[Debatte-Grundeinkommen] Rettungsversuch fürs reine Konsumbesteuerungsmodell, Marx' Liebe zum bGE und ein paar Fragen und Anmerkungen

unversoehnt unversoehnt at gmx.de
Sa Aug 16 16:31:44 CEST 2014


Hallo,

ich habe mich die vergangenen Tage mal etwas intensiver mit der Idee des 
bedingungslosen Grundeinkommens befasst und mich in ein paar 
Debattenbeiträge im Netz reingelesen. In dem Zusammenhang möchte ich 
Euch gerne "Daumen hoch!" sagen. Ihr macht echt eine gute inhaltliche 
Arbeit für ein vernünftiges politisches Projekt. Insbesondere diverse 
Texte von Ronald Blaschke sind mir sehr positiv aufgefallen.

Neben dem Aussprechen dieser allgemeinen Ermutigung und Danksagung 
möchte ich Euch gerne als eine Art Zwischenbilanz für mich auf ein paar 
Aspekte hinweisen, die mir bei der Auseinandersetzung mit Beiträgen in 
der Debatte in den Sinn gekommen sind und die Euch vielleicht 
interessieren/inspirieren könnten. Ich bin neu auf der 
Debatten-Mailingliste und habe mich bislang nicht in das 
Mailinglisten-Archiv reingelesen. Von daher sage ich mal "sorry", falls 
mein Beitrag quer zu laufenden/gelaufenen Debatten steht bzw. Details 
davon wiederholt.

Da der Text dann doch mal wieder etwas ausführlicher geworden ist, gebe 
ich erstmal einen Überblick:

 1. Eine Anmerkung und eine Frage zum Modells des BAG Grundeinkommen in
    und bei der Partei DIE LINKE,
 2. ein Rettungsversuch für das reine Konsumbesteuerungsmodell, das sich
    wegen der gänzlichen Steuerfreiheit auf Kapital derzeit disqualifiziert,
 3. einen Hinweis auf ein anscheinend etwas untergegangenes gutes
    empirisches Argument gegen den Stammtisch-Glauben, dass ein
    bedingungsloses Einkommen zu massenhafter Arbeitsverweigerung führen
    würde,
 4. ein an Marx angelehntes Plädoyer fürs bedingungslose Grundeinkommen
    gegen marxistische, gewerkschaftliche und
    linkssozialdemokratisch-keynsianische Kritik daran,
 5. ein paar Bemerkungen zur Schizophrenie des Schwarzmarkt-Begriffs aus
    Sicht des bedingungslosen Grundeinkommens



1. Eine Anmerkung und eine Frage zum Modells des BAG Grundeinkommen in 
und bei der Partei DIE LINKE

Beim Modell der BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE war 
ich vor allem über die Berechnung dazu erstaunt, wer nach dem Modell 
Nettoempfänger/-zahler wäre (vgl. 
http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf 
, S. 47f). Je nach Haushaltszusammensetzung bleiben alle Personen mit 
einem Bruttomonatseinkommen von etwa 7.000 Euro oder etwas weniger in 
dem Modell Nettoempfänger, obwohl eine gute halbe Billion Euro im Jahr 
gegenfinanziert wird. Ich wüsste nicht, dass ich irgendjemanden 
persönlich kenne, der demnach Nettozahler wäre. Quantitativ kann ich die 
Berechnungsgrundlage nicht beurteilen, nach allem was ich über 
Gini-Koeffizienten und Reichtumsverteilung weiß, halte ich das Ergebnis 
aber erstmal für durchaus plausibel. Trotzdem ist es irgendwie immer 
wieder erstaunlich, sich klar zu machen, wieviel gesellschaftlicher 
Reichtum in der Hand von wie wenigen Menschen liegt. Da mir das 
eigentlich bekannt ist und ich dann doch immer wieder darüber erstaunt 
bin, will ich mal die These in den Raum werfen, dass es für die 
progressiven gesellschaftlichen Kräfte unter geldvermittelten 
Wertverwertungsbedingungen eine wirklich sinnvolle agitatorische Aufgabe 
wäre, so lange so intensiv auf die ungleiche Vermögens- und 
Einkommensverteilung hinzuweisen, bis es wirklich jedes 
Gesellschaftsmitglied im Schlaf runterbeten kann. Konkreter gesprochen 
würde mich interessieren, wieviel Prozent der Gesamtbevölkerung denn 
überhaupt Nettozahler wären. 20 %, 10 %, 5, 3, eineinhalb? Der 
Berechnung müssen ja sehr konkrete Zahlen zugrunde liegen. In jedem Fall 
sollte den Otto-Normal-Verdienern sehr klar gemacht werden, dass sie in 
diesem Modell Nettoempfänger wären. Mehr nebenbei frage ich mich, warum 
der BAG nicht im Andenken an Brechts Frage, was der Überfall auf eine 
Bank gegen die Eröffnung einer Bank sei, nur ein P-Konto für alle 
Empfangspersonen des bedingungslosen Grundeinkommens fordert und nicht 
auch eine entsprechende öffentliche Bank, bei der alle automatisch ein 
Konto erhalten.


2. Ein Rettungsversuch für das reine Konsumbesteuerungsmodell, das sich 
wegen der gänzlichen Steuerfreiheit auf Kapital derzeit disqualifiziert

Irgendwie finde ich es echt schade, dass das einfache 
Konsumbesteuerungsmodell von der Initiative um Götz Werner sich klar 
dadurch disqualifiziert, dass es Kapital gänzlich unbesteuert lässt. Es 
ist so charmant schlicht, sowohl aus Sicht der Finanzämter und damit des 
Souveräns wie auch aus Sicht der Unternehmen und erst recht aus Sicht 
von Privatpersonen, die davon nur indirekt etwas mitbekommen würden. 
Gerade wenn man sich gegen das peinliche Offenlegen der Privatsphäre bei 
Hartz4-Bedürftigkeitsprüfungen einsetzt, ist schwer einzusehen, warum 
man es bei der Einkommens-, Vermögens-, Erbschafts- oder 
Schenkungsbesteuerung selbstverständlich voraussetzt. Wirklich 
zukunftsweisend scheint mir die Konsumbesteuerung aber vor allem deshalb 
zu sein, weil sie den Gedanken ernst nimmt, dass die industrielle Arbeit 
und selbst weite Bereiche von Verwaltungstätigkeiten automatisiert 
worden sind und weiterhin automatisiert werden dürften, Marx' 
"automatisches Subjekt" (MEW23, S. 169) also auch stofflich zu sich 
selbst findet. Geht der Industriearbeitsgesellschaft wirklich zunehmend 
die Arbeit und damit Wertsubstanz aus oder verschiebt sie sich zumindest 
zunehmend in das weite Feld der tendenziell vom Wert abgespaltenen und 
über Transferzahlungen wie die öffentlichen Haushalte, das öffentliche 
Gesundheitssystem oder eben das bedingungslose Grundeinkommen ja nur 
sehr formell integrierten sozialen Kulturarbeit, dürfte eine 
Einkommensbesteuerung immer absurder werden als sie wegen der Absurdität 
unterschiedlicher Einkommenshöhen und unterschiedlicher Integration von 
Tätigkeiten in die Wertverwertung heute ohnehin ist. Den Steuerblick 
stattdessen darauf zu richten, was die Gesellschaft ihren Mitgliedern an 
konsumtiven Wohltaten angedeihen lässt, scheint mir langfristig 
tragfähiger, und zwar sowohl aus der Wertverwertungsperspektive einer 
sozialen Dienstleistungsgesellschaft wie auch aus der Perspektive einer 
Überschreitung der Wertverwertung zu einem "jeder nach seinen 
Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" (MEW19, S. 21). Das ist 
zwar nur ein Bauchgefühl, aber ein ziemlich manifestes. Also folge ich 
diesem Bauchgefühl mal und versuche das reine Konsumbesteuerungsmodell 
zu retten.

Glasklar ist mir das Problem der vollkommenen Steuerfreiheit fürs 
Kapital bei der Initiative "Unternimm die Zukunft" um Götz Werner 
geworden, als ich in der auf ihrer Website verlinkten Dissertation von 
André Presse den Versuch las, eine Steuerprogressivität der 
Konsumbesteuerung durch den Quasi-Freibetrag des bedingungslosen 
Grundeinkommens zu begründen (vgl. 
http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf 
, S. 77-79 nach Eigenzählung der Dissertation, S. 97-99 nach 
PDF-Zählung). Ich unterstelle mal keine ideologische Absicht, sondern 
eher Betriebsblindheit bei André Presse an dieser Stelle. An anderen 
Stellen seiner Dissertation ist er sich durchaus darüber bewusst, dass 
es Kapital gibt. Zur Begründung der Steuerprogressivität der 
Konsumbesteuerung tut er aber so, als wäre es völlig undenkbar, dass ein 
Teil der Haushaltseinkommen in Kapital verwandelt, also in irgendeiner 
Form investiert wird. Stattdessen ist bei ihm das gesamte 
Haushaltseinkommen unmittelbar identisch mit den Ausgaben für Konsum, 
also voll durch die Konsumsteuer belastet. Bei dem Teil der 
Haushaltseinkommen, der unters Kopfkissen, ins Sparschwein oder unter 
die Geranien im Garten gesteckt wird, also für künftigen Konsum gespart 
wird, könnte man noch sagen: Ist egal. Wenn das gesparte Geld irgendwann 
später dann doch für Konsum ausgegeben wird, fällt die Konsumsteuer ja 
wieder an. Und folge ich den Ausführungen auf 
http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftskreislauf#Erweiterter_Wirtschaftskreislauf_.28einschlie.C3.9Flich_Kreditvergabe.29 
zum Sparguthaben bei Banken, ist's mit gespartem Geld auf irgendwelchen 
Konten letztlich genauso. Geld aber, das in irgendeiner Weise investiert 
wird, ist komplett raus aus der Konsumbesteuerung. Damit ist auch die 
von André Presse behauptete und ohnehin recht spärliche Progressionsrate 
bei der Konsumbesteuerung nicht haltbar: Gerade Haushalte mit hohen 
Einkommen werden einen relevanten Teil ihres Einkommens in 
Unternehmungen investieren und sind damit fein raus aus der 
Konsumbesteuerung, mithin aus der Finanzierung von Gemeinwesen und 
bedingungslosem Grundeinkommen, weil es ja abgesehen von der 
Konsumbesteuerung keine weiteren Steuern geben soll. Erst später nahm 
ich das Dilthey-Modell (vgl. 
http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf 
<http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdfz> ) zur 
Kenntnis, das dieses Problem beim Konsumbesteuerungsmodell ebenfalls 
klar artikuliert und ensprechende Konsequenzen zieht, die unter anderem 
Einkommens- und Finanztransaktionsbesteuerung vorsehen.

