[fessenheim-fr] Nicht nachhaltig: rechte und linke Wahlkampfmythen

BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein bund.suedlicher-oberrhein at bund.net
Do Sep 1 10:36:58 CEST 2005


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*0761/30383, **bund.freiburg at bund.net* <mailto:bund.freiburg at bund.net>*, 
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*Nicht nachhaltig: rechte und linke Wahlkampfmythen*

Liebe Freundinnen und Freunde in den verschiedenen Mail-Verteilern,

der Wahlkampf steuert mit Getöse seinem Höhepunkt entgegen. Mit den 
wirklich drängenden Fragen und Problemen der Gegenwart und der Zukunft 
dieses Landes und der Welt haben manche der diskutierten Themen und 
insbesondere die angepriesenen Problemlösungsansätze wenig zu tun. In 
Sachen Ökologie, Energiepolitik und soziale Gerechtigkeit gibt es 
erfreuliche Unterschiede in den Parteiprogrammen, doch ein zentraler 
Aspekt zukunftsfähiger Politik bleibt fast überall außen vor.

„Unbegrenztes Wachstum ist dauerhaft möglich und die einzige Lösung 
aller Probleme“ ist die nicht hinterfragte Botschaft von FDP und CDU, 
aber auch fast aller anderen Parteien ans dankbare Publikum. Und in 
diesem unhinterfragten Mythos stimmen rechte wie linke Parteien fast 
überein. Nur über die Wege zum Wachstum gibt es Konflikte.

Kopfrechnen ist in Wahlkampfzeiten nicht angebracht. Doch bei einem 
anhaltenden Wachstum von 3% verdoppelt sich das Bruttosozialprodukt alle 
23 Jahre, bei 5% sogar bereits alle 14 Jahre. Und eine Menge, die 
exponentiell wächst, vertausendfacht sich jeweils nach der zehnfachen 
Verdoppelungszeit. Dauerhaftes exponentielles Wachstum einer Wirtschaft 
ist nicht möglich und führt zwangsläufig zur Selbstzerstörung. Wir 
brauchen also dringend andere Problemlösungsansätze, um die realen 
Probleme unseres Landes anzugehen.

Die aktuellen politischen Debatten (nicht nur in Wahlkampfzeiten) werden 
innerhalb eines zutiefst zerstörerischen Logikkreises geführt. Die 
Politik gibt nicht etwa nur die falschen Antworten auf die drängenden 
Zukunftsfragen, viele der wichtigsten Fragen werden überhaupt nicht mehr 
gestellt.

Damit die Fragen der Nachhaltigkeit, der Zukunftsfähigkeit und Ökologie 
nicht ganz unter die parteipolitischen Räder kommen, habe ich im 
folgenden Thesen- und Diskussionspapier noch einmal einige Thesen zu 
Wachstum, Wachstumskritik und Nachhaltigkeit zusammengefasst.

Ich sende sie Euch zur Diskussion, bevor ich sie an die Medien weiterleite.

Es wird sicher nicht mehr gelingen, Ökologie und Nachhaltigkeit zum 
großen Wahlkampfthema zu machen. Es ist aber wichtig, diese Themen und 
Fragen immer wieder, auch gegen den politisch publizistischen 
Mainstream, in die Debatte einzubringen und diejenigen (nicht nur in den 
Parteien) zu ermutigen, die zumindest mit Teilen dieser Kritik überein 
stimmen.

BUND Geschäftsführer, die nicht in den Bundestag gewählt werden müssen, 
können es sich auch noch erlauben, solche unbequemen Thesen in 
Wahlkampfzeiten zu verbreiten.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Mayer

_Legt doch bitte einen Link zu diesem Beitrag:_

http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wachstum/wachstumskritik.htm


  Wachstum und Wachstumskritik / Unbegrenztes Wachstum zerstört
  begrenzte Systeme


      Eine Einführung in das Thema

	
 

*Wieviel Prozent Wachstum*
hätten Sie denn gerne? Fragen Sie einen Politiker von CDUFDPSPD und Sie 
werden vermutlich keinen finden, der nicht ein langfristiges Wachstum 
von mehr als 5% anstrebt. Mindestens 3% Wirtschaftswachstum seien nötig, 
um die Arbeitslosenzahlen zu senken. Vollbeschäftigung ließe sich 
frühestens ab 5% jährlichem Wachstum erreichen, werden Ihnen auch viele 
PolitikerInnen der GRÜNEN und der Demokratischen Linken vorrechnen.*

