<html>
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</head>
<body text="#000000" bgcolor="#FFFFFF">
<meta http-equiv="CONTENT-TYPE" content="text/html;
charset=ISO-8859-15">
<font face="Times New Roman, Times, serif">
Hallo,<br>
<br>
ich habe mich die vergangenen Tage mal
etwas intensiver mit der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens
befasst und mich in ein paar Debattenbeiträge im Netz reingelesen.
In dem Zusammenhang möchte ich Euch gerne "Daumen hoch!"
sagen. Ihr macht echt eine gute inhaltliche Arbeit für ein
vernünftiges
politisches Projekt. Insbesondere diverse Texte von Ronald
Blaschke
sind mir sehr positiv aufgefallen.<br>
<br>
Neben dem Aussprechen dieser
allgemeinen Ermutigung und Danksagung möchte ich Euch gerne als
eine
Art Zwischenbilanz für mich auf ein paar Aspekte hinweisen, die
mir
bei der Auseinandersetzung mit Beiträgen in der Debatte in den
Sinn
gekommen sind und die Euch vielleicht interessieren/inspirieren
könnten. Ich bin neu auf der Debatten-Mailingliste und habe mich
bislang nicht in das Mailinglisten-Archiv reingelesen. Von daher
sage
ich mal "sorry", falls mein Beitrag quer zu
laufenden/gelaufenen Debatten steht bzw. Details davon wiederholt.
<br>
<br>
Da der Text dann doch mal wieder etwas
ausführlicher geworden ist, gebe ich erstmal einen Überblick:<br>
</font>
<ol>
<li><font face="Times New Roman, Times, serif">Eine Anmerkung und
eine Frage zum Modells des BAG Grundeinkommen in und bei der
Partei DIE LINKE,<br>
</font> </li>
<li><font face="Times New Roman, Times, serif">ein Rettungsversuch
für das reine Konsumbesteuerungsmodell, das sich wegen der
gänzlichen Steuerfreiheit auf Kapital derzeit disqualifiziert,<br>
</font> </li>
<li><font face="Times New Roman, Times, serif">einen Hinweis auf
ein anscheinend etwas untergegangenes gutes empirisches
Argument gegen den Stammtisch-Glauben, dass ein
bedingungsloses Einkommen zu massenhafter Arbeitsverweigerung
führen würde,<br>
</font> </li>
<li><font face="Times New Roman, Times, serif">ein an Marx
angelehntes Plädoyer fürs bedingungslose Grundeinkommen gegen
marxistische, gewerkschaftliche und
linkssozialdemokratisch-keynsianische Kritik daran,<br>
</font> </li>
<li><font face="Times New Roman, Times, serif">ein paar
Bemerkungen zur Schizophrenie des Schwarzmarkt-Begriffs aus
Sicht des bedingungslosen Grundeinkommens<br>
</font>
</li>
</ol>
<font face="Times New Roman, Times, serif">
<br>
<br>
1. Eine Anmerkung und eine Frage zum
Modells des BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE<br>
<br>
Beim
Modell der BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE war
ich
vor allem über die Berechnung dazu erstaunt, wer nach dem Modell
Nettoempfänger/-zahler wäre (vgl.
<a
href="http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf">http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf</a>
, S. 47f). Je nach Haushaltszusammensetzung bleiben alle Personen
mit
einem Bruttomonatseinkommen von etwa 7.000 Euro oder etwas weniger
in
dem Modell Nettoempfänger, obwohl eine gute halbe Billion Euro im
Jahr gegenfinanziert wird. Ich wüsste nicht, dass ich
irgendjemanden
persönlich kenne, der demnach Nettozahler wäre. Quantitativ kann
ich die Berechnungsgrundlage nicht beurteilen, nach allem was ich
über Gini-Koeffizienten und Reichtumsverteilung weiß, halte ich
das
Ergebnis aber erstmal für durchaus plausibel. Trotzdem ist es
irgendwie immer wieder erstaunlich, sich klar zu machen, wieviel
gesellschaftlicher Reichtum in der Hand von wie wenigen Menschen
liegt. Da mir das eigentlich bekannt ist und ich dann doch immer
wieder darüber erstaunt bin, will ich mal die These in den Raum
werfen, dass es für die progressiven gesellschaftlichen Kräfte
unter geldvermittelten Wertverwertungsbedingungen eine wirklich
sinnvolle agitatorische Aufgabe wäre, so lange so intensiv auf die
ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung hinzuweisen, bis es
wirklich jedes Gesellschaftsmitglied im Schlaf runterbeten kann.
Konkreter gesprochen würde mich interessieren, wieviel Prozent der
Gesamtbevölkerung denn überhaupt Nettozahler wären. 20 %, 10 %, 5,
3, eineinhalb? Der Berechnung müssen ja sehr konkrete Zahlen
zugrunde liegen. In jedem Fall sollte den Otto-Normal-Verdienern
sehr
klar gemacht werden, dass sie in diesem Modell Nettoempfänger
wären.
Mehr nebenbei frage ich mich, warum der BAG nicht im Andenken an
Brechts Frage, was der Überfall auf eine Bank gegen die Eröffnung
einer Bank sei, nur ein P-Konto für alle Empfangspersonen des
bedingungslosen Grundeinkommens fordert und nicht auch eine
entsprechende öffentliche Bank, bei der alle automatisch ein Konto
erhalten.<br>
<br>
<br>
2. Ein Rettungsversuch für das reine
Konsumbesteuerungsmodell, das sich wegen der gänzlichen
Steuerfreiheit auf Kapital derzeit disqualifiziert<br>
<br>
Irgendwie
finde ich es echt schade, dass das einfache
Konsumbesteuerungsmodell
von der Initiative um Götz Werner sich klar dadurch
disqualifiziert,
dass es Kapital gänzlich unbesteuert lässt. Es ist so charmant
schlicht, sowohl aus Sicht der Finanzämter und damit des Souveräns
wie auch aus Sicht der Unternehmen und erst recht aus Sicht von
Privatpersonen, die davon nur indirekt etwas mitbekommen würden.
Gerade wenn man sich gegen das peinliche Offenlegen der
Privatsphäre
bei Hartz4-Bedürftigkeitsprüfungen einsetzt, ist schwer
einzusehen,
warum man es bei der Einkommens-, Vermögens-, Erbschafts- oder
Schenkungsbesteuerung selbstverständlich voraussetzt. Wirklich
zukunftsweisend scheint mir die Konsumbesteuerung aber vor allem
deshalb zu sein, weil sie den Gedanken ernst nimmt, dass die
industrielle Arbeit und selbst weite Bereiche von
Verwaltungstätigkeiten automatisiert worden sind und weiterhin
automatisiert werden dürften, Marx' "automatisches Subjekt"
(MEW23, S. 169) also auch stofflich zu sich selbst findet. Geht
der
Industriearbeitsgesellschaft wirklich zunehmend die Arbeit und
damit
Wertsubstanz aus oder verschiebt sie sich zumindest zunehmend in
das
weite Feld der tendenziell vom Wert abgespaltenen und über
Transferzahlungen wie die öffentlichen Haushalte, das öffentliche
Gesundheitssystem oder eben das bedingungslose Grundeinkommen ja
nur
sehr formell integrierten sozialen Kulturarbeit, dürfte eine
Einkommensbesteuerung immer absurder werden als sie wegen der
Absurdität unterschiedlicher Einkommenshöhen und unterschiedlicher
Integration von Tätigkeiten in die Wertverwertung heute ohnehin
ist.
Den Steuerblick stattdessen darauf zu richten, was die
Gesellschaft
ihren Mitgliedern an konsumtiven Wohltaten angedeihen lässt,
scheint
mir langfristig tragfähiger, und zwar sowohl aus der
Wertverwertungsperspektive einer sozialen
Dienstleistungsgesellschaft
wie auch aus der Perspektive einer Überschreitung der
Wertverwertung
zu einem "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen
Bedürfnissen!" (MEW19, S. 21). Das ist zwar nur ein
Bauchgefühl, aber ein ziemlich manifestes. Also folge ich
diesem Bauchgefühl mal und versuche das reine
Konsumbesteuerungsmodell zu retten. <br>
<br>
Glasklar ist mir das Problem der
vollkommenen Steuerfreiheit fürs Kapital bei der Initiative
"Unternimm die Zukunft" um Götz Werner geworden, als ich
in der auf ihrer Website verlinkten Dissertation von André Presse
den Versuch las, eine Steuerprogressivität der Konsumbesteuerung
durch den Quasi-Freibetrag des bedingungslosen Grundeinkommens zu
begründen (vgl.
<a
href="http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf">http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf</a>
, S. 77-79 nach Eigenzählung der Dissertation, S. 97-99 nach
PDF-Zählung). Ich unterstelle mal keine ideologische Absicht,
sondern eher Betriebsblindheit bei André Presse an dieser Stelle.
An
anderen Stellen seiner Dissertation ist er sich durchaus darüber
bewusst, dass es Kapital gibt. Zur Begründung der
Steuerprogressivität der Konsumbesteuerung tut er aber so, als
wäre
es völlig undenkbar, dass ein Teil der Haushaltseinkommen in
Kapital
verwandelt, also in irgendeiner Form investiert wird. Stattdessen
ist
bei ihm das gesamte Haushaltseinkommen unmittelbar identisch mit
den
Ausgaben für Konsum, also voll durch die Konsumsteuer belastet.
Bei
dem Teil der Haushaltseinkommen, der unters Kopfkissen, ins
Sparschwein oder unter die Geranien im Garten gesteckt wird, also
für
künftigen Konsum gespart wird, könnte man noch sagen: Ist egal.
Wenn das gesparte Geld irgendwann später dann doch für Konsum
ausgegeben wird, fällt die Konsumsteuer ja wieder an. Und folge
ich
den Ausführungen auf
<a
href="http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftskreislauf#Erweiterter_Wirtschaftskreislauf_.28einschlie.C3.9Flich_Kreditvergabe.29">http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftskreislauf#Erweiterter_Wirtschaftskreislauf_.28einschlie.C3.9Flich_Kreditvergabe.29</a>
zum Sparguthaben bei Banken, ist's mit gespartem Geld auf
irgendwelchen Konten letztlich genauso. Geld aber, das in
irgendeiner
Weise investiert wird, ist komplett raus aus der
Konsumbesteuerung.