Um einen anderen Ausweg aus dem Problem als im Dilthey-Modell zu nehmen 
und damit das einfache Konsumbesteuerungsmodell zu retten, liegt es aus 
der eben skizzierten Problemperspektive nahe, den Teil der Einkommen, 
der nicht konsumiert, sondern in irgendeiner Form investiert wird, 
unmittelbar ebenso wie den Konsum zu besteuern. Damit wäre in erster 
Linie mal die Welt von André Presses Steuerprogressivität bei 
Kombination von ausschließlicher Konsumbesteuerung und bedingungslosem 
Grundeinkommen grundsätzlich in Ordnung. Wenn ich das näher durchdenke, 
so würde ich das Konzept von Mehrwertsteuer und Sozialumsatzsteuer im 
Dilthey-Modell 
(http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf, S. 5-7) 
zugrunde legen, da mir dieses Konzept ökologischer, 
schwarzmarktunfreundlicher und international solidarischer erscheint als 
das im Effekt deutlich exportimperialistische Modell von der Initiative 
um Götz Werner. Die Sozial-Gewinnsteuer im Dithey-Modell (ebd. S. 8-10) 
würde ich allerdings verwerfen, weil sie einerseits eine Prüfung der 
Vermögensverhältnisse von Privatpersonen notwendig macht und damit der 
Hartz4-Bedarfsprüfung zumindest formell ähnelt und weil sie sich 
andererseits nur schwerlich als Konsumbesteuerung denken lässt, nämlich 
nur dann, wenn man Unternehmensgewinne inklusive Unternehmerlöhne als 
Konsum an der gesellschaftlichen Profitmasse auffassen wollte. 
Stattdessen schlage ich eine Steuer auf die Verwandlung von Geld in 
Kapital vor, also auf Vorgänge wie beispielsweise Unternehmensgründung, 
Beteiligung an einem Unternehmen oder Einspeisung von Geld ins 
Finanzsystem. Ich nenne das mal einfach Kapitalisierungssteuer. Eine 
solche Steuer lässt sich m. E. als Konsumsteuer auffassen, als Steuer 
auf den Konsum der Kapitalisten. Besteuern Mehrwertsteuer und 
Sozialumsatzsteuer die Wohltaten, die die Gesellschaft ihren Mitgliedern 
für den persönlichen Verbrauch bereitstellt, so besteuert eine solche 
Kapitalisierungssteuer die von der Gesellschaft zugestandene Wohltat, 
gewinnorientiert unter Rückgriff auf die Ressourcen der Gesellschaft 
handeln zu dürfen. Wer sein Geld ohne Gewinnabsicht institutionalisieren 
möchte, kann ja einen gemeinnützigen Verein oder eine gemeinnützige 
Stiftung gründen bzw. sich daran beteiligen, was ich glaube ich 
unbesteuert lassen wollen würde. Wer aber sein Geld mit Gewinnabsicht 
institutionalisiert, genießt ein gesellschaftliches Privileg, das 
entsprechend besteuert gehört. Und zwar ganz unabhängig davon, ob 
tatsächlich Gewinn erzielt wird oder nicht. Formell juristisch ließen 
sich die drei Steuerelemente von Mehrwertsteuer, Sozialumsatzsteuer und 
Kapitalisierungssteuer unter dem allgemeinen Titel Konsumsteuer zu einer 
einzigen Steuer zusammenfassen. Scheint mir auf den ersten Blick 
elegant, einfach, effektiv.

Bei der Umstellung auf ein solches Steuersystem wäre selbstverständlich 
alles bereits kapitalisierte Vermögen so zu behandeln als würde es 
gerade erst kapitalisiert werden, es wäre also sofort steuerpflichtig. 
Dies wäre nur gerecht, da ja auch unterm Kopfkissen, im Sparschwein, 
unter den Geranien oder auf Bankkonten gespartes Geld bei einer 
Umstellung des Steuersystems plötzlich deutlich höher 
konsumsteuerpflichtig werden würde. Ansonsten aber wird immer nur dann 
Kapitalisierungssteuer erhoben, wenn sich Geld in Kapital verwandelt. 
Erwirtschaftet ein Unternehmen Gewinne und erhöht damit sein 
Eigenkapital, so ist beispielsweise zu jährlichen Stichtagen eine 
Kapitalisierungssteuer auf diese durch Gewinne bewirkte Kapitalerhöhung 
zu entrichten. Werden die Gewinne hingegen an die Eigentümer 
ausgeschüttet, unterbleibt eine Besteuerung. Die fällt ja wieder an, 
wenn die ausgeschütteten Gewinne entweder verkonsumiert werden oder 
irgendwo anders investiert werden. Auch bei Erstkapitalisierung, also 
bei der Verwandlung von Geld in Kapital liegt die Steuerpflicht bei der 
Unternehmung, der das Kapital zufließt. Sieht man von den unter 
Umständen immensen Problemen mit Schwarzmarkt und Kapitalflucht ins 
Ausland ab, könnte eine Einkommens- und Vermögensüberprüfung von 
Privathaushalten somit gänzlich entfallen. Ich traue mir nicht zu, 
quantitative Vorschläge zu den jeweiligen Steuern zu machen. Plausibel 
jedenfalls scheint mir zu sein, dass eine hohe Kapitalisierungssteuer 
(bei Unterbindung von Vermögensflucht ins Ausland) Anreize dafür geben 
würde, auf gewinnorientiertes Handeln von vornherein zu verzichten und 
Vermögen entweder zu verkonsumieren und damit Wertschöpfungsanreize für 
andere Unternehmen zu setzen oder direkt in gemeinnützige Tätigkeiten zu 
stecken, die dadurch vielleicht sogar konkurrenzfähig gegenüber 
gewinnorientierten Unternehmungen werden könnten. Auf diese Weise könnte 
quasi naturwüchsig aus der kapitalistischen Ökonomie eine 
Wohlfahrtsökonomie erwachsen. Sieht man von der grundsätzlichen 
Anreizfeindlichkeit durch die Kapitalisierungssteuer ab, bliebe der 
Faktor Arbeit und das Kapital überhaupt komplett unbesteuert und zudem 
über das bedingungslose Grundeinkommen subventioniert, was bei der 
Initiative um Götz Werner nicht ganz zu Unrecht als geradezu 
paradiesischer Anreizzustand im Verhältnis von Kapital und Arbeit 
dargestellt wird. Angesichts dessen, dass der qualitative Inhalt des 
Verhältnisses von Kapital und Arbeit jenseits des Primärzwecks der 
Wertverwertung vor allem in der gesellschaftlichen Synthesis, des 
kooperativen Miteinanders füreinander besteht, ließe sich an solchen 
Anreizeffekten erst einmal nicht so sonderlich viel Böses finden, 
jedenfalls nicht im Verhältnis zu heute.

Abgesehen von der Schwierigkeit, ein solches Steuermodell gegen die 
Interessen der heutigen Besitzer von Vermögen politisch durchzusetzen, 
sehe ich im Moment nur drei strukturelle Probleme: Die Zäsur bei der 
Einführung eines solchen Modells, der strategische Nachteil von jungem 
Kapital gegenüber altem Kapital und die tendenziell ungerechte 
Steuerfreiheit von heutigem Vermögen, das in gegenständlicher Form 
vorliegt, also z. B. als Villa, Yacht oder Picasso-Gemälde etc.

i. Zäsur bei Einführung eines solchen Modells:

Folge ich einfach mal dem Modell von André Presse, aus der derzeitigen 
Staatsquote von knapp 50 % einen allgemeinen Konsumsteuersatz von 50 % 
des Endpreises bzw. 100 % Aufschlag auf den Preis vor Steuern 
abzuleiten, hieße das in Bezug auf die Kapitalisierungssteuer, dass 
alles heute in Deutschland ansässige Kapital bei der Einführung des 
Modells in der Hälfte seines Volumens steuerpflichtig werden würde. Ich 
will mir gar nicht ausmalen, was BDI, FDP oder mittelständische 
Unternehmer von dieser Idee halten und befürchte da auch ein wenig 
Probleme mit dem Verfassungsgericht. Grundsätzlich aber scheint mir 
dieses Problem lösbar. Denn erstens funktioniert die 
Kapitalisierungssteuer ja als so etwas wie die Eintrittskarte ins 
gewinnorientierte Handeln. Einmal bezahlt, lockt das potentiell ewige 
Reich einer gänzlich unbesteuerten gewinnorientierten Unternehmung. Das 
könnte sich vielleicht schon nach ein paar Jahren gegenüber heute 
rechnen. Zweitens könnte man politische Verfahren finden, die den Druck 
auf die Unternehmen abfedern, sofort die Hälfte ihres Eigenkapitals ans 
Finanzamt zu überweisen. Z. B. wäre ein längerer Zeithorizont für die 
Umstellung des Steuersystems denkbar, meinetwegen 25 Jahre mit einer 
Kapitalisierungssteuer auf altes Kapital in Höhe von dann nur 2 % im 
Jahr. Oder man bietet den Unternehmen an, die Steuerschuld ganz oder 
teilweise in Form einer Beteiligung des Gemeinwesens am Unternehmen zu 
begleichen und schafft auf kommunaler Ebene politische Gremien, die dann 
Mitspracherechte an der Unternehmenspolitik und Anteile des 
Unternehmensgewinns erhalten. Angesichts dessen, welche Zäsur die 
Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ohnehin für das 
Verhältnis von Kapital und Arbeit bedeuten würde, scheint mir eine 
hälftige Steuer auf heutiges Kapital eher das kleinere Problem zu sein.