Doch hinter solchen Aussagen,*
Wahlkampfparolen, Wirtschaftsinteressen, Wünschen und 
Problemlösungsansätzen stehen unhinterfragte Mythen und der alte, 
zerstörerische Irrglaube, unbegrenztes Wachstum sei dauerhaft möglich.*

Bei einem anhaltenden Wachstum*
von 3% verdoppelt sich das Bruttosozialprodukt alle 23 Jahre, bei 5% 
sogar bereits alle 14 Jahre. Und eine Menge, die exponentiell wächst, 
vertausendfacht sich jeweils nach der zehnfachen Verdoppelungszeit. 
Dauerhaftes exponentielles Wachstum einer Wirtschaft ist nicht möglich 
und führt zwangsläufig zur Selbstzerstörung. Als Problemlösungsansatz 
kann es langfristig und global nicht dienen. Durch die periodischen 
Kriege im Laufe der Menschheitsgeschichte wurde das bisherige Wachstum 
immer wieder unterbrochen. Es wäre anzustreben, die aktuellen Probleme 
ohne großen (und damit vermutlich letzten) Krieg in den Griff zu bekommen.*

Immer wieder werden in der öffentlichen Debatte*
andere Länder benannt, die ein stärkeres, „vorbildhaftes“ Wachstum 
haben. Vor dem Jahr 1990 wurde Japan als das „große Vorbild“ 
dargestellt. Die boomende japanische Wirtschaft wurde idealisiert und 
den deutschen Arbeitnehmern sagten Medien und Politik, sie sollten sich 
die Japaner endlich als Vorbild nehmen. Dann platzte 1990 in Japan (als 
Folge exponentiellen Wachstums) die Immobilienblase, die Börse ging in 
den Keller und von einem Tag auf den anderen war in Deutschland das 
„Vorbild Japan“ kein Thema mehr. Aufgearbeitet wurde dieser Medienflopp 
nie. Und die Staatsverschuldung mancher Länder, die uns heute als 
Vorbild dienen sollen, ist für die Medien wieder kein Thema.*

Unser Wirtschaftswachstum*
ist immer noch nicht ganz abgekoppelt von einem erhöhten Energie- und 
Rohstoffverbrauch. Das Ende des Öl- und Uranzeitalters ist absehbar und 
wird durch den Export unseres Verschwendungssystems nach China und 
Indien noch verstärkt.

Deutlich wird dies u.a. durch die erkennbare Verknappung der fossilen 
Rohstoffe und damit aktuell beim Benzinpreis. Das weltweit knapper 
werdende Öl löst beim abhängigen Patienten Mensch klassische 
Suchtsymptome aus. Statt Energie zu sparen und Alternativen zu fördern, 
rufen wachstumsgläubige Politiker nach einer intensiveren Ölförderung 
und nach der noch härteren Energiedroge Atomenergie.*

Die Umweltbewegung in Deutschland*
hat viel erreicht. Luft und Wasser sind tatsächlich sauberer geworden 
und auch sonst gab es viele Erfolge. Das bedeutet aber nicht mehr und 
nicht weniger, als dass die weltweiten Zerstörungsprozesse hier ein 
wenig langsamer ablaufen als anderswo. Immer noch gehören auch wir in 
Deutschland zum zumeist unzufrieden gehaltenen, kleinen „reichen“ Teil 
der Menschheit, der aber den Großteil der Energie und Rohstoffe 
verschwendet und damit hauptsächlich für die weltweite 
Umweltverschmutzung verantwortlich ist.*

Ein Teil des bisher „unterentwickelten“ Rests der Welt*
(insbesondere China und Indien) ist gerade gerade dabei, unser 
zerstörerisches Modell einer Raubbauwirtschaft nachzuahmen und zu einer 
ernstzunehmenden industriellen Konkurrenz zu werden.Der beginnende 
Autoboom in diesen Ländern wird in unseren Medien immer noch unkritisch 
bejubelt. Die Folgen dieses Booms für Ökologie und Weltklima sind kein 
Thema. Und ist es den Menschen in Asien zu verdenken, dass sie unserem 
schlechten Beispiel nacheifern?*

