[Debatte-Grundeinkommen] Das Geldsystem

willi übelherr wube at gmx.net
Do Aug 16 20:40:01 CEST 2012


hallo agnes,

nun will ich dir und manchen anderen antworten. da es mir nur um deine 
aussagen geht, habe ich den ganzen textschwanz kurzerhand abgetrennt.

aus deinen ausfuehrungen geht hervor, dass fuer dich das geldsystem ein 
notwendiges instrument fuer die produktion von guetern, als der entwicklung 
der theorien, der konstruktiven methoden, des verstaendnisses der gesetze 
der natur, auf dem dies ruht, der gestaltung der transportsysteme 
materieller wie immaterieller art usw., ist. ich vermute, dass du selbst nie 
taetig warst in produktiven spaeren.

der schein truegt. all dies vorgenannte hat nichts mit geld zu tun. es 
nuetzt dir wenig. deine vorstellungen ruhen nur auf der absolutierung von 
umgebungsbedingungen, die ausschliesslich konstruktiver natur sind. es sind 
die gleichen konstruktionen auf grundlage von dogmatik wie alle religionen. 
oekonomische theorien, theorien der rechts- und staatssysteme, all das sind 
ausschliesslich religionen und haben nichts mit den wirklichen grundlagen zu 
tun. sie werden uebergstuelpt gegen den willen der menschen. damit die 
menschen dies ertragen, wurden die gewaltsysteme notwendig.

dass in jeder form von umformungs- und gestaltungsprozessen kein geld 
enthalten ist, ist dir wohl selbst klar. weder in der landwirtschaft, noch 
im maschinenbau, der konstruktion und herstellung von gebaeuden und allen 
verschiedenen bereichen, wo menschen taetig sind.

es bleibt also die austauschsphaere. das miteinander. hier herrschen streng 
bewachte regeln, um dieses distributionssystem zu erhalten.

die hoechste form oekonomischer betaetigung ist das, was wir schwarzarbeit 
nennen. hier treten die akteure direkt in beziehung und tauschen, basierend 
auf ihrer eigenen wertabbildung, miteinander. auch da taucht kein geld auf.

alle laenderverfassungen in deutschland verbieten den gemeinden, selbst 
wirtschaftlich taetig zu werden. daraus siehst du sehr schnell, dass es um 
etwas anderes geht. das distributionssystem auf der basis des geldsystems 
muss erhalten werden, weil es die grundlage fuer die schaffung von 
indirekter sklaverei ist. es ruht auf der aufloesung von sich selbst 
organisierenden, lokalen oekonomien. dazu gehoert das verbot, aber auch die 
private aneignung allgemeiner gueter. ohne den entzug der basis fuer lokale 
selbstorganisation ist dieses system nicht handhabbar.

wenn ihr euch fuer die erhaltung von geldsystemen entscheidet, dann muesst 
ihr ein grundgesetz der nationaloekonomie beachten. die menge des 
umlaufenden geldes muss so gross sein, dass alles produzierte den 
eigentuemer wechseln kann. also nicht groesser und nicht kleiner. die spar- 
oder aufbewahrungsfunktion ist ueberfluessig und auch schaedlich. das hat 
silvio gesell dazu motiviert, den negativen zins einzufuehren, wie es auch 
im 13. jahrhundert schon gab. also das schrumpfgeld. und konsequent die 
aufloesung aller privaten aneignung von allgemeinen guetern.

fuer mich stellt sich diese frage nicht. warum soll ich ausweichen auf ein 
abstraktes mittel, noch dazu mit spekulativer abbildung, wenn wir eine 
objektiv bestimmbare groesse haben. die aufgewendete zeit. das hat nur den 
haken, dass nutzlose taetigkeiten keinen tauschwert mehr haben. und damit 
die meisten der menschen in deutschland ploetzlich vor der situation stehen, 
keinen gegenwert mehr zu besitzen, mit dem sie wertvolle gueter oder zeiten 
eintauschen koennen.

am ende deines textes finde ich einen extremen auswuchs. ich will dich auf 
eine tagung 1995 in san franzisko aufmerksam machen, die von gorbatschow 
organisiert war. dort trat Zbigniew Brzezinski auf mit dem modell 80/20 
tittytainment. oder auch "brot und spiele". 20% der weltbevoelkerung werden 
gebraucht. 80% sind ueberfluessig. also titty, die versorgung, tainment, die 
unterhaltung. so wie du das BGE behandelst, stehst du auf dem gleichen niveau.

ein anderes beispiel war das GE in Namibia, das in deutschland von attac 
kurz euphorisch verbreitet wurde. das war nur kurz. weil freunde und ich 
deutlich gemacht haben, dass es in Namibia um die aufloesung der kolonialen 
landbesetzungen seit 100 jahren geht. das land den afrikanern zurueck. dann 
haben sie keine probleme mit ernaehrung und lebensraum. die europaeischen 
okkupanten und ihr ganzer anhang muessen verschwinden oder als kooperative 
partner mit den afrikanern dort leben.

sei vorsichtig damit, das BGE dazu zu benutzen, um verbrechersische systeme 
zu erhalten und die konflikte darum damit neutralisieren zu wollen. der 
grundsatz des BGE, ein recht auf materielle grundexistenz, ist nicht an das 
geldsystem gebunden. nur in umgebungen mit dem geldsystem wird es in 
geldform, vielleicht, notwendig.

