[fessenheim-fr] Rainer Baake
Klaus Schramm
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Sa Okt 7 15:27:23 CEST 2006
Hi
mir ist der Name Rainer Baake bekannt vorgekommen (einer der
InitiatorInnen der Aktion "Atomausstieg - selber machen!")
und da habe ich mal ein bisschen recherchiert.
Es handelt sich dabei um einen früheren Staatssekretär von
Atomminister Jürgen Trittin, also genau einer von denen, die
uns diesen Atomkonsens eingebrockt haben. Nicht dass ich
diese Aktion schlecht fände. Ich habe selbst dafür gestimmt,
dass wir von Netzwerk Regenbogen dazu einen Aufruftext
veröffentlichen (www.netzwerk-regenbogen.de/akwech060929.html).
Es ist nur bedenklich, dass dabei wieder mal ein Bock als Gärtner
eingestellt wurde.
Richtige Realsatire ist, was Rainer Baake 1998 an Zielvorstellungen
für den Atomkonsens entwickelt hatte. Weiter unten fíndet ihr seinen
Text hierzu, in dem er sich folgende Abschaltjahre ausgemalt hat:
AKW....................................Abschaltjahr (Ende der 25 Jahre)
Stade..................................2000 (1997)
Obrigheim..............................2000 (1994)
Biblis A...............................2000 (2000)
Neckarwestheim 1.......................2002 (2001)
Biblis B...............................2002 (2002)
Brunsbüttel............................2003 (2002)
Isar 1.................................2003 (2004)
Unterweser.............................2004 (2004)
Philippsburg 1.........................2005 (2005)
Grafenrheinfeld........................2007 (2007)
Lingen/Emsland.........................2008 (2013)
Krümmel................................2009 (2009)
Philippsburg 2.........................2010 (2010)
Gundremmingen B........................2010 (2009)
Gundremmingen C........................2010 (2010)
Grohnde................................2010 (2010)
Neckarwestheim 2.......................2010 (2014)
Isar 2.................................2010 (2013)
Brokdorf...............................2010 (2011)
Schöne Grüsse
Petra
Rainer Baake
Wiesbaden, den 20. Januar 1998
Verdammt zum Erfolg
Ich stelle mir vor, der Herbst des Jahres 2002 - und damit das Ende der ersten
Legislaturperiode einer rot-grünen Bundesregierung naht. Für unsere eigene
Einschätzung und die unserer Wählerinnen und Wähler, über Erfolg oder Mißerfolg
unserer Arbeit wird von elementarer Bedeutung sein, ob wir den Ausstieg aus der
Atomkraft hingekriegt - oder in den politischen, gesellschaftlichen und
gerichtlichen Auseinandersetzungen verloren haben.
Wir können uns auf einigen Politikfeldern Niederlagen leisten. Beim Ausstieg aus
der Atomkraft und beim ökologischen Umbau unserer Energieversorgung müssen wir
erfolgreich sein. Dazu brauchen wir eine Strategie, die in allen entscheidenden
Punkten besser ist als die unserer Gegner.
Die Aufhebung eines Ausstiegsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht oder
ein verlorener Schadensersatzprozeß in Milliardenhöhe oder zigtausende
Arbeitslose ArbeitnehmerInnen aus der Kernenergiebranche, für die nicht
rechtzeitig eine Perspektive geschaffen wurde oder eine Kombination von allem
wäre in den Folgen geeignet, die Wiederwahl einer Koalition zu gefährden - oder
sie schon vorher in die Luft zu sprengen.
Andererseits - sind wir beim Umbau der Energiewirtschaft erfolgreich, die ersten
Atomkraftwerke abgeschaltet, ist das definierte Ende der restlichen Anlagen
politisch beschlossen, in Gesetze gegossen und gerichtlich bestätigt, boomt die
Energiesparwirtschaft, der Markt für regenerative Erzeugungsanlagen und die
dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung, so werden wir am Ende der ersten
Legislaturperiode auf der Haben-Seite unserer Arbeit in der Koalition ein dickes
Plus machen können!
Wesentliche Elemente eines Ausstiegsgesetzes
Die Betreiber von Atomkraftwerken in Deutschland besitzen unbefristete
Betriebsgenehrnigungen für ihre Anlagen. Sie werden jeder nachträglich durch
Gesetz eingeführten Befristung ohne Entschädigungsregelung entgegenhalten, diese
sei verfassungswidrig und versuchen, das Gesetz auf diesem Wege zu Fall zu
bringen.