ii. Strategischer Nachteil von jungem gegenüber altem Kapital:

Für jede neue Unternehmung stellt sich die Kapitalisierungssteuer als 
Kostenfaktor und somit Nachteil in der Konkurrenz dar. Die Kapitalien, 
die die "Eintrittskarte" Kapitalisierungssteuer bereits vor langer Zeit 
bezahlt haben, sind besser dran. Daraus ließe sich ein Problem stricken, 
das ich erstmal einfach nur mit allgemeineren Überlegungen abzuweisen 
versuchen möchte. Verhindert die Staatsbürokratie wie auch immer 
weitgehend Schwarzmärkte und steuerflüchtigen Vermögenstransfer ins 
Ausland, muss jedes Vermögen ja irgendwo hin. Sieht man von der 
Möglichkeit ab, Papiergeld zum Anheizen des Kamins zu nutzen, bleiben im 
Prinzip nur Konsum, gemeinnützige Institutionalisierung oder 
Kapitalisierung. Konsum gibt Produktionsanreize für gewinnorientierte 
Unternehmen und gemeinnützige Insitutionalisierung steigert die 
Wohlfahrt. Traut sich ein junges Vermögen nicht, die 
Kapitalisierungssteuer zu bezahlen, weil sie einen Konkurrenznachteil 
gegenüber altem Kapital darstellt, tut es somit irgendetwas anderes 
Nützliches. Auch ok. Zudem werden die alten Einzelkapitalien ja 
zumindest teilweise ihre Gewinne auch wieder kapitalisieren und werden 
insofern teilweise selbst zu jungem Kapital mit entsprechendem 
Konkurrenznachteil. Da das Vermögen irgendwohin muss, wird es sich 
häufig genug für eine Kapitalisierung entscheiden. Darüber hinaus ließe 
sich freilich überlegen, ob man die Vererbung/Verschenkung von 
kapitalisiertem Vermögen nicht ebenfalls der Kapitalisierungssteuer 
unterwerfen möchte oder sogar müsste. Um die Kapitalisierungssteuer über 
die Unternehmen sinnvoll einziehen zu können, müssten diese per Gesetz 
wohl dazu gezwungen werden, in ihren Büchern klar festzuhalten, von 
welchen Personen das Kapital stammt. Ansonsten wäre schwer zu 
verhindern, dass sich findige Banker ein Geschäftmodell überlegen, bei 
dem der Austritt des einen Vermögens aus der kapitalisierten Sphäre 
einen steuerhinterziehenden Eintritt eines anderen Vermögens in die 
kapitalisierte Sphäre ermöglicht. Mit anderen Worten müsste jede 
Veränderung bei der personellen Zuordnung von kapitalisiertem Vermögen 
in den Unternehmen zur Steuerpflicht in Bezug auf das personell neu 
zugeordnete kapitalisierte Vermögen führen. Im Effekt wäre dies auch 
eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, insofern jede personelle 
Übertragung von kapitalisiertem Vermögen zu einer 
Kapitalisierungssteuerpflicht führt. Damit würde die 
Kapitalisierungssteuer nicht mehr eine Eintrittskarte ins ewige Reich 
des gewinnorientierten Handelns sein, sondern nur noch eine 
Eintrittskarte ins lebenslange Reich des gewinnorientierten Handelns. 
Das würde den Konkurrenznachteil von jungem Kapital gegenüber altem 
Kapital zumindest deutlich relativieren. Geht man grundsätzlicher davon 
aus, dass die Zeit für ein bedingungsloses Grundeinkommen tatsächlich 
reif ist, wie in der Broschüre des BAG Grundeinkommen in und bei der 
Partei DIE LINKE (vgl. 
http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf 
) mehrfach betont wird, also mit an Marx angelehnten Worten die 
Produktivkräfte in einen derart qualitativen Widerspruch mit den 
Produktionsverhältnissen getreten sind, dass einerseits die eher 
formelle Egalität der bürgerlichen Rechtsformen mit der Etablierung 
eines bedingungslosen Grundeinkommens reif geworden ist für einen 
Übergang zu einer wenigstens teilweisen materiellen Egalität, 
andererseits die vom Wert abgespaltenen gesellschaftlichen Sphären sich 
als politisches Selbstbewusstsein einer wohlfahrtsorientierten sozialen 
Kulturökonomie innerhalb des Verwertungsregimes gegen dieses zu 
behaupten vermögen, dann würde ich über den Konkurrenznachteil von 
jungem Kapital gegenüber altem Kapital eh nur noch mit den Achseln 
zucken. Wünschenswert wäre ja eher, dass Vermögen zunehmend in 
gemeinnützige Insitutionalisierung wandert und das gewinnorientierte 
alte Kapital zu einem zunehmend stärker eingehegten Zoo überkommener 
Sozialpsychologeme, zu einer Art lebendigem Musem bürgerlicher 
Charaktermasken in einer postbürgerlichen Gesellschaft verkommt.

iii. Tendenziell ungerechte Steuerfreiheit von heutigem Vermögen, das in 
gegenständlicher Form vorliegt:

Die skizzierte Konsumsteuer würde alles heute vorhandene und später für 
Konsum ausgegebene Geldvermögen und alles heute vorhandene Kapital 
besteuern, nicht jedoch den immensen Reichtum, der in materieller Form 
in Privathänden liegt, also beispielsweise weder Gold noch privat 
genutzte Immobilien, weder private Kunstschätze noch die drei Privatjets 
auf dem Rollfeld im mondänen Garten. Das empfinde ich durchaus als 
ungerecht wie ich es ohnehin als ungerecht empfinde, dass irgendwer 
einen privilegierten Zugriff auf gesellschaftlichen Reichtum als 
irgendjemand anders hat. Da aber die Produktivkapazitäten der 
Gesamtgesellschaft immens sind und ihre Früchte über den qualitativen 
Sprung in eine Gesellschaft mit bedingungslosem Grundeinkommen hinein 
den unteren Einkommensgruppen schwerer vorenthalten werden könnten, kann 
man damit meines Erachtens leben und wiederum achselzuckend sagen: Ab in 
den lebendigen Zoo bürgerlicher Charaktermasken mit privat gehaltenen 
Dingen wie Gold, Privatjets, Villen und Kunstschätzen.

Vielleicht habe ich einfach gerade ein Brett vorm Kopf, aber momentan 
sehe ich tatsächlich keinen wirklich guten Einwand gegen ein solch 
schlichtes Modell von Konsumbesteuerung einschließlich 
Kapitalisierungsbesteuerung bei gleichzeitiger Einführung eines 
bedingungslosen Grundeinkommens. Und wenn sich eine 
Kapitalisierungsbesteuerung bereits heute kapitalisierten Vermögens 
politisch einfach nicht durchsetzen ließe, wäre ich auch noch damit 
einverstanden, die Kapitalisierungssteuer nur auf alles Geld zu legen, 
das sich künftig in Kapital verwandeln wird.

Mehr nebenbei möchte ich noch erwähnen, dass ich keinen Grund für einen 
einheitlichen Steuersatz einer solchen Konsumsteuer sehe. Insbesondere 
die von André Presse herausgearbeitete Progression ist dürftig. Produkte 
und Dienstleistungen des Grundbedarfs (Nahrung, Wohnung, Strom, Wasser, 
Gesundheit etc.) würde ich lieber niedrig, vielleicht sogar negativ 
besteuern wollen, also subventionieren. In der Broschüre des BAG 
Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE wird ja auch für eine 
Ausweitung kostenloser öffentlicher Dienstleistungen plädiert, was ich 
sinnvoll finde, was sich über eine entsprechende Konsumsteuerpolitik 
aber auch an die individualistischen Marktteilnehmer delegieren ließe. 
Für den Normalbedarf könnte man die 100 % von André Presse anvisieren, 
für insbesondere ressourcenaufwändigen Luxusbedarf meinetwegen auch 200 
% oder mehr. Ebenso ließe sich ein eigenständiger Steuersatz für die 
Kapitalisierungssteuer veranschlagen. Einerseits hätte eine solche 
Aufsplittung von Steuersätzen den Vorzug, eine materiell begründete 
Progression zu etablieren. Andererseits wäre die Eingruppierung von 
Waren und Dienstleistungen in die jeweiligen Steuersätze genauso wie das 
Verändern der Steuersätze ein gutes wirtschafts-, sozial- und 
ökologiepolitisches Instrumentarium.

Außerdem möchte ich in dem Zusammenhang noch auf ein Argument von André 
Presse für die Konsumbesteuerung hinweisen: "So werden Importe aus 
Ländern mit geringen Sozialstandards, etwa China, in Deutschland 
lediglich mit der Mehrwertsteuer belastet (vgl. WERNER (2008, S. 194)). 
Die Preise für in Deutschland hergestellte Produkte enthalten hingegen 
die Steuer- und Abgabenlast des deutschen Sozialstaates. Würde an Stelle 
aller Steuern und Sozialabgaben nur noch die Konsumsteuer verbleiben, 
würde diese voll auf die Importgüter angewandt." 
(http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf 
<http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdfS> 
, S. 74 in Eigenzählung / S. 94 in PDF-Zählung, vgl. auch S. 
79-91/99-101) Solange die Menschheit sich in nationalstaatlichen 
Konstrukten gegeneinander abgrenzt, scheint mir das ein ziemlich gutes 
Argument zu sein. Es ist nicht einzusehen, warum Importprodukte weniger 
Anteil an der Finanzierung von Gemein- und Sozialwesen haben als 
Binnenmarktprodukte.