mit lieben gruessen an alle, willi



Am 14/08/2012 5:06, schrieb Agnes Schubert:
> Hallo Bernd,
>
> so schwer ist dass doch nicht:
> Wer den Kapitalismus kritisieren will, muss doch mal Die Argumente der
> Kapitalismusbefürworter zur Kenntnis nehmen, die man aller orten in jedem
> Laienforum finden kann. Dazu muss man keinen Dr. der VWL befragen.
>
>
> Du schreibst:"
>
>> Es ließe sich darüber streiten, ob ein Herr Reithofer,
>> Topmanager bei BMW, für seine 6,2 Mio. Euro Jahresgehalt
>> genug gearbeitet hat, doch wenn es sich für BMW rechnet,
>> sei es ihm gegönnt. Allerdings lässt sich nicht darüber
>> streiten, dass die Familie Quandt, Hauptaktionär bei BMW,
>> für ihre 650 Mio. Euro Rendite, die sie 2011 abkassierte,
>> gar nicht gearbeitet hat. Das ist Kapitalismus: abkassieren
>> auf Kosten der Mehrarbeit anderer.
>>
>> Wie kommen nun manche vorgeblich liberale Zeitgenossen
>> zu der Ansicht, Quandt und Konsorten wären "Leistungsträger"
>> der Gesellschaft?
>
>
> Diese bloße moralische Agrumentation hilft nehmlich überhaupt nicht und auch
> nie weiter, weil jeder *seine* "Leistung" und somit *seinen* "Leistungslohn"
> damit rechtfertigt, dass der Markt es ja hergiebt und damit die Nachfrage
> nach dieser Art "Leistung" da ist und somit der Gegenwert auch
> *gerechtfertigt* und also *gerecht* sei.
> Das gilt für die Leistung des Handlangers, wie für die des Managers - aber
> auch für die des Geldgebers.
> Wer "bloßes" Geldgeben nicht für eine Leistung hält, der kann dann ja mal
> Autos produzieren, ohne solcherlei Kapital. Und wer verlangt, dass Quandt
> sein Kapital umsonst zur Verfügung stellt, der kann mit gleichem Recht auch
> verlangen, dass Du dein Auto jedem überlässt, der es fahren will, und jeden,
> der will, in Dein Haus ziehen lässt. Die Tatsache, dass es sich bei
> solcherlei Eigentum um Sachgüter handelt, und anderes (Zins - wie auch
> Aktien-)Kapital eventuell erst nur nominal und dann aber als Mittel zum
> Erwerb der Sachgüter benutzt wird, spielt dabei aus wohl leicht
> ersichtlichen Gründen keinen entscheidenden Unterschied.
> Man kann dann auch noch einen Unterschied der Menge wegen machen, aber da
> ist ja immer jeder Strich ab vielleicht 100.000€ oder ab 1.000.000€
> Kapitaleinsatz mit Rendite recht willkürlich und kaum sachlich zu
> rechtfertigen. Moralisch kann man das immer, und die Gegenseite geht dann
> von ihrer Moral aus und kritisiert das - erst ihr Kapital ermöglicht diese
> vom Markt ja erwünschte Produktion, den Konsum der Produkte und die
> Bezahlung der Arbeitsplätze in der Produktion ....
> Der Aufwand, den die Quandts haben/hatten, ist der frühere temporäre
> Konsumverzicht/-aufschub. Und wenn sie, die aktuell lebenden Quandts, es ja
> nun kaum selber waren, die da verzichteten, dann eben deren Ahnen, ... .
> Irgendwem müsste man den Grund zum Sparen immer nehmen (und dem zum
> risikobehafteten Kapitaleinsatz immer auch gleich mit), damit solche wie die
> Quandts keine (zu hohe?) Rendite bekommen, denn es war ja vielleicht auch
> schon der Wunsch, dass die Nachfahren eben die eigenen Ersparnisse erben
> mögen. Verhindert man aber die Rendite, so verhindert man das Kapital, dass
> zur Produktion eingesetzt wird, so verhindert man letztlich immer die
> Produktion.
>
> Kritisiert man die ursprüngliche Kapitalungleichverteilung zu einem
> beliebigen Zeitpunkt X, so sollte man sich keine allzu großen Illusionen
> machen: Wenn man heute alle Menschen mit gleichem Kapital ausstatten würde,
> so würde dank des Kapitalismus und der Tatsache, dass die Menschen
> verschieden sind auch immer wieder eine Ungleichverteilung herauskommen.
>
> Wer jetzt kritisiert, dass die einen Sparen können, die anderen aber nicht,
> der kritisiert dann eben den Kapuitalismus aber an der Grundfeste, dass
> jeder seines Glückes Schmied ist, und dass Leistungen eben im Kapitalismus
> auch nicht nach dem individuellen Aufwand bezahlt wird, sondern nach
> Marktspielregeln. Und wer das in irgendeiner Weise konsequent machen will,
> kommt letztlich nicht umhin, das Eigentum als solches zu kritisieren. Den
> Beweis, dass Wirtschaften ohne Eigentum besser geht, muss man mangels
> positiven Beispiels aber noch schuldig bleiben - und zumindest ein
> augenblicklicher Sprung