[fessenheim-fr] Bilanz 2006: Acht Atomreaktoren in Europa stillgelegt
Klaus Schramm
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Fr Feb 9 22:36:47 CET 2007
Hallo Leute!
Hier ein Text, der bereits im Januar vorlag.
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
Bilanz 2006: Acht Atomreaktoren in Europa stillgelegt
Seit Jahren wird in den deutschen Mainstream-Medien die Propaganda verbreitet,
die weltweit schrumpfende Atomindustrie sei auf dem Vormarsch. Nur Deutschland
würde mit dem sogenannten Atomausstieg aus der Reihe tanzen. Tatsächlich jedoch
wurden in Europa im vergangenen Jahr acht Atomreaktoren endgültig abgeschaltet.
In Großbritannien wurden je zwei Blöcke des AKWs Dungeness A1 + A2 südöstlich
von London und des AKW Sizewell A1 + A2 in Ostengland stillgelegt. (Jg. 1965,
1966) Und dies, obwohl die britische Regierung unter Antony Blair keinen
Atomausstieg verkündet hatte.
In Spanien ging im April 2006 das AKW José Cabrera endgültig vom Netz.
In Bulgarien wurden die Blöcke drei und vier des Atomkraftwerks Kosloduj, in der
Slowakei wurde Block eins des Reaktors Bohunice abgeschaltet.
In Deutschland hingegen mit seinem offiziellen Atomausstieg wurde im Jahr 2006
kein einziges AKW abgeschaltet. Seit der Verkündigung des Atomausstiegs vor
sieben Jahren wurden in Deutschland von damals 19 Standorten lediglich 2003 das
AKW Stade (Inbetriebnahme 1974) und 2005 das AKW Obrigheim (Inbetriebnahme 1968)
stillgelegt.
In Großbritannien gab es zur gleichen Zeit 35 Reaktoren an 12 Standorten. Die
Stillegung von vier Reaktoren in einem einzigen Jahr ist also eine weitaus
bessere Bilanz als die von "Rot-Grün".
In der EU sind derzeit noch insgesamt 142 Atomreaktoren in Betrieb. Das sind
bereits 30 weniger als noch 1989. Die deutsche Öffentlichkeit erfährt davon
weder aus den großen Zeitungen noch von den großen TV- oder Rundfunk-Sendern. So
wurde über die Abschaltung eines der beiden Reaktor-Blöcke des einzigen AKWs in
Litauen Ende 2004 lediglich in einer größeren deutschsprachigen Zeitung
berichtet: dem österreichischen 'Standard'.
Seit dem 1. Januar 2000 wurden in Europa 26 Atomkraftwerke stillgelegt, während
im selben Zeitraum gerade einmal zwei neue Reaktoren ans Netz gingen (die beiden
Blöcke im tschechischen Temelin in den Jahren 2000 und 2002). In Europa wurde
seit dem Jahr 2000 mit dem Neubau eines einzigen Atomreaktors begonnen, nämlich
in Finnland. In den kommenden Jahren wird die Zahl der Meiler in Europa weiter
abnehmen. Inoffiziell sind in Großbritannien und Spanien bereits eine größere
Zahl von Abschaltungen geplant.
Die weltweit bisher stillgelegten Atommeiler waren zumeist zwischen 24 und 26
Jahre am Netz. Auch die deutschen AKWs sind technisch nur für 25 Jahre Betrieb
ausgelegt. Wenn der deutsche Reaktor Biblis A - wie von Minister Gabriel noch
vor einem Jahr angekündigt - im Februar 2007 vom Netz geht, wird er mit rund 33
Jahren gemessen am internationalen Durchschnitt schon überdurchschnittlich alt
sein. Da der Neubau von Atomkraftwerken mindestens zehn Jahre Vorlauf benötigt,
ist schon heute offenkundig, daß die Zahl der Atomkraftwerke weltweit abnehmen
wird. Weltweit sank die Zahl der Atommeiler im letzten Jahr von 443 auf 435 -
das niedrigste Niveau seit 1998.
Von einem globalen Wiedereinstieg in die Atomenergie kann keine Rede sein: In
den USA wurden seit der Beinahe-Katastrophe von Harrisburg 1979 kein einziges
AKW mehr in Auftrag gegeben. Während die Atomindustrie jeden der wenigen
Neubauten in China oder Indien als Renaissance der Atomenergie von willfährigen
JournalistInnen feierern läßt, gelangen Meldungen über die Abschaltungen
merkwürdig selten an die Öffentlichkeit.
In den nächsten Jahren werden zahlreiche AKWs die technische Altersgrenze von 25
Jahren bereits um fünf bis zehn Jahre überschreiten. In Frankreich wurde erst
2004 die Betriebsgenehmigung für AKWs von 30 auf 40 Jahre erhöht. Selbst wenn
wir also risikofreudig mit einer maximalen Laufzeit von 40 Jahren rechnen,
können wir in den kommenden zehn Jahren von der Abschaltung von weltweit rund 80
AKWs ausgehen. Der nächste GAU, der uns vielleicht schon morgen erwartet, bleibt
bei diesen Überlegungen zynischer Weise ausgeblendet.
Weltweit sind derzeit 29 AKWs in Bau. Angesichts der Milliardenkosten für jeden
neuen Reaktor und der Scheu privatwirtschaftlicher Investoren vor entsprechend
langen Amortisationszeiten, ist zumindest der weitere schleichende Rückzug aus
der Atomenergie vorprogrammiert.
Wenn sich also die Anti-Atom-Bewegung in Deutschland auf eine Diskussion um
Laufzeitverlängerungen einläßt, gerät sie ohne Not in die Defensive. Zentrale
Forderung muß weiterhin der sofortige Atomausstieg sein.
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