Damit ist auch die von André Presse behauptete und ohnehin recht
spärliche Progressionsrate bei der Konsumbesteuerung nicht
haltbar:
Gerade Haushalte mit hohen Einkommen werden einen relevanten Teil
ihres Einkommens in Unternehmungen investieren und sind damit fein
raus aus der Konsumbesteuerung, mithin aus der Finanzierung von
Gemeinwesen und bedingungslosem Grundeinkommen, weil es ja
abgesehen
von der Konsumbesteuerung keine weiteren Steuern geben soll. Erst
später nahm ich das Dilthey-Modell (vgl.
<a
href="http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdfz">http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf</a>
) zur Kenntnis, das dieses Problem beim Konsumbesteuerungsmodell
ebenfalls klar artikuliert und ensprechende Konsequenzen zieht,
die
unter anderem Einkommens- und Finanztransaktionsbesteuerung
vorsehen.<br>
<br>
Um einen anderen Ausweg aus dem Problem
als im Dilthey-Modell zu nehmen und damit das einfache
Konsumbesteuerungsmodell zu retten, liegt es aus der eben
skizzierten
Problemperspektive nahe, den Teil der Einkommen, der nicht
konsumiert, sondern in irgendeiner Form investiert wird,
unmittelbar
ebenso wie den Konsum zu besteuern. Damit wäre in erster Linie mal
die Welt von André Presses Steuerprogressivität bei Kombination
von
ausschließlicher Konsumbesteuerung und bedingungslosem
Grundeinkommen grundsätzlich in Ordnung. Wenn ich das näher
durchdenke, so würde ich das Konzept von Mehrwertsteuer und
Sozialumsatzsteuer im Dilthey-Modell
(<a
href="http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf">http://www.psgd.info/templates/1/download/dilthey_modell.pdf</a>,
S. 5-7) zugrunde legen, da mir dieses Konzept ökologischer,
schwarzmarktunfreundlicher und international solidarischer
erscheint
als das im Effekt deutlich exportimperialistische Modell von der
Initiative um Götz Werner. Die Sozial-Gewinnsteuer im
Dithey-Modell
(ebd. S. 8-10) würde ich allerdings verwerfen, weil sie einerseits
eine Prüfung der Vermögensverhältnisse von Privatpersonen
notwendig macht und damit der Hartz4-Bedarfsprüfung zumindest
formell ähnelt und weil sie sich andererseits nur schwerlich als
Konsumbesteuerung denken lässt, nämlich nur dann, wenn man
Unternehmensgewinne inklusive Unternehmerlöhne als Konsum an der
gesellschaftlichen Profitmasse auffassen wollte. Stattdessen
schlage
ich eine Steuer auf die Verwandlung von Geld in Kapital vor, also
auf
Vorgänge wie beispielsweise Unternehmensgründung, Beteiligung an
einem Unternehmen oder Einspeisung von Geld ins Finanzsystem. Ich
nenne das mal einfach Kapitalisierungssteuer. Eine solche Steuer
lässt sich m. E. als Konsumsteuer auffassen, als Steuer auf den
Konsum der Kapitalisten. Besteuern Mehrwertsteuer und
Sozialumsatzsteuer die Wohltaten, die die Gesellschaft ihren
Mitgliedern für den persönlichen Verbrauch bereitstellt, so
besteuert eine solche Kapitalisierungssteuer die von der
Gesellschaft
zugestandene Wohltat, gewinnorientiert unter Rückgriff auf die
Ressourcen der Gesellschaft handeln zu dürfen. Wer sein Geld ohne
Gewinnabsicht institutionalisieren möchte, kann ja einen
gemeinnützigen Verein oder eine gemeinnützige Stiftung gründen
bzw. sich daran beteiligen, was ich glaube ich unbesteuert lassen
wollen würde. Wer aber sein Geld mit Gewinnabsicht
institutionalisiert, genießt ein gesellschaftliches Privileg, das
entsprechend besteuert gehört. Und zwar ganz unabhängig davon, ob
tatsächlich Gewinn erzielt wird oder nicht. Formell juristisch
ließen sich die drei Steuerelemente von Mehrwertsteuer,
Sozialumsatzsteuer und Kapitalisierungssteuer unter dem
allgemeinen
Titel Konsumsteuer zu einer einzigen Steuer zusammenfassen.
Scheint
mir auf den ersten Blick elegant, einfach, effektiv. <br>
<br>
Bei der Umstellung auf ein solches
Steuersystem wäre selbstverständlich alles bereits kapitalisierte
Vermögen so zu behandeln als würde es gerade erst kapitalisiert
werden, es wäre also sofort steuerpflichtig. Dies wäre nur
gerecht,
da ja auch unterm Kopfkissen, im Sparschwein, unter den Geranien
oder
auf Bankkonten gespartes Geld bei einer Umstellung des
Steuersystems
plötzlich deutlich höher konsumsteuerpflichtig werden würde.
Ansonsten aber wird immer nur dann Kapitalisierungssteuer erhoben,
wenn sich Geld in Kapital verwandelt. Erwirtschaftet ein
Unternehmen
Gewinne und erhöht damit sein Eigenkapital, so ist beispielsweise
zu
jährlichen Stichtagen eine Kapitalisierungssteuer auf diese durch
Gewinne bewirkte Kapitalerhöhung zu entrichten. Werden die Gewinne
hingegen an die Eigentümer ausgeschüttet, unterbleibt eine
Besteuerung. Die fällt ja wieder an, wenn die ausgeschütteten
Gewinne entweder verkonsumiert werden oder irgendwo anders
investiert
werden. Auch bei Erstkapitalisierung, also bei der Verwandlung von
Geld in Kapital liegt die Steuerpflicht bei der Unternehmung, der
das
Kapital zufließt. Sieht man von den unter Umständen immensen
Problemen mit Schwarzmarkt und Kapitalflucht ins Ausland ab,
könnte
eine Einkommens- und Vermögensüberprüfung von Privathaushalten
somit gänzlich entfallen. Ich traue mir nicht zu, quantitative
Vorschläge zu den jeweiligen Steuern zu machen. Plausibel
jedenfalls
scheint mir zu sein, dass eine hohe Kapitalisierungssteuer (bei
Unterbindung von Vermögensflucht ins Ausland) Anreize dafür geben
würde, auf gewinnorientiertes Handeln von vornherein zu verzichten
und Vermögen entweder zu verkonsumieren und damit
Wertschöpfungsanreize für andere Unternehmen zu setzen oder direkt
in gemeinnützige Tätigkeiten zu stecken, die dadurch vielleicht
sogar konkurrenzfähig gegenüber gewinnorientierten Unternehmungen
werden könnten. Auf diese Weise könnte quasi naturwüchsig aus der
kapitalistischen Ökonomie eine Wohlfahrtsökonomie erwachsen. Sieht
man von der grundsätzlichen Anreizfeindlichkeit durch die
Kapitalisierungssteuer ab, bliebe der Faktor Arbeit und das
Kapital
überhaupt komplett unbesteuert und zudem über das bedingungslose
Grundeinkommen subventioniert, was bei der Initiative um Götz
Werner
nicht ganz zu Unrecht als geradezu paradiesischer Anreizzustand im
Verhältnis von Kapital und Arbeit dargestellt wird. Angesichts
dessen, dass der qualitative Inhalt des Verhältnisses von Kapital
und Arbeit jenseits des Primärzwecks der Wertverwertung vor allem
in
der gesellschaftlichen Synthesis, des kooperativen Miteinanders
füreinander besteht, ließe sich an solchen Anreizeffekten erst
einmal nicht so sonderlich viel Böses finden, jedenfalls nicht im
Verhältnis zu heute. <br>
<br>
Abgesehen von der Schwierigkeit, ein
solches Steuermodell gegen die Interessen der heutigen Besitzer
von
Vermögen politisch durchzusetzen, sehe ich im Moment nur drei
strukturelle Probleme: Die Zäsur bei der Einführung eines solchen
Modells, der strategische Nachteil von jungem Kapital gegenüber
altem Kapital und die tendenziell ungerechte Steuerfreiheit von
heutigem Vermögen, das in gegenständlicher Form vorliegt, also z.
B. als Villa, Yacht oder Picasso-Gemälde etc. <br>
<br>
i. Zäsur bei Einführung eines solchen
Modells: <br>
<br>
Folge ich einfach mal dem Modell von
André Presse, aus der derzeitigen Staatsquote von knapp 50 % einen
allgemeinen Konsumsteuersatz von 50 % des Endpreises bzw. 100 %
Aufschlag auf den Preis vor Steuern abzuleiten, hieße das in Bezug
auf die Kapitalisierungssteuer, dass alles heute in Deutschland
ansässige Kapital bei der Einführung des Modells in der Hälfte
seines Volumens steuerpflichtig werden würde. Ich will mir gar
nicht
ausmalen, was BDI, FDP oder mittelständische Unternehmer von
dieser
Idee halten und befürchte da auch ein wenig Probleme mit dem
Verfassungsgericht. Grundsätzlich aber scheint mir dieses Problem
lösbar. Denn erstens funktioniert die Kapitalisierungssteuer ja
als
so etwas wie die Eintrittskarte ins gewinnorientierte Handeln.
Einmal
bezahlt, lockt das potentiell ewige Reich einer gänzlich
unbesteuerten gewinnorientierten Unternehmung. Das könnte sich
vielleicht schon nach ein paar Jahren gegenüber heute rechnen.