Hundertfünfzig Jahre Industriealisierung*
haben dazu geführt, dass die in vielen Millionen Jahren geschaffenen 
Energievorräte und die Rohstoffreserven der Welt zur Neige gehen und wir 
gleichzeitig u.a. mit Atommüll Gifte produziert haben, die über eine 
Million Jahre sicher gelagert werden müssen. Während sich bei uns in 
diesen 150 Jahren zumindest einige regulierende Gegenkräfte entwickelt 
haben (Gewerkschaften, Umweltbewegung, etc.) um die schlimmsten Folgen 
des krebsartigen Wachstums für die Menschen abzumildern, wuchern die 
Metastasen des Industriesystems in China, Indien und den so genannten 
„Tigerstaaten“ ungehemmt, mit enormen Folgen für die Umwelt, die 
Sozialsysteme und die Menschen *

Die Prognosen des Club of Rome*
über die Grenzen des Wachstums aus dem Jahr 1972 haben sich bisher nur 
zum Teil erfüllt. Doch zum damaligen Zeitpunkt waren die 
Wachstumsgesellschaften Indiens, Chinas und Südostasiens auch noch im 
Embrionalzustand. Jetzt, wo diese großen Märkte für ihr Wachstum immer 
mehr Energie und Rohstoffe verbrauchen, zeigt sich wie richtig die 
Thesen des Club of Rome waren.*

Die Folgen unseres Handelns*

sind weltweit nicht zu übersehen. Der CO_2 Gehalt der Atmosphäre nimmt 
zu und das Weltklima verändert sich. Die so genannte friedliche Nutzung 
der Kernenergie gefährdet durch Unfälle, Terrorismusbedrohung und die 
Weiterverbreitung von Atomwaffen unsere Zukunft. Alles Wissen um 
Umweltfragen verhindert nicht den massiven Raubbau an den letzten 
Urwäldern der Erde und am beschleunigten Artensterben. Und die größer 
werdende Ungleichheit zwischen den Nationen und den Menschen verstärkt 
die Kriminalität und ergibt einen fruchtbaren Nährboden für 
Fundamentalismus und Terrorismus. Zur weltweiten Umweltzerstörung kommen 
im Zeitalter der Globalisierung ein zunehmend ungehemmter Konsumismus, 
eine Gefährdung der Demokratie u.a. durch die zunehmende politische 
Macht der Konzerne, soziale Ungerechtigkeit, Sozialabbau und eine 
verstärkte Innenweltverschmutzung. Habgier und Egoismus als gefördertes 
und gewünschtes Lebensmodell zerstört die Gesellschaft.* **

Das Denken des größten Teils der politischen Klasse,*
der Medien und auch der Menschen beruht auf Mythen und Illusionen:

-Unbegrenztes Wachstum sei dauerhaft möglich
-Wir alle könnten irgendwann genau so verschwenderisch und zerstörerisch 
leben wie die Menschen in den USA
-Der arme "Rest der Welt" könnte unser verschwenderisches und 
zerstörerisches Wohlstandsmodell übernehmen
-ungehemmter Konsum würde glücklich und zufrieden machen

*Doch wenn unser System unbegrenzt wächst,*
wenn weiterhin weltweit Energie, Rohstoffe und gesellschaftliche 
Reichtümer verschwendet werden, dann stellt sich nicht die Frage, ob das 
System kollabieren könnte, sondern nur noch die Frage, wann dieser Crash 
kommt. Woher sollen Rohstoffe und Energie kommen, wenn sich der American 
Way of Life weltweit verbreitet? Wer soll all die Produkte kaufen, wenn 
unsere Produktivität sich weltweit verbreitet? Und sind die Menschen, 
die heute den so genannten „hohen „Lebensstandard“ haben, tatsächlich 
zufrieden und glücklich, oder wachsen mit zunehmendem Wohlstand nicht 
sogar Habgier und Unzufriedenheit? *

