[Debatte-Grundeinkommen] Fwd: Sozialismus auf der Basis des Geldsystems ist nicht moeglich

willi übelherr wube at gmx.net
Mi Nov 21 20:37:06 CET 2012


liebe freunde,

auf diesen beitrag von mir zur GE-liste hat matthias, der moderator der 
liste, zu recht geantwortet, dass in diesem text das grundeinkommen nicht 
explizit genannt wird, sondern nur indirekt im raum steht. dass er daraus 
den schluss zieht, ihn nicht weiter zu geben, halte ich fuer falsch. ich 
verstehe seine begruendung, dass angesichts der debatten mit g.jenner die 
moderation verstaerkt ihr augenmerk darauf richtet, dass die texte sich mit 
dem BGE beschaeftigen sollen.

meine haltung dazu ist voellig anders. die diskussion um das geldsystem ist 
der kern des ganzen. daraus konnten wir sehen, wie laecherlich die 
diskussionen um finanzierungsfragen und um "organisierte faulheit" ist. weil 
die eliten noch nie gearbeitet haben, sich noch nie produktiv am 
gesellschaftlichen produktionsprozess beteiligt haben. gleichzeitig aber die 
grosse masse gesellschaftlichen vermoegens und der werte rauben, sich unter 
den nagel reissen.

so gesehen war die diskussion sehr fruchtbar, weil sie uns wieder auf den 
boden der realitaet gebracht hat. und viele illusionen aufgeloest wurden.

es gibt aber auch einen anderen grund, warum dieser text auf der liste 
notwendig ist. hier wird um den kern des BGE diskutiert und nicht um seine 
symbolik. das mag fuer euch etwas unverstaendlich wirken, weil ihr in 
anderen verhaeltnissen zu hause seid. hier steht der term "Buen Vivir" im 
zentrum, das gute leben, fuer alle. das ist letztlich auch der zweck fuer 
das BGE.

erst wenn wir in der lage sind, die gesellschaftlichen sphaeren der 
oekonomie selbst zu gestalten, koennen wir das uneingeschraenckte recht auf 
materielle grundversorgung realisieren. auf diesem weg sind die 
venezuelanerInnen. ihr noch nicht. ihr beschaeftigt euch noch viel mit dem 
theater.

und trotzdem ist es wichtig, den begriff Bedingungsloses Grundeinkommen hier 
zu verankern, weil so der bewusste umgang mit dieser frage weiter gefoerdert 
und die internationale verbindung gestaerkt wird. und letzteres ist unsere 
grosse kraft fuer die zukunft. indem wir uns auf der grundlage gleicher 
interessen zusammenschliessen, also verbindungen herstellen, staerken wir 
die wucht fuer die aufloesung des raeuberischen geldsystems. und dies sollte 
eigentlich unser gemeinsames ziel sein.

das BGE ist nicht an geldsystem gebunden, es ist eine philosophische 
kategorie und findet in konkreten verhaeltnissen seine konkrete anwendungsform.

mit lieben gruessen, willi
mérida/venezuela



-------- Original-Nachricht --------
Betreff: Sozialismus auf der Basis des Geldsystems ist nicht moeglich
Datum: Sun, 18 Nov 2012 00:59:57 -0430
Von: willi übelherr <wube at gmx.net>
An: netzwerk ge debatte <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>

liebe freunde,
ein Beitrag zur Debatte in Venezuela.
mit gruessen, willi

Sozialismus auf der Basis des Geldsystems ist nicht moeglich

Debatte um die Prinzipien des Sozialismus (5)

liebe freunde,

frueher oder spaeter muessen wir uns dieser frage zuwenden, weil sie unseren
alltag und unser taegliches tun bestimmt. das geldsystem, das immer auf
einer spekulativen grundlage ruht, es ist sein zweck, dominiert unsere
konkrete existenzform und damit praegt es auch unser konkretes denken und tun.

"das Sein bestimmt das Bewusstsein", ein satz von Karl Marx, konzentriertes
resultat vieler reflexionen ueber gesellschaftliche prozesse. wir koennen es
in unserer konkreten lebensumgebung taeglich erkennen. es geht dabei nicht
nur um zwangshandlungen, zwangsverhalten, sondern primaer um zwanghaftes
denken. unsere denkraeume reduzieren sich auf kleine fragmente, auf
reaktionsmuster, weil das grosse feld aussen herum mit zaeunen ausgesperrt
wird. diese zaeune sind aber in uns, sie sind nicht real, existieren nicht
in der konkreten wirklichkeit.

diese zaeune ruhen auf verinnerlichten denkbegrenzungen, der dogmatik, und
stabilisieren so unsere selbstorganisierte reproduktion dieser begrenzungen,
indem wir sie akzeptieren. alle religionen und alle religioesen
theoriebildungen, wie kapitalistische oekonomie, buergerliche rechtssysteme
und staatstheorien basieren auf dogmatik. sie kreisen alle um einen punkt:
die legitimierung privater aneignung gesellschaftlicher ressourcen.