Zweitens könnte man politische Verfahren finden, die den Druck auf
die Unternehmen abfedern, sofort die Hälfte ihres Eigenkapitals
ans
Finanzamt zu überweisen. Z. B. wäre ein längerer Zeithorizont für
die Umstellung des Steuersystems denkbar, meinetwegen 25 Jahre mit
einer Kapitalisierungssteuer auf altes Kapital in Höhe von dann
nur
2 % im Jahr. Oder man bietet den Unternehmen an, die Steuerschuld
ganz oder teilweise in Form einer Beteiligung des Gemeinwesens am
Unternehmen zu begleichen und schafft auf kommunaler Ebene
politische
Gremien, die dann Mitspracherechte an der Unternehmenspolitik und
Anteile des Unternehmensgewinns erhalten. Angesichts dessen,
welche
Zäsur die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ohnehin
für das Verhältnis von Kapital und Arbeit bedeuten würde, scheint
mir eine hälftige Steuer auf heutiges Kapital eher das kleinere
Problem zu sein.<br>
<br>
ii. Strategischer Nachteil von jungem
gegenüber altem Kapital: <br>
<br>
Für jede neue Unternehmung stellt sich
die Kapitalisierungssteuer als Kostenfaktor und somit Nachteil in
der
Konkurrenz dar. Die Kapitalien, die die "Eintrittskarte"
Kapitalisierungssteuer bereits vor langer Zeit bezahlt haben, sind
besser dran. Daraus ließe sich ein Problem stricken, das ich
erstmal
einfach nur mit allgemeineren Überlegungen abzuweisen versuchen
möchte. Verhindert die Staatsbürokratie wie auch immer weitgehend
Schwarzmärkte und steuerflüchtigen Vermögenstransfer ins Ausland,
muss jedes Vermögen ja irgendwo hin. Sieht man von der Möglichkeit
ab, Papiergeld zum Anheizen des Kamins zu nutzen, bleiben im
Prinzip
nur Konsum, gemeinnützige Institutionalisierung oder
Kapitalisierung. Konsum gibt Produktionsanreize für
gewinnorientierte Unternehmen und gemeinnützige
Insitutionalisierung
steigert die Wohlfahrt. Traut sich ein junges Vermögen nicht, die
Kapitalisierungssteuer zu bezahlen, weil sie einen
Konkurrenznachteil
gegenüber altem Kapital darstellt, tut es somit irgendetwas
anderes
Nützliches. Auch ok. Zudem werden die alten Einzelkapitalien ja
zumindest teilweise ihre Gewinne auch wieder kapitalisieren und
werden insofern teilweise selbst zu jungem Kapital mit
entsprechendem
Konkurrenznachteil. Da das Vermögen irgendwohin muss, wird es sich
häufig genug für eine Kapitalisierung entscheiden. Darüber hinaus
ließe sich freilich überlegen, ob man die Vererbung/Verschenkung
von kapitalisiertem Vermögen nicht ebenfalls der
Kapitalisierungssteuer unterwerfen möchte oder sogar müsste. Um
die
Kapitalisierungssteuer über die Unternehmen sinnvoll einziehen zu
können, müssten diese per Gesetz wohl dazu gezwungen werden, in
ihren Büchern klar festzuhalten, von welchen Personen das Kapital
stammt. Ansonsten wäre schwer zu verhindern, dass sich findige
Banker ein Geschäftmodell überlegen, bei dem der Austritt des
einen
Vermögens aus der kapitalisierten Sphäre einen
steuerhinterziehenden Eintritt eines anderen Vermögens in die
kapitalisierte Sphäre ermöglicht. Mit anderen Worten müsste jede
Veränderung bei der personellen Zuordnung von kapitalisiertem
Vermögen in den Unternehmen zur Steuerpflicht in Bezug auf das
personell neu zugeordnete kapitalisierte Vermögen führen. Im
Effekt
wäre dies auch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, insofern
jede
personelle Übertragung von kapitalisiertem Vermögen zu einer
Kapitalisierungssteuerpflicht führt. Damit würde die
Kapitalisierungssteuer nicht mehr eine Eintrittskarte ins ewige
Reich
des gewinnorientierten Handelns sein, sondern nur noch eine
Eintrittskarte ins lebenslange Reich des gewinnorientierten
Handelns.
Das würde den Konkurrenznachteil von jungem Kapital gegenüber
altem
Kapital zumindest deutlich relativieren. Geht man grundsätzlicher
davon aus, dass die Zeit für ein bedingungsloses Grundeinkommen
tatsächlich reif ist, wie in der Broschüre des BAG Grundeinkommen
in und bei der Partei DIE LINKE (vgl.
<a
href="http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf">http://www.die-linke-grundeinkommen.de/WordPress/wp-content/uploads/2014/05/BGE_2014_download1.pdf</a>
) mehrfach betont wird, also mit an Marx angelehnten Worten die
Produktivkräfte in einen derart qualitativen Widerspruch mit den
Produktionsverhältnissen getreten sind, dass einerseits die eher
formelle Egalität der bürgerlichen Rechtsformen mit der
Etablierung
eines bedingungslosen Grundeinkommens reif geworden ist für einen
Übergang zu einer wenigstens teilweisen materiellen Egalität,
andererseits die vom Wert abgespaltenen gesellschaftlichen Sphären
sich als politisches Selbstbewusstsein einer
wohlfahrtsorientierten
sozialen Kulturökonomie innerhalb des Verwertungsregimes gegen
dieses zu behaupten vermögen, dann würde ich über den
Konkurrenznachteil von jungem Kapital gegenüber altem Kapital eh
nur
noch mit den Achseln zucken. Wünschenswert wäre ja eher, dass
Vermögen zunehmend in gemeinnützige Insitutionalisierung wandert
und das gewinnorientierte alte Kapital zu einem zunehmend stärker
eingehegten Zoo überkommener Sozialpsychologeme, zu einer Art
lebendigem Musem bürgerlicher Charaktermasken in einer
postbürgerlichen Gesellschaft verkommt. <br>
<br>
iii. Tendenziell ungerechte
Steuerfreiheit von heutigem Vermögen, das in gegenständlicher Form
vorliegt: <br>
<br>
Die skizzierte Konsumsteuer würde
alles heute vorhandene und später für Konsum ausgegebene
Geldvermögen und alles heute vorhandene Kapital besteuern, nicht
jedoch den immensen Reichtum, der in materieller Form in
Privathänden
liegt, also beispielsweise weder Gold noch privat genutzte
Immobilien, weder private Kunstschätze noch die drei Privatjets
auf
dem Rollfeld im mondänen Garten. Das empfinde ich durchaus als
ungerecht wie ich es ohnehin als ungerecht empfinde, dass
irgendwer
einen privilegierten Zugriff auf gesellschaftlichen Reichtum als
irgendjemand anders hat. Da aber die Produktivkapazitäten der
Gesamtgesellschaft immens sind und ihre Früchte über den
qualitativen Sprung in eine Gesellschaft mit bedingungslosem
Grundeinkommen hinein den unteren Einkommensgruppen schwerer
vorenthalten werden könnten, kann man damit meines Erachtens leben
und wiederum achselzuckend sagen: Ab in den lebendigen Zoo
bürgerlicher Charaktermasken mit privat gehaltenen Dingen wie
Gold,
Privatjets, Villen und Kunstschätzen.<br>
<br>
Vielleicht habe ich einfach gerade ein
Brett vorm Kopf, aber momentan sehe ich tatsächlich keinen
wirklich
guten Einwand gegen ein solch schlichtes Modell von
Konsumbesteuerung
einschließlich Kapitalisierungsbesteuerung bei gleichzeitiger
Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Und wenn sich
eine
Kapitalisierungsbesteuerung bereits heute kapitalisierten
Vermögens
politisch einfach nicht durchsetzen ließe, wäre ich auch noch
damit
einverstanden, die Kapitalisierungssteuer nur auf alles Geld zu
legen, das sich künftig in Kapital verwandeln wird.<br>
<br>
Mehr nebenbei möchte ich noch
erwähnen, dass ich keinen Grund für einen einheitlichen Steuersatz
einer solchen Konsumsteuer sehe. Insbesondere die von André Presse
herausgearbeitete Progression ist dürftig. Produkte und
Dienstleistungen des Grundbedarfs (Nahrung, Wohnung, Strom,
Wasser,
Gesundheit etc.) würde ich lieber niedrig, vielleicht sogar
negativ
besteuern wollen, also subventionieren. In der Broschüre des BAG
Grundeinkommen in und bei der Partei
DIE LINKE wird ja auch für eine Ausweitung kostenloser
öffentlicher
Dienstleistungen plädiert, was ich sinnvoll finde, was sich über
eine entsprechende Konsumsteuerpolitik aber auch an die
individualistischen Marktteilnehmer delegieren ließe. Für den
Normalbedarf könnte man die 100 % von André Presse anvisieren, für
insbesondere ressourcenaufwändigen Luxusbedarf meinetwegen auch
200
% oder mehr. Ebenso ließe sich ein eigenständiger Steuersatz für
die Kapitalisierungssteuer veranschlagen. Einerseits hätte eine
solche Aufsplittung von Steuersätzen den Vorzug, eine materiell
begründete Progression zu etablieren. Andererseits wäre die
Eingruppierung von Waren und Dienstleistungen in die jeweiligen
Steuersätze genauso wie das Verändern der Steuersätze ein gutes
wirtschafts-, sozial- und ökologiepolitisches Instrumentarium.<br>
<br>
Außerdem möchte ich in dem
Zusammenhang noch auf ein Argument von André Presse für die
Konsumbesteuerung hinweisen: "So werden Importe aus Ländern mit
geringen Sozialstandards, etwa China, in Deutschland lediglich mit
der Mehrwertsteuer belastet (vgl. WERNER (2008, S. 194)). Die
Preise
für in Deutschland hergestellte Produkte enthalten hingegen die
Steuer- und Abgabenlast des deutschen Sozialstaates. Würde an
Stelle
aller Steuern und Sozialabgaben nur noch die Konsumsteuer
verbleiben,
würde diese voll auf die Importgüter angewandt."
(<a
href="http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdfS">http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf</a>
, S. 74 in Eigenzählung / S. 94 in PDF-Zählung, vgl. auch S.
