[fessenheim-fr] [FFL] Neuer Artikel zu GKSS (fwd)
Klaus Schramm
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Mi Aug 16 13:08:56 CEST 2006
Hallo Leute!
Der unten einkopierte neue Artikel zur GKSS ist nicht von mir - Nicht
daß Ihr meint, ich würde jetzt unter dem Pseudonym Wolf Wetzel
veröffentlichen. Erfreulich, daß die Blockade der Mainsrteam-Medien
wenigstens gelegentlich durchbrochen wird.
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
Freitag | Die Ost-West-Wochenzeitung
32 | 11.08.2006
Wolf Wetzel
Ein fast perfektes Verbrechen
STAATSGEHEIMNIS: Vor 20 Jahren ereignete sich in einem Forschungszentrum in
Geesthacht ein schwerer Atomunfall. Bis heute streiten dies offizielle Stellen
ab
In diesem Jahr feiert ein staatliches Forschungszentrum sein 50-jähriges
Bestehen und lädt dafür am 26. August zum Tage der offenen Tür: die GKSS
(Gesellschaft für Kernenergieforschung; der hinfällige Namenszusatz "in
Schiffbau und Schifffahrt" wurde beibehalten) in Geesthacht. "Zwischen 10 und 17
Uhr präsentieren wir Ihnen auf unterhaltsam-informative Art einen Einblick in
die Vielfalt unserer Forschungsthemen." Ein solches Jubiläum legt einen Blick in
die betriebseigene Geschichte nahe, doch der spart das katastrophalste Ereignis
in der Forschungsstätte einfach aus. Die GKSS müsste nämlich knapp drei Wochen
später noch einmal Jubiläum feiern: Ein schwerer Atomunfall auf seinem Gelände
jährt sich am 12. September zum 20. Mal.
Aufgeheizte Stimmung
Um zu verstehen, was an diesem Tag und in den Wochen danach geschah, muss man
sich in Erinnerung bringen, dass zu dieser Zeit die Folgen des GAU von
Tschernobyl am 26. April 1986 gerade erst ins Bewusstsein kamen. Dieser GAU
hatte nicht nur tödliche Strahlung freigesetzt, in deren Folge Hundertausende
starben und schwer erkrankten, er hatte auch die politische Landschaft
verwandelt. Bereits nach einigen Wochen hatten die Ereignisse in Tschernobyl in
jeder Hinsicht Grenzen überschritten. Zum einen machte die Radioaktivität, die
in ganz West-Europa gemessen wurde, deutlich, dass es eine nationale Atompolitik
nicht gibt. Zum anderen beendete der GAU bisherige Verharmlosungen der
Kernenergie und gab dieser Gefahr eine lebensbedrohliche Realität.
Die Anti-AKW-Bewegung wurde von den Ereignissen überrollt und mitgerissen.
Hunderttausende demonstrierten in zahlreichen Städten der BRD. Der Protest der
Anti-AKW-Bewegung erhielt zwar eine nie da gewesene politische Breite, doch dies
gefährdete das Atomprogramm nicht einschneidend. Die Regierungsparteien setzten
auf immer stärker militarisierte Repression, rüsteten Bundesgrenzschutz und
Polizei auf und versuchten gleichzeitig politisch die Bewegung zu spalten in
Gewaltfreie und Gewaltbereite. Mit welcher Skrupellosigkeit an der Atompolitik
festgehalten wurde, machte die Informationspolitik der Bundesregierung deutlich:
Sie beschwichtigte, verschwieg, verleugnete, verharmloste... Allen, von der CDU
bis hin zur SPD, war klar, dass die Wahrheit über die Folgen von Tschernobyl
eine Dimension sichtbar gemacht hatte, die auch die Atompolitik im eigenen Land
hätte kippen können.