Diesem Problem könnte man theoretisch entgehen, indem man das Atomrecht nicht
ändert und statt dessen eine Bundesaufsicht unter neuer politischer Führung die
Vollzugsbehörden in den Ländern anhält, die Sicherheitsbestimmungen des heutigen
Atomrechts konsequent anzuwenden, anstatt Länder wie in der Vergangenheit durch
bundesaufsichtliche Weisungen daran zu hindern. Durch einen
sicherheitsorientierten Gesetzesvollzug ließe sich zum Beispiel das Problem
Biblis A und vielleicht einige wenige weitere binnen einer Legislaturperiode
entschädigungsfrei lösen.
Abgesehen davon, daß dieser Weg notgedrungen zäh und langsam ist, kann ich mir
keine politische Mehrheit mit GRÜNER Beteiligung im Bund vorstellen, die am
geltenden Atomrecht und damit an grundsätzlich unbefristeten
Betriebsgenehmigungen für AKWs festhält.
Wir brauchen daher schon aus Gründen der politischen Klarheit ein
Ausstiegsgesetz, das die Betriebsgenehmigungen nachträglich befristet.
Hier stellt sich zunächst die Frage, ob der Gesetzgeber ein Rechtsgebiet (wie
das Atomrecht) auch in bezug auf existierende Anlagen grundsätzlich neu regeln
darf. In der, sog. Naßauskiesungsentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht
hierzu ausgeführt, dies sei bei entsprechenden Übergangsregelungen zulässig; das
Gemeinwohl rechtfertige, die notwendigen Eingriffe in bestehende
Rechtspositionen.
Es wird uns nicht schwer fallen, gute Gemeinwohlgründe für ein Ausstiegsgesetz
zu benennen. Allen voran: eine Neubewertung der Gefahr eines Super-Gaus, also
des von der Bevölkerung nach dem geltenden Atomgesetz hinzunehmenden sog,
Restrisikos
die nach wie vor ungelöste Entsorgungsfrage
die Neuordnung der Energieversorgung mit verstärkter Kraft-Wärrne-Koppelung
die Beseitigung der Proliferationsrisiken.
Eine Übergangsregelung könnte z.B. so aussehen, daß die Laufzeit aller AKWs seit
Inbetriebnahme gut 25 Jahre, längstens jedoch auf 10 Jahre nach Inkrafttreten
des Gesetzes beschränkt wird. Dies wäre keine Enteignung, sondern eine Inhalts-
und Schrankenbestimmung des Eigentums. Eine solche Regelung würde dem Umstand
Rechnung tragen, daß die ältesten Reaktoren tendenziell den größten Abstand zum
Stand von Wissenschaft und Technik aufweisen, Die größten Risiken würde am
schnellsten beseitigt. Neuere Reaktoren könnten noch eine Zeit lang laufen. Den
Betreibern würde die Möglichkeit gegeben, sie abzuschreiben.
Es gibt gute Gründe anzunehmen, daß ein so konzipiertes Gesetz ohne
Entschädigungsregelung auskommen könnte. Diese Frage ist juristisch im Detail zu
prüfen.
(Die Variante Sofortausstieg diskutiere ich hier nicht, da sie ohne jeden
Zweifel die Bundeskasse - und in der Folge die Aussicht auf die Verabredung
einer Koalition - durch gigantische Entschädigungspflichten sprengen würde; ganz
zu schweigen -von der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz für
milliardeschwere Zahlungen der SteuerzahlerInnen an die AKW-Betreiber. Eine
solche Strategie wäre nicht auf Sieg, sondern auf eine vorhersehbare Niederlage
ausgerichtet.)
Ein Ausstiegsgesetz, das Unverzüglich nach der Bundestagswahl eingebracht wird
und im Jahr darauf (1999) in Kraft tritt, das die Laufzeit aller Anlagen seit
Inbetriebnahme auf 25 Jahre, längsten jedoch auf 10 Jahre nach Inkrafttreten des
Gesetzes beschränkt, würde zu folgendem Szenario führen.
3 Anlagen Stillegung sofort Obrigheim, Stade, Biblis A
3 Anlagen nach 2 Jahren Biblis B, Neckarwestheim 1
1 Anlage nach 3 Jahren Isar 1, Brunsbüttel
1 Anlage nach 4 Jahren Unterweser
1 Anlage nach 5 Jahren Philippsburg 1
1 Anlage nach 7 Iahren Grafenreinfeld
1 Anlage nach 8 Jahren Lingen
1 Anlage nach 9 Jahren Krümmel
7 Anlagen nach 10 Jahren Philippsburg 2, Gundremmingen B, Gundremmingen C,
Grohnde, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf
Neben der Regelung der Restlaufzeiten für existierende Reaktoren sollte sich ein
Ausstiegsgesetz auf wenige, aber grundlegende Änderungen des heutigen
Atomgesetzes beschränken.