79-91/99-101) Solange die Menschheit sich in nationalstaatlichen
Konstrukten gegeneinander abgrenzt, scheint mir das ein ziemlich
gutes Argument zu sein. Es ist nicht einzusehen, warum
Importprodukte
weniger Anteil an der Finanzierung von Gemein- und Sozialwesen
haben
als Binnenmarktprodukte.<br>
<br>
<br>
3. Ein Hinweis auf ein anscheinend
etwas untergegangenes gutes empirisches Argument gegen den
Stammtisch-Glauben, dass ein bedingungsloses Einkommen zu
massenhafter Arbeitsverweigerung führen würde<br>
<br>
Die
Dissertation von André Presse legt übrigens ein gutes empirisches
Argument gegen den Stammtisch-Glauben vor, dass ohne Erwerbszwang
niemand mehr arbeiten würde, dass folglich ein bedingungsloses
Grundeinkommen zum Zusammenbruch der Wirtschaft führen könnte. Es
gibt zwar eine Menge guter Argumente gegen diesen
Stammtisch-Glauben,
die mir in den beim Netzwerk Grundeinkommen verlinkten Dokumenten
begegnet sind. Das von André Presse scheint aber ein wenig
untergegangen zu sein. Da ich schätze, dass die Durchsetzung eines
bedingungslosen Grundeinkommens über den Weg parlamentarischer
Demokratie von kaum etwas so sehr abhängt wie davon, diesen
Stammtisch-Glauben zu bekämpfen, möchte ich daher auf dieses
Argument hinweisen: André Presse schaut sich das Verhältnis von
Arbeitseinkommen und Nichtarbeitseinkommen in verschiedenen
Einkommensgruppen an und kommt zu dem "<font size="3">Ergebnis:
Das durchschnittliche Haushaltseinkommen (d. m. H.) aus Arbeit
ist
pro Euro des d. m. H. aus Nichtarbeit umso größer, je größer das
d. m. H. aus Nichtarbeit ist.</font><br>
<font size="3"><i>Dieses
empirische Ergebnis kann als Gegenargument zur häufig zu
hörenden
Meinung dienen, dass umso weniger Arbeitswillige zu finden
sein
werden, je höhere Einkommen aus Nichtarbeit bereitstehen.</i></font>"
(vgl.
<a
href="http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf">http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-</a><a
href="http://www.unternimm-die-zukunft.de/media/medialibrary/2011/06/andre-presse_dissertation.pdf">presse_dissertation.pdf</a>
, S. 114f nach Eigenzählung der Dissertation, S. 134f nach
PDF-Zählung)<br>
<br>
Methodisch ist die Schlussfolgerung
leider nicht haltbar. Es ist denkbar, dass die aggregierten
Einkommensgruppen insbesondere der gutverdienenden Haushalte sich
aus
Personen zusammensetzen, von denen die einen ein hohes
Arbeitseinkommen ohne nennenswertes Nichtarbeitseinkommen haben,
die
anderen ein hohes Nichtarbeitseinkommen ohne nennenswertes
Arbeitseinkommen, die Schlussfolgerung also auf der Aggregierung
zu
Gruppen von Einkommenshaushalten beruht. Außerdem ließe sich die
Frage stellen, inwieweit Unternehmerlöhnen tatsächlich "Arbeit"
gegenübersteht. Sollte sich André Presses empirisches Ergebnis
aber
durch eine methodisch haltbare Argumentation bestätigen, wäre es
ein Argument, das kein Stammtisch so leicht vom Tisch wischen
könnte.
M. E. wäre es daher lohnenswert, dieses Ergebnis noch einmal
methodisch korrekt zu hinterfragen.<br>
<br>
<br>
4. Ein an Marx angelehntes Plädoyer
fürs bedingungslose Grundeinkommen gegen marxistische,
gewerkschaftliche und linkssozialdemokratisch-keynsianische
Kritik:<br>
<br>
Ein
wenig irritiert hat mich, dass es deutliche Kritiken am
bedingungslosen Grundeinkommen aus marxistischer,
gewerkschaftlicher
und linkssozialdemokratisch-keynsianischer Perspektive gibt. Die
marxistische Fundamentalkritik, die jegliches Herumdoktern an der
notwendig ausbeuterischen, kriegerischen, krisenbehafteten und
materiell ungleichen Ordnung von Privateigentumsgesellschaften
blöde
findet, als ein Zerbrechen des Kopfs der Herrschenden, finde ich
zwar
grundsätzlich richtig. Bloß dabei stehen zu bleiben, dass es kein
richtiges Leben im falschen gibt und sich ansonsten mit
Aufklärungsverbissenheit und Revolutionsphantasien bis zum St.
Nimmerleinstag zu trösten, macht den Scheiß aber auch nicht
besser.
Zudem hat das Reich der Freiheit in meiner Vorstellung wenig
Gemeinsamkeit mit einer Diktatur leninistischer Parteikader. Und
es
bleibt wahr, dass wir unsere Leben in der Binnenperspektive
kapitalistischer Vergesellschaftung fristen und es daher durchaus
einen Unterschied macht, ob man bei Arbeitslosigkeit einfach dem
Verhungern überantwortet wird oder dem Hartz4-Regime, selbst wenn
man noch so prägnant zynisch durchdeklinieren kann, dass die
Bismarcksche Sozialgesetzgebung nur den allgemeinen Boden für den
Erfolg des deutschnationalen Verwertungsregimes absichert. Und
vielleicht hat sich ja hinter dem Rücken der materiellen Gewalten
in
den kulturindustriell überfluteten Köpfen der tendenziell
nivellierten Mittelschichtgesellschaften sogar wirklich ein
zivilgesellschaftlicher Horizont aufgetan, der Habermas'
'zwanglosem
Zwang des besseren Arguments' eine Chance gegen Adornos triftigere
Einsicht zuzugestehen bereit ist: "Zuinnerst ahnt der Geist, daß
seine stabile Herrschaft gar keine des Geistes ist, sondern ihre
ultima ratio an der physischen Gewalt besitzt, über welche sie
verfügt." (Adorno, Negative Dialektik, GS6, S. 179) In
Gremlizas <i>konkret</i>
stand vor einer Weile sinngemäß zu lesen, dass sich der Kampf für
ein bedingungsloses Grundeinkommen deshalb nicht lohne, weil das
Kapital ein solches in relevanter Höhe niemals zulassen würde und
man stattdessen gleich ein Ende der Privateigentumskategorie
fordern
könne, weil beides gleichermaßen auf revolutionären Klassenkampf
hinauslaufe. Das finde ich durchaus nicht lapidar gesagt. Ich
halte
es zumindest für möglich, dass in einer Situation, in der es eine
parlamentarische Mehrheit für ein bedingungsloses Grundeinkommen
in
relevanter Höhe gebe, sich ein empirischer Beweis für den alten
Schnack ergeben würde, dass Wahlen nichts ändern, weil sie sonst
verboten wären. Aber auch das wäre eine historische Zäsur, die mir
besser erschiene als bloß tatenlos der schleichenden Restauration
aller gesellschaftlichen Verhältnisse zuzusehen und sich ansonsten
mit der reinen Lehre einzuigeln. Es wäre sozusagen die empirische
Probe auf die These, dass wir in einer zivilen Gesellschaft leben.<br>
<br>
Was
die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens aus Marxscher Sicht
so
sympathisch macht, ist das in ihr liegende Potential einer
zumindest
tendenziellen materiellen Überwindung des schmerzlich vermittelten
Auseinanderreissens von Gattungswesen und Individuum durch die
Kategorie des Privateigentums. Während aus der Binnenperspektive
der
Privateigentümer sich ja immer irgendwie Maggie Thatchers
Behauptung
aufdrängt, dass es keine Gesellschaft gebe, sondern nur
Individuen,
wovon die anderen zudem noch die Satresche Hölle insofern
darstellen, als an ihrer Freiheit die eigene zu enden habe, müsste
eigentlich jeder vergesellschaftete Narr unmittelbar einsehen, was
Marx zum Verhältnis von Gesellschaft und Individuum sehr prägnant
sagt: "Das individuelle und das Gattungsleben des
Menschen sind nicht <i>verschieden</i>, so sehr auch – und dies
notwendig – die Daseinsweise des individuellen Lebens eine mehr
<i>besondre</i> oder mehr <i>allgemeine</i> Weise des
Gattungslebens
ist, oder je mehr das Gattungsleben ein mehr <i>besondres</i>
oder
<i>allgemeines</i> individuelles Leben ist." (MEW40, S. 539) Die
Freiheit des Individuums ist daher auch weniger durch die anderen
Individuuen beschränkt, sondern vielmehr überhaupt erst
ermöglicht.
Mag der frühbürgerliche Naturrechts-Unfug von Maggie Thatcher, die
entgegen der Guillotine-Sehnsüchte von Morrissey friedlich und alt
im Bett entschlief, auch den ideellen Anarchisten diesseits und
jenseits der Klassenschranke die Herzen erwärmen. Der bis zur
Volksgemeinschaftshölle verhausschweinte und bis über beide Ohren
vernetzte deutsche Michel kann im Ernst nicht auch nur für einen
Moment glauben, dass seine Individualität abgesehen vielleicht von
einem kläglich überschießenden Rest des Nichtidentischen etwas
anderes sei als "das
ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse" (MEW3, S. 6). Die
Idee des bedingungslosen Grundeinkommens nimmt diese Tatsache
ernst
und fordert aus der Perspektive des Kategorienapparats von Marx'
<i>Kapital</i> die Implementierung der bloßen, politisch
anerkannten
Existenz jedes Individuums als eines Teils der Gesellschaft in die
durch historisch überaus willkürliche Prozesse quantitativ
bestimmte Wertsubstanz der abstrakten Arbeit. Anders gesagt: Durch
das bedingungslose Grundeinkommen wäre ein Teil der Wertsubstanz
nicht länger abstrakte Arbeit, sondern abstraktes politisches
Selbstbewusstsein der Gattung in der Form politischer Anerkennung
jeglicher Individualität unabhängig von der Arbeit. Das wäre kein
Kommunismus, aber zumindest ein Fortschritt in der
kapitalistischen
Binnengeschichte von der abstrakten Individualität des
Privateigentums fort und hin zu einer konkreten Individualität
innerhalb des politisch selbstbewussten Gattungswesens. Es würde
insofern wohl Marx' wohlwollenden Blick auf die Nachgeborenen
finden.
