[fessenheim-fr] Versproedung von Reaktordruckbehaeltern
Klaus Schramm
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Fr Dez 1 01:01:50 CET 2006
Hallo Leute!
Zufällig hatten wir gerade auf dieser Mailingliste das Thema >Versprödung
von Reaktordruckbehältern<.
Weiter unten hierzu ein aktueller Artikel.
Wenn der damalige Forschungsminister und Atomkraftbefürworter
Matthöfer angesichts der damaligen Ergebnisse der Materialforschung
Ende der 70er Jahre nach jahrelangem Betrieb deutscher AKWs dafür
plädierte, die ursprünglich vorgesehene maximale Betriebsdauer von 25
Jahren drastisch zu reduzieren, muß dies zu denken geben.
Erst in den 80er Jahren war die Verflechtung der deutschen Forschungs-
Institute mit der Atom-Mafia so weit fortgeschritten, daß keine
unabhängige Materialforschung mehr möglich war. Untersuchungen an
Materialproben zur Versprödung von Reaktordruckbehältern wurden
beispielsweise durch das Kernforschungszentrum GKSS vorgenommen. Wer
auf dieser Mailingliste die Veröffentlichungen über die GKSS,
Atomwaffenversuche und die Leukämiefälle in der Geesthacht in
diesem Jahr gelesen hat, wird sich nicht darüber wundern, wenn
von dieser Seite in Hinblick auf die Versprödung von Reaktor-
druckbehältern seit Jahren Entwarnung gegeben wurde.
Wer noch unabhängige Untersuchungen zu kernphysikalischen Sachverhalten
in Auftrag geben will, muß heute an die Universität Minsk oder andere
unabhängige Universitäts-Institute im Ausland ausweichen...
Nach dem eben erst von EnBW angekündigten Antrag auf Laufzeitverlängerung
für das AKW Neckarwestheim I hat "Umwelt"-Ministerin Tanja Gönner in
vorauseilendem Gehorsam bereits 80 bis 120 Jahre in Aussicht gestellt.
Das eingespielte Theaterstück wird bekanntermaßen so verlaufen, daß
die SPD sich in der Rolle der Verteidigerin des "Atomausstiegs" kämpferisch
diesem dreisten Ansinnen entgegenstellt und den "Atomausstieg" bei Laufzeiten
von etwa 45 Jahren "rettet" -
das wäre eine Verlängerung "nur" um weitere 10 Jahre...
Bereits bei den heute als "Atomausstieg" deklarierten Laufzeiten ist absehbar,
daß die meisten deutschen AKWs vor Ablauf ihrer "regulären" Laufzeit wegen
dem Ende der Uranvorräte und dadurch verursachter Preisexplosion der
benötigten Brennelemente "vorzeitig" abgeschaltet werden.
Es sei denn, es kommt in den nächsten Jahren zu einem drastischen
Kurswechsel der Politik und/oder dem nächsten atomaren GAU.
Der technische Zustand der deutschen, französischen und britischen
AKWs ist schlechter als der von LkWs auf europäischen Autobahnen,
die zu einem hohem Prozentsatz mit funktionsuntüchtigen Bremsanlagen
bei Kontrollen aus dem Verkehr gezogen werden.
Wenn nicht bald etwas geschieht, kommt es in Deutschland, Frankreich
oder Großbritannien in den nächsten zwei oder drei Jahren zu einem
GAU.
Ludwigsburger Kreiszeitung, 29.11.06
Streit über Sicherheit von Neckarwestheim
Keine Materialproben mehr im Atomreaktor
Neckarwestheim - (pro) Die Haltbarkeit der beiden Reaktordruckbehälter
des Atomkraftwerks Neckarwestheim kann künftig nicht mehr durch aktuelle
Materialproben überprüft werden.
Wie Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) dem Bietigheim-
Bissinger Grünen-Landtagsabgeordneten Franz Untersteller bestätigte,
wurde die letzte Materialprobe im Sommer bei Revisionsarbeiten aus dein
Kraftwerksblock GKN II entnommen.
Atomkraftgegner kritisieren, dass die tatsächliche Materialermüdung der
Reaktoren somit nicht mehr kontrollierbar sei. Die Neckarwestheimer
Meiler würden daher "im Blindflug" gefahren. Dagegen hebt Gönner hervor,
dass alle bisher ausgewerteten Proben die Sicherheit des Atomkraftwerks
Neckarwestheim bestätigt hätten. Seite 12
>>
Neu entfacht ist der Streit um die Sicherheit des Atomkraftwerks
Neckarwestheim. Archivbild: Alfred Drossel
Gegenwind für die EnBW
Atomkraftgegner machen gegen längere GKN-Laufzeit mobil
NECKARWESTHEM. Ein neues "Sicherheitsdefizit" machen Atomkraftgegner im
Atommeiler Neckarwestheim aus. Dagegen meint Umweltministerin Tanja
Gönner (CDU), die Sicherheit der beiden Reaktoren sei "nachgewiesen".