Inmitten dieser aufgeheizten Stimmung und politisch äußerst brisanten Lage
ereignete sich am 12. September 1986 ein weiterer "Atomunfall", nicht in der
Sowjetunion, weit weg, sondern bei Geesthacht an der Elbe. Auf dem Gelände des
staatlichen Forschungszentrums GKSS kam es zu einem "mysteriösen Waldbrand". In
Folge dieses Ereignisses wurde eine erhöhte Radioaktivität in der näheren
Umgebung gemessen. Alarmiert durch die Strahlung machte die örtliche
Bürgerinitiative zuerst das nahe liegende AKW Krümmel dafür verantwortlich. Die
Landesregierung und vor allem Bundesstellen und (Aufsichts-)Behörden nahmen
dankbar den Verdacht eines radioaktiven Lecks im AKW Krümmel auf und
veranlassten entsprechende Nachforschungen. Untersuchungen mit falschen
Fragestellungen wurden auf den Weg gebracht. Die GKSS wurde nicht beachtet. Man
unterließ es, Bodenproben im Umfeld des Waldbrandes zu nehmen, machte weder
Durchsuchungen auf dem Gelände der GKSS noch wurden Unterlagen beschlagnahmt,
die die Aktivitäten der GKSS aufzeichneten und "Experimente" dokumentierten. Es
wurden keine Mitarbeiter des atomaren Forschungszentrums vernommen.
Falsche Fährten
Selbst das Naheliegende unterließen die ermittelnden Behörden: Die
Einsatzprotokolle und sichergestellten Fundstücke der lokalen Feuerwehr, die den
mysteriösen Brand löschte, anzufordern und auszuwerten. Die Intensität, mit der
falsche Fährten gelegt, Offensichtliches unterlassen und Belastendes
(verstrahltes Material) beiseite geschafft wurde, würde für ein ganze
Krimi-Serie reichen: Der "mysteriöse Waldbrand" am 12.9.1986 zerstörte nicht nur
Fauna und Flora. Im Abschlussbericht der schleswig-holsteinischen
"Fachkommission Leukämie" von 2004 steht: "Auf einer früheren Luftaufnahme ist
dort (ein zwischen GKSS und Kernkraftwerk Krümmel gelegenes Areal, d.V.) noch
ein Gebäude erkennbar."
Auf dem Gelände der GKSS befanden sich auch mehrere Strahlendetektoren. Genau
dort, wo der "mysteriöse Waldbrand" wütete, fiel der Strahlendetektor "3/9"
("Lokalisation: GKSS Tesperlude/Institut für Physik") über zwölf Wochen aus. Ein
entsprechender Registrierungsauszug der Firma ESN belegt dies eindeutig: "38.
bis 49. KW ungeplante Stationsverlegung nach Brand am ursprünglichen
Aufstellungsort."
"Im Zeitraum zwischen dem 15.9.1986 und dem 14.9.1987 wurden per Lkw >bestrahlte
Brennstabsegmente< ins bayerische Karlstein gefahren", berichtete der Journalist
Detlef zum Winkel im Dezember 2004. Bis heute bleiben die Aufsichtsbehörden die
Antwort schuldig, was es mit dieser Fracht, mit diesen "bestrahlten
Brennstabsegmenten" auf sich hatte. Das Ziel dieser LKW-Fahrten ist
aufschlussreich: In Karlstein/Bayern befand sich ein Zwischenlager für
Brennelemente. 1993 wurde dieses atomare Zwischenlager außer Betrieb genommen.
Die Vorgänge demonstrieren ein perfektes Zusammenspiel von staatlicher
Atomforschung, privaten Atomfirmen, atomaren Aufsichtsbehörden, Landesregierung,
Justiz, Staatsschutzbehörden, Landeskriminalamt (LKA) und Polizei: Die Behörde
unterließ Untersuchungen auf dem Gelände der GKSS, ein Ermittlungsverfahren
unterblieb, das LKA wurde nicht eingeschaltet, die Staatsanwaltschaft blieb
gezielt untätig, die Deklarations-Unterlagen über die Transporte ins atomare
Zwischenlager Karlstein verschwanden, Protokolle über all das, was in Karlstein
"entsorgt" wurde, verschwanden. Wenn Robert Jungk in diesem Zusammenhang vom
"Atomstaat" spricht, dann hat das wenig mit Alarmismus oder politischer Hysterie
zu tun. Dieser Atomstaat hat allen Grund zum planvollen, systematischen
Vorgehen. Ein Vorgehen, das die partielle Aussetzung bürgerlicher Verfassungs-
und Rechtsgrundsätze einschließt.