Überhaupt gewinnt das sozialdemokratische Renegatenprojekt, der
Ware
Arbeitskraft einen einigermaßen erträglichen Platz in der
bürgerlichen Ordnung durch langwierige Stellschraubenkorrekturen
angedeihen zu lassen, durch die im Kern ja durchaus bloß
sozialdemokratische Forderung eines bedingungslosen
Grundeinkommens
vielleicht mal einen echten Sinn in Hinblick auf die Abschaffung
der
Ware Arbeitskraft. Vielleicht lehne ich mich damit etwas weit aus
dem
Fenster, aber ich will mal die geschichtsphilosophische These
wagen,
dass der Untergang des Realsozialismus auch etwas damit zu tun
hat,
dass der marktanarchische Kapitalismus formell näher am Verein
freier Menschen steht als die partei- und staatsbürokratisch
verwalteten sogenannten Diktaturen der Proletariate. Während Marx
sich im Verein freier Menschen die Ausschöpfung des vollen
Entfaltungspotentials der Individuen im Gehaltensein durch die
Gattung ausmalt, betrieben die Realsozialismen ja eher
volksgemeinschaftliche Abwehrkämpfe gegen die Bedrohung durch den
imperialistischen Klassenfeind einerseits, durch die ewige
Naturnotwendigkeit des Stoffwechsels mit der Natur andererseits.
Das
war im Detail sicherlich auch ehrenhaft, im großen Wurf aber blieb
es ein ziemlich widerwärtiges Herrschaftssystem. Kann man dem
Kapitalverhältnis der bürgerlichen Gesellschaft bis zum Ende
seiner
Tage vorwerfen, dass es den Individuen nur eine formelle, nicht
aber
eine materielle Freiheit im Gehaltensein der Gattung erlaubt, mit
zunehmender Spezialisierung und institutionalisierter
Differenzierung
vielleicht sogar zunehmend weniger erlaubt, so konstruiert es für
die am Markt erfolgreich Unternehmenden und als Funktionseliten
erfolgreich ihre Arbeitskraft Verkaufenden aber zumindest den
Schein
materieller Freiheit der eigenen Lebendigkeit und durch die
dramatische Produktivkraftentfesselung für immer breitere
Bevölkungsschichten zumindest den konsumtiven Lifestyle-Glauben
eines freien Lebens. Dieser Schein von Freiheit dürfte die
sozialpsychologische Basis für den Glauben an eine einfache
Umsetzbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens abgeben. Würde
es in relevanter Höhe eingeführt, würde die bürgerliche
Gesellschaft einen kleinen Schritt über die formelle Freiheit
hinaus
tun. Und zwar weniger deshalb, weil niemand sich mehr als
Individuum
gesellschaftlich unnötig gewordene Existenzsorgen machen müsste,
sondern vielmehr, weil die asketischen Individuen, die mit einem
bedingungslosen Grundeinkommen auszukommen imstande sind, ein
emanzipiertes Verhältnis zu den vom Kapital besessenen
Produktivkapazitäten und den mit ihnen organisch verwachsenen
Funktionseliten einnehmen würden und damit dem freien Tätigsein
überhaupt erst zu einem nachbürgerlichen Begriff verhelfen
könnten.
Mit anderen Worten könnte das bedingungslose Grundeinkommen das
Nadelöhr sein, durch das die formelle Freiheit der bürgerlichen
Gesellschaft gezwungen werden muss, um der Menschheit eine
materiell
freie Lebendigkeit, einen Verein freier Menschen abzugewinnen.
Dass
Marx sich den Verein freier Menschen als nomadischen Lebensstil
innerhalb der sesshaften Produktionsmittel ausmalt, halte ich für
richtungsweisend: "Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden
anfängt, hat jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der
Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann;
er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß
es
bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will –
während in der kommunistischen Gesellschaft, wo jeder nicht einen
ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem
beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine
Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies,
morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen,
abends
Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich
gerade
Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden."
(MEW3, S. 33) Anders lässt sich ein Ende dessen, wofür Marx den
denunziatorischen Begriff der Charaktermaske verwendet, kaum
denken,
ein Ende des Verwachsenseins der Individuen mit ihrer mehr oder
weniger lebenslang ausgeführten spezifischen Funktion in der
Wertverwertungsgesellschaft. Ehrlich gesagt ist mir kein Vorschlag
einer Transformation der kapitalistischen in eine tendenziell
kommunistische Geellschaft bekannt, der so friedlich und
naturwüchsig
funktionieren könnte wie die Einführung eines bedingungslosen
Grundeinkommens. Ich weise darauf hin, dass diese Argumente fürs
bedingungslose Grundeinkommen nicht neu sind, sondern mir im
Wesentlichen bereits in diesem Text von Katja Kipping und Ronald
Blaschke begegnet sind:
<a
href="http://www.archiv-grundeinkommen.de/kipping/Und-es-geht-doch-um.pdf">http://www.archiv-grundeinkommen.de/kipping/Und-es-geht-doch-um.pdf</a>
. Bemerkenswert wiederum finde ich, dass die Initiative um Götz
Werner ohne jede Nähe zu Marx meines Erachtens am schönsten und
prägnantesten für eine Befreiung lebendiger menschlicher Tätigkeit
vom Joch der Verwertungslogik und des Eigentums an
Produktionsmitteln
plädiert.<br>
<br>
Irgendwie wundert's mich immer, dass es
marxistische Strömungen gibt, die viel lieber ideelle Anarchisten
auf ihren fiktiven Inseln der höheren theoretischen Wahrheit
bleiben
möchten als auch nur einmal zuzugeben, dass Marx und der gesamte
Marxismus ein Produkt der bürgerlichen Gesellschaft ist, das die
zivilisatorische Kraft dieser Vergesellschaftungsform neben
anderen
Phänomenen belegen kann. Die Matrix hat uns weit mehr als Neo,
Morpheus und Trinity je ahnen werden. Dass die Antroposophen um
Götz
Werner und offenbar auch etliche Christengemeinschaften sich
durchaus
mit der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens anfreunden
können,
weil sich in ihren spezifischen Religionsinhalten die
Vermitteltheit
von Individuum und Gattung ohnehin deutlich spiegelt, wenn auch
vielleicht spirituell überhöht, könnte man als marxistischer
Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens auch so deuten, dass es
mal wieder ernsthaft Zeit für bestimmte Negation aktueller
Religionstrends ist, weil die Geschichte ja selbst im Kapitalismus
nicht stillsteht und Marx recht klar konstatierte: "die Kritik
der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik" (MEW1, S. 378).
Wenn selbst Antroposophen und Christen halbbewusst wittern, dass
der
Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen
zum qualitativen Sprung anhebt und die Überproduktionskrisen
zombieesk ihre Kinder fressen, dann dürfte das doch irgendetwas
über
den aktuellen Stand der historischen Selbstüberschreitungsaufgabe
des Kapitalverhältnisses aussagen. Würde ich zumindest mutmaßen.<br>
<br>
Da mir aufgefallen ist, dass es
Tendenzen innerhalb der Debatte ums bedingungslose Grundeinkommen
gibt, historische Protagonisten der Idee des bedingungslosen
Grundeinkommens auszugraben, und mir dabei der Name Mandel nicht
aufgefallen ist, möchte ich nebenbei darauf hinweisen, dass mir
irgendwann in den 90ern erstmals die Idee des bedingungslosen
Grundeinkommens begegnete, nämlich in Schriften des Marxisten
Ernest
Mandel (vgl. <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Ernest_Mandel">http://de.wikipedia.org/wiki/Ernest_Mandel</a>
), die glaube ich aus den 70ern stammten, also aus der Periode des
Wiedereintritts der westlichen Gesellschaften in eine
Verwertungsphase mit Massenarbeitslosigkeit. Ich erinnere mich
nicht
mehr sehr detailliert, fand Mandel aber recht nett und klar zu
lesen.
Sein Kernargument für ein bedingungsloses Grundeinkommen dürfte
die
damit verbundene Stärkung der Verhandlungsposition der Ware
Arbeitskraft/der Gewerkschaften gegenüber dem Kapital gewesen
sein.<br>
<br>
Dass es innerhalb der Gewerkschaften
Leute gibt, die der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens
skeptisch gegenüberstehen, mag viele Gründe haben. Um sich eine
allgemeinere Folie zu denken, wie man diesen absurd wirkenden
Umstand
erklären kann, scheint mir folgender Absatz von Karl Reitter
richtungsweisend: "Als ein Faktor der Auflösung traditioneller
sozialer Identitäten ist die technologische und organisatorische
Umstrukturierung der Produktion, aber auch der Verwaltungs- und
Forschungsinstitutionen, zu nennen. Idealtypisch läßt sich
folgende
Struktur feststellen: Das Zentrum des Betriebes besteht aus einer
kleinen Gruppe fest angestellter Personen, entlohnt und
beschäftigt
nach geltenden kollektivvertraglichen Bedingungen. In
konzentrischen
Kreisen lagern sich um diesen Kern die Gruppe der Teil- und
Leiharbeiter, diejenigen, die auf Basis von Werkverträgen arbeiten
und schließlich die Gruppe der scheinbar Selbständigen, die
zumeist
auf Gedeih und Verderb auf die Aufträge ihres maskierten
Arbeitgebers angewiesen sind. Dieses Muster findet sich quer durch
alle gesellschaftlichen Bereiche, Produktionsstätten sind davon
ebenso betroffen, wie Dienstleistungsbetriebe, Forschungs- und
Verwaltungseinrichtungen und die Universitäten. Sie betrifft
Bereiche mit hochqualifizierter Tätigkeit ebenso wie
Reinigungsbetriebe, Frauen ebenso wie Männer. Dieses Zentrum –
Peripheriemodell findet sich weiters nicht nur auf
arbeitsrechtlichem
Gebiet, es umfaßt die Organisation der Produktion selbst. Die
Phase
des Fordismus, mit gigantischen Produktionsstätten, tausenden
Arbeitern, die täglich das selbe Fabrikstor durchschritten und zu
den gleichen Bedingungen arbeiteten, gehört der Geschichte an. Der
gigantischen Konzentration der Kapitale entspricht keineswegs die
Konzentration der Produktion, im Gegenteil. Auslagerungen, kleine,
flexible Einheiten sind das Gebot der gegenwärtigen Epoche. Die
technologischen Erfindungen, das Anschwellen des sogenannten
tertiären Sektors (Dienstleistungen, Verwaltung) zu Lasten der
materiellen Produktion, haben sein übriges getan. Der ehrwürdige
Beruf, die kontinuierliche Ausübung der Erwerbsarbeit, gestützt
auf
fachlich erworbenes Wissen und speziellen Fähigkeiten, verbunden
mit
einem gesellschaftlich klar umrissenen Habitus, wird vom Job
abgelöst. Im Job Karriere zu machen erfordert vor allem formale
Qualifikationen. Ungebrochene Mobilität, die Bereitschaft, sich
ohne
Widerspruch den Erfordernissen eines sich ständig wandelnden
Arbeitsmarkt anzupassen, vorauseilenden Gehorsam und
bedingungslose
Identifikation mit gesellschaftlichen Werten und Normen." (vgl.
