[fessenheim-fr] Massive Ablehnung spanischer Atomendlagerpläne
Klaus Schramm
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So Sep 3 18:39:28 CEST 2006
Massive Ablehnung spanischer Atomendlagerpläne
Knapp 10000 Menschen haben das kleine spanische Dorf Peque de Carballeda
überflutet, um gegen die Pläne zur Lagerung von Atommüll zu protestieren.
Die knapp 200 Dorfbewohner waren genauso überrascht wie die Organisatoren,
über die massive Beteiligung an der "gemeinsamen Trauer". Tausende waren
extra in das knapp 100 Kilometer von Zamora entfernte Dorf gezogen, um
sich mit den Menschen in der wenig besiedelten Region im zentralspanischen
Region Castilla-Leon zu solidarisieren. Eine Woche wurde hier Trauerflor
getragen, weil die Region durch die eines Lagers für hochradioaktiven Müll
beerdigt werde.
Bis zum 27. September haben spanische Gemeinden Zeit, um sich als Standort
für ein "zentrales temporäres Lager" zu bewerben, das bis 2010 fertig
gestellt sein soll. Dann sollen tausende Tonnen Atommüll aus Frankreich
und Großbritannien zurückgebracht werden. Sollte es kein Lager geben, muss
Spanien allein an Frankreich täglich 60.000 Euro Strafgebühr bezahlen.
Weit über 10.000 Tonnen hochradioaktiver Müll hat Spanien bisher
produziert.
Die staatliche Enresa, mit dem Management der radioaktiven Abfälle
betraut, will ein überirdisches Lager errichten, wozu "praktisch jedes
Gebiet geeignet" sei. Effektive eigene Endlagerpläne gibt es nicht, doch
fällt auf, dass sich Enresa an der Forschung in der Schweiz beteiligt.
Über den Euroatom-Vertrag ist sie auch im französischen Bure beteiligt.
Der spanische Müll könnte also auch vor der deutschen Haustür im Schweizer
Benken oder im lothringischen Bure landen.
Als Köder für die Akzeptanz des Lagers wird die Investitionssumme von über
eine halben Milliarde Euro und 300 Stellen ausgeworfen. Zum
Bau sollen weitere 100 Stellen geschaffen werden. Solche "Argumente"
wirken in einer armen Region mit hoher Arbeitslosigkeit. Der Bürgermeister
von Peque war schnell bereit, der Enresa die nötigen 25 Hektar Gelände
anzubieten. Auch die Regionalregierung habe "die Gegend auf die
Schlachtbank geworfen", werfen viele Bewohner und die Atomkraftgegner ihr
vor.
Mit der massiven Demonstration haben sie nun gezeigt, dass es die
geforderte "Freiwilligkeit" und "Akzeptanz" nur bei Politikern der Region
gibt. Insgesamt erlebt die Anti-Atom Bewegung auch im spanischen Staat
eine Renaissance, denn vom versprochenen Ausstieg aus der Atomenergie, mit
der die Sozialisten (PSOE) 2004 die Wahlen gewannen, ist nichts zu spüren.
Stattdessen wirbt der in die EU-Kommission entsandte Joaquin Almunia als
Wirtschaft- und Währungskommissar für Atomkraft. Es sei "Selbstmord", die
Tür zu ihr zu schließen, warnte er. Atombefürworter ersetzten derweil in
Ministerien Befürworter von regenerativen Energien, obwohl das Sonnenland
seine gesamte Energie mehrfach darüber decken könnte. Die PSOE bereitet
den Einstieg in eine neue Reaktorlinie, wie in Finnland oder Frankreich,
vor.
Statt AKWs abzuschalten, sollen die Laufzeiten der Altreaktoren verlängert
werden. Es wird erwartet, dass wegen des ständig steigenden
Stromverbrauchs, sogar der Uraltmeiler Garona bis 2019 am Netz bleibt, wie
es die Betreiber vorhaben. Dann wäre der Pannenreaktor 48 Jahre alt.
Dabei dienen derlei AKWs nicht einmal zur Basisabdeckung mit Strom. Garona
musste kürzlich gar abgeschaltet werden, weil der Ebro, Spaniens größter
Fluss, die Kühlung nicht mehr leisten konnte. Vandellos in Katalonien
wurde geräumt, weil ein Waldbrand es bedrohte. Der Reaktor mit 2,8
Gigawatt Leistung war ohnehin wegen einer neuen Havarie nicht am Netz.
(c) Ralf Streck
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