3. Ein Hinweis auf ein anscheinend etwas untergegangenes gutes 
empirisches Argument gegen den Stammtisch-Glauben, dass ein 
bedingungsloses Einkommen zu massenhafter Arbeitsverweigerung führen würde

Die Dissertation von André Presse legt übrigens ein gutes empirisches 
Argument gegen den Stammtisch-Glauben vor, dass ohne Erwerbszwang 
niemand mehr arbeiten würde, dass folglich ein bedingungsloses 
Grundeinkommen zum Zusammenbruch der Wirtschaft führen könnte. Es gibt 
zwar eine Menge guter Argumente gegen diesen Stammtisch-Glauben, die mir 
in den beim Netzwerk Grundeinkommen verlinkten Dokumenten begegnet sind. 
Das von André Presse scheint aber ein wenig untergegangen zu sein. Da 
ich schätze, dass die Durchsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens 
über den Weg parlamentarischer Demokratie von kaum etwas so sehr abhängt 
wie davon, diesen Stammtisch-Glauben zu bekämpfen, möchte ich daher auf 
dieses Argument hinweisen: André Presse schaut sich das Verhältnis von 
Arbeitseinkommen und Nichtarbeitseinkommen in verschiedenen 
Einkommensgruppen an und kommt zu dem "Ergebnis: Das durchschnittliche 
Haushaltseinkommen (d. m. H.) aus Arbeit ist pro Euro des d. m. H. aus 
Nichtarbeit umso größer, je größer das d. m. H. aus Nichtarbeit ist.
/Dieses empirische Ergebnis kann als Gegenargument zur häufig zu 
hörenden Meinung dienen, dass umso weniger Arbeitswillige zu finden sein 
werden, je höhere Einkommen aus Nichtarbeit bereitstehen./" (vgl. 
http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre- 
<http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf>presse_dissertation.pdf 
<http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf> 
, S. 114f nach Eigenzählung der Dissertation, S. 134f nach PDF-Zählung)

Methodisch ist die Schlussfolgerung leider nicht haltbar. Es ist 
denkbar, dass die aggregierten Einkommensgruppen insbesondere der 
gutverdienenden Haushalte sich aus Personen zusammensetzen, von denen 
die einen ein hohes Arbeitseinkommen ohne nennenswertes 
Nichtarbeitseinkommen haben, die anderen ein hohes Nichtarbeitseinkommen 
ohne nennenswertes Arbeitseinkommen, die Schlussfolgerung also auf der 
Aggregierung zu Gruppen von Einkommenshaushalten beruht. Außerdem ließe 
sich die Frage stellen, inwieweit Unternehmerlöhnen tatsächlich "Arbeit" 
gegenübersteht. Sollte sich André Presses empirisches Ergebnis aber 
durch eine methodisch haltbare Argumentation bestätigen, wäre es ein 
Argument, das kein Stammtisch so leicht vom Tisch wischen könnte. M. E. 
wäre es daher lohnenswert, dieses Ergebnis noch einmal methodisch 
korrekt zu hinterfragen.


4. Ein an Marx angelehntes Plädoyer fürs bedingungslose Grundeinkommen 
gegen marxistische, gewerkschaftliche und 
linkssozialdemokratisch-keynsianische Kritik:

Ein wenig irritiert hat mich, dass es deutliche Kritiken am 
bedingungslosen Grundeinkommen aus marxistischer, gewerkschaftlicher und 
linkssozialdemokratisch-keynsianischer Perspektive gibt. Die 
marxistische Fundamentalkritik, die jegliches Herumdoktern an der 
notwendig ausbeuterischen, kriegerischen, krisenbehafteten und materiell 
ungleichen Ordnung von Privateigentumsgesellschaften blöde findet, als 
ein Zerbrechen des Kopfs der Herrschenden, finde ich zwar grundsätzlich 
richtig. Bloß dabei stehen zu bleiben, dass es kein richtiges Leben im 
falschen gibt und sich ansonsten mit Aufklärungsverbissenheit und 
Revolutionsphantasien bis zum St. Nimmerleinstag zu trösten, macht den 
Scheiß aber auch nicht besser. Zudem hat das Reich der Freiheit in 
meiner Vorstellung wenig Gemeinsamkeit mit einer Diktatur leninistischer 
Parteikader. Und es bleibt wahr, dass wir unsere Leben in der 
Binnenperspektive kapitalistischer Vergesellschaftung fristen und es 
daher durchaus einen Unterschied macht, ob man bei Arbeitslosigkeit 
einfach dem Verhungern überantwortet wird oder dem Hartz4-Regime, selbst 
wenn man noch so prägnant zynisch durchdeklinieren kann, dass die 
Bismarcksche Sozialgesetzgebung nur den allgemeinen Boden für den Erfolg 
des deutschnationalen Verwertungsregimes absichert. Und vielleicht hat 
sich ja hinter dem Rücken der materiellen Gewalten in den 
kulturindustriell überfluteten Köpfen der tendenziell nivellierten 
Mittelschichtgesellschaften sogar wirklich ein zivilgesellschaftlicher 
Horizont aufgetan, der Habermas' 'zwanglosem Zwang des besseren 
Arguments' eine Chance gegen Adornos triftigere Einsicht zuzugestehen 
bereit ist: "Zuinnerst ahnt der Geist, daß seine stabile Herrschaft gar 
keine des Geistes ist, sondern ihre ultima ratio an der physischen 
Gewalt besitzt, über welche sie verfügt." (Adorno, Negative Dialektik, 
GS6, S. 179) In Gremlizas /konkret/ stand vor einer Weile sinngemäß zu 
lesen, dass sich der Kampf für ein bedingungsloses Grundeinkommen 
deshalb nicht lohne, weil das Kapital ein solches in relevanter Höhe 
niemals zulassen würde und man stattdessen gleich ein Ende der 
Privateigentumskategorie fordern könne, weil beides gleichermaßen auf 
revolutionären Klassenkampf hinauslaufe. Das finde ich durchaus nicht 
lapidar gesagt. Ich halte es zumindest für möglich, dass in einer 
Situation, in der es eine parlamentarische Mehrheit für ein 
bedingungsloses Grundeinkommen in relevanter Höhe gebe, sich ein 
empirischer Beweis für den alten Schnack ergeben würde, dass Wahlen 
nichts ändern, weil sie sonst verboten wären. Aber auch das wäre eine 
historische Zäsur, die mir besser erschiene als bloß tatenlos der 
schleichenden Restauration aller gesellschaftlichen Verhältnisse 
zuzusehen und sich ansonsten mit der reinen Lehre einzuigeln. Es wäre 
sozusagen die empirische Probe auf die These, dass wir in einer zivilen 
Gesellschaft leben.