das ist der kern kapitalistischer produktionsformen, buergelicher
staatssysteme mit ihren gewaltverbaenden, theologischer denkdeformationen,
verlogenem buergerlichen journalismus und medienwirklichkeit, elitaerer
strukturierung. ihr wichtigstes instrument dabei ist das geldsystem. es ist
die faserstruktur des ganzen, die vermittlungsinstanz. mit dem geldsystem
dringt die ideologie der ausbeutung in alle poren des gesellschaftlichen
seins, es materialisiert sich und reproduziert sich taeglich selbst.
monotheistische ideologien helfen mit wie auch andere formen buergerlicher
theorienbildung. auch die medialen vernebelungsinstanzen helfen mit. aber
ohne die konkrete wirkung des geldsystems sind sie alle nur schwebende
nebelwolken.

das geldsystem schafft die materielle grundlage. darueber werden die
prozesse organisiert, die rahmenbedingungen geschaffen. mit soeldnerarmeen
und intellektueller prostitution. mit anbiederung und verkauf seiner selbst.
alles muss zur ware werden, tauschbar ueber ein medium, den eigenwert
verlierend und nur noch als dinglichkeit der projektion existierend.

der finanzkapitalismus, also die verschiebung der kapitalverwertung in
selbstkonstruierte virtuelle raeume, ist nur eine implizite anwendung der
eigenen logik. all die internationalen kapitalkonstruktionen ruhen auf dem
wesen des geldsystems: spekulative wertabbildung mit wertspeicherfunktion.
von daher ist es auch klar, dass es mit der herausbildung elitaerer
strukturen in gesellschaftlichen verbaenden zeitnah entstand, sie erst
ermoeglichte. geldsystem und elitaere strukturierung sind die beiden,
dialektisch wirkenden elemente von ausbeutungsverhaeltnissen.

wir sehen es in venezuela ueberall. alle staatsinstitutionen agieren auf
dieser grundlage, kreisen um diese elemente. entlang der geldstroeme,
quellend aus den petro-dollars, wird alles in ihren bann gezogen und
durchwuchert die gesellschaft bis in ihre kleinsten veraestelungen. so dreht
sich das denken der menschen nicht mehr um die frage, wie wir uns faehig
machen, die lebensbedingungen konkret und kreativ-produktiv zu gestalten,
sondern wie wir an geld heran kommen. damit ist auch klar, dass wenn es
andere moeglichkeiten nicht gibt, raub und korruption, also indirekter raub,
sich entfalten kann.

es ist keine frage von moral oder ethik. diese eigenschaften entstehen nicht
aus sich selbst heraus, auch nicht durch geschwaetz und parolen und
theologische phrasen. moral und ethik sind ausdrucksformen einer
existenzweise, die mit sich und seinen bedingungen im einklang steht.

die geldstroeme, derer sich in venezuela so viele bedienen, sind ergebnis
einer internationalen ausbeutungsstruktur. damit wird venezuela selbst zum
akteur internationaler sklavensysteme, des raubs und der pluenderung.
darueber muessen wir uns im klaren werden. venezuela ist keine autonome
insel. die dominanz des imperialen und kriminellen US-kapitalismus in
venezuela, verflochten mit seinen freunden in europa, stellt alles gerede
von einer gerechten welt in den raum von egoismen und individueller
interessensverfolgung, in den raum der phraeologie.

wenn minister aus caracas in mérida so selbstverstaendlich mit aufgeblaehten
vorstadtpanzern von Chevrolet und Ford zu einer politischen versammlung
anrollen und dann von sozialismus schwafeln, den kandidaten Alexis Ramirez
als verfechter von sozialistischer verantwortung aufpolieren, dann wird die
laecherlichkeit deutlich. der imperialismus als konkrete form der
internationalen pluenderung ist ueberall praesent und laesst sich nicht mit
schaumschlaegerei aus der welt schaffen.

diese leute sind teil der aktiven versklavung in asien, die grosse werkstatt
des planeten, wo millionen von menschen unter entwuerdigenden bedingungen
die materiellen substrate schaffen, die ueberall gebraucht werden. begleitet
von den sklavischen produktionsverhaeltnissen in nordamerika und europa. in
diesem kontext mutiert lateinamerika zum billigen raubbaugebiet fuer
natuerliche stofflichkeiten und zum hinterhofmarkt fuer all den dreck, der
weltweit verhoekert wird. die supermarktkultur entfaltet sich zum
lebenszweck. kommerzzentren werden zum freizeitpark wie in Puerto Ordaz und
Caracas.

all diese verkommenheit und intellektuelle deformierung finden wir
konzentriert zelebriert in den staatlichen institutionen und einrichtungen,
gepaart mit einer duemmlichen ausdehnung von reglementarien und schikanen,
ruhend auf unsinnigen ablaeufen, die nur der egoistischen selbsterhaltung
sich verpflichtet fuehlen.

