[fessenheim-fr] EdF teilprivatisiert

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Di Okt 25 08:16:37 CEST 2005


25.10.2005 


                   Teilprivatisierung des 
               französischen Strom-Konzerns EdF 

             Profitgier kann Atomenergie stoppen 

             EdF, der französische Strom-Monopolist, der insgesamt
             58 Reaktoren an 19 Standorten betreibt und am
             Aktienkapital der EnBW, einem der vier deutschen
             Strom-Giganten zu 45 Prozent beteiligt ist, soll nun nach
             jahrelanger Verzögerungstaktik an die Börse gebracht
             werden. Im August war die EdF in eine Aktiengesellschaft
             umgewandelt worden. Frankreichs Finanzminister
             Thierry Breton kündigte eine erste Teilprivatisierung bis
             21. November an. Dabei sollen ab Freitag rund 300
             Millionen Aktien emittiert werden. Laut Breton wird der
             Erlös von "maximal sieben Milliarden Euro" der EdF
             zufließen und nicht dazu dienen, Haushaltslöcher zu
             stopfen. Premierminister Dominique de Villepin betonte,
             der französische Staat werde zunächst bis 2007
             "mindestens" 85 Prozent des EdF-Kapitals halten. 

             [Grafik - nur auf der web site: 
               www.netzwerk-regenbogen.de/akwedf051025.html]                    
                            

             Drei Viertel ihres Stroms produziert die EdF mit
             Atomenergie. 

             Die EdF wird von den Mainstream-Medien gerne und
             häufig als wirtschaftlich gesundes Unternehmen
             dargestellt. Doch mit der EdF ist die "force de frappe",
             die französische Nuklearstreitmacht, untrennbar
             verbunden. Die "friedliche Nutzung der Atomenergie"
             zur Stromgewinnung und die permanente und
             aufwendige Instandhaltung des Atomwaffen-Arsenals
             sind siamesische Zwillinge und stellen zumindest für den
             französischen Staat, wenn auch nicht für die
             Nuklear-Industrie, ein Milliardengrab dar. Mit simplen
             Tricks konnte dies immer wieder verschleiert werden: So
             setzte der größte Stromproduzent Europas 2003 eine
             Verlängerung der Laufzeit der 58 Atomreaktoren von 30
             auf 40 Jahre durch und konnte damit den Buchwert in
             der Bilanz drastisch erhöhen. Trotz der angeblich so
             rentablen Atomenergie und mangels der gewohnten
             Milliarden-Zuschüsse des französischen Staates drohte
             der EdF in der ersten Halbjahresbilanz 2003 noch ein
             Defizit von 6 Milliarden Euro. Allein durch die
             Laufzeitverlängerung konnte der Konzern einen Gewinn
             von 728 Millionen Euro ausweisen. 2004 brachte es die
             EdF auf einen Umsatz von 46,9 Milliarden Euro und
             steigerte den Gewinn auf 1,34 Milliarden Euro. Für dieses
             Jahr wird ein Gewinn von 2,1 Milliarden Euro erwartet. Es
             ist geplant, damit den Schuldenberg um 22 Prozent auf
             19,1 Milliarden Euro zu senken. 

             Weltweit beschäftigt die EdF über 160.000 Menschen und
             zählt 36,2 Millionen KundInnen, davon in Frankreich 27,6
             Millionen. Im PrivatkundInnenbereich in Frankreich hat
             die EdF bislang das Monopol. Durch die Liberalisierung
             der europäischen Energiemärkte mußte der
             Staatskonzern im Bereich der Industrie-Kundschaft
             gegen andere europäische Stom-Konzerne konkurrieren.
             Dennoch liegt der Marktanteil in Frankreich immer noch
             bei rund 87 Prozent. Hauptkonkurrent ist der Energie-
             und Wasser-Konzern Suez, der gerade erst den
             belgischen Strom-Konzern Electrabel geschluckt hat.
             Ihrerseits hat die EdF neben ihrer Beteiligung an der
             deutschen EnBW gerade erst mit der Mailänder Gruppe
             AEM die Mehrheit an Edison, dem zweitgrößten
             Strom-Konzern Italiens, übernommen. Auch in Österreich
             ist die EdF mit einer Sperrminorität an der steierischen
             EStAG beteiligt. Auf dem Schweizer Strommarkt mischt
             die EdF ebenfalls mit: Nach der geplanten
             Zusammenführung der Energie-Holding Motor-Columbus
             und des Strom-Konzerns Atel wird sie 25 Prozent an der
             neuen Gesellschaft kontrollieren. Darüberhinaus
             engagiert sie sich in Südamerika, Afrika und Asien. 