Was die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens aus Marxscher Sicht 
so sympathisch macht, ist das in ihr liegende Potential einer zumindest 
tendenziellen materiellen Überwindung des schmerzlich vermittelten 
Auseinanderreissens von Gattungswesen und Individuum durch die Kategorie 
des Privateigentums. Während aus der Binnenperspektive der 
Privateigentümer sich ja immer irgendwie Maggie Thatchers Behauptung 
aufdrängt, dass es keine Gesellschaft gebe, sondern nur Individuen, 
wovon die anderen zudem noch die Satresche Hölle insofern darstellen, 
als an ihrer Freiheit die eigene zu enden habe, müsste eigentlich jeder 
vergesellschaftete Narr unmittelbar einsehen, was Marx zum Verhältnis 
von Gesellschaft und Individuum sehr prägnant sagt: "Das individuelle 
und das Gattungsleben des Menschen sind nicht /verschieden/, so sehr 
auch -- und dies notwendig -- die Daseinsweise des individuellen Lebens 
eine mehr /besondre/ oder mehr /allgemeine/ Weise des Gattungslebens 
ist, oder je mehr das Gattungsleben ein mehr /besondres/ oder 
/allgemeines/ individuelles Leben ist." (MEW40, S. 539) Die Freiheit des 
Individuums ist daher auch weniger durch die anderen Individuuen 
beschränkt, sondern vielmehr überhaupt erst ermöglicht. Mag der 
frühbürgerliche Naturrechts-Unfug von Maggie Thatcher, die entgegen der 
Guillotine-Sehnsüchte von Morrissey friedlich und alt im Bett 
entschlief, auch den ideellen Anarchisten diesseits und jenseits der 
Klassenschranke die Herzen erwärmen. Der bis zur Volksgemeinschaftshölle 
verhausschweinte und bis über beide Ohren vernetzte deutsche Michel kann 
im Ernst nicht auch nur für einen Moment glauben, dass seine 
Individualität abgesehen vielleicht von einem kläglich überschießenden 
Rest des Nichtidentischen etwas anderes sei als "das ensemble der 
gesellschaftlichen Verhältnisse" (MEW3, S. 6). Die Idee des 
bedingungslosen Grundeinkommens nimmt diese Tatsache ernst und fordert 
aus der Perspektive des Kategorienapparats von Marx' /Kapital/ die 
Implementierung der bloßen, politisch anerkannten Existenz jedes 
Individuums als eines Teils der Gesellschaft in die durch historisch 
überaus willkürliche Prozesse quantitativ bestimmte Wertsubstanz der 
abstrakten Arbeit. Anders gesagt: Durch das bedingungslose 
Grundeinkommen wäre ein Teil der Wertsubstanz nicht länger abstrakte 
Arbeit, sondern abstraktes politisches Selbstbewusstsein der Gattung in 
der Form politischer Anerkennung jeglicher Individualität unabhängig von 
der Arbeit. Das wäre kein Kommunismus, aber zumindest ein Fortschritt in 
der kapitalistischen Binnengeschichte von der abstrakten Individualität 
des Privateigentums fort und hin zu einer konkreten Individualität 
innerhalb des politisch selbstbewussten Gattungswesens. Es würde 
insofern wohl Marx' wohlwollenden Blick auf die Nachgeborenen finden. 
Überhaupt gewinnt das sozialdemokratische Renegatenprojekt, der Ware 
Arbeitskraft einen einigermaßen erträglichen Platz in der bürgerlichen 
Ordnung durch langwierige Stellschraubenkorrekturen angedeihen zu 
lassen, durch die im Kern ja durchaus bloß sozialdemokratische Forderung 
eines bedingungslosen Grundeinkommens vielleicht mal einen echten Sinn 
in Hinblick auf die Abschaffung der Ware Arbeitskraft. Vielleicht lehne 
ich mich damit etwas weit aus dem Fenster, aber ich will mal die 
geschichtsphilosophische These wagen, dass der Untergang des 
Realsozialismus auch etwas damit zu tun hat, dass der marktanarchische 
Kapitalismus formell näher am Verein freier Menschen steht als die 
partei- und staatsbürokratisch verwalteten sogenannten Diktaturen der 
Proletariate. Während Marx sich im Verein freier Menschen die 
Ausschöpfung des vollen Entfaltungspotentials der Individuen im 
Gehaltensein durch die Gattung ausmalt, betrieben die Realsozialismen ja 
eher volksgemeinschaftliche Abwehrkämpfe gegen die Bedrohung durch den 
imperialistischen Klassenfeind einerseits, durch die ewige 
Naturnotwendigkeit des Stoffwechsels mit der Natur andererseits. Das war 
im Detail sicherlich auch ehrenhaft, im großen Wurf aber blieb es ein 
ziemlich widerwärtiges Herrschaftssystem. Kann man dem Kapitalverhältnis 
der bürgerlichen Gesellschaft bis zum Ende seiner Tage vorwerfen, dass 
es den Individuen nur eine formelle, nicht aber eine materielle Freiheit 
im Gehaltensein der Gattung erlaubt, mit zunehmender Spezialisierung und 
institutionalisierter Differenzierung vielleicht sogar zunehmend weniger 
erlaubt, so konstruiert es für die am Markt erfolgreich Unternehmenden 
und als Funktionseliten erfolgreich ihre Arbeitskraft Verkaufenden aber 
zumindest den Schein materieller Freiheit der eigenen Lebendigkeit und 
durch die dramatische Produktivkraftentfesselung für immer breitere 
Bevölkungsschichten zumindest den konsumtiven Lifestyle-Glauben eines 
freien Lebens. Dieser Schein von Freiheit dürfte die 
sozialpsychologische Basis für den Glauben an eine einfache 
Umsetzbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens abgeben. Würde es in 
relevanter Höhe eingeführt, würde die bürgerliche Gesellschaft einen 
kleinen Schritt über die formelle Freiheit hinaus tun. Und zwar weniger 
deshalb, weil niemand sich mehr als Individuum gesellschaftlich unnötig 
gewordene Existenzsorgen machen müsste, sondern vielmehr, weil die 
asketischen Individuen, die mit einem bedingungslosen Grundeinkommen 
auszukommen imstande sind, ein emanzipiertes Verhältnis zu den vom 
Kapital besessenen Produktivkapazitäten und den mit ihnen organisch 
verwachsenen Funktionseliten einnehmen würden und damit dem freien 
Tätigsein überhaupt erst zu einem nachbürgerlichen Begriff verhelfen 
könnten. Mit anderen Worten könnte das bedingungslose Grundeinkommen das 
Nadelöhr sein, durch das die formelle Freiheit der bürgerlichen 
Gesellschaft gezwungen werden muss, um der Menschheit eine materiell 
freie Lebendigkeit, einen Verein freier Menschen abzugewinnen. Dass Marx 
sich den Verein freier Menschen als nomadischen Lebensstil innerhalb der 
sesshaften Produktionsmittel ausmalt, halte ich für richtungsweisend: 
"Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat jeder einen 
bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt 
wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder 
kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum 
Leben verlieren will -- während in der kommunistischen Gesellschaft, wo 
jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich 
in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die 
allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute 
dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, 
abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich 
gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." 
(MEW3, S. 33) Anders lässt sich ein Ende dessen, wofür Marx den 
denunziatorischen Begriff der Charaktermaske verwendet, kaum denken, ein 
Ende des Verwachsenseins der Individuen mit ihrer mehr oder weniger 
lebenslang ausgeführten spezifischen Funktion in der 
Wertverwertungsgesellschaft. Ehrlich gesagt ist mir kein Vorschlag einer 
Transformation der kapitalistischen in eine tendenziell kommunistische 
Geellschaft bekannt, der so friedlich und naturwüchsig funktionieren 
könnte wie die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Ich 
weise darauf hin, dass diese Argumente fürs bedingungslose 
Grundeinkommen nicht neu sind, sondern mir im Wesentlichen bereits in 
diesem Text von Katja Kipping und Ronald Blaschke begegnet sind: 
http://www.archiv-grundeinkommen.de/kipping/Und-es-geht-doch-um.pdf . 
Bemerkenswert wiederum finde ich, dass die Initiative um Götz Werner 
ohne jede Nähe zu Marx meines Erachtens am schönsten und prägnantesten 
für eine Befreiung lebendiger menschlicher Tätigkeit vom Joch der 
Verwertungslogik und des Eigentums an Produktionsmitteln plädiert.

Irgendwie wundert's mich immer, dass es marxistische Strömungen gibt, 
die viel lieber ideelle Anarchisten auf ihren fiktiven Inseln der 
höheren theoretischen Wahrheit bleiben möchten als auch nur einmal 
zuzugeben, dass Marx und der gesamte Marxismus ein Produkt der 
bürgerlichen Gesellschaft ist, das die zivilisatorische Kraft dieser 
Vergesellschaftungsform neben anderen Phänomenen belegen kann. Die 
Matrix hat uns weit mehr als Neo, Morpheus und Trinity je ahnen werden. 
Dass die Antroposophen um Götz Werner und offenbar auch etliche 
Christengemeinschaften sich durchaus mit der Idee des bedingungslosen 
Grundeinkommens anfreunden können, weil sich in ihren spezifischen 
Religionsinhalten die Vermitteltheit von Individuum und Gattung ohnehin 
deutlich spiegelt, wenn auch vielleicht spirituell überhöht, könnte man 
als marxistischer Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens auch so 
deuten, dass es mal wieder ernsthaft Zeit für bestimmte Negation 
aktueller Religionstrends ist, weil die Geschichte ja selbst im 
Kapitalismus nicht stillsteht und Marx recht klar konstatierte: "die 
Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik" (MEW1, S. 378). 
Wenn selbst Antroposophen und Christen halbbewusst wittern, dass der 
Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen zum 
qualitativen Sprung anhebt und die Überproduktionskrisen zombieesk ihre 
Kinder fressen, dann dürfte das doch irgendetwas über den aktuellen 
Stand der historischen Selbstüberschreitungsaufgabe des 
Kapitalverhältnisses aussagen. Würde ich zumindest mutmaßen.

Da mir aufgefallen ist, dass es Tendenzen innerhalb der Debatte ums 
bedingungslose Grundeinkommen gibt, historische Protagonisten der Idee 
des bedingungslosen Grundeinkommens auszugraben, und mir dabei der Name 
Mandel nicht aufgefallen ist, möchte ich nebenbei darauf hinweisen, dass 
mir irgendwann in den 90ern erstmals die Idee des bedingungslosen 
Grundeinkommens begegnete, nämlich in Schriften des Marxisten Ernest 
Mandel (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ernest_Mandel ), die glaube 
ich aus den 70ern stammten, also aus der Periode des Wiedereintritts der 
westlichen Gesellschaften in eine Verwertungsphase mit 
Massenarbeitslosigkeit. Ich erinnere mich nicht mehr sehr detailliert, 
fand Mandel aber recht nett und klar zu lesen. Sein Kernargument für ein 
bedingungsloses Grundeinkommen dürfte die damit verbundene Stärkung der 
Verhandlungsposition der Ware Arbeitskraft/der Gewerkschaften gegenüber 
dem Kapital gewesen sein.

Dass es innerhalb der Gewerkschaften Leute gibt, die der Idee eines 
bedingungslosen Grundeinkommens skeptisch gegenüberstehen, mag viele 
Gründe haben. Um sich eine allgemeinere Folie zu denken, wie man diesen 
absurd wirkenden Umstand erklären kann, scheint mir folgender Absatz von 
Karl Reitter richtungsweisend: "Als ein Faktor der Auflösung 
traditioneller sozialer Identitäten ist die technologische und 
organisatorische Umstrukturierung der Produktion, aber auch der 
Verwaltungs- und Forschungsinstitutionen, zu nennen. Idealtypisch läßt 
sich folgende Struktur feststellen: Das Zentrum des Betriebes besteht 
aus einer kleinen Gruppe fest angestellter Personen, entlohnt und 
beschäftigt nach geltenden kollektivvertraglichen Bedingungen. In 
konzentrischen Kreisen lagern sich um diesen Kern die Gruppe der Teil- 
und Leiharbeiter, diejenigen, die auf Basis von Werkverträgen arbeiten 
und schließlich die Gruppe der scheinbar Selbständigen, die zumeist auf 
Gedeih und Verderb auf die Aufträge ihres maskierten Arbeitgebers 
angewiesen sind. Dieses Muster findet sich quer durch alle 
gesellschaftlichen Bereiche, Produktionsstätten sind davon ebenso 
betroffen, wie Dienstleistungsbetriebe, Forschungs- und 
Verwaltungseinrichtungen und die Universitäten. Sie betrifft Bereiche 
mit hochqualifizierter Tätigkeit ebenso wie Reinigungsbetriebe, Frauen 
ebenso wie Männer. Dieses Zentrum -- Peripheriemodell findet sich 
weiters nicht nur auf arbeitsrechtlichem Gebiet, es umfaßt die 
Organisation der Produktion selbst. Die Phase des Fordismus, mit 
gigantischen Produktionsstätten, tausenden Arbeitern, die täglich das 
selbe Fabrikstor durchschritten und zu den gleichen Bedingungen 
arbeiteten, gehört der Geschichte an. Der gigantischen Konzentration der 
Kapitale entspricht keineswegs die Konzentration der Produktion, im 
Gegenteil. Auslagerungen, kleine, flexible Einheiten sind das Gebot der 
gegenwärtigen Epoche. Die technologischen Erfindungen, das Anschwellen 
des sogenannten tertiären Sektors (Dienstleistungen, Verwaltung) zu 
Lasten der materiellen Produktion, haben sein übriges getan. Der 
ehrwürdige Beruf, die kontinuierliche Ausübung der Erwerbsarbeit, 
gestützt auf fachlich erworbenes Wissen und speziellen Fähigkeiten, 
verbunden mit einem gesellschaftlich klar umrissenen Habitus, wird vom 
Job abgelöst. Im Job Karriere zu machen erfordert vor allem formale 
Qualifikationen. Ungebrochene Mobilität, die Bereitschaft, sich ohne 
Widerspruch den Erfordernissen eines sich ständig wandelnden 
Arbeitsmarkt anzupassen, vorauseilenden Gehorsam und bedingungslose 
Identifikation mit gesellschaftlichen Werten und Normen." (vgl. 
http://www.linke-buecher.de/arbeitslosigkeit/Warum-garantiertes-Grundeinkommen---von---mailbox.univie.ac.at-Karl.Reitter.htm 
)