Streichen des Förderzwecks des Gesetzes
Verbot der Errichtung neuer AKWs
Eindeutige, klarstellende Regelung, daß die Betreiber von AKWs während der
Restlaufzeiten bei einem festgestellten Mangel, der sich auf die Sicherheit
auswirken kann, beweispflichtig sind für den"sicheren" Betrieb ihrer Anlagen.
Klarstellung, daß bei sicherheitsbedingter Stillegung oder Nachrüstung während
der Restlaufzeiten keine staatlichen Entschädigungen verlangt werden können
Erhöhung der Deckungsvorsorge von 500 Millionen auf mindestens 5 Millarden
Verbot der Wiederaufarbeitung
Aufhebung der derzeit im VermittlungsverfahrenbefindIichen AtG-Novelle, bis auf
Umsetzung von EU-Recht.
Auf keinen Fall sollten wir den Versuch unternehmen, daß gesamte Atomgesetz neu
zu schreiben. Die Gefahr, daß wir dadurch unseren zahlreichen Gegnern offene
Flanken bieten, eine zügige Verabschiedung des Ausstiegsgesetzes zu verhindern,
ist riesengroß!
Pluralistische Neubesetzung von den Bund beratenden Gremien und Organisationen.
Es versteht sich von selbst, daß z.B. die Reaktorsicherheitskommission und die
Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) einer zügigen personellen Ereuerung
bedürfen, das gesamte Spektrum der Wissenschaft einzubeziehen und die Dominanz
der Kernenergiebefürworter zu brechen.
Beendigung der Wiederaufarbeitung
Die Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen in den beiden
ausländischen Anlagen in Sellafield und LaHague stellt m.E, keine "schadlose
Verwertung" im Sinne des heutigen Atomgesetzes dar und ist schon von daher zu
beenden. Es ist aber sehr sorgfältig zu diskutieren, ob staatlicherseits in
bestehende Verträge eingegriffen werden soll, was mit den bereits gelieferten
abgebrannten Brennelementen zu geschehen hat und vor allem was mit dem bereits
im Zuge der Wiederaufarbeitung abgetrennten-, aber nicht weiterverarbeiteten
Berg von reinem Plutonium!
Ein unbedachtes Handeln in diesem Bereich kann sehr kurzfristig zu zahllosen
Atomtransporten und Zwischenlagernotwendigkeiten an deutschen Standorten führen.
Ich halte es aus Gründen der gesellschaftlichen Akzeptanz bei der Bewältigung
der Folgeprobleme durch die Erblast von jahrzehntelanger Atomwirtschaft für
elementar wichtig, daß hier eine zeitliche Koordination mit der Verabschiedung
des Ausstiegsgesetzes erfolgt!
Wir haben nur dann eine Chance, die betroffene Bevölkerung von der Notwendigkeit
von Transporten und Zwischenlagerungen zu überzeugen, wenn vorher der Ausstieg
und damit das definitive Ende der Atomwirtschaft vom Gesetzgeber beschlossen
worden ist.
Umgang mit der Entsorgungsfrage
Das oben Gesagte gilt für den gesamten Bereich der Entsorgung. Wir werden uns
der Notwendigkeit, diese strahlende Erblast - einer verfehlten und von uns
jahrzehntelang kritisierten, falschen Energiepolitik - zu beseitigen, nicht
entziehen können. Dabei werden viele, äußerst unbequeme Entscheidungen auf uns
GRÜNE zukommen. Auch aus diesem Grund brauchen wir ein Ausstiegsgesetz so
schnell und zügig wie möglich nach einer gewonnen Bundestagswahl.
Wer z.B - Transporte und eine zentrale Zwischenlagerung von abgebrannten,
Brennelementen verhindern will, der muß für dezentrale Zwischenlager an den AKW-
Standorten eintreten.
Eine sicherheitstechnisch begründete Beendigung der Erkundungen des Endlagers
Gorleben führt zu Standortsuchverfahren an anderen Orten. Und so weiter.
In jedem Fall sind wir gut beraten, die verbleibenden 9 Monate bis zur
Bundestagswahl für die Erarbeitung einer in der Partei getragenen
Ausstiegsstrategie und eines entsprechenden Gesetzes zu nutzen.
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