<a
href="http://www.linke-buecher.de/arbeitslosigkeit/Warum-garantiertes-Grundeinkommen---von---mailbox.univie.ac.at-Karl.Reitter.htm">http://www.linke-buecher.de/arbeitslosigkeit/Warum-garantiertes-Grundeinkommen---von---mailbox.univie.ac.at-Karl.Reitter.htm</a>
)<br>
<br>
Ich würde mutmaßen, dass sich ein
größerer Teil der aktiven Leute in den Gewerkschaften eher dem
Produktionszentrum zugehörig fühlt und am liebsten so tun würde,
als gäbe es die ganzen Phänomene der prekarisierten Peripherie
nicht. Wenigstens wohl sollte es sie im Angedenken an den
Wirtschaftswunder-Korporatismus nicht geben und daher erscheint
ein
bedingungsloses Grundeinkommen als falscher Weg. Richtiger wäre
demnach wohl, per Arbeitskampf die Peripherie wieder ins Zentrum
zu
ziehen und mit guter Wirtschaftspolitik für Vollbeschäftigung zu
sorgen. Dann würde sich auch niemand mehr auf der faulen Haut
ausruhen und jaja, wir schaffen das Bruttosozialprodukt.
Vielleicht
irre ich mich da ja auch, aber sozialpsychologisch finde ich es
naheliegend, dass insbesondere Gewerkschaftsleute mit den aus
meiner
Elterngeneration überkommenen sogenannten Normalarbeitsbiographien
sich nicht mit einem über das bedingungslose Grundeinkommen
etablierten Recht auf Faulheit anfreunden können. Ich bin Jahrgang
1977, in meiner Generation dürften solche sogenannten
Normalarbeitsbiographien schon deutlich seltener geworden sein.
Und
ich kann nicht sehen, dass die Gewerkschaften diesem Trend seit
mindestens der Wende 1989 irgendetwas Substantielles
entgegenzusetzen
fähig gewesen wären, eher wohl im Gegenteil. Versöhnlich gedacht,
sollte man in Diskussionen mit solchen Menschen in den
Gewerkschaften
wohl auf dieser Erosion der alten Arbeitswelt herumreiten und
immer
wieder klarstellen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eine
derart mächtige Verbesserung der Verhandlungsposition der
Gewerkschaften gegenüber den Unternehmen darstellen würde, dass es
wie gesagt nicht sehr realistisch, aber darum um so wichtiger ist,
dem Kapital dieses Zugeständnis abzuringen. Da ich mir eine breite
Anhängerschaft für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens
wünsche, möchte ich unversöhnliche Betrachtungen in diesem
Zusammenhang lieber nicht anstellen, obgleich sie sich mir mit
Blick
auf das Transformationspotential eines bedingungslosen
Grundeinkommens in Bezug auf kapitalistische Charaktermasken bzw.
verhärtete Identitäten aufdrängen. Also doch zumindest dieser
Satz: Die Abweisung der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens
in
Gewerkschaftskreisen verteidigt besitzstandschauvinistisch das
Privileg des gutsituierten Teils der arbeitenden Bevölkerung
gegenüber dem prekarisierten und arbeitslosen Teil der
Arbeitsbevölkerung, sich relativ stabil in den Produktionszentren
der Wertverwerung angesiedelt zu haben, und denunziert darüber
hinaus womöglich das mit einem bedingungslosen Grundeinkommen
faktisch etablierte Recht auf Faulheit, während es sich mit dem
faulen Luxuskonsum der oberen Zehntausend genauso arrangiert und
abgefunden hat wie mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln.<br>
<br>
Nebenbei lässt sich in diesem
Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass das
Zentrum-Peripherie-Modell sehr deutlich macht, dass die in
unterschiedliche Löhne, Arbeitsbedingungen und Risikoabsicherung
diversifizierte Arbeiterklasse schillernd belegt, dass die
Marxsche
Wertsubstanz abstrakte Arbeit nicht nur quer zum
Verwertungsregime,
sondern wesentlich auch innerhalb des Verwertungsregimes ein
Produkt
höchst vielfältiger sozialer Auseinandersetzungsformen ist und
daher unmöglich quantitativ bestimmbar.<br>
<br>
Während ich wohl wenig Zweifel daran
gelassen habe, dass ich theoretische Wahrheit eher bei Marx und
der
alten Frankfurter Schule sehe als bei kapitalismusimmanenten
Theorien, sind mir die Leute um Flassbeck oder etwa die
Memorandum-Gruppe zumindest ein wenig sympathisch. Ich würde
vermuten, dass das damit zu tun hat, dass ich einem
kleinbürgerlichen
Milieu entstamme, dessen subjektives Interesse eher in einer
keynsianischen Binnenmarktsstärkung als in einem Verein freier
Menschen oder dem vermeintlich objektiven Interesse des
Proletariats
liegt. Außerdem ist es freilich auch immer weit weniger psychisch
belastend, sich mit aufs reiche Deutschland fixierten
Zivilgesellschaftstheorien zu befassen, während sich mit Marx und
der alten Frankfurter Schule ja so unangenehme internationale
Phänomene wie Krieg, Hunger und Sklaverei systematisch nicht
ausblenden lassen. Wenn ich das halbwegs richtig überblicke, finde
ich die Binnemarktsstärkungs-Theorien vor allem deshalb daneben,
weil sie sich im Wesentlichen nur über In- und Output sowie
Verteilung den Kopf zerbrechen, weniger aber über die qualitativen
Formen der Lebenszusammenhänge, in denen Produktion und Konsum
stattfinden. Ich mag da ein wenig sensibel sein, insofern mir
schon
der weithin anerkannte Spruch, dass Lehrjahre keine Herrenjahre
seien, einen großen Ringelreigen von Alltagsbarbareien vors innere
Auge stellt. Ein Miteinander füreinander, das nicht auf
wechselseitigem Verständnis, Einsicht in gesellschaftlich
vermittelte Naturnotwendigkeiten und inhaltlicher Autorität
beruht,
sondern auf irgendwelchen weisungskoordinierenden Abhängigkeiten
und
einem ungleichen Zugriff auf gesellschaftliche Ressourcen, scheint
mir ganz grundsätzlich eklig. Aber selbst wenn man gewillt ist, in
der Debatte von der qualitativen Gestaltung der Lebenszeit der
Gesellschaft zu abstrahieren und sich stattdessen nur auf
volkswirtschaftliche Kreislaufvorstellungen reduziert, dürfte es
gänzlich unmöglich sein, einen irgendwie kohärenten inneren
Zusammenhang zwischen der Höhe eines heutigen Einkommens und der
gesellschaftlichen Produktivität der diesem Einkommen zugrunde
liegenden Tätigkeiten zu behaupten. Nur z. B.: Was soll an der
Tätigkeit einer Steuerberaterin produktiver sein als an der
Tätigkeit eines Straßenmusikers, was an der Tätigkeit eines
Arbeisvermittlers produktiver als an der Tätigkeit eines
Hausmanns,
was an der Tätigkeit eines Rüstungsingenieurs produktiver als an
der Tätigkeit einer Krankenschwester? Die Einkommensverteilung
gaukelt heute immer bloß vor, dass es einen inneren Zusammenhang
zwischen den Leistungen eines Individuums und der
gesamtgesellschaftlichen Produktivität gibt, während dieser
Zusammenhang in Wirklichkeit das Resultat höchst willkürlicher und
komplexer historischer Prozesse ist. Deshalb können sich die
Marxologen ja auch bis zum Ende aller Tage über die metaphysische
Substanz des Werts bei Marx wundern: Abstrakte Arbeit,
gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeitszeit, was mag das
bloß sein? Der Inbegriff eines historisch sedimentierten Fetischs
halt, nicht mehr, nicht weniger. <br>
<br>
Zudem ist mir völlig unklar, wo bei
den Kreislaufmodellen der Keynsianer eigentlich der gesamte
aufgehäufte Reichtum in materieller Form, die Produktions- und
langlebigen Konsumtionsmittel, also Marx' tote Arbeit überhaupt
theoretische Beachtung findet.<br>
<br>
Argumentieren Flassbeck und Co.
sinngemäß, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur das
Lumpenproletariat zur Arbeitsvermeidung animieren würde, sondern
auch die anscheinend bei der FDP abgeguckten Leistungsträger, und
dass dies ein Problem für die Gesamtproduktivität der Gesellschaft
wäre (vgl.
<a
href="http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6">http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6</a>
), dann würde ich sie erstmal auffordern, einen schlüssigen Beleg
für die These zu erbringen, dass es tatsächlich einen inneren
Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und individueller
Produktivität
gibt. Sofern sich denn überhaupt ein schlüssiger Begriff von
individueller Produktivität konstruieren lässt. Ein solcher Beleg
ist meiner Einschätzung nach systematisch nicht zu erbringen.