             Die EdF ist in Frankreich eine Hochburg der
             Gewerkschaften und insbesondere der CGT, die der
             finanziell maroden KPF nahesteht. Die CGT verwaltet
             riesige Sozialfonds der EdF und kassiert entsprechend
             hergebrachtem Statut jährlich zwei Milliarden Euro. Dies
             erklärt die irrationale Politik der französischen
             Kommunistischen Partei, die stets einer der getreuesten
             Bundesgenossen der französischen "sozialistischen"
             oder "neo-gaullistischen" Pro-Atom-Politik war. 

             Gegen die Teilprivatisierung der EdF gibt es heftigen
             Protest von der gesamten französischen Linken. Die
             Frage der Atomenergie spielt dabei keinerlei Rolle. Dabei
             geht es dem französischen Staat in diesem besonderen
             Fall nicht so sehr um den bei Privatisierungen
             obligatorischen Abbau von Arbeitsplätzen, sondern um
             die - höchst irrationale - Hoffnung, einen finanziellen
             Klotz am Bein los zu werden. Daß damit unweigerlich
             auch eine Demontage der Nuklearrüstung verbunden
             sein würde, macht sich die neue Regierung von
             Dominique de Villepin offenbar noch nicht klar. 

             Ebenso wenig macht sich die französische Linke und die
             Gewerkschaften klar, daß die mit der Atomenergie
             verknüpften Arbeitsplätze mit dem weltweiten Versiegen
             der Uranvorräte, also spätestens in dreißig Jahren
             unrettbar verloren sein werden. Die einzige Perspektive
             nicht nur für den Erhalt, sondern für eine Zunahme von
             Arbeitsplätzen wäre eine möglichst rasche
             Energiewende hin zur Kraft-Wärme-Kopplung und zu
             den regenerativen Energien. Die Durchsetzung des
             Profitprinzips wird den Strukturwandel allerdings noch
             beschleunigen. Denn schon heute zeigt sich, daß
             Atomstrom entgegen allen neoliberalen Wunschträumen
             beispielsweise gegen billigen Strom aus Gaskraftwerken
             oder gar aus Gas-getriebenen Blockheizkraftwerken
             nicht konkurrenzfähig ist.* 

             Um der Linken Wind aus den Segeln zu nehmen, vermied
             Premierminister de Villepin gestern den Begriff
             "Privatisierung" und sprach stattdessen von einer
             "Kapitalaufnahme", die für weitere internationale Zukäufe
             der EdF nötig sei. Zugleich unterzeichnete er einen
             "Vertrag über den öffentlichen Dienst". Dieser garantiert
             niedrige Tarife und verpflichtet die EdF, die Stromtarife in
             den nächsten fünf Jahren nicht über das Maß der
             Inflationsrate hinaus zu erhöhen. Gleichzeitig reservierte
             de Villepin 15 Prozent der zum Kauf angebotenen Aktien
             den 160.000 LohnempfängerInnen der EdF zu einem
             Vorzugspreis und unterzeichnete ein Abkommen mit der
             Betriebsleitung, das die Beibehaltung der
             Versorgungspflicht für PrivatkundInnen vorsieht. 