Ich würde mutmaßen, dass sich ein größerer Teil der aktiven Leute in den 
Gewerkschaften eher dem Produktionszentrum zugehörig fühlt und am 
liebsten so tun würde, als gäbe es die ganzen Phänomene der 
prekarisierten Peripherie nicht. Wenigstens wohl sollte es sie im 
Angedenken an den Wirtschaftswunder-Korporatismus nicht geben und daher 
erscheint ein bedingungsloses Grundeinkommen als falscher Weg. Richtiger 
wäre demnach wohl, per Arbeitskampf die Peripherie wieder ins Zentrum zu 
ziehen und mit guter Wirtschaftspolitik für Vollbeschäftigung zu sorgen. 
Dann würde sich auch niemand mehr auf der faulen Haut ausruhen und jaja, 
wir schaffen das Bruttosozialprodukt. Vielleicht irre ich mich da ja 
auch, aber sozialpsychologisch finde ich es naheliegend, dass 
insbesondere Gewerkschaftsleute mit den aus meiner Elterngeneration 
überkommenen sogenannten Normalarbeitsbiographien sich nicht mit einem 
über das bedingungslose Grundeinkommen etablierten Recht auf Faulheit 
anfreunden können. Ich bin Jahrgang 1977, in meiner Generation dürften 
solche sogenannten Normalarbeitsbiographien schon deutlich seltener 
geworden sein. Und ich kann nicht sehen, dass die Gewerkschaften diesem 
Trend seit mindestens der Wende 1989 irgendetwas Substantielles 
entgegenzusetzen fähig gewesen wären, eher wohl im Gegenteil. 
Versöhnlich gedacht, sollte man in Diskussionen mit solchen Menschen in 
den Gewerkschaften wohl auf dieser Erosion der alten Arbeitswelt 
herumreiten und immer wieder klarstellen, dass ein bedingungsloses 
Grundeinkommen eine derart mächtige Verbesserung der 
Verhandlungsposition der Gewerkschaften gegenüber den Unternehmen 
darstellen würde, dass es wie gesagt nicht sehr realistisch, aber darum 
um so wichtiger ist, dem Kapital dieses Zugeständnis abzuringen. Da ich 
mir eine breite Anhängerschaft für die Idee des bedingungslosen 
Grundeinkommens wünsche, möchte ich unversöhnliche Betrachtungen in 
diesem Zusammenhang lieber nicht anstellen, obgleich sie sich mir mit 
Blick auf das Transformationspotential eines bedingungslosen 
Grundeinkommens in Bezug auf kapitalistische Charaktermasken bzw. 
verhärtete Identitäten aufdrängen. Also doch zumindest dieser Satz: Die 
Abweisung der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens in 
Gewerkschaftskreisen verteidigt besitzstandschauvinistisch das Privileg 
des gutsituierten Teils der arbeitenden Bevölkerung gegenüber dem 
prekarisierten und arbeitslosen Teil der Arbeitsbevölkerung, sich 
relativ stabil in den Produktionszentren der Wertverwerung angesiedelt 
zu haben, und denunziert darüber hinaus womöglich das mit einem 
bedingungslosen Grundeinkommen faktisch etablierte Recht auf Faulheit, 
während es sich mit dem faulen Luxuskonsum der oberen Zehntausend 
genauso arrangiert und abgefunden hat wie mit dem Privateigentum an 
Produktionsmitteln.

Nebenbei lässt sich in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass 
das Zentrum-Peripherie-Modell sehr deutlich macht, dass die in 
unterschiedliche Löhne, Arbeitsbedingungen und Risikoabsicherung 
diversifizierte Arbeiterklasse schillernd belegt, dass die Marxsche 
Wertsubstanz abstrakte Arbeit nicht nur quer zum Verwertungsregime, 
sondern wesentlich auch innerhalb des Verwertungsregimes ein Produkt 
höchst vielfältiger sozialer Auseinandersetzungsformen ist und daher 
unmöglich quantitativ bestimmbar.

Während ich wohl wenig Zweifel daran gelassen habe, dass ich 
theoretische Wahrheit eher bei Marx und der alten Frankfurter Schule 
sehe als bei kapitalismusimmanenten Theorien, sind mir die Leute um 
Flassbeck oder etwa die Memorandum-Gruppe zumindest ein wenig 
sympathisch. Ich würde vermuten, dass das damit zu tun hat, dass ich 
einem kleinbürgerlichen Milieu entstamme, dessen subjektives Interesse 
eher in einer keynsianischen Binnenmarktsstärkung als in einem Verein 
freier Menschen oder dem vermeintlich objektiven Interesse des 
Proletariats liegt. Außerdem ist es freilich auch immer weit weniger 
psychisch belastend, sich mit aufs reiche Deutschland fixierten 
Zivilgesellschaftstheorien zu befassen, während sich mit Marx und der 
alten Frankfurter Schule ja so unangenehme internationale Phänomene wie 
Krieg, Hunger und Sklaverei systematisch nicht ausblenden lassen. Wenn 
ich das halbwegs richtig überblicke, finde ich die 
Binnemarktsstärkungs-Theorien vor allem deshalb daneben, weil sie sich 
im Wesentlichen nur über In- und Output sowie Verteilung den Kopf 
zerbrechen, weniger aber über die qualitativen Formen der 
Lebenszusammenhänge, in denen Produktion und Konsum stattfinden. Ich mag 
da ein wenig sensibel sein, insofern mir schon der weithin anerkannte 
Spruch, dass Lehrjahre keine Herrenjahre seien, einen großen 
Ringelreigen von Alltagsbarbareien vors innere Auge stellt. Ein 
Miteinander füreinander, das nicht auf wechselseitigem Verständnis, 
Einsicht in gesellschaftlich vermittelte Naturnotwendigkeiten und 
inhaltlicher Autorität beruht, sondern auf irgendwelchen 
weisungskoordinierenden Abhängigkeiten und einem ungleichen Zugriff auf 
gesellschaftliche Ressourcen, scheint mir ganz grundsätzlich eklig. Aber 
selbst wenn man gewillt ist, in der Debatte von der qualitativen 
Gestaltung der Lebenszeit der Gesellschaft zu abstrahieren und sich 
stattdessen nur auf volkswirtschaftliche Kreislaufvorstellungen 
reduziert, dürfte es gänzlich unmöglich sein, einen irgendwie kohärenten 
inneren Zusammenhang zwischen der Höhe eines heutigen Einkommens und der 
gesellschaftlichen Produktivität der diesem Einkommen zugrunde liegenden 
Tätigkeiten zu behaupten. Nur z. B.: Was soll an der Tätigkeit einer 
Steuerberaterin produktiver sein als an der Tätigkeit eines 
Straßenmusikers, was an der Tätigkeit eines Arbeisvermittlers 
produktiver als an der Tätigkeit eines Hausmanns, was an der Tätigkeit 
eines Rüstungsingenieurs produktiver als an der Tätigkeit einer 
Krankenschwester? Die Einkommensverteilung gaukelt heute immer bloß vor, 
dass es einen inneren Zusammenhang zwischen den Leistungen eines 
Individuums und der gesamtgesellschaftlichen Produktivität gibt, während 
dieser Zusammenhang in Wirklichkeit das Resultat höchst willkürlicher 
und komplexer historischer Prozesse ist. Deshalb können sich die 
Marxologen ja auch bis zum Ende aller Tage über die metaphysische 
Substanz des Werts bei Marx wundern: Abstrakte Arbeit, gesellschaftlich 
notwendige Durchschnittsarbeitszeit, was mag das bloß sein? Der 
Inbegriff eines historisch sedimentierten Fetischs halt, nicht mehr, 
nicht weniger.

Zudem ist mir völlig unklar, wo bei den Kreislaufmodellen der Keynsianer 
eigentlich der gesamte aufgehäufte Reichtum in materieller Form, die 
Produktions- und langlebigen Konsumtionsmittel, also Marx' tote Arbeit 
überhaupt theoretische Beachtung findet.