Zudem
stehen Teile der Argumentationen für ein bedingungsloses
Grundeinkommen ja nicht ganz willkürlich auf dem Standpunkt, dass
die Automatisierungstendenzen in Produktion und Verwaltung zu
einer
gesamtgesellschaftlichen Verschiebung des Begriffs der
Produktivität
führen, der sich mit klassisch fordistischen Vorstellungen
überhaupt
nicht mehr deckt. Dienstleistungsgesellschaften verschieben die
Wertbestimmtheit der Arbeit dem reinen Volumen nach notwendig
deutlich von einer stofflichen Warenbindung fort und hin zu einer
entstofflichten Form sozialer und kultureller Beziehungsmuster und
ideell-symbolischer Güter. Ansonsten finde ich die Beiträge von
Harald Schauff (vgl. <a
href="http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18773">http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18773</a>
) und Ronald Blaschke (vgl.
<a
href="https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2012/11/rb-hw_rezension-irrweg-grundeinkommen_121114.pdf">https://www.grundeinkommen.de/content/uploads/2012/11/rb-hw_rezension-irrweg-grundeinkommen_121114.pdf</a>
) ziemlich prägnante Kritiken an diesem keynsianisch orientierten
Angriff gegen die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens und
möchte nur auf ein kleines Detailargument hinweisen, das sich in
dem
Zusammenhang noch anbringen ließe: Die Aufblähung des Volumens an
Konsumentenkrediten und die Zunahme von Privatinsolvenzen dürfte
zwar angesichts des Umverteilungsvolumens eines bedingungslosen
Grundeinkommens in relevanter Höhe kaum der Rede wert sein, stellt
aber zumindest ein Detailbeleg dafür dar, dass die Inflationsangst
von Flassbeck und Co. so begründet kaum sein kann.<br>
<br>
Zudem lässt sich bei den Keynsianern
ja immer die Frage aufwerfen, wer denn eigentlich die soziale
Basis
für die Umsetzung ihrer Pläne sein soll. Rot-Grün, die vor gar
nicht langer Zeit Oscar Laffontaine dissten und Hartz4 einführten?
Da es seit Wende und Wiedervereinigung meines Wissens in der EU
nirgends ernsthafte sozialpolitische Fortschritte, sondern nur
Rückschritte gegeben hat, betreibt die Keynsianer-Fraktion nicht
weniger Wunschdenken als die Anhängerschaft der Idee eines
bedingungslosen Grundeinkommens. Letzteres könnte immerhin die
Wahlbeteiligung der Unterschichten wieder in die Höhe treiben und
so
etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner für alle sein, die das
starke Gefühl haben, dass es so ja nun wirklich nicht mehr weiter
gehen kann.<br>
<br>
Angesichts der internationalen
Spannungen im Zuge einer kriselnden Wertverwertung fände ich es
übrigens nicht falsch, für die Idee eines bedingungslosen
Grundeinkommens Rosa Luxemburgs "Sozialismus oder Barbarei"
als Slogan zu annektieren: "bedingungsloses Grundeinkommen oder
Barbarei". Denn mindestens aus keynsianischer Perspektive müsste
völlig klar sein, dass die Einführung eines bedingungslosen
Grundeinkommens insofern ein Jungbrunnen fürs Kapital darstellt,
als
es immense zusätzliche konsumtive Anreizimpulse für die
Produktionssphären setzt. Durch internationale Konflikte die
Abschöpfung ausländischen Mehrwerts zu organisieren und/oder
Überproduktionskapazitäten zu zerstören, könnte dann fürs
Kapital weniger attraktiv bzw. notwendig erscheinen. <br>
<br>
Ansonsten möchte ich zumindest auch
positiv zu Flassbeck und Co. vermerken, dass mir noch nirgends
sonst
der sich aufdrängende Gedanke so klar formuliert begegnet ist,
dass
der sogenannte Neoliberalismus in seiner Konsequenz die
Restauration
bis zum Rückfall ins Feudalsystem betreibt: "Gehören
zunehmende Ungleichheit und Verarmung der unteren
Einkommensschichten
auf Dauer und unter den Bedingungen der Globalisierung
unvermeidlich
zum Marktmechanismus dazu? Wenn ja - davon sind die Neoliberalen
überzeugt -, muss die Frage gestellt und beantwortet werden, ob
die
Marktwirtschaft heute und vor allem in Zukunft noch mit einer
demokratischen Gesellschaftsordnung in Einklang zu bringen ist.
Denn
wenn die Reparaturversuche der sozialen Schäden, die die
Marktwirtschaft dann offenbar systematisch anrichtet, mittels der
Sekundärverteilungsmöglichkeiten des Staates das System
Marktwirtschaft selbst wiederum schädigen oder zumindest
beeinträchtigen, scheinen sich die Anforderungen des
Wirtschaftssystems und die des politischen Systems logisch zu
widersprechen. <br>
Dann aber wäre der Kampf gegen Armut
und gesellschaftliche Spaltung innerhalb eines
marktwirtschaftlichen
Systems letzten Endes zum Scheitern verurteilt. Aufrichtiger wäre
dann schon die Suche nach einem anderen politischen System, in dem
sich ökonomische Ungleichheit und politische Teilhabe entsprechen
(etwa in einem Ständestaat mit Klassenwahlrecht)." (vgl.
<a
href="http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6">http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6</a>
) New Model Army freilich sangen bereits 1990 und damit lange vor
dem
Höhepunkt der "Standort Deutschland"-Debatte: "<font size="3">The
council tries to bribe the rich just to stay in town". </font>
<br>
<br>
<br>
Ich kann zwar nicht behaupten, dass er
sich ernsthaft auf irgendwelche Erfahrungstatsachen stützen
könnte,
aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass der Hegelsche Weltgeist
in
den nächsten Jahrzehnten einen politischen Fortschritt der
Menschheit wenn überhaupt, dann wohl eher von Asien, wesentlich
wohl
China und Indien her organisieren wird. Verzichtet der Weltgeist
auf
ein grundlegendes Neumischen der Karten durch drastische
Klimakatastrophe und im Zuge der Verwertungskrisen sich
aufdrängende
gesellschaftliche Katastrophen à la world war 3, dann findet er im
Anschluss an die Phase der nachholenden Industrialisierung in
Asien
vielleicht mal Muße, die bürgerliche Egalität in eine materielle
umzuformen. Vielleicht sehe ich das zu optimistisch, aber wenn
Asien
erstmal ökonomisches und militärisches Zentrum des Globus geworden
ist, könnte aus Maos Wühlmausarbeit und der Liebe zur Oppulenz im
Hinduismus heraus ja ein asiatischer Exportimperialismus den
Europäern und vielleicht sogar den Amis ein bedingungsloses
Grundeinkommen nach dem Muster aufzwingen, das im Dilthey-Modell
skizziert wird. Und Afrika hoffentlich einfach schenken. Während
ich
für Deutschland und damit wohl leider auch Europa eher befürchte,
dass es sich für absehbare Zeit aus einem manifest-vorbewussten
Glauben der Mehrheit an eine Wahrheit der guseisernen "Arbeit
macht frei"-KZ-Sprüche der Nazis heraus verbietet, der Liebe
zur freien Tätigkeit von Antroposophen und Marxschen Frühschriften
und dem Recht auf Faulheit der Spaßgesellschaftsfraktionen durch
ein
bedingungsloses Grundeinkommen auch nur den Hauch einer Chance
einzuräumen. Aber selbst wenn dem so sein sollte, wer will so
lange
bloß warten und hoffen?<br>
<br>
<br>
5. Ein paar Bemerkungen zur
Schizophrenie des Schwarzmarkt-Begriffs aus Sicht des
bedingungslosen
Grundeinkommens<br>
<br>
Der kritische Beitrag von
Antje Schrupp (vgl. <a
href="http://antjeschrupp.com/2013/06/29/7244/">http://antjeschrupp.com/2013/06/29/7244/</a>
) zu einem anderen Artikel der Mitautorin des eben erwähnten
Angriffs auf die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens von
Flassbeck und Co., Friederike Spiecker, der ziemlich ähnlich
gestrickt ist wie der Artikel in Le Monde (vgl.
<a
href="http://www.flassbeck-economics.de/grundeinkommen-falsches-mittel-aufgrund-falscher-analyse/">http://www.flassbeck-economics.de/grundeinkommen-falsches-mittel-aufgrund-falscher-analyse/</a>
), hat mich dazu animiert, mal ein wenig über den
Schwarzmarktbegriff zu meditieren. Ist für Dialektiker abstrakt ja
immer klar, dass sich jeder beliebige Gegenstand als schizophren
erweist, wenn er nur genau genug angeschaut wird, so ist es doch
immer wieder überraschend, was sich konkret an den jeweiligen
Gegenständen ergeben kann. Schwarzmärkte sind aus der Perspektive
der Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens einerseits
aus
Gerechtigkeitsüberlegungen heraus wenig wünschenswert,
andererseits
potentiell ein Riesenproblem, da sie sich dem Kapital neben
Landesflucht geradezu als Antwort auf eine wie auch immer
gestaltete
Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in relevanter
Höhe
aufdrängen könnten. Dem dürfte zwar der hohe Grad an
Systemintegration der meisten Wertkreisläufe entgegen stehen, aber
ich würde dieses Problem dennoch nicht unterschätzen.<br>
<br>
Am Rande möchte ich in dem
Zusammenhang erwähnen, dass schon heute bspw. die Illegalität von
vielen Rauschsubstanzen nicht nur wegen der damit einhergehenden
unnötigen Verelendung von Konsumenten ein Skandal ist, sondern
auch
wegen der in dieser illegalisierten ökonomischen Sphäre
vorfindlichen Arbeitsbedingungen und wegen der immensen
Steuerhinterziehung dieser wegen der Illegalität freilich gar
nicht
erst besteuerten Märkte. <br>
<br>
Antje Schrupp legt implizit wohl das
von Roswitha Scholz in die marxistische Debatte eingeführte
Wertabspaltungstheorem (vgl.
<a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Roswitha_Scholz">http://de.wikipedia.org/wiki/Roswitha_Scholz</a>
) zugrunde, das ich inhaltlich richtig finde. Der gender pay gap
ist
dafür ja nur ein soziologisch-empirischer Ausdruck. Ich würde
sagen, dass die Wertabspaltung ein Teilaspekt von dem ist, was es
unmöglich macht, Marx' Begriff der Wertsubstanz, also die
abstrakte
Arbeit, in irgendeiner Weise sinnvoll quantitativ zu bestimmen.