Wären ein paar Monate nach Tschernobyl die offiziellen Untersuchungen nicht
ausschließlich auf das AKW Krümmel fokussiert, sondern auf das GKSS ausgedehnt
worden, wären Spuren und Zusammenhänge ans Tageslicht gekommen, die das
Atomprogramm mehr gefährdet hätten, als die erstarkte Anti-AKW-Bewegung. So
brauchte es Jahre, bis der Nachweis erbracht werden konnte, dass seinerzeit
nicht das AKW Krümmel für die erhöhte Radioaktivität ursächlich verantwortlich
war, sondern das ganz in der Nähe gelegene Forschungszentrum GKSS. Viel zu spät
entdeckten Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft für Physikalische Analytik
und Messtechnik (Arge PhAM) in der Umgebung der GKSS millimetergroße Kugeln, die
weder in der Natur, beim Betrieb eines AKW, noch bei oberirdischen Atomtests
"abfallen", gefunden wurden sie auf Dachböden und im Erdreich: Transurane,
Plutonium-241 und Americium-241.
Sensationelles Ergebnis
Nachdem alle deutschen Forschungsinstitute unisono eine Untersuchung der
Bodenprobe ablehnten, wurde die internationale Sacharow-Universität in Minsk mit
der Analyse beauftragt. Das Ergebnis war sensationell und ist bis heute nicht
widerlegt: Die nukleartechnischen Kügelchen enthalten die spaltbaren Stoffe
Uran, Plutonium-241, Americium-241 und Curium und werden in der Fachwelt als
"sphere PAC" bezeichnet. Diese "PAC-Kügelchen" versinnbildlichen auf
anschaulichste Weise den zivil-militärischen Doppelcharakter (Dual-Use) der
angeblich ausschließlich friedlichen Nutzung der Nuklearforschung: Sie können
als Brennstoffe für Hochtemperaturreaktoren genutzt werden. Aufgrund des hoch
angereicherten Urans bzw. Plutoniums stellen sie zugleich die entscheidenden
Komponenten für militärische Optionen dar.
Diese Entdeckung hätte zum falschen Zeitpunkt fatale Folgen haben können.
Erstens: Die notorische Behauptung aller deutschen Bundesregierungen, die
Nuklearforschung diene ausschließlich friedlichen Zwecken, hätte widerlegt
werden können. Zweitens: Der Nachweis wäre erbracht, dass die Bundesrepublik
seit Jahren den von ihr unterschriebenen Atomwaffensperrvertrag gebrochen hat.
Drittens: Der "Atomstaat" wäre keine paranoide Vorstellung von
verschwörungstheoretisch veranlagten Anti-AKW-Gegnern, sondern eine zwingende
Konsequenz aus der Tatsache, dass der militärische Charakter der Atomforschung
unter allen Umständen geheim gehalten werden muss.
Nachdem sich der Schwerpunkt der (unabhängigen) Nachforschungen ab 2001 auf das
atomare Forschungszentrum GKSS verlagerte, häuften sich auch dort die "Zufälle":
Die Unterlagen der GKSS aus der fraglichen Zeit verschwanden spurlos. Im Büro
der Feuerwehrzentrale, die den Brand auf dem Geländer der GKSS löschte, brach am
1.9.1991 ein Feuer aus - und vernichtete alle dort gelagerten Unterlagen. Und
trotz Bitten und Betteln der Untersuchungskommissionsmitglieder lehnten sowohl
die zuständige Staatsanwaltschaft, als auch das LKA die Einleitung (bisher
unterlassener) Ermittlungsverfahren ab. Im Fußball ein klassischer Fall von
Doppeldeckung. Was in jedem anderen (oppositionellen) Fall für
Hausdurchsuchungen, Razzien, vorläufige Festnahmen, Polizeiaktionen unter dem
Vorzeichen "Gefahr im Verzug" und bundesstaatsanwaltschaftliche Ermittlungen
reichen würde, hatte in diesem Fall organisiertes Stillhalten zur Folge.
Ob es sich bei den gefundenen Transurane um PAC-Kügelchen handelt, ob damit -
unter Verletzung des Atomwaffensperrvertrags - mit militärischer Zielsetzung
geforscht und experimentiert wurde, hätten die zuständigen Behörden schnell
klären beziehungsweise sicher entkräften können. Die Atomfirma "Hobeg" in Hanau
hatte damals die kugelförmigen Brennelemente für den Hochtemperaturreaktor in
Hamm-Uentrop und den Forschungsreaktor in Jülich hergestellt. Ein Vergleich der
dort produzierten kugelförmigen Brennelemente mit den "Funden" in der Umgebung
der GKSS bei Geesthacht hätte jeder Spekulation den Boden entziehen können.