VON STEFFEN PROSS
Noch vor Jahresende will Betreiber EnBW - unterstützt von der
Landesregierung - bekanntlich eine längere Laufzeit für den älteren
Neckarwestheimer Kraftwerksblock GKN I beantragen. Dass damit die Frage
nach der verbleibenden "Lebenserwartung" des Reaktors neu gestellt wird,
überrascht nicht. Doch erhält sie unerwartete Brisanz.
Denn Gönner ließ den Bietigheimer Grünen-Landtagsabgeordneten Franz
Untersteller jetzt wissen, dass sich in beiden Neckarwestheimer Reaktoren
keine Materialproben mehr befinden, die eine aktuelle Überprüfung der
Versprödung der Druckbehälter durch Radioaktivität ermöglichen würden:
Im älteren Block GKN I wurde die letzte Probe bereits 1984 entnommen, in
GKN II in diesem Sommer.
Für Atomkraftgegner ist damit klar: Die tatsächliche Materialermüdung der
Druckbehälter sei fortan nicht mehrüberprüfbar, die baden-
württembergische Atomaufsicht verlasse sich auf bloße Hochrechnungen. Die
Neckarwestheimer Meiler würden mithin "im Blindflug" gefahren, GKN I
sogar schon seit 22 Jahren, kritisieren der Bund der Bürgerinitiativen
Mittlerer Neckar und das Aktionsbündnis Castor-Widerstand das Stuttgarter
"Weihnachtsgeschenk" an EnBW. Eine Laufzeitverlängerung für GKN I komme
angesichts der neuen "Sicherheitsdefizite" erst recht nicht in Frage.
Ganz anders stellt Tanja Gönner den Fall in ihrem Brief an Untersteller
dar: Die vier bisher ausgewerteten Materialproben aus Neckarwestheim
belegten die Sicherheit der Anlage, ein - zum "Gau" führender - Bruch der
Reaktorbehälter sei somit auszuschließen. Der inzwischen 30 Jahre alte
Kraftwerksblock I könnte "ohne weitere Maßnahmen" noch 40 Jahre, der 1988
in Betrieb genommene Block GKN II gar noch über 100 Jahre sicher
betrieben werden. `
>>
Gretchenfrage Materialermüdung
Neben der ungelösten Frage der Endlagerung des Atommülls steht die nach
der Lebensdauer der Reaktoren im Zentrum der Debatte um die Sicherheit
der Atomkraft. Denn die Reaktordruckbehälter sind ständiger
Neutronenbestrahlung ausgesetzt, was zur Versprödung des Materials führt.
Um zu überprüfen, ob die vorausberechnete "Lebenserwartung" des Materials
dessen tatsächlicher Ermüdung entspricht, werden Proben in die
Reaktorblöcke gehängt, die durch ihre Anordnung einer höheren Bestrahlung
ausgesetzt sind als die Reaktorwand. Durch die Auswertung dieser Proben
sollen dann "sichere" Gesamtlaufzeiten für die Reaktoren hochgerechnet
werden.
Während Atomkraftgegner darauf verweisen, dass etwa beim abgeschalteten
Atomkraftwerk Stade die Materialermüdung schneller erfolgt sei als
angenommen, gehen Befürworter der Kernenergie davon aus, dass eine
geschickte Beladung der Reaktoren deren Lebensdauer erheblich verlängert.
(Ende)
Hier noch eine Stellungnahme der Bürgerinitiativen
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Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar e.V.
Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
Gemeinsame Presseinformation
30.11.2006
> Atomkraftwerke im "Blindflug"
> Sicherheitsdefizit: Keine Materialproben mehr in Neckarwestheimer
Atomkraftwerk
Sämtliche Materialproben, die zu Prüfzwecken der direkten radioaktiven
Strahlung ausgesetzt wurden und anhand derer festgestellt werden kann,
wie weit die Versprödung des Reaktorbehälters fortgeschritten ist, sind
für das GKN 1 und das GKN 2 aufgebraucht.
Wie Landesumweltministerin Gönner vor kurzem in einer Antwort auf eine
von den Bürgerinitiativen initiierten Anfrage des Grünen-Abgeordneten
Franz Untersteller bestätigte, sind alle Materialproben bereits aus den
Reaktoren entfernt worden - die letzte bei der diesjährigen Revision aus
dem Block 2 des GKN. Zukünftig werden nur mehr statistische
Wahrscheinlichkeitsrechnungen möglich sein, auf die sich die Ministerin
in ihren Prognosen verläßt
Damit sind tatsächliche Werkstoff-Kontrollen über den Zustand im AKW
zukünftig nicht mehr möglich.