Das Wachstum im Bereich der Alternativen Energien, *
gehört zu den wenigen hoffnungsvollen Zeichen der Zeit. Von 1995 bis 
2005 haben sich die Preise für atomar-fossile Energien mehr als 
verdoppelt, während sie sich für erneuerbare Energien halbiert haben. 
Windstrom ist global die am schnellsten expandierende Energienutzung. In 
der EU gingen im Jahr 2005 alle zwei Monate 1000 MW neue Windenergie ans 
Netz. In Kilowatt (Leistung) entspricht dies einem neuen AKW Gösgen 
(CH), in Kilowattstunden (Produktion) wird damit ein Atomreaktor der 
Grösse Beznau(CH) ersetzt - und dies alle 60 Tage. Und genau dieses 
positive Wachstum der zukunftsfähigen Energien wird von den Anhängern 
der atomar-fossilen Energiegewinnung massiv bekämpft.*

Wir haben Technologien und Waffen enwickelt*
(Atomenergie, Bereiche der Gentechnik, Atom- und Biowaffen), welche die 
Zukunft der Menschheit bedrohen. Gleichzeitig zeigen aber manche 
Fortschritte, nicht nur bei Sonnen- und Windenergie, dass der technische 
Fortschritt dem Menschen auch nützen kann. Nicht alle 
Rationalisierungtechnologien schaffen Probleme. Mit der heute 
verfügbaren Technik, mit der Produktion von reparaturfähigen, 
langlebigen Produkten könnten wir, größtenteils befreit von stupiden 
Tätigkeiten, ein „gutes“ Leben führen. „Gut leben statt viel haben“ muss 
der heutigen „Ich kaufe, also bin ich“- Ideologie entgegengesetzt 
werden. Das bedeutet weniger bezahlte Erwerbsarbeit und die gerechtere 
Verteilung des durch die Rationalisierung zurückgehenden Arbeitspensums 
auf mehr Menschen. Weniger Arbeit und gleichzeitig mehr Lohn und Konsum 
wird es dann aber nicht geben. Das aktuelle Motto auch der politischen 
Linken: „Leute, kauft mehr kurzlebigen Scheiß, um die Wirtschaft 
anzukurbeln“ ist kurzsichtig und zerstörerisch.

Es kann auch nicht angehen hohe Löhne beziehen zu wollen und 
gleichzeitig am liebsten billige Produkte zu kaufen, die unter 
Sklavenhalterbedingungen in den armen Ländern produziert wurden. *

Nur wenn es uns gelingt*
mit einem wesentlich verringerten Input von Energie und Rohstoffen ein 
gutes Leben zu führen, könnten auch die Länder des Südens an den 
Reichtümern der Welt gleichberechtigt teilhaben. Ohne einen 
gleichberechtigten Zugang aller Menschen zu den Ressourcen der Welt, 
ohne Abrüstung, Demokratie und Menschenrechte gibt es keine nachhaltige 
Zukunft. *

Die schwierigste Zukunftsaufgabe der Umweltbewegung*
wird es sein, aufzuzeigen, dass unbegrenztes Wachstum begrenzte Systeme 
zerstört. "Gut leben statt viel haben" ist die Zukunftsdevise. Es gilt, 
eine tatsächlich nachhaltige Entwicklung einzuleiten und Wege für ein 
gutes, nachhaltiges Leben aufzuzeigen. Die größten Einschränkungen auf 
diesem Weg, sind die ökonomischen Widerstände und die Tatsache, dass 
dieser zukunftsfähige Weg Vernunft und ein massives Umdenken voraussetzt.

 

/Axel Mayer/

<http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wachstum_idx.htm> 
<http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wachstum_idx.htm>


      einige Links zum Thema:


      Wachstum und Wachstumskritik / Unbegrenztes Wachstums zerstört
      begrenzte Systeme
      <http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wachstum/wachstumskritik.htm>

 lange Version des Einführungstextes


      Ökologischer Wohlstand statt Wachstumsträume
      <http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/kultur/toblacher_thesen.htm>

Toblacher Thesen 


      Der Traum vom Wachstum
      <http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wachstum/traum_vom_wachstum.htm>

 von Bernward Janzing


      Die Wachstumsillusion
      <http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wachstum/wachstumsillusion.htm>

 von Andreas Becker


      Perspektiven
      <http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wachstum/perspektiven.htm>

 von Angelika Zahrnt


      Energievorräte
      <http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/projekte/wachstum/energievorraete.htm>

 Erdöl, Gas, Kohle, Uran - Energievorrat und Energiereserve endlich

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