             Ein weiterer Schwerpunkt im Zuge des
             Privatisierungverfahrens ist ein massiver
             Investitionsplan, der in den Bereichen der Produktion
             und des Vertriebs 40 Milliarden Euro Ausgaben in der
             Zeitspanne zwischen 2006 und 2010 vorsieht. Allein in
             Frankreich soll durch die Investitionen nach Angaben
             des EdF-Geschäftsführers Pierre Gadonneix die
             Stromleistung um 5000 Megawatt gehoben werden, was
             der Kapazität von fünf Atomkraftwerken entspricht. Ob
             allerdings bei den steigenden Kosten für eine wenn auch
             nur nur notdürftige Instandhaltung der überalterten
             französischen AKWs genügend Mittel übrigbleiben, um
             in den geplanten Bau neuer AKWs vom EPR-Typ zu
             investieren, ist recht fraglich. Die Kosten für den Bau
             eines einzigen solchen Reaktors werden auf 3,2
             Milliarden Euro geschätzt. Dabei sind zusätzliche
             Investitionen in Großbritannien, Deutschland, Italien und
             in weiteren "wachstumsfähigen Regionen" geplant. 

             Die enormen Baukosten eines AKW spielen sich erst
             nach über 10 Jahren Betriebszeit wieder herein. Und in
             Anbetracht der Konkurrenz kostengünstiger moderner
             Gaskraftwerke, die wesentlich kürzere
             Amortisationszeiten bieten, finden sich keine privaten
             Finanziers für einen AKW-Neubau. Auch die
             AktionärInnen werden unerbittlich auf die
             profitträchtigsten Investitionen drängen. Waren in den
             50er und 60er Jahren noch fast alle europäischen
             Regierungen mit der Aussicht auf eine eigene
             Atombombe zu Milliardensubventionen für den Aufbau
             der Atomtechnologie zu ködern, erscheint heute eine
             solche "Anschub-Finanzierung" wenig aussichtsreich.
             Denn erstens haben sich sämtliche europäischen
             Staaten durch eine seit Mitte der 80er Jahre mehr oder
             weniger konsequent verfolgte neoliberale
             Wirtschaftspolitik in eine desolate Haushaltslage
             manövriert, die zusätzliche Milliarden-Subventionen nur
             um den Preis wachsender sozialer Unruhen möglich
             erscheinen lassen. Und zweitens verblaßt die Attraktivität
             der "nationalen Atomstreitmacht" angesichts der
             Perspektive, als Teil der EU auf einfacherem und
             billigerem Wege Zugriff auf eine EU-Atomstreitmacht zu
             erlangen. 

             Die Interessen der europäischen Staaten sind zudem
             recht disparat. Zwölf Länder sind frei von Atomenergie:
             Italien, Dänemark, Österreich, Irland, Luxemburg,
             Griechenland, Portugal, Estland, Lettland, Polen, Zypern
             und Malta. Vier weitere EU-Staaten haben - zumindest auf
             dem Papier - einen Atom-Ausstieg erklärt: Deutschland,
             Schweden (bereits per Volksabstimmung 1980 und per
             Reichtags-Beschluß 1997), Spanien und Belgien. In
             Litauen soll bald auch der zweite und letzte Reaktor vom
             Tschernobyl-Typ aus Sicherheitsgründen abgeschaltet
             werden. Und nicht zuletzt auf Grund der überall in
             Europa - außer Norwegen - um sich greifenden
             Finanzmisere, dürfte über kurz oder lang der von allen
             EU-Mitgliedsstaaten finanzierte Zufluß von
             Atom-Subventionen zum Versiegen kommen. 

               

             Klaus Schramm 

               

             Anmerkungen 

             Siehe auch unsere Artikel: 

                   'EURATOM und EU-Verfassung' (11.06.04) 

                   [*] ''British Energy' und der europäische Atom-Ausstieg 
                   Blair kämpft ums Überleben des Atom-Konzerns
                   'British Energy' 
                   (8.05.04) 

                   'Atom-Mafia europaweit im Aufwind?' (26.04.04) 

                   'Neue Atommacht EU?' 
                   Die militärische Dimension des EURATOM-Vertrags
                   (24.04.04)




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