[fessenheim-fr] 7 Min. vor GAU
Klaus Schramm
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Do Aug 3 16:30:14 CEST 2006
Hallo Leute!
Bei folgender Story ist zwar einige Skepsis geboten - beachtlich
ist dennoch, daß uns die 'Badische Zeitung' davor verschont, uns
selbst ein Urteil zu bilden...
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
Nur wenige Minuten vor dem GAU
Vor einer Woche kam es zu einer Beinahe-Katastrophe im schwedischem Atomreaktor
Forsmark I. Nach einem Kurzschluss fielen dort mehrere
Sicherheitssysteme aus. Ein Reaktorkonstrukteur hält es für Zufall, dass keine
Kernschmelze erfolgte
AUS STOCKHOLM
REINHARD WOLFF
Europa ist womöglich haarscharf an einem neuen Tschernobyl vorbeigeschlittert.
Der Reaktor 1 des schwedischen AKW Forsmark nördlich von
Stockholm war wegen eines Kurzschlusses mit anschließendem Stromausfall beinahe
unkontrollierbar geworden. Gleich verschiedene
Sicherheitssysteme funktionierten nicht wie vorgesehen.
"Es war ein reiner Zufall, dass es zu keiner Kernschmelze kam." Das behauptet
jetzt ein Mann, der es wissen sollte. Lars-Olov Höglund, der als
langjähriger Chef der Konstruktionsabteilung des schwedischen
Vattenfall-Konzerns für deren Atomkraftwerk in Forsmark zuständig war und
den in Frage stehenden Reaktor in- und auswendig kennt. "Das ist die
gefährlichste Geschichte seit Harrisburg und Tschernobyl", erklärte er am
Mittwoch im Stockholmer Svenska Dagbladet.
Begonnen hatte die Beinahe-Katastrophe am 25. Juli kurz vor 14 Uhr mit einem
durch Wartungsarbeiten an einem Stellwerk verursachten
Kurzschluss, der das Atomkraftwerk auf einen Schlag vom übrigen Stromnetz
trennte. Automatisch erfolgte daraufhin eine Schnellabschaltung
des Reaktors 1. In einer solchen Situation sollen normalerweise vier
Notgeneratoren automatisch anspringen und vor allem die Kühlpumpen mit
Strom versorgen. Tatsächlich setze sich aber der Kurzschluss über die gesamte
Versorgungskette fort, sodass sich auch die Batterien der
Hilfsgeneratoren kurzschlossen.
Nur weil zwei der vier baugleichen Generatoren nach einiger Zeit gestartet und
damit ein Teil der Notkühlung in Betrieb genommen werden
konnte, gelang es, den Reaktor nach 23 Minuten wieder unter Kontrolle zu
bekommen. Sieben Minuten später wäre die Zerstörung des
Reaktors nicht mehr aufzuhalten gewesen, sagt Höglund. Mit der Folge einer nicht
mehr aufzuhaltenden Kernschmelze eineinhalb Stunden später.
Das zusätzliche Problem in Forsmark: Der Stromausfall hatte zu einem
Computerblackout geführt, sodass die Bedienungsmannschaft teilweise
"blind" agieren musste: Viele Messgeräte funktionierten, und so bekam das Team
über den Zustand des Reaktors und die Auswirkungen seiner
Eingriffe selbst keine sicheren Informationen.
Die Tatsache, dass die Sicherheitssysteme nicht funktionierten, nimmt auch die
staatliche Atomkraftbehörde "Statens Kärnkraftinspektion" (SKI)
sehr ernst und hat eine umfassende Untersuchung angeordnet. Ingvar Berglund,
Forsmark-Sicherheitschef, findet den Konstruktionsfehler von
Komponenten, über die sich ungehindert eine Kurzschlusskette fortsetzt, "nicht
akzeptabel": "Ich hatte davon vorher erst einmal gehört, das war
bei einem russischen Reaktor."
Laut Berglund stellte sich nach dem Vorfall heraus, dass der Herstellerfirma
AEG, die die fraglichen Generatoren Anfang der Neunzigerjahre
geliefert hatte, diese Konstruktionsschwäche durchaus bekannt war. AEG habe es
aber nicht für notwendig gehalten, dieses Wissen
weiterzugeben. Im Widerspruch dazu meldete am Mittwoch die Tageszeitung Upsala
Nya Tidning, AEG habe das Forsmark-AKW informiert,
nachdem es einen Zwischenfall in einem deutschen AKW gegeben hatte.
Verschiedene schwedische und finnische Reaktoren arbeiten mit den gleichen
Generatoren. Berglund will nicht ausschließen, dass dies ein
"weltweites" Problem sein könne. Darüber habe man mittlerweile auch die
Internationale Atomenergieagentur IAEA informiert.
Sowohl der AKW-Betreiber als auch die staatliche SKI weisen die Einschätzung des
Forsmark-Konstrukteurs, der Reaktor habe vor einer
Kernschmelze gestanden, als "übertrieben" zurück. Bei SKI hat man den
Stromausfall und seine Folgen als "ernsten Vorfall" auf Stufe 2 der
siebenstufigen Ines-Skala eingestuft. Begründung hierfür: Es sei keine
Radioaktivität freigesetzt worden.
Ole Reistad, Abteilungsleiter der Strahlenschutzbehörde im Nachbarand Norwegen,
nimmt den Vorfall allerdings deutlich ernster als seine
schwedischen Amtskollegen. Im Forsmark habe man "nahe vor einer Katastrophe" und
vor dem Wegfall der letzten Sicherheitsbarriere
gestanden, sagte Reistad der taz. "So etwas hätte nie passieren dürfen."
taz vom 3.8.2006, S. 7, 146 Z. (TAZ-Bericht), REINHARD WOLFF
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