Anti-Atom-Bürgerinitiativen sprechen deshalb angesichts drohender
Laufzeitverlängerungen von einem noch weiter zunehmenden
Sicherheitsdefizit:
Wenn man Vorhersagen nicht mehr durch reale Materialproben überprüfen
könne, komme dies einem "Blindflug" der Anlagen gleich, so die
Bürgerinitiativen.
Durch die Lagerung der Materialproben in unmittelbarer Nähe der
strahlenden Brennelemente war bisher eine vorausschauende
Materialprüfung möglich, da die Bestrahlungsintensität, denen die Probe-
Werkstoffe ausgesetzt sind, die tatsächliche Bestrahlung des
Reaktorbehälters übersteigt (sog. Voreilproben). Dieses
Bestrahlungsüberwachungsprogramm erfasst bisher den Grundwerkstoff und
das Schweißgut des Reaktordruckbehälters. Die Auswertung der Proben nach
Entnahme erfolgt entsprechend der Regeln des Kerntechnischen Ausschusses
(KTA).
Hintergrund ist, das bei Inbetriebnahme der AKWs nur eine begrenzte
Anzahl von eingelagerten Materialproben ( in der Regel eine unbestrahlte
Referenz-Probe und zwei bestrahlte Proben ) vorgesehen waren - wegen
deren begrenzter Laufzeit.
Der Neckarwestheimer Block 1 wird seit 1984 "im Blindflug" betrieben:
Mit jedem Betriebsjahr steigt die Unsicherheit über die tatsächlich
vorliegende Materialermüdung, die wegen der radioaktiven Dauerbestrahlung
nicht zu umgehen ist.
Gerade beim Block 1 gelten insgesamt veraltete Sicherheitskriterien:
Allein, dass die Auswertung der Materialproben vor über 20 Jahren (!)
stattfand, belegt dies.
Der Sachbeistand der Bürgerinitiativen, der Atomexperte Wolfgang Neumann
von der Gruppe Ökologie (Hannover) spricht davon, dass die Umgangsweise
mit den Materialproben nicht dem heutigen Stand der Vorschriften
entspreche und die nachzuweisende Sprödbruchsicherheit dadurch weniger
belastbar sei.
Der Block 1 erfüllt dabei nicht die heute geltenden Umgangsregeln des
Kerntechnisches Ausschusse (KTA Regel 3203, Fassung 2001), was den
Einlagerungszeitpunkt und den Entnahmezeitpunkt der Proben anbelangt.
Die Aussagen von Frau Gönner sind politische Aussagen, sie sind
wissenschaftlich nicht korrekt, was das Problem der Bewertung der Gamma-
Strahlung und den sog. Neutronenflussdichteeffekt betrifft.
Überhaupt ist festzuhalten: Aufgrund von 3 Probensätzen ist statistisch
keine belastbare Aussage über den Materialzustand zu erhalten - für die
neueren Anlagen bestehen hierfür aufgrund des sog. Konvoi-Ekffektes (
Gleiches verwendetes Material bei allen neueren AKWs ) eine klarere
Aussagemöglichkeiten.
Im Atomgesetz (ATG) sind die Genehmigungsvoraussetzungen für eine
Strommengenübertragung festgeschrieben - u.a. das Einhalten aktueller
Sicherheitsstandarts - diese sind für das GKN 1, bezüglich der
Sprödbruchsicherheit, nicht nachzuweisen. Dieses Sicherheitsdefizit ist
auch nicht mehr korrigierbar.
Eine Laufzeitverlängerung für den Block 1 ist deshalb nur möglich, wenn
politisch das Gesetz "gebogen" wird. Darauf scheint sich die ENBW
verlassen zu wollen.
Eine ähnliche Diskussion zu grundsätzlichen Sicherheitserwägungen gab es
bereits bei den CASTOR-Behältern - schon lange fordern die
Bürgerinitiativen "echte" Tests an einem "echten" CASTOR-Behälter ein und
geben sich nicht mit theoretischen Überlegungen und darauf aufbauenden
Berechungen zufrieden.
Willfährig spricht Umweltministerin Gönner sogar von möglichen 80 bzw.
sogar 120 Laufzeitjahren für das GKN 1 bzw. 2. Das mag ein schönes
Weihnachtsgeschenk für die EnBW sein, mit der amtlichen Kontrollfunktion
als Atomaufsichtsbehörde hat dies nichts zu tun, noch weniger mit
notwendiger wissenschaftlicher Sorgfältigkeit.
Die Erfüllung ökonomischer Wünsche des Betreibers ENBW steht an erster
Stelle der Landesregierung. Ministerpräsident Oettinger setzt sich massiv
für den Weiterbetrieb von Atomanlagen in unverantwortlicher Weise ein.
Der notwendige Schutz der Bevölkerung interessiert ihn offensichtlich
kaum.
Eine Laufzeitverlängerung stellt für die Bürgerinnen und Bürger in den
betroffenen Gebieten eine Zumutung dar und wird von den Bürgerinitiativen
massiv abgelehnt.
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Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
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