[Debatte-Grundeinkommen] Banker of the world, unite and take over

Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Di Nov 18 13:37:29 CET 2014


Hallo Bert,

nur ne kleine Erläuterung zu Deinem Zinsargument:

Die Zinsen für einen Kredit haben mit den Zinsen der Zentralbank einfach so gut wie nichts zu tun, weil die Bank das Geld für den Kredit selber per sog. Geldschöpfung erzeugt. Da wird erstmal überhaupt nichts gegenüber der Zentralbank fällig. 
Irgendwann muss dann eine Mindestreservepflicht in Höhe von 1% der Kreditsumme bei der ZB erfüllt werden. Aber die ist zinsfrei (dafür wird der Leitzins wird gut geschrieben). 
Typischerweise erhöht sich allerdings der Bargeldbedarf im Gesamtsystem um ca. 4,5% der Kreditsumme und dafür muss der Bankensektor Leitzins an die ZB entrichten – aber nicht unbedingt die kreditausgebende Bank.

Der Vergleich von Kreditzins und Leitzins der Zentralbank wird zwar oft propagiert ist aber eigentlich Quatsch. Der Kreditzins ist eine vereinbarte Gebühr, mit der die Bank ihre Unkosten und natürlich auch einen gewissen Gewinnanteil finanziert. Nichts davon geht an die ZB.
Bei Krediten ohne belastbare Sicherheiten zB. in Form von Immobilien besteht ein Großteil des Zinses aus dem Risikoaufschlag. D.h. zumindest bei risikobehafteten Krediten zahlen die treuen Rückzahler die Verluste mit, die durch Kreditausfälle entstehen.

