[fessenheim-fr] AKW Brasilien und "linker" Präsident Lula
Klaus Schramm
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So Jan 28 23:30:11 CET 2007
Hallo Leute!
Hier ein interessantes Interview zur aktuellen Situation in Brasilien
(von der web site www.oekosmos.de)
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
Sonntag, 28. Januar 2007
Brasilien: Atomkraft ohne Ruecksicht
Autor: Norbert Suchanek
Veröffentlichungsdatum: 28.01.2007, 12:31
Interview mit Rafael Ribeiro, Leiter der brasilianischen
Umweltschutzorganisation SAPÊ.
Rafael Ribeiro ist Leiter der brasilianischen Umweltschutzorganisation SAPÊ
(Sociedade Angrense de Proteção Ecológica) und Mitglied der nationalen
Anti-Atomkraftarbeitsgruppe „Gt Energia“. SAPÊ wurde 1983 als
Anti-Nuklearinitiative und zum Schutz des Ökosystems des Atlantischen
Regenwaldes (Mata Atlântica) in Angra dos Reis gegründet, wo Brasiliens bislang
einzige zwei fertig gestellten Atomkraftwerke, Angra 1 und 2, sowie die
„Bauruine“ Angra 3 stehen.
Brasiliens Regierung unter dem gerade wieder gewählten Präsident Luis Ignacio
Lula da Silva steht kurz davor, ein intensives Atomenergie-Ausbauprogramm zu
beschließen. Was halten Sie von den aktuellen Aussagen von Lulas Staatssekretär
Luiz Dulci oder von Lulas Minister für Wissenschaft und Technik, Sergio Machado
Rezende, dass Brasiliens Wirtschaft mehr Energie brauche und die Fertigstellung
von Angra 3, sowie der Bau mindestens drei bis sieben weiteren Atomkraftwerken
zum „Wachstum“ nötig seien.
Rafael Ribeiro: Wir befinden uns in einer Erwartungshaltung. Ständig hören wir
Nachrichten darüber, dass die Regierung am Bau von Angra 3 und sieben weiteren
kleineren Atomkraftwerken in anderen Bundesstaaten im Süden und Nordosten
interessiert ist. Diese Nachrichten werden von der Lobby der Nuklearindustrie
und den mit dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie verbundenen
Institutionen und Baufirmen in die Welt gesetzt. Aber das Thema stößt noch auf
Widerstand innerhalb der selben Regierung, angeführt von der Umweltministerin
Marina Silva.
Sie leben seit 1992 in Angra dos Reis. Hat der Bau von Brasiliens
Atomkraftwerken - Angra 1, 2 und die jahrelange Bauruine Angra 3 – zu Konflikten
mit der indianischen Urbevölkerung geführt?
Rafael Ribeiro: Die Gesamte Region der Bucht von Angra dos Reis bzw. der Bucht
von Ilha Grande war bis zum 17. Jahrhundert von verschiedenen Indianervölkern
bewohnt, die aber „verschwanden“. Zur Zeit der Konstruktion der Kraftwerke
befand sich das Küstengebiet in der Hand der Caiçaras, traditionellen
Fischergemeinden, Nachfahren von ehemaligen Sklaven, Indianern und Europäern,
die sich in der Region nach dem ökonomischen Abschwung Ende des 19. Jahrhunderts
hier festsetzten und eine regionale, auf Selbstversorgung ausgerichtete
Wirtschaftsweise praktizierten. Während der Militärregierung eigneten sich diese
Gebiete mit dem Militär paktierende Agenten von Interessengruppen illegal an,
und sie verliehen einer Serie von „Entwicklungs- oder Großprojekten“ in der
Region wie dem Bau der Strasse von Rio de Janeiro nach Santos, dem Bau von
Tourismusressorts oder dem Bau der Hafenanlagen von Petrobas den Anschein der
Legalität.
Neuere Studien von Anthropologen allerdings besagen, dass die bis heute in der
gesamten Küstenregion Südostbrasiliens sowie in Paraguay, Nordargentinien und
Uruguay lebenden Guarani Mbya tatsächlich – Zeit- und Saisonunabhängige -
Nomaden sind und die Region rund um Angra in Wirklichkeit niemals wirklich
aufgegeben oder verlassen haben. Beim jüngsten Indigenous World Uranium Summit
in Window Rock, USA, kamen deshalb erstmals auch die Guarani Mbya als Betroffene
der Atomindustrie zu Wort. Wie ist Ihr Kenntnisstand darüber?
Rafael Ribeiro: Ende 1980er, Anfang der 1990er Jahre kehrten die Guarani Mbya in
die Region zurück, und ihr Dorf von Bracui, 15 Kilometer vom Atomkomplex
entfernt, wurde von der FUNAI (Indianerschutzbehörde) anerkannt.
Wurde die Lokale Bevölkerung vor dem Bau der Atomkraftwerke irgendwie
berücksichtigt, ihre traditionellen Landnutzungsrechte respektiert? Wie war das
Verhältnis zwischen den Einheimischen und den Bauherren der Kraftwerke?
Rafael Ribeiro: Das Verhältnis war gänzlich von Respektlosigkeit geprägt. Weder
die Landrechte der Einheimischen wurden anerkannt, noch gab es eine offene
Diskussion mit der Bevölkerung. Was die Stadt Angra betrifft, so gab es
keinerlei Infrastrukturhilfe, um die Tausenden von Menschen aufzufangen, die der
Atomkraftwerksbau aus anderen Teilen Brasiliens angezogen hatte.
Wie ist das Verhältnis der Guarani Mbya mit dem staatlichen
Atomkraftwerksunternehmen Eletronuclear heute?
Rafael Ribeiro: Es gibt praktisch gar kein Verhältnis. Eletronuclear benutzt
lediglich Fotos der Guarani im Austausch von “Glasperlen”, Spenden in Form von
Computern, der Finanzierung einer Ausstellung von Kunsthandwerk der Guarani oder
der Ausbesserung der Erdstrasse zum Dorf. Das Indianerdorf von Bracui wurde
nicht einmal über die Verhaltensweisen im Falle eines Atomunfalls unterrichtet.
Gibt es eine schleichende oder wie auch immer geartete radioaktive Verseuchung
der Bucht von Angra durch die Atomkraftwerke?
Rafael Ribeiro: Es gibt keine (unabhängige) Information, auch keine
gesellschaftliche Kontrolle über eine mögliche radioaktive Verschmutzung. Alle
Kontrollen, Untersuchungen werden von Eletronuclear und der CNEN (Nationale
Atomenergiekommission) durchgeführt, und die Praxis dieser (staatlichen)
Institutionen ist es, alle auftretenden Probleme zu verschleiern.
Vergangenen November war Brasilien auch beim Indigenous World Uranium Summit,
Window Rock, vertreten.
Weitere Informationen zu Atomenergie, dem Indigenous World Uranium Summit, die
Deklaration von Window Rock und informationen zum Nuclear Free Future Award:
www.nuclear-free.com, www.7genfund.org
http://www.nuclear-free.com/deutsch/suchanek.htm
http://www.7genfund.org/declare_ip_uranium_summit120206B.html
Norbert Suchanek
Journalist und Autor
www.norbertsuchanek.org
norbert.suchanek at online.de
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