Nichts, aber auch gar nichts wurde unternommen.
Gebäude in Luft aufgelöst
Auch die Dementis der Landesregierung und aller Bundesaufsichtsbehörden, auf dem
Gelände der GKSS habe es gar keinen "Unfall" gegeben, könnten schnell und
eindeutig ad absurdum geführt werden. Wenn die "Fachkommission Leukämie" über
Luftbilder vor dem 12.9.1986 verfügt, auf denen eindeutig ein Gebäude zu
erkennen ist, das es nach dem Unfall nicht mehr gab, dann wäre es Sache der
Aufsichtsbehörden, diesem schwerwiegenden Indiz nachzugehen. Die wiederholte
Anfrage an die Pressestelle der GKSS, einen Lage- und Gebäudeplan aus den
achtziger Jahren zur Verfügung zu stellen, wurde bis dato mit Schweigen
quittiert. Interessanterweise findet man auf dem aktuellen Lage- und Gebäudeplan
der GKSS kein Gebäude mehr, das den Namen "Institut für Physik" trägt. Hat es
sich einfach in Luft aufgelöst?
Nachdem die 1992 von der schleswig-holsteinischen Landesregierung eingesetzte
"Untersuchungskommission Leukämie" jahrelang den falschen Spuren folgte, änderte
sie die Untersuchungsrichtung. Die Wissenschaftler gingen neuen Spuren nach und
fanden heraus, dass hier unter anderem Plutonium vorlag, wie es für
Kernfusionsexperimente, aber auch für die Entwicklung von Atomwaffen eingesetzt
werden kann (s. Freitag 50/2002). 2004 stellten sie ihren Abschlussbericht vor.
Er war vernichtend - für die Auftraggeber:
1. Die Funde von Transuranen (allen voran Plutonium-241 und Americium-241) sind
weder auf das AKW Krümmel, noch auf die Folgen von Tschernobyl zurückzuführen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind sie das Ergebnis von (misslungenen)
"besonderen kerntechnischen Experimenten", die als "mysteriöser Waldbrand" auf
dem Gelände der GKSS verdeckt werden sollten.
2. Alle (Aufsichts-)Behörden und Dienststellen, die die Untersuchungskommission
um Mithilfe bat, behinderten in hohem Maße die Aufklärung.
3. Um der Landesregierung nicht länger als Alibi für eine "unabhängige"
Untersuchung und vorbehaltlose Aufklärung zu dienen, trat die Mehrheit der
Mitglieder der Untersuchungskommission zurück. (s. Freitag 47/2004 )
Eigentlich ist ein Brand in einem Feuerwehrhaus, bei dem die Unterlagen eines
anderen Brandes zerstört werden, nicht zu überbieten. Doch die Landesregierung
setzte im Rahmen der organisierten Vertuschung und Unterlassung noch eins drauf.
Als absehbar war, dass die von ihr eingesetzte Untersuchungskommission nicht zu
dem gewünschten Ergebnis kommt, setzte die Landesregierung Schleswig-Holsteins
zum Plot an: Sie beauftragte Dr. Wolters mit Expertisen und Gegengutachten, die
die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der eingesetzten Untersuchungskommission
widerlegen sollten. Jener Dr. Wolters war jahrelanger Referatsleiter der
Abteilung Reaktorsicherheit im Ministerium für Finanzen und Energie in Kiel. In
seine Amtzeit fielen der Bau und die Genehmigungsverfahren zum AKW Krümmel.
Nachdem er vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde, wechselte er zur Firma
"SAST" und fertigte dort als "unabhängiger" Gutachter jene Expertisen und
Gegengutachten an, die unter anderem das Cleaning seiner eigenen
Aufsichtstätigkeiten zum Gegenstand hatten.
Das ist das vorläufige Ende eines Politthrillers, der in einer Gegend spielt,
der Geesthachter Elbmarsch, die heute eine weltweit einmalige Häufung von
Leukämie-Erkrankungen aufweist. Solange Behörden und Regierungsstellen nicht
ihrer Pflicht zur Aufklärung nachkommen, ist von der größten anzunehmenden
Regierungskriminalität auszugehen.
http://www.freitag.de/2006/32/06320401.php
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