Argumentieren Flassbeck und Co. sinngemäß, dass ein bedingungsloses 
Grundeinkommen nicht nur das Lumpenproletariat zur Arbeitsvermeidung 
animieren würde, sondern auch die anscheinend bei der FDP abgeguckten 
Leistungsträger, und dass dies ein Problem für die Gesamtproduktivität 
der Gesellschaft wäre (vgl. 
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6 
), dann würde ich sie erstmal auffordern, einen schlüssigen Beleg für 
die These zu erbringen, dass es tatsächlich einen inneren Zusammenhang 
zwischen Einkommenshöhe und individueller Produktivität gibt. Sofern 
sich denn überhaupt ein schlüssiger Begriff von individueller 
Produktivität konstruieren lässt. Ein solcher Beleg ist meiner 
Einschätzung nach systematisch nicht zu erbringen. Zudem stehen Teile 
der Argumentationen für ein bedingungsloses Grundeinkommen ja nicht ganz 
willkürlich auf dem Standpunkt, dass die Automatisierungstendenzen in 
Produktion und Verwaltung zu einer gesamtgesellschaftlichen Verschiebung 
des Begriffs der Produktivität führen, der sich mit klassisch 
fordistischen Vorstellungen überhaupt nicht mehr deckt. 
Dienstleistungsgesellschaften verschieben die Wertbestimmtheit der 
Arbeit dem reinen Volumen nach notwendig deutlich von einer stofflichen 
Warenbindung fort und hin zu einer entstofflichten Form sozialer und 
kultureller Beziehungsmuster und ideell-symbolischer Güter. Ansonsten 
finde ich die Beiträge von Harald Schauff (vgl. 
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18773 ) und Ronald Blaschke 
(vgl. 
https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2012/11/rb-hw_rezension-irrweg-grundeinkommen_121114.pdf 
) ziemlich prägnante Kritiken an diesem keynsianisch orientierten 
Angriff gegen die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens und möchte 
nur auf ein kleines Detailargument hinweisen, das sich in dem 
Zusammenhang noch anbringen ließe: Die Aufblähung des Volumens an 
Konsumentenkrediten und die Zunahme von Privatinsolvenzen dürfte zwar 
angesichts des Umverteilungsvolumens eines bedingungslosen 
Grundeinkommens in relevanter Höhe kaum der Rede wert sein, stellt aber 
zumindest ein Detailbeleg dafür dar, dass die Inflationsangst von 
Flassbeck und Co. so begründet kaum sein kann.

Zudem lässt sich bei den Keynsianern ja immer die Frage aufwerfen, wer 
denn eigentlich die soziale Basis für die Umsetzung ihrer Pläne sein 
soll. Rot-Grün, die vor gar nicht langer Zeit Oscar Laffontaine dissten 
und Hartz4 einführten? Da es seit Wende und Wiedervereinigung meines 
Wissens in der EU nirgends ernsthafte sozialpolitische Fortschritte, 
sondern nur Rückschritte gegeben hat, betreibt die Keynsianer-Fraktion 
nicht weniger Wunschdenken als die Anhängerschaft der Idee eines 
bedingungslosen Grundeinkommens. Letzteres könnte immerhin die 
Wahlbeteiligung der Unterschichten wieder in die Höhe treiben und so 
etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner für alle sein, die das starke 
Gefühl haben, dass es so ja nun wirklich nicht mehr weiter gehen kann.

Angesichts der internationalen Spannungen im Zuge einer kriselnden 
Wertverwertung fände ich es übrigens nicht falsch, für die Idee eines 
bedingungslosen Grundeinkommens Rosa Luxemburgs "Sozialismus oder 
Barbarei" als Slogan zu annektieren: "bedingungsloses Grundeinkommen 
oder Barbarei". Denn mindestens aus keynsianischer Perspektive müsste 
völlig klar sein, dass die Einführung eines bedingungslosen 
Grundeinkommens insofern ein Jungbrunnen fürs Kapital darstellt, als es 
immense zusätzliche konsumtive Anreizimpulse für die Produktionssphären 
setzt. Durch internationale Konflikte die Abschöpfung ausländischen 
Mehrwerts zu organisieren und/oder Überproduktionskapazitäten zu 
zerstören, könnte dann fürs Kapital weniger attraktiv bzw. notwendig 
erscheinen.

Ansonsten möchte ich zumindest auch positiv zu Flassbeck und Co. 
vermerken, dass mir noch nirgends sonst der sich aufdrängende Gedanke so 
klar formuliert begegnet ist, dass der sogenannte Neoliberalismus in 
seiner Konsequenz die Restauration bis zum Rückfall ins Feudalsystem 
betreibt: "Gehören zunehmende Ungleichheit und Verarmung der unteren 
Einkommensschichten auf Dauer und unter den Bedingungen der 
Globalisierung unvermeidlich zum Marktmechanismus dazu? Wenn ja - davon 
sind die Neoliberalen überzeugt -, muss die Frage gestellt und 
beantwortet werden, ob die Marktwirtschaft heute und vor allem in 
Zukunft noch mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung in Einklang 
zu bringen ist. Denn wenn die Reparaturversuche der sozialen Schäden, 
die die Marktwirtschaft dann offenbar systematisch anrichtet, mittels 
der Sekundärverteilungsmöglichkeiten des Staates das System 
Marktwirtschaft selbst wiederum schädigen oder zumindest 
beeinträchtigen, scheinen sich die Anforderungen des Wirtschaftssystems 
und die des politischen Systems logisch zu widersprechen.
Dann aber wäre der Kampf gegen Armut und gesellschaftliche Spaltung 
innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems letzten Endes zum 
Scheitern verurteilt. Aufrichtiger wäre dann schon die Suche nach einem 
anderen politischen System, in dem sich ökonomische Ungleichheit und 
politische Teilhabe entsprechen (etwa in einem Ständestaat mit 
Klassenwahlrecht)." (vgl. 
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6 
) New Model Army freilich sangen bereits 1990 und damit lange vor dem 
Höhepunkt der "Standort Deutschland"-Debatte: "The council tries to 
bribe the rich just to stay in town".


Ich kann zwar nicht behaupten, dass er sich ernsthaft auf irgendwelche 
Erfahrungstatsachen stützen könnte, aber irgendwie habe ich den 
Eindruck, dass der Hegelsche Weltgeist in den nächsten Jahrzehnten einen 
politischen Fortschritt der Menschheit wenn überhaupt, dann wohl eher 
von Asien, wesentlich wohl China und Indien her organisieren wird. 
Verzichtet der Weltgeist auf ein grundlegendes Neumischen der Karten 
durch drastische Klimakatastrophe und im Zuge der Verwertungskrisen sich 
aufdrängende gesellschaftliche Katastrophen à la world war 3, dann 
findet er im Anschluss an die Phase der nachholenden Industrialisierung 
in Asien vielleicht mal Muße, die bürgerliche Egalität in eine 
materielle umzuformen. Vielleicht sehe ich das zu optimistisch, aber 
wenn Asien erstmal ökonomisches und militärisches Zentrum des Globus 
geworden ist, könnte aus Maos Wühlmausarbeit und der Liebe zur Oppulenz 
im Hinduismus heraus ja ein asiatischer Exportimperialismus den 
Europäern und vielleicht sogar den Amis ein bedingungsloses 
Grundeinkommen nach dem Muster aufzwingen, das im Dilthey-Modell 
skizziert wird. Und Afrika hoffentlich einfach schenken. Während ich für 
Deutschland und damit wohl leider auch Europa eher befürchte, dass es 
sich für absehbare Zeit aus einem manifest-vorbewussten Glauben der 
Mehrheit an eine Wahrheit der guseisernen "Arbeit macht frei"-KZ-Sprüche 
der Nazis heraus verbietet, der Liebe zur freien Tätigkeit von 
Antroposophen und Marxschen Frühschriften und dem Recht auf Faulheit der 
Spaßgesellschaftsfraktionen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen 
auch nur den Hauch einer Chance einzuräumen. Aber selbst wenn dem so 
sein sollte, wer will so lange bloß warten und hoffen?


5. Ein paar Bemerkungen zur Schizophrenie des Schwarzmarkt-Begriffs aus 
Sicht des bedingungslosen Grundeinkommens

Der kritische Beitrag von Antje Schrupp (vgl. 
http://antjeschrupp.com/2013/06/29/7244/ ) zu einem anderen Artikel der 
Mitautorin des eben erwähnten Angriffs auf die Idee des bedingungslosen 
Grundeinkommens von Flassbeck und Co., Friederike Spiecker, der ziemlich 
ähnlich gestrickt ist wie der Artikel in Le Monde (vgl. 
http://www.flassbeck-economics.de/grundeinkommen-falsches-mittel-aufgrund-falscher-analyse/ 
), hat mich dazu animiert, mal ein wenig über den Schwarzmarktbegriff zu 
meditieren. Ist für Dialektiker abstrakt ja immer klar, dass sich jeder 
beliebige Gegenstand als schizophren erweist, wenn er nur genau genug 
angeschaut wird, so ist es doch immer wieder überraschend, was sich 
konkret an den jeweiligen Gegenständen ergeben kann. Schwarzmärkte sind 
aus der Perspektive der Finanzierung eines bedingungslosen 
Grundeinkommens einerseits aus Gerechtigkeitsüberlegungen heraus wenig 
wünschenswert, andererseits potentiell ein Riesenproblem, da sie sich 
dem Kapital neben Landesflucht geradezu als Antwort auf eine wie auch 
immer gestaltete Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in 
relevanter Höhe aufdrängen könnten. Dem dürfte zwar der hohe Grad an 
Systemintegration der meisten Wertkreisläufe entgegen stehen, aber ich 
würde dieses Problem dennoch nicht unterschätzen.

Am Rande möchte ich in dem Zusammenhang erwähnen, dass schon heute bspw. 
die Illegalität von vielen Rauschsubstanzen nicht nur wegen der damit 
einhergehenden unnötigen Verelendung von Konsumenten ein Skandal ist, 
sondern auch wegen der in dieser illegalisierten ökonomischen Sphäre 
vorfindlichen Arbeitsbedingungen und wegen der immensen 
Steuerhinterziehung dieser wegen der Illegalität freilich gar nicht erst 
besteuerten Märkte.