gruß, Egge


> Gesendet: Montag, 17. November 2014 um 10:17 Uhr
> Von: "Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen" <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
> An: "NwGE debatte" <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
> Betreff: [Debatte-Grundeinkommen] Banker of the world, unite and take over
>
> Hallo,
> 
> ich möchte über eine Bemerkung in meiner letzten Mail weitermeditieren. 
> Nämlich über diese:
> 
> "Diejenigen, die etwas gegen Geldmengenerhöhung haben, würden ganz schön 
> zu rotieren anfangen und vielleicht wirklich gute Modelle ausarbeiten. 
> Das sind ja schließlich auch die Experten des Geldsystems. Man muss sie 
> halt nur auch nötigen, sich was Cleveres einfallen zu lassen."
> 
> Für alles vereinzelt Einzelne bleibt es nach meiner Einschätzung eine 
> stete Aufgabe, gegen die eigenen Gewohnheiten und Vorurteile anzudenken 
> und anzuhandeln. Mein Gefühl ist, dass in dieser Formulierung zu viele 
> antikapitalistische Reflexe bei mir durchkamen. Ich will mal versuchen, 
> es versöhnlicher zu denken.
> 
> Ein Aspekt der bGE-Debatte, die von Götz Werner und den Leuten in seinem 
> Umkreis stark gemacht wird, ist die Einsparung von Bürokratiekosten. 
> Nach meinen Kontakten mit dem Jobcenter in Bremen habe ich ja stark den 
> Eindruck, dass das gesamte Jobcenter eine riesige 
> Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ohne nennenswerten Output ist. Zumindest mit 
> mir wissen die überhaupt nichts anzufangen. Aber man muss sich ja an die 
> Gesetze halten, also mindestens abstrakt Druck aufbauen auf einem 
> Arbeitsmarkt, von dem man als Sachbearbeiter im Jobcenter genauer als so 
> ziemlich jeder andere weiß, wie desolat er aussieht. Ich bin mir 
> angesichts dieser Kontakte jedenfalls nicht mal mehr sicher, ob die 
> Gesellschaft Arbeitsvermittler braucht. Klar ist allemal, dass ein bGE 
> enorme Mengen Personal freisetzen würde, das heute mit der individuellen 
> Berechnung von Hartz4-Bescheiden befasst ist. Jedem ein bGE zu 
> überweisen ... das kann auch ein Computer.
> 
> Was ist nun aber mit diesen Leuten? Unmittelbar ist unsere Forderung: 
> Schickt sie in die Arbeitslosigkeit. Das ist nicht sehr nett. Diese 
> Leute sollen ihre persönlichen Tagesgewohnheiten à la Fahrt zur Arbeit, 
> Kaffeetrinken, Bürostuhlverspannungen wegmeditieren etc. einfach 
> aufgeben, nur weil wir das politisch sinnvoll finden. Bin ich der 
> Einzige, der sieht, dass das auch eine Zumutung für diese Leute ist? 
> Zumindest sein könnte?
> 
> Ich will ja viel grundlegender eingeschliffene gesellschaftliche 
> Verfahrensregeln und Gewohnheiten in Bewegung setzen. Ich stehe als 
> politisches Wesen dazu, dass kein Individuum das Recht hat, aus bloßer 
> Bequemlichkeit ein besseres Miteinander zu verhindern. Im Gegenteil: Es 
> liegt quasi im Wesen bürgerlicher Vergesellschaftung, das wir uns alle 
> eigentlich auch für uns alle verantwortlich fühlen müssen. Für die Polis 
> muss jeder Einzelne auch mal über den eigenen Schatten springen. Dafür 
> muss man aber auch von der Polis erwarten können, dass sie für das 
> Individuum über den eigenen Schatten springt. Sozusagen 
> Musketiere-Slogan: Einer für alle und alle für einen.
> 
> Das ist weit leichter gesagt als getan. Wir sind nämlich sehr viele 
> Einzelne und man kann es keinem Einzelnen aufbürden, die Verantwortung 
> für ein paar Milliarden Menschen zu tragen. Das wird ja aber auch nicht 
> verlangt: Denn umgekehrt gibt es eben auch Milliarden Einzelne, die 
> abstrakt diese Verantwortung gemeinsam tragen. Es hängt nicht an einem 
> Individuum.
> 
> Nach diesen allgemeineren Vorüberlegungen: Zurück zum Fokus auf die 
> Experten des Geldsystems. Klassenkampftheoretisch sind insbesondere die 
> leitenden Angestellten des privaten Bankwesens bloße Agenten des 