in den diskussionen um konkrete gestaltung des Buen Vivir, den konkreten
lebensbedingungen und rahmenverhaeltnissen, in den Consejo Comunales und
Sala de Batalles geht es nicht um die grundlagen, um die kriterien, um seine
essenzen und konzentrate, sondern primaer um geld. so, als koenne geld sich
materialisieren. da geht es auch nicht um methoden der gestaltung von
Haeusern, um fragen der aesthetik, der eigenschaften von materialien und
seiner qualitaeten. es sind entleerte prozesse industrieller konsumkultur
auf der basis der erringung kurzfristiger resultate, oberflaechliche
loesungsmuster.

wir koennen hier den menschen in den lokalen sphaeren keinen vorwurf
konstruieren, weil sie die raeume nicht betreten koennen, um es in ihrem
natuerlichen sinne, ruhend auf den erfahrungen vieler generationen zu
realisieren. das setzt freie diskursraeume voraus, die jegliche form von
tabuisierung und selektiver begrenzung ausser kraft setzen. aber sowohl im
inneren denken als auch in den aeusseren verfasstheiten werden sperren und
blockaden aufgetuermt, die die einzelnen in orientierungslose
verzweiflungsreaktionen treiben. der sog des mainstreams dominiert.

die mitarbeiter oeffentlicher, staatlicher instanzen sind groesstenteils
egoisten, verpflichtet ihren individuellen erhaltungsinteressen, gebrauchend
die gemeinschaftlichen ressourcen als ihre privaten dominanzraeume,
mutierend zu kapitalistisch orientierten privatbesitzern, zelebrierend das
elitaere chefdasein. sie verstehen wenig von dem, womit sie sich
beschaeftigen. reproduzieren taeglich phrasen und allgemeine sprachhuelsen
unter deckung der verwendung einzelner terme aus dem revolutionaeren
sprachschatz. sie nutzen diese begriffe wie gegenstaende aus dem supermarkt.
revolutionaere traditionen werden vermarktet.

das sind gewaltige zeitbomben, die sich da entfalten. die zerstoerung
natuerlicher vielfalt im denken und sein, die aufloesung von kooperativer
selbstorganisation, die verhinderung der herausbildung lokaler identitaeten,
die sich auf subjektive, lokal vermittelte eigen- und selbstgestaltung
gruendet. alles wird formalisierten und normierten denkmustern von sich
selbst konstruierenden ideologieapologeten auf der basis geldgetriebener
vermarktungsoekonomie unterworfen.

die versammlungen fuer und mit dem kandidaten der PSUV Mérida zur wahl des
gobernador Alexis Ramierez sind blosse showevents, ohne ruhige, sachliche
diskurse, eine zelebrierung von geschrei um nichts, immer mit bezug auf
senor Hugo Chavez, ohne jemals seine philosophie und seine ideen zum
gegenstand zu machen. da werden 800 menschen aus dem ganzen staat
zusammengekarrt, die sich mehr um sich selbst und ihre nachbarn oder um
einkaufmoeglichkeiten kuemmern als um fragen der zukunftsgestaltung. es sind
fast ausschliesslich mitarbeiter von oeffentlichen einrichtungen, die zum
zwecke der erhaltung ihrer privilegien sich beteiligen muessen. die PSUV
Mérida zeigt hier ihre kapitalkraft, wie wir sie in der praesidentenwahl in
der USA verfolgen koennen. aber sie zeigt auch ihre nutzlosigkeit.

ganz anders das wirken von Florencio Porras. den menschen in ihren lokalen
bezuegen verpflichtet, eintauchend in die wirklichkeit, um sie zu verstehen.
sein grundsatz lautet: die menschen wissen sehr gut, was sie brauchen, wir
helfen ihnen. nur dafuer sind wir da. das korreliert mit den visionen von
senor Hugo Chavez. die verantwortung fuer die gemeinschaft, fuer die lokale
selbstgestaltung, fuer netzwerke lokaler gemeinschaften in kooperation und
solidaritaet, dem Estado de Comuna.

Florencio Porras versteht sehr gut, was zu tun ist. und die menschen
verstehen, dass er sich diesem weg verpflichtet. getragen von visionen fuer
eine andere welt, ruhend auf gerechtigkeit und gleichheit. dem recht aller,
am prozess fuer ein Buen Vivir fuer alle sich beteiligen und daran anteil
nehmen zu koennen. die gesellschaftlichen ressourcen und einrichtungen in
den dienst fuer die allgemeinheit stellen. den konsumismus und die
indoktrinierte und auch organisierte sklaverei durchbrechen. die kraefte der
eigengestaltung foerdern, ruhend auf unseren kreativ-produktiven
taetigkeiten im denken und tun.

mit lieben gruessen,
willi uebelherr, wube at gmx.net, 14.11.2012

REDES Comunales Merida
www.redescomunalesmerida.wordpress.com
redescomunalesmerida at gmail.com





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