[Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage

V.Nedden v.nedden at freenet.de
Mi Aug 20 20:58:56 CEST 2014


Lieber Ernst Ulrich,

 

vielen Dank für deine Antwort. 

Auch ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit der Bewußtseinsfrage in
Sachen bedingungsloses Grundeinkommen. Bereits der Film „Grundeinkommen –
ein Kulturimpuls“ von Häni und Schmidt benennt ein Umdenken als
Voraussetzung für die Idee des bGE, aber auch der Konsumbesteuerung ist. 

Bei der Linken, vorwiegend auch hier im Forum, bemerke ich verstärkt
pauschalen Neid, gerade in Bezug auf Kapitaleinkünfte. Hierzu gehören nicht
nur die sog. Bonzen, die es noch zu meiner Studienzeit in linken Kreisen zu
beschimpfen galt (ich habe damals reichlich mitgeschimpft, aber auch von
wirtschaftlichen Dingen noch keine Ahnung gehabt!), sondern auch die Oma mit
dem Sparbuch oder der kleinen Geldanlage, mit der sie sich die Rente
aufbessert, oder ganz normale Leute, die aus Haftungsgründen eine GmbH als
Unternehmensform wählen, statt ein Einzelunternehmen zu führen, um hiermit
ihre Familie zu ernähren. All diese Personen haben Einkünfte aus
Kapitalvermögen, die in gleicher Höhe wie andere Einkünfte derzeit allgemein
besteuert werden. Die Linke wird mir zustimmen können, daß sie diesen
Personen nicht ans ohnehin schon schmale Portemonnaie will. 

 

Es sind also grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen zu
stellen, z.B.:

Wollen wir wirklich unsere innere Leere mit immer stärkerem Konsum, welches
auch bereits heute unser aller Einkommen finanziert, stopfen?

Was passiert, wenn uns die neugewonnenen EU-Länder und „Drittweltländer“,
die unseren Konsum und unsere Gier heute erst ermöglichen, ausgehen? 

Wie können wir der (Hab-)Gier des immer größeren Wirtschaftswachstums, der
nun auch den fernen Osten allmählich durchzieht, bremsen?

Wie gehen wir mit unseren eigenen Ansprüchen und finanziellen
Verpflichtungen, aber auch mit unseren neidvollen Empfindungen und
Verlockungen um?

Gibt es Alternativen, die eine Allgemeingültigkeit haben?

 

Fest steht für mich, daß der Kapitalismus früher oder später mangels
weiterer Ausbeutemöglichkeiten zum Scheitern verurteilt ist. 

Nach meinen aktuellen Überlegungen und Lektüren bietet der Pail-Kanon des
Buddhismus auch auf die Probleme der „westlichen Welt“ allgemeingültige
Antworten, den ich der interessierten Leserschaft ans Herz legen und sie
auffordern möchte, diesen anhand des eigenen Intellekts und eigener
Erfahrungen zu überprüfen (z.T. auch entgeltfrei oder gegen Spende zu
beziehen über den Verlag Beyerlein und Steinschulte, Mail:
verlag.beyerlein at buddhareden.de). 

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist mit einem geeigneten Konzept, welches
sich nicht wieder an der Erwerbsbesteuerung orientiert, geeignet, eine Menge
Leid von uns zu nehmen, z.B. indem die Erwerbsschwelle wegfällt,
Geschiedenen eine Menge finanzieller Last genommen wird, Alleinerziehende
ohne Druck die Möglichkeit erhalten, langsam in das Berufsleben
einzusteigen, die Jugend eine Perspektive erhält u.v.m. 

 

Mittlerweile bin ich überzeugt, daß die Ego-Debatte intensiviert werden
sollte, um ein Umdenken in der Gesellschaft und damit auch ein
bedingungsloses Grundeinkommen zu forcieren.

 

Ich sehe auch bereits viele Initiativen, die auf privater Ebene eine Art
(Grund-)einkommen eingeführt haben, sei es auf „Nachbarschaftshilfe“-Basis,
sei es durch bGE-Kreise in kleinem Rahmen, aber auch über in weiten Kreisen
der Gesellschaft verbreitete „Schwarzarbeit“. In allen diesen Fällen wird
jedoch – steuerlich gesehen – ebenfalls die Gemeinschaft geschädigt, denn es
werden keine Steuern abgeführt, die der Gemeinschaft aller Bundesbürger
wieder zugutekämen und ein Grundeinkommen erhöhen könnten. Statt dessen
steht vielfach nicht nur das eigene Überleben sondern auch der individuelle
Vorteil im Vordergrund.

 

Ein/e jede/r mag sich daher auch selbst unter verschiedenen Blickwinkeln die
Frage stellen, ob er/sie bereit ist, das eigene Ego im Sinne der
Gemeinschaft zurückzustellen und zu minimieren.

 

Herzliche Grüße 

Verena Nedden

______________________________________

Stell dir vor, es ist Einkommen, und alle haben es!

www.konsumsteuersystem.de <http://www.konsumsteuersystem.de/>  

 

 

 

 

 

Von: Debatte-Grundeinkommen
[mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] Im Auftrag
von Ernst Ullrich Schultz
Gesendet: Dienstag, 19. August 2014 22:06
An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Betreff: [Debatte-Grundeinkommen] Bewusstseinsfrage

 

Liebe Verena, liebe MitstreiterInnen,

 

meine kurze Einlassung über die Konsumsteuer war nur als ein Beispiel
gemeint, nicht als konkreter Vorschlag. Es galt denjenigen, die eine
gefühlsmäßige Aversion gegen Konsumsteuer haben und alten Ideologien
anhängen.

 

Die Debatte müsste eigentlich noch tiefer gehen. Sind wir wirklich bereit,
zu teilen? Wie weit ist das gesellschaftliche Bewusstsein, den anderen
Menschen bedingungslos mit Einkommen zu versorgen? Da nützen die besten
Finanzierungsmodelle nichts, wenn Einer es  dem Anderen nicht so recht
gönnt.

 

Vor einiger Zeit schlug ich in diesem Forum ein soziales Netzwerk vor, dass
sich die Einführung eines BGE durch einen gemeinsamen Fonds auf freiwilliger
Basis, aber mit verbindlichen Absprachen, vornimmt. Das Echo war mehr als
dürftig.

 

Herzlichst,

Ernst Ullrich Schultz 

 

 

 

eus Ernst Ullrich Schultz  Matthiesgarten 16  22395 Hamburg  040 604 97 30

 

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