Grundlegend fasst die abstrakte Arbeit das Ergebnis aller
möglichen
sozialen Auseinandersetzungsformen in Geschichte und Gegenwart in
einer Kategorie zusammen und wäre daher nur aus einer göttlichen
Perspektive konkret bestimmbar. Alle Wertkategorien sind halt
geschichtlich-gesellschaftlicher Natur, so sehr ihr Verwachsensein
mit Dingen und ihr höchst abstrakter Bezug auf Lebenszeit auch
darüber hinwegtäuschen mag. <br>
<br>
Interessant in Bezug auf den Begriff
des Schwarzmarkts ist das Wertabspaltungstheorem, weil es den
Blick
auf alle nicht-monetären Tätigkeitsformen weitet. Antje Schrupp
kann sich zwar angesichts der monetären Missachtung von
kulturgeschichtlich weiblich konnotierten Tätigkeiten, also
angesichts von gender pay gap und dem Aufladen von Tätigkeiten zur
Reproduktion der Ware Arbeitskraft auf vornehmlich weibliche
Schultern, darüber belustigt zeigen: "Haha. Hausfrauen als
passionierte Steuerhinterzieherinnen, das finde ich geradezu mal
lustig." (<a href="http://antjeschrupp.com/2013/06/29/7244/">http://antjeschrupp.com/2013/06/29/7244/</a>
) Und Friederike Spiecker ist so sehr in ihrem
arbeitsfetischistischen Wahn drin, Inflationsgespenster aus der
möglichen Arbeitszeitreduzierung von imaginierten Leistungsträgern
abzuleiten, dass sie gegenüber der Wertverwertungsarbeit nur zwei
alternative Tätigkeitsformen sieht, die beide mehr oder weniger
auf
Eigenbrödlerei hinauslaufen: "Wieviel Steuern sollte der Staat
z.B. für das Bild eines Malers kassieren, das der an
irgendjemanden
verschenkt oder bei sich zu Hause ausstellt? Solange das Bild
keinen
Käufer findet, kann der Staat darauf bzw. auf die Arbeit des
Malers
keine Steuern erheben. Das gilt natürlich auch für alle Arbeiten,
die jemand für sich selbst erledigt, die sozusagen weg von der
Arbeitsteilung und hin in Richtung Autarkie gehen. Lasse ich meine
Wohnung putzen und bezahle dafür, kann der Staat diese Aktivität
besteuern. Mache ich selbst sauber, kann der Staat meine Arbeit
nicht
besteuern." (vgl.
<a
href="http://www.flassbeck-economics.de/grundeinkommen-falsches-mittel-aufgrund-falscher-analyse/">http://www.flassbeck-economics.de/grundeinkommen-falsches-mittel-aufgrund-falscher-analyse/</a>
) <br>
<br>
Es gibt aber neben privatistischer
Tätigkeit für sich selbst oder für Freunde und Bekannte eine
dritte Alternative, die für die Gruppe um Flassbeck viel
erschütternder sein müsste und den eigentlich emanzipatorischen
Gehalt des bedingungslosen Grundeinkommens verdeutlich:
nicht-gewinnorientierte, nicht-monetär vermittelte Kooperativen
mit
ausreichendem Zugriff auf Produktionsmittel. Ich hatte das oben im
Zusammenhang mit meinem Rettungsversuch des reinen
Konsumbesteuerungsmodells angedacht: gemeinnützige Vereine könnten
auf der Basis eines bedingungslosen Grundeinkommens eventuell
durchaus konkurrenzfähig gegenüber gewinnorientierten
Unternehmungen werden. Das würde ich sogar geradezu als
Notwendigkeit empfinden, weil ansonsten das bedingungslose
Grundeinkommen doch nur Armutsbekämpfung, Recht auf Faulheit und
Hilfe im Klassenkampf für die unterliegende Klasse wäre, nicht
aber
Transzendierung der Klassengesellschaft. Auch dazu ließe sich
"immerhin" sagen, aber das Herz will, was das Herz will,
und das ist nun einmal unter anderem der Verein freier Menschen. <br>
<br>
Es
gibt freilich auch heute nicht-gewinnorientierte, nicht-monetär
vermittelte Kooperativen, etwa die Open-Source-Bewegung oder
bestimmte Aspekte von Religionsgemeinschaften, Wohlfahrtsverbänden
und vieles mehr. Aber auf der Basis eines bedingungslosen
Grundeinkommens wäre hoffentlich eine drastische Ausweitung
solcher
Kooperativen zu beobachten. Um's mal plastisch auszupinseln: Was
würde die deutsche Autolobby dazu sagen, wenn ein paar reiche
Ökofreaks mit der Hilfe vieler ehrenamtlich Aktiver ein
flächendeckendes Car-Sharing-Modell mit Elektroautos in der
gesamten
EU zum Nulltarif oder niedrigem Vereinsmitgliedsbeitrag als
gemeinnützigen Verein aufziehen würden? Wettbewerbsverzerrung?
Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und Schwarzmarkt á la
Friederike
Spiecker im großen Stil? Um's ein bisschen allgemeiner zu sagen:
Sollte Adorno Recht haben und "die Menschen sind immer
noch besser als ihre Kultur" (Adorno, Minima Moralia, GS4, S.
51), dann würde sich auf der
Grundlage eines bedingungslosen Grundeinkommens die Möglichkeit
ergeben, dass alle als unethisch empfundenen Aktivitäten von
gewinnorientierten Unternehmen relativ flott durch als zumindest
weniger unethisch empfundene Aktivitäten auf gemeinnütziger Basis
ersetzt werden würden. Alle als unethisch empfundene Aktivitäten
von gewinnorientierten Unternehmen? Ja, was bliebe denn da noch
vom
Kapitalismus?<br>
<br>
Als jemand, der eine solche Entwicklung
begrüßen würde, könnte man freilich sagen: Fein. Hoffen wir
einfach mal, dass das in vernünftigen Bahnen geschieht, die
Gemeinnützigkeit nicht bloß gefaked wird, sich das bedingungslose
Grundeinkommen sukzessive durch eine andere Form der Ökonomie
ohnehin erübrigt und mit der Wertverwertung alsbald Schluss ist. <br>
<br>
Aber
zumindest könnte man dann als Verfechter eines bedingungslosen
Grundeinkommens auch zugestehen, dass die Argumente von Flassbeck
und
Co. gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen sind: Eine
Wohlfahrtsökonomie, die der monetär vermittelten Wertverwertung
das
Wasser abgraben würde, würde auch die Steuermasse und damit die
Basis des bedingungslosen Grundeinkommens erodieren lassen. Ich
würde
einfach mal hoffnungsfroh davon ausgehen, dass die
Gesamtgesellschaft
vernünftig genug wäre, den sukzessiven Einbruch beim
bedingungslosen Grundeinkommen durch nicht-monetär vermittelte
gemeinnützige Tätigkeiten auszugleichen. Es wäre aber immerhin
auch denkbar, dass die bei gemeinnützigen Tätigkeiten fehlende
gesamtgesellschaftliche Regulation über Marktmechanismen zu großen
Diskrepanzen führen könnte, zu großer Wohlfahrt hier und Mangel am
Nötigsten dort. Zumindest im Hinterkopf sollte diese Möglichkeit
bleiben. Vielleicht kann ja mal jemand eine App namens
"Planwirtschaft 2.0 " basteln, die den Bedarf der
Gesellschaft am Nötigsten im Blick behält ...<br>
<br>
<br>
<br>
By the way: Falls jemand eine Idee hat,
wie ein Magister-Philosoph das täglich Brot für sich, seine Frau
und unsere beiden Katzen während des Wartens auf die Einführung
eines bedingungslosen Grundeinkommens erwirtschaften könnte,
vielleicht z. B. mit polit-theoretischer Arbeit, dann wäre ich für
einen Hinweis wirklich dankbar. Erwerbslosigkeit rockt nicht im
Ernst. Könnte ja sein. Ansonsten hilft vielleicht
Hartz4-Regime-Drangsalierten das Konzept des
Initiativbewerbungs-Spammens, das ich hiermit mal versuche. Als
ich
letzten Oktober erstmals den ALG2-Status ergatterte, hat mir meine
Arbeitsvermittlerin per Eingliederungsvereinbarung 8
Bewerbungsinitiativen pro Monat aufgedrückt. Trotz relativ
engagierter Sichtung der Stellenmärkte komme ich nicht einmal auf
die Hälfte der Vorgabe, und das auch nur, weil ich diverse
Bewerbungen verschickte, die so ernst nicht gemeint waren. In
dieser
Form eine Initiativbewerbung an eine Mailingliste von x Personen
zu
verschicken, dürfte Planübererfüllung bedeuten. Falls mir jemand
sagen kann, wie groß x ist, könnte ich kommende Woche während
meines nächsten Gesprächs mit einem neuen Arbeitsvermittler
vielleicht sogar argumentieren, dass mein Soll nach der Formel (x
+
43 abgeschickte Bewerbungen - 10 Monate * 8 Bewerbungen) / 8
Bewerbungen für entsprechend viele künftige Monate eigentlich
erfüllt ist. Vermutlich weiß kaum jemand so viel über die
Absurditäten von Hartz4 wie die Leute, die in der Arbeitsagentur
arbeiten. Ihnen zu spiegeln, dass auch ALG2-Empfänger diese
Absurditäten zumindest ein Stück weit klar haben, kann aber wohl
dennoch kaum schaden. Fast unnötig zu erwähnen, dass ich in den 18
Monaten seit der Kündigung meines letzten Jobs und des damit
verbundenen Erstkontakts zur Arbeitsagentur keinen einzigen
Vermittlungsvorschlag von irgendeinem Arbeits"vermittler"
erhalten habe. <br>
<br>
<br>
Mit lieben Grüßen aus Bremen,<br>
<br>
Bert Grashoff<br>
<br>
<br>
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