> Kapitals. Ich gehöre ja zu jenen Menschen, die darauf bestehen, auch 
> Ackermann einen Proletarier zu nennen. Ich habe da einen strengen 
> marxologischen Begriff von: Er verkauft seine Ware Arbeitskraft. Das 
> wäre für ihn vielleicht nicht unbedingt nötig. Keine Ahnung, wie seine 
> Biographie aussieht. Aber mindestens heute wird er durch exorbitant hohe 
> Löhne genug zusammengerafft haben, um eigentlich Teil der anderen Klasse 
> zu sein: Vermögender, der auch sein Geld für sich arbeiten lassen 
> könnte. Unmittelbar ist seine Funktion aber genau die andere: Sich darum 
> zu kümmern, dass Geld arbeitet, also Wert heckender Wert bleibt. 
> "They're counting their games - as you count your losses" (vgl. 
> http://youtu.be/cD3VdPfF7Wo ) Das gilt für ihn sowohl als Teil der 
> Kapitalistenklasse wie auch in seiner proletarischen Funktion als 
> Hochverwalter des Kapitals.
> Gehe ich von der unversöhnlichen Perspektive des Klassenkampfs fort zu 
> der versöhnlicheren Gattungsperspektive des Miteinanders füreinander im 
> Beieinander, dann bleibt von der gesamten Arbeitssphäre des privaten 
> Bankenwesens halt erstmal dies über: Die Angestellten dieser Sphäre sind 
> die derzeitigen Experten der gesellschaftlichen Gesamtreproduktion, des 
> Geldwesens, von Investment und dergleichen. Damit tragen sie m. E. eine 
> spezifische Verantwortung: Könnten sie sich von dem ihrer Arbeit 
> immanenten Klassengegensatz loslösen, so könnten sie sich in unsere 
> Debatte extrem produktiv einbringen. Einfach, weil sie eine Menge 
> Checkung auf ihrem Feld haben.
> 
> Das ist sehr abstrakt-allgemein gesagt. Ich kenne keine Banker bis auf 
> flüchtig eine und kann's daher genauer überhaupt nicht bestimmen. Ich 
> will's aber doch mal auf ein persönliches Level bringen und damit klarer 
> machen, dass ich die Verantwortung von Bankern nicht bloß als die 
> abstrakte jedes Bürgers für die Polis und nicht bloß spezifisch als die 
> den Fähigkeiten dieser Menschen entsprechende Verantwortung denke, 
> sondern auch historisch als eine sehr besondere, schwerwiegende 
> Verantwortung nach den Verwüstungen, die diese Menschen meinetwegen in 
> den letzten Jahrzehnten angerichtet haben.
> Ich habe gestern ein für meine Verhältnisse sehr unhöfliches 
> Kündigungsschreiben an die Landesbank Berlin verfasst. Vor einem guten 
> Jahrzehnt habe ich eine ganze Reihe von Girokonten eröffnet und in Bezug 
> auf die Landesbank Berlin: ein amazon-Kreditkartenkonto eröffnet. Meine 
> damalige Gefährtin hat sich damals eine Weile intensiver mit 
> geizkragen.de befasst. Als verzogene Gören der Mittelschicht haben wir 
> einfach jede Eröffnungsprämie einer Bank mitgenommen, die sich greifen 
> ließ. Ich war da zwar nicht die treibende Kraft, habe aber mitgemacht. 
> Solange ich ausreichend Geld aus Arbeitseinkünften für meinen Konsum 
> hatte, war da auch schlichtweg nichts Problematisches dran. Hat man 
> Geld, sind Kreditkarten echt praktisch. Das änderte sich aber mit der 
> Arbeitslosigkeit. Nein, schon davor: Ich hatte 2012 eine spirituell 
> motivierte Stimmung, die mich mit dem bis in diverse Dispokredite hinein 
> verfügbaren Geld nach dem Motto "Was kostet die Welt?" umgehen ließ. Mit 
> der Arbeitslosigkeit kam dann nur die Perspektive hinzu, dass sich 
> erstmal von dem Schuldenberg auch nicht mehr runterkommen lässt. 
> Außerdem führte mein halbes Dutzend Bankkonten zu einem fetten 
> Papierstapel, als das Jobcenter eine Offenlegung unserer Finanzen forderte.
> Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Vor etwa einem halben Jahr führte 
> mich diese Situation in eine Schuldnerberatung. Die habe ich für mich 
> selber als Abzockenmechanismus analysiert. Unter 10 tausend Euro 
> Schulden lohnt sich so etwas m. E. überhaupt nicht, weil die 
> Verfahrenskosten in Höhe von mindestens 1.700 Euro bei einem 
> Privatinsolvenzverfahren letztlich am Schuldner kleben bleiben. Es sei 
> denn, man kommt für ein ganzes Jahrzehnt nicht aus dem Existenzminimum 
> heraus, dann trägt's der Staat. Ansonsten, also falls man Einkommen 
> oberhalb des Existenzminimums generiert, bleibt man sechs Jahre lang für 
> die Grundschuld zahlungspflichtig und dann weitere vier Jahre für die 
> Verfahrenskosten. Spannend war für mich aber eine Überlegung des 
> Schuldnerberaters, die mir klar machte, wie krass die Landesbank Berlin 
> z. B. an meiner Schuld verdient. Er stellte mir die Frage, wie hoch der 
> EZB-Leitzins ist und wie hoch mein Kreditkartenzins ist. EZB-Zins liegt 
> bei so 0,25 % derzeit, Kreditkartenzins bei, keine Ahnung, habe keine 
> Lust das ganze Kleingedruckte in meinen Verträgen zu lesen, gut 15 %. 
> Für 100 Euro, die sich die Landesbank Berlin bei der EZB für meine 
> Kreditkarten-Liquidität besorgt, zahlt sie 25 Cent, ich aber gut 15 
> Euro. 15 Euro durch 0,25 Euro wären eine Marge von 6.000 %. Muss man 
> nach dieser Überlegung noch irgendwas dazu sagen, dass die Banker in 
> besonderer Weise deshalb für die Polis verantwortlich sind, weil sie die 
> Polis in besonderer Weise ausgequetscht haben? Ob nun als Verkäufer von 
> Ware Arbeitskraft an das Bankkapital oder als Teil der 
> Kapitalistenklasse ist mir dabei völlig schnurz: Die Leute, die eine 
> exorbitante Bereicherung insbesondere auf Kosten der ohnehin schon 
> Verschuldeten organisiert haben, müssen echt mal dringend an ihrem Karma 
> arbeiten. Nicht vergessen möchte ich dabei allerdings, dass freilich 
> auch die Kontoeröffnungsprämien, die mich in diese Situation 
> hineinköderten, ein Teil dieses schlechten Karmas sind. Da meine 
> Schuldzinsen unterdessen aber den Reibach durch Eröffnungsprämien wett 
> gemacht haben, habe ich nicht den Eindruck, dass ich persönlich damit 
> gerade noch übermäßig viel zu tun hätte.
> 
> Ich finde, dass dies ein guter Zusammenhang ist, um mal eine Kritik an 
> Marx zu formulieren. Als marxistischer Marxologe sollte man von Zeit zu 
> Zeit auch mal klar machen, dass auch der große Kalle nicht alles 
> gänzlich klar sah. Implizit für Insider hatte ich schon einmal klar 
> gemacht, dass ich das Ende von Bretton-Woods als Beleg dafür ansehe, 
> dass auch die Geldware unabhängig von einem spezifischen materiellen 
> Trägermedium funktionieren kann. Ja, ich hatte geradezu Marx' 
> Fetischbegriff mit der reinen Fetischhaftigkeit des Weltgeldkonstrukts 
> empirisch zu bestätigen versucht. Marx war da allerdings anderer 
> Ansicht: Geld musste seiner Ansicht nach an ein materielles Trägermedium 
> gebunden bleiben. Er kannte freilich auch noch kein Internet. Und behält 
> im Kern auch recht: Ohne Trägermedium wäre der Wert nicht vorhanden. Er 
> konstituiert sich nur über den Zugriff auf Dinge und Menschen. Und die 
> Geld-Bits&Bytes werden vor Hackern nicht grundlos mit immensem Aufwand 
> behütet. Deshalb muss aber das allgemeine Äquivalent nicht an ein 
> spezifisches Trägermedium gebunden bleiben. Vielmehr ist es doch so: Das 
> allgemeine Äquivalent ist der leere Stellvertreter aller konkreten 
> Äquivalente, die Gesamtheit der Äquivalenzen viel eher als irgendein 
> spezifisches Äquivalent. Das Tier im Tierreich, also jedes Tier und 
> nicht etwa ein Tier, dass alle Tiergattungen und Tierindividuen als 
> Individuum vereint darstellen, ausmachen, immanieren könnte. Ist 
> vielleicht noch immer zu sehr Insider-mäßig formuliert, aber zumindest 
> für mich dann auch mal klar ausgesprochen.
> Hm, merde, gestern hatte ich noch irgendeinen zweiten Punkt im Kopf, den 
> ich an Marx kritisieren wollte. Gerade ist er mir aber entfallen. Naja, 
> kommt vielleicht wieder ... von daher breche ich's hier einfach mal ab.
> 
> Liebe Grüße,
> 
> Bert
> 
> 
> 
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