[Debatte-Grundeinkommen] Debatte-Grundeinkommen Nachrichtensammlung, Band 126, Eintrag 25

Karin Teetzen karin at inkat.de
Sa Jan 21 19:20:00 CET 2017


Hallo Eckhard 

> Wenn aktuell nur 40% erwerbstätig sind (angeblich – ich dachte es wären
etwas 
> mehr), heißt das: Diese 40% erzeugen im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit alle
zum 
> Kauf angebotenen Waren und Dienstleistungen. 

Diese 40% beziehen sich wohl auf den Anteil von sozialversicherungspflichtig
arbeitenden Menschen an der Gesamtbevölkerung. 

Im anderen Tread hatten wir gerade festgestellt, dass außerhalb dieses
Lohnsystems noch einmal ca. doppelt so viele Arbeitsstunden unentgeltlich
geleistet werden. 

Und von den 40% sind NUR ca. 1/4 in Landwirtschaft und Produktion
beschäftigt, also ca. 10% der Bevölkerung. 

Dies ist deshalb wichtig, weil die Dienstleistung auf den durch diese 10%
erbrachte Leistung und dessen (über den Lohn ausgezahlten) Gewinn aufbaut. 

Wenn im Zuge der Industrie 4.0 NOCH WENIGER Arbeitstunden für dieselbe
Produktionsmenge benötigt werden und deshalb auch NOCH WENIGER des Gewinns
als Lohn ausgezahlt wird, wird auch der Dienstleistungsbereich zwangsläufig
darunter leiden und schrumpfen. Da insgesamt auch weniger Geld zur Verfügung
steht, können dann auch immer weniger Produkte im Binnenmarkt verkauft
werden. Ein Teufelskreis beginnt. 

Durchbrochen werden (bei gleicher Steuerlast und keinem BGE) kann dieser nur
über Exportüberschüsse oder Staatsverschuldung. Beides wird ja heutzutage
auch schon gemacht. 

> Bisher kann ich nicht erkennen, 
> dass durch BGE-Einführung Erzeugungsaufwendungen wegfallen – außer evtl.
in der 
> öffentlichen Verwaltung. Wenn wir unser bisheriges sog. materielles
Lebensniveau 
> auch mit BGE in etwa beibehalten wollen, muss dieses also so organisiert
werden, 
> dass nach wie vor Arbeitsleistung in etwa gleichem Umfang UND Inhalt
geleistet 
> wird.
> Dies ist die erste Restriktion, die ich in den euphemistischen Beiträgen
hier 
> vermisse.

Dies ist keine Restriktion, da in keinem der diskutierten Modelle davon die
Rede ist, das WENIGER gearbeitet wird. Die Arbeit (und der Gewinn aus der
Arbeit) soll nur gerechter verteilt werden. 

> Hinweisen wollte ich aber hauptsächlich auf einen zweiten Aspekt: Das
Thema des 
> hier schon mehrfach verteufelten Belohnungs- und Bestrafungssystems,
welches mir 
> natürlich auch nicht gefällt. 

Auch mit einem BGE wird ein Lohn für eine geleistete Arbeit gezahlt, das ist
auch weiterhin ein Anreiz (extrinsische Motivation) zu Arbeiten. Dazu kommt
aber dann (im Gegensatz zu Heute) ein gesteigertes inneres Bedürfnis zu
Arbeiten (intrinsische Motivation). Die Belohnung erfolgt dann aus der
Arbeit selbst, statt aus der Lohnzahlung.

> Grundlage bei uns ist Arbeitsteilung und extreme Spezialisierung. Jeder
macht 
> nur einen ganz kleinen Teil der Gesamtleistung für ein bestimmtes Produkt.
Und 
> genau deshalb kann er es mit höchster Produktivität. 

Wenn man sich die Entwicklung von Industrie 4.0 so anschaut, wird das aber,
über kurz oder lang, ein Auslaufmodell werden. 

