wurde. Bei dem Beben waren vier Reaktoren
      automatisch herunter gefahren worden. Drei weitere waren wegen
      Überprüfungen abgeschaltet. 

      TEPCO mußte darüber hinaus einräumen, daß die Reaktoren nicht für
      so starke Erschütterungen wie das Beben zu Wochenbeginn gebaut
      wurden, bei dem zehn Menschen getötet und hunderte verletzt wurden.
      Der Chef der Internationalen Atomenergieagentur IAEO, Mohamed El
      Baradei, hat TEPCO vorgeworfen, das Erdbebenrisiko unterschätzt zu
      haben. Es dürfte sich jedoch einzig und allein um eine Entscheidung
      über die Höhe der Investitionskosten gehandelt haben. In der
      öffentlichen Diskussion wird jedenfalls bezweifelt, daß es sich um eine
      Frage der Einschätzung gehandelt habe: In Japan bebt die Erde
      mindestens alle fünf Minuten - und auch Stöße wie am Montag mit einer
      Stärke von 6,8 kann niemand auf Grund früherer Erfahrungen ernsthaft
      ausschließen. Das beschädigte AKW liegt allerdings direkt über der
      Verwerfung, die am Montag das Beben ausgelöst hatte. Das habe die
      Auswertung seismologischer Daten der Meteorologischen Behörde
      gezeigt, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. 

      Auch in der Schweiz wurden offenbar die Risiken durch Erdbeben
      bislang systematisch "unterschätzt". Wie erst kürzlich die Schweizer
      Aufsichtsbehörde bekanntgab, brachte das mehrjähriges
      Forschungsprojekt 'Pegasos' bedeutende Mängel des eidgenössischen
      AKWs bei der Erdbebenfestigkeit zutage. Nachrüstungen sind bereits
      im Gange. 

      Am 27. Juni hatte die 'Hauptabteilung für die Sicherheit der
      Kernanlagen' (HSK) in Würenlingen JournalistInnen die von einer
      Gruppe hochkarätiger SeismologInnen und Nuklearfachleuten
      erarbeitete "Probabilistische Erdbebengefährdungsanalyse für die
      KKW-Standorte in der Schweiz", kurz Projekt Pegasos, vorgestellt.
      Dessen Resultate sind brisant, auch wenn es sich im Wesentlichen um
      theoretische Abschätzungen handelt. Die in den Jahren 2000 bis 2004
      unter internationaler Beteiligung erarbeitete Studie hat zur Konsequnz,
      daß laut Ulrich Schmocker, dem Direktor der HSK, das Risiko eines
      Kernschmelzunfalls rund doppelt so hoch angesetzt werden muß wie
      bisher. Konkret heißt das zum Beispiel bei den Atomkraftwerken
      Beznau und Mühleberg, daß die Wahrscheinlichkeit für einen solchen
      Unfall nun über den von der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA)
      für Neuanlagen empfohlenen Wert von höchstens eins pro
      hunderttausend zu liegen kommt - aufgrund der alten Annahmen für die
      Häufigkeit und Stärke von Schadenbeben hatten die Anlagen diese
      Marge der IAEO noch erfüllt. 

      Seit den 1980er Jahren, als die Vorgaben für die Erdbebensicherheit der
      heutigen Schweizer Atomkraftwerke formuliert wurden, haben die
      SeismologInnen weltweit bei unzähligen Erdbeben eine Vielzahl von
      Messungen der aufgetretenen Kräfte gemacht, wie Domenico Giardini,
      der Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes, in Würenlingen
      erklärte. Die Auswertung dieses Datensatzes zeigte, daß für die
      Sicherheit der Schweizer Atomkraftwerke weniger die ganz großen,
      seltenen Erdbeben der Stärke 7 und mehr ins Gewicht fallen, sondern
      flächenartige Quellen von "mittleren" Beben der Stärke 5,5 bis 6,5 in
      einer Entfernung von vielleicht 10 bis 20 Kilometern. Diese sind
      zahlenmäßig weniger selten und können gelegentlich zu größeren
      Beschleunigungen führen als bisher angenommen. Im übrigen sei
      inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen, daß nicht allein die
      Beschleunigungswerte, sondern eine Reihe weiterer Faktoren eine
      entscheidende Rolle spielen: So ist nicht zuletzt die Frequenz der
      Erschütterungen und die Eigenfrequenz der Reaktorgebäude von
      Bedeutung. 


REGENBOGN NACHRICHTEN


      Anmerkung 

      Siehe auch unsere Artikel: 

          Erdbeben verursachte Unfall in Japanischem AKW 
          Radioaktives Wasser trat aus (16.07.07) 

          Schweres Erdbeben erinnert an 
          AKW-Stilllegung vor einem Jahr (26.03.07) 

          AKW Fessenheim 
          30 Jahre tödliche Gefahr (7.03.07) 

          Japan: AKW Shika abgeschaltet 
          Gericht erkennt auf mangelhafte Erdebebensicherheit (25.03.06) 




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