[fessenheim-fr] PM: TOUR DE FESSENHEIM - die Redebeiträge
Klaus Schramm
078222664-0001 at t-online.de
Di Jun 20 13:32:56 CEST 2006
TOUR DE FESSENHEIM - die Redebeiträge
Die Teilnehmer der 'Tour de Fessenheim 2006', die erstmals in diesem Jahr an
zwei Tagen stattfand, konnten sich am Samstag und Sonntag strahlenden
Sonnenscheins erfreuen. Thomas Passaglia, Vertreter des Schweizer NWA
(Nordwestschweizer Aktionskomitee gegen Atomkraftwerke) meinte dazu am Sonntag
in seinem Redebeitrag: Wer sich bei diesem Wetter nicht von regenerativer
Energiegewinnung überzeugen lasse, dem sei nicht zu helfen.
Begonnen hatte die gemeinsame Veranstaltung von Atomkraftgegnern aus dem Elsaß,
der Schweiz und aus Baden am Samstag mit Fahrrad-Korsos an verschiedenen Orten.
Von Freiburg aus starteten gleich zwei Stafetten. Am Zielpunkt, einem Zeltplatz
in der Nähe von Fessenheim, fanden sich die Radfahrer aus verschiedenen
Richtungen kommend gegen 17 Uhr ein.
Am Sonntag um 13 Uhr eröffnete Isabelle Guillaume vom französischen "Netzwerk
für Atomausstieg" (Réseau Sortir du nucléaire) mit einer Rede zur aktuellen
Situation in Bure die Kundgebung auf dem Rathausplatz in Fessenheim. Sie
berichtete davon, daß die Pläne des französischen Energiekonzerns EdF für ein
Endlager radioaktiver Abfälle in Bure einmal mehr parlamentarisch unterstützt
wurden. Das bereits in Bure bestehende Versuchslabor darf nun weitere zehn Jahre
betrieben werden und - nach offiziellen Angaben: probeweise - soll jetzt auch
schon bald Atommüll eingelagert werden. Nachdem von französischen
Atomkraftgegnern über 50.000 Unterschriften für ein Referendum gesammelt worden
waren, haben die Menschen nach diesem Parlamentsentscheid - so Isabelle
Guillaume - das Vertrauen in die Politik verloren. Die Vertreterin des
französischen Netzwerks für Atomausstieg lud die Anwesenden Elsässer, Schweizer
und Deutsche ein, am letzten Juli-Wochenende zu einem Festival der
Endlager-Gegner nach Bure zu kommen.
Theo Ziegler begleitete den abwechslungsreichen Redenmarathon mit seinen
Anti-AKW-Liedern. Während die Reden immer wieder durch die wechselseitige
Übersetzung unterbrochen wurden, konnte Ziegler sein Repertoire mit
französischen und deutschen Texten präsentieren.
Heinz Siefritz, Sprecher der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen, erinnerte
an den erfolgreichen Kampf gegen das AKW Wyhl. Damals wie heute, erklärte er,
wollen sich die Menschen beiderseits des Rheins nicht von Politikern weder in
Straßburg noch in Stuttgart, weder in Paris, noch in Bonn oder Berlin
vorschreiben lassen, wie sie leben sollen. Heute wie damals gelte der Schriftzug
auf dem blauen Aufkleber: "Combat pour la vie!", "Kämpft für das Leben!"
Siefritz brachte die Hoffnung zum Ausdruck, daß auch die Abschaltung des AKW
Fessenheim durchgesetzt werden könne, wenn die Gemeinsamkeit beherzigt werde:
"Gemeinsam sind wir nicht nur stark, sondern gemeinsam sind wir richtig
unausstehlich!"
Nur wenig verspätet begann der zweite Teil der Kundgebung vor dem Atomkraftwerk
mit einem Redebeitrag von Cécile Lecomte. Als Französin, die im Wendland wohnt,
strich sie die Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge zwischen den deutschen Plänen
für ein atomares Endlager im wendländischen Gorleben, den französischen Plänen
im lothringischen Bure und denen der Schweiz in Benken heraus. Auffallend sei
schon auf den ersten Blick die Grenzlage der drei Orte, wobei das Endlager
Gorleben an der ehemaligen Grenze zur DDR geplant war. Lecomte zeichnete die
gesamte nukleare Brennstoffspirale nach. Diese beginnt mit der Umweltzerstörung
beim Uranabbau, führt über die Urananreicherung und endet keineswegs bei der
sogenannten Endlagerung, da der Atommüll für Millionen von Jahren strahlt und
ebenso lange gesichert werden müßte. Cécile Lecomte klagte die Erweiterung der
deutschen Urananreicherungsanlage in Gronau an, die während der rot-grünen
Regierungszeit beschlossen worden war. Sie scheute sich auch nicht entgegen
bestehenden Strafandrohungen über französische Militärgeheimnisse zu sprechen
und nannte die Urantransporte von Pierrlatte nach Gronau beim Namen. Auch
Ermutigendes kam in ihrer Rede nicht zu kurz: Die 24 Jahre junge
Atomkraftgegnerin erinnerte daran, daß in Gorleben vor 30 Jahren auch eine
sogenannte Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) geplant war, die der wendländische
Widerstand hatte verhindern können. Und sie berichtete von der erst wenige
Wochen zurückliegenden großen Kundgebung in Cherbourg, wo 30.000 Atomkraftgegner
gegen die Pläne von EdF, Siemens und französischer Regierung zum Bau eines neuen
Atomreaktors vom Typ EPR protestiert hatten.
Thomas Passaglia berichtete vom Schweizer Widerstand gegen die Endlagerpläne im
nahe des Rheinfalls gelegenen Städtchen Benken. Besonderen Nachdruck legte her
darauf, die Bedeutung der alternativen Energien herauszustreichen. Passaglia
forderte ein grundlegendes Umdenken und eine tiefgehende Umstellung der gesamten
Lebensweise.
Zum Abschluß sprach Klaus Schramm von der Anti-AKW-Koordination
Elsaß-Baden-Basel. Er berichtete über neue Erkenntnisse im Fall der
Leukämie-Erkrankungen in Geesthacht, 30 Kilometer südlich von Hamburg. Nach
seiner Darstellung hatte sich am 12. September 1986 ein Brand im
Kernforschungszentrum Geesthacht ereignet, der bis heute von Behörden und
Politik geleugnet werde. Schramm trug eine Fülle von Fakten vor, mit denen er
den Beweis führen will, daß dieser Brand im Kernforschungzentrum auf
militärische Experimente zurückzuführen ist. Über Jahrzehnte hin sei an der
Entwicklung der Atombombe geforscht worden. Forschungsergebnisse aus Geesthacht
hätten einerseits innerhalb der letzten zehn Jahre US-amerikanischen Forschern
zum Durchbruch bei der Entwicklung von sogenannten Mininukes verholfen und
andererseits in Folge der hoch riskanten Versuche den Brand verursacht. Laut
Schramm ist dies die Erklärung für die weltweit höchste Konzentration von
Leukämieerkrankungen und die bis heute nicht abreißende Reihe von Todesfällen
bei Kindern.
Bis zum Schluß folgten die Zuhörer der Kundgebungen den durchweg zweisprachigen
Redebeiträge mit hoher Konzentration und anhaltender Aufmerksamkeit. Die
geradezu mit Informationen gespickten Redebeiträge hatten das Publikum trotz der
großen Hitze offenbar nicht ermüdet wie eine spontane und engagierte Wortmeldung
eines Umweltschützers aus Lörrachers am Ende der 'Tour de Fessenheim' zeigte.
Mehr Informationen über die Mailingliste fessenheim-fr