> Das, was hier immer so schön 
> wünschenswert beschrieben wird: Jeder bastelt sein eigenes Zeug nach
Gutdünken, 
> mag zwar mehr Spaß machen (auch mir!), hat aber eine grotten-schlechte 
> Effizienz-Bilanz. Sowohl arbeitszeit- als auch ressourcenverbrauchsmäßig.

Da kommt es ganz auf den Einzelfall an. Klar, wenn du an so etwas wie ein
Auto denkst, das wird wohl auch in Zukunft effektiver in einer Fabrik
gefertigt werden. Aber, wenn du mal an 3D-Druck Zuhause denkst, können dann
einzelne Ersatzteile demnächst vielleicht günstiger gedruckt als zugeschickt
werden. Und ein Garten, der per Hand gepflegt wird, ist ergiebiger pro m2
als eine Monokultur in der Landwirtschaft.

> Hocharbeitsteilige Prozesse können nun nur dann funktionieren, wenn
wirklich 
> jeder Beteiligte immer seine Leistung in vereinbarten Umfang und Qualität
erbringt 
> – und zwar pünktlich zum Termin. Wenn Einer versagt, steht immer gleich
eine ganze 
> Kette. Nun klemmt‘ aber bekanntlich in der Realität ständig an allen Ecken
wegen 
> irgendwelcher Kleinigkeiten. Entscheidend ist, wie der oder die mit dem
Klemmer 
> konfrontierten Personen reagieren. Nutzen sie alle verfügbaren
Möglichkeiten ein, 
> zusätzliche Belastungen und zusätzlichen Zeitaufwand, um doch irgendwie
die Leistung 
> zu bringen oder sagen sie, das ist höhere Gewalt und zuhause wartet die
Familie - 
> wie es ja durchaus menschlich verständlich ist, insbesondere wenn man die
Arbeit 
> nicht aus innerer Begeisterung sondern mehr als Pflichtübung erledigt, so
ähnlich, 
> wie zuhause das Geschirrspülen.

Dienst nach Vorschrift und pünktlich zum Feierabend wird das Werkzeug
fallengelassen gibt es auch jetzt, was ändert sich also? Kann nur besser
werden! ;- 
	 
> Ganz klar – entscheidend für den Unterschied ist das jeweilige Belohnungs-
und 
> Bestrafungssystem! Und so hab ich es erlebt: Im Kapitalismus muss ich
meinen Job 
> vollständig und pünktlich erfüllen oder ich bin raus. Es interessiert so
gut wie 
> nicht, ob ich es selbst verschuldet habe oder nicht. Im Sozialismus musste
ich 
> meinen Job erfüllen oder ich hatte eine plausible Erklärung, warum nicht,
dann 
> war die Konsequenz marginal.

Denk mal an die Menschen, die gerne Arbeiten möchten, aber aufgrund von
persönlichen Umständen nicht können (zu Alt, Behindert, Krank). Was ist mit
denen? Im Kapitalismus gehen die unter! 

> Im ersten Moment erscheint die zweite Version viel wünschenswerter – bis
man mit 
> dem erarbeiteten Geld einkaufen gehen will, es das Gewünschte aber einfach
nicht 
> gibt, stattdessen bekommt man, wenn man unbedingt will, Schilderungen der 
> aufgetretenen Schwierigkeiten. Dann macht es keinen richtigen Spaß mehr.

Auch im Kapitalismus gibt es Wirtschaftskrisen und Mangel, denk mal an die
Depression in den USA (1929 - 1941). 
	 
> Ich befürchte, dass Viele hier sich nicht so richtig vorstellen, wie
schnell ein 
> System derart sozialistisch wird, wenn das Belohnungs- und
Bestrafungssystem zu 
> schnell und zu sehr verflacht wird. Ich jedenfalls bin dafür ein BGE
auszuprobieren 
> – die evtl. Vorteile sind hinreichend beschrieben, aber ich möchte
keinesfalls 
> Sozialismusverhältnisse zurück haben – und die allermeisten anderen
Menschen 
> höchstwahrscheinlich auch nicht.

Da bin ich ganz bei dir! Ein System a la DDR möchte ich auch ganz bestimmt
nicht haben! 

Liebe Grüße
Karin




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