Antje Schrupp legt implizit wohl das von Roswitha Scholz in die 
marxistische Debatte eingeführte Wertabspaltungstheorem (vgl. 
http://de.wikipedia.org/wiki/Roswitha_Scholz ) zugrunde, das ich 
inhaltlich richtig finde. Der gender pay gap ist dafür ja nur ein 
soziologisch-empirischer Ausdruck. Ich würde sagen, dass die 
Wertabspaltung ein Teilaspekt von dem ist, was es unmöglich macht, Marx' 
Begriff der Wertsubstanz, also die abstrakte Arbeit, in irgendeiner 
Weise sinnvoll quantitativ zu bestimmen. Grundlegend fasst die abstrakte 
Arbeit das Ergebnis aller möglichen sozialen Auseinandersetzungsformen 
in Geschichte und Gegenwart in einer Kategorie zusammen und wäre daher 
nur aus einer göttlichen Perspektive konkret bestimmbar. Alle 
Wertkategorien sind halt geschichtlich-gesellschaftlicher Natur, so sehr 
ihr Verwachsensein mit Dingen und ihr höchst abstrakter Bezug auf 
Lebenszeit auch darüber hinwegtäuschen mag.

Interessant in Bezug auf den Begriff des Schwarzmarkts ist das 
Wertabspaltungstheorem, weil es den Blick auf alle nicht-monetären 
Tätigkeitsformen weitet. Antje Schrupp kann sich zwar angesichts der 
monetären Missachtung von kulturgeschichtlich weiblich konnotierten 
Tätigkeiten, also angesichts von gender pay gap und dem Aufladen von 
Tätigkeiten zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft auf vornehmlich 
weibliche Schultern, darüber belustigt zeigen: "Haha. Hausfrauen als 
passionierte Steuerhinterzieherinnen, das finde ich geradezu mal 
lustig." (http://antjeschrupp.com/2013/06/29/7244/ ) Und Friederike 
Spiecker ist so sehr in ihrem arbeitsfetischistischen Wahn drin, 
Inflationsgespenster aus der möglichen Arbeitszeitreduzierung von 
imaginierten Leistungsträgern abzuleiten, dass sie gegenüber der 
Wertverwertungsarbeit nur zwei alternative Tätigkeitsformen sieht, die 
beide mehr oder weniger auf Eigenbrödlerei hinauslaufen: "Wieviel 
Steuern sollte der Staat z.B. für das Bild eines Malers kassieren, das 
der an irgendjemanden verschenkt oder bei sich zu Hause ausstellt? 
Solange das Bild keinen Käufer findet, kann der Staat darauf bzw. auf 
die Arbeit des Malers keine Steuern erheben. Das gilt natürlich auch für 
alle Arbeiten, die jemand für sich selbst erledigt, die sozusagen weg 
von der Arbeitsteilung und hin in Richtung Autarkie gehen. Lasse ich 
meine Wohnung putzen und bezahle dafür, kann der Staat diese Aktivität 
besteuern. Mache ich selbst sauber, kann der Staat meine Arbeit nicht 
besteuern." (vgl. 
http://www.flassbeck-economics.de/grundeinkommen-falsches-mittel-aufgrund-falscher-analyse/ 
)

Es gibt aber neben privatistischer Tätigkeit für sich selbst oder für 
Freunde und Bekannte eine dritte Alternative, die für die Gruppe um 
Flassbeck viel erschütternder sein müsste und den eigentlich 
emanzipatorischen Gehalt des bedingungslosen Grundeinkommens 
verdeutlich: nicht-gewinnorientierte, nicht-monetär vermittelte 
Kooperativen mit ausreichendem Zugriff auf Produktionsmittel. Ich hatte 
das oben im Zusammenhang mit meinem Rettungsversuch des reinen 
Konsumbesteuerungsmodells angedacht: gemeinnützige Vereine könnten auf 
der Basis eines bedingungslosen Grundeinkommens eventuell durchaus 
konkurrenzfähig gegenüber gewinnorientierten Unternehmungen werden. Das 
würde ich sogar geradezu als Notwendigkeit empfinden, weil ansonsten das 
bedingungslose Grundeinkommen doch nur Armutsbekämpfung, Recht auf 
Faulheit und Hilfe im Klassenkampf für die unterliegende Klasse wäre, 
nicht aber Transzendierung der Klassengesellschaft. Auch dazu ließe sich 
"immerhin" sagen, aber das Herz will, was das Herz will, und das ist nun 
einmal unter anderem der Verein freier Menschen.

Es gibt freilich auch heute nicht-gewinnorientierte, nicht-monetär 
vermittelte Kooperativen, etwa die Open-Source-Bewegung oder bestimmte 
Aspekte von Religionsgemeinschaften, Wohlfahrtsverbänden und vieles 
mehr. Aber auf der Basis eines bedingungslosen Grundeinkommens wäre 
hoffentlich eine drastische Ausweitung solcher Kooperativen zu 
beobachten. Um's mal plastisch auszupinseln: Was würde die deutsche 
Autolobby dazu sagen, wenn ein paar reiche Ökofreaks mit der Hilfe 
vieler ehrenamtlich Aktiver ein flächendeckendes Car-Sharing-Modell mit 
Elektroautos in der gesamten EU zum Nulltarif oder niedrigem 
Vereinsmitgliedsbeitrag als gemeinnützigen Verein aufziehen würden? 
Wettbewerbsverzerrung? Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und 
Schwarzmarkt á la Friederike Spiecker im großen Stil? Um's ein bisschen 
allgemeiner zu sagen: Sollte Adorno Recht haben und "die Menschen sind 
immer noch besser als ihre Kultur" (Adorno, Minima Moralia, GS4, S. 51), 
dann würde sich auf der Grundlage eines bedingungslosen Grundeinkommens 
die Möglichkeit ergeben, dass alle als unethisch empfundenen Aktivitäten 
von gewinnorientierten Unternehmen relativ flott durch als zumindest 
weniger unethisch empfundene Aktivitäten auf gemeinnütziger Basis 
ersetzt werden würden. Alle als unethisch empfundene Aktivitäten von 
gewinnorientierten Unternehmen? Ja, was bliebe denn da noch vom 
Kapitalismus?

Als jemand, der eine solche Entwicklung begrüßen würde, könnte man 
freilich sagen: Fein. Hoffen wir einfach mal, dass das in vernünftigen 
Bahnen geschieht, die Gemeinnützigkeit nicht bloß gefaked wird, sich das 
bedingungslose Grundeinkommen sukzessive durch eine andere Form der 
Ökonomie ohnehin erübrigt und mit der Wertverwertung alsbald Schluss ist.

Aber zumindest könnte man dann als Verfechter eines bedingungslosen 
Grundeinkommens auch zugestehen, dass die Argumente von Flassbeck und 
Co. gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen sind: Eine 
Wohlfahrtsökonomie, die der monetär vermittelten Wertverwertung das 
Wasser abgraben würde, würde auch die Steuermasse und damit die Basis 
des bedingungslosen Grundeinkommens erodieren lassen. Ich würde einfach 
mal hoffnungsfroh davon ausgehen, dass die Gesamtgesellschaft vernünftig 
genug wäre, den sukzessiven Einbruch beim bedingungslosen Grundeinkommen 
durch nicht-monetär vermittelte gemeinnützige Tätigkeiten auszugleichen. 
Es wäre aber immerhin auch denkbar, dass die bei gemeinnützigen 
Tätigkeiten fehlende gesamtgesellschaftliche Regulation über 
Marktmechanismen zu großen Diskrepanzen führen könnte, zu großer 
Wohlfahrt hier und Mangel am Nötigsten dort. Zumindest im Hinterkopf 
sollte diese Möglichkeit bleiben. Vielleicht kann ja mal jemand eine App 
namens "Planwirtschaft 2.0 " basteln, die den Bedarf der Gesellschaft am 
Nötigsten im Blick behält ...



By the way: Falls jemand eine Idee hat, wie ein Magister-Philosoph das 
täglich Brot für sich, seine Frau und unsere beiden Katzen während des 
Wartens auf die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens 
erwirtschaften könnte, vielleicht z. B. mit polit-theoretischer Arbeit, 
dann wäre ich für einen Hinweis wirklich dankbar. Erwerbslosigkeit rockt 
nicht im Ernst. Könnte ja sein. Ansonsten hilft vielleicht 
Hartz4-Regime-Drangsalierten das Konzept des 
Initiativbewerbungs-Spammens, das ich hiermit mal versuche. Als ich 
letzten Oktober erstmals den ALG2-Status ergatterte, hat mir meine 
Arbeitsvermittlerin per Eingliederungsvereinbarung 8 
Bewerbungsinitiativen pro Monat aufgedrückt. Trotz relativ engagierter 
Sichtung der Stellenmärkte komme ich nicht einmal auf die Hälfte der 
Vorgabe, und das auch nur, weil ich diverse Bewerbungen verschickte, die 
so ernst nicht gemeint waren. In dieser Form eine Initiativbewerbung an 
eine Mailingliste von x Personen zu verschicken, dürfte 
Planübererfüllung bedeuten. Falls mir jemand sagen kann, wie groß x ist, 
könnte ich kommende Woche während meines nächsten Gesprächs mit einem 
neuen Arbeitsvermittler vielleicht sogar argumentieren, dass mein Soll 
nach der Formel (x + 43 abgeschickte Bewerbungen - 10 Monate * 8 
Bewerbungen) / 8 Bewerbungen für entsprechend viele künftige Monate 
eigentlich erfüllt ist. Vermutlich weiß kaum jemand so viel über die 
Absurditäten von Hartz4 wie die Leute, die in der Arbeitsagentur 
arbeiten. Ihnen zu spiegeln, dass auch ALG2-Empfänger diese Absurditäten 
zumindest ein Stück weit klar haben, kann aber wohl dennoch kaum 
schaden. Fast unnötig zu erwähnen, dass ich in den 18 Monaten seit der 
Kündigung meines letzten Jobs und des damit verbundenen Erstkontakts zur 
Arbeitsagentur keinen einzigen Vermittlungsvorschlag von irgendeinem 
Arbeits"vermittler" erhalten habe.


Mit lieben Grüßen aus Bremen,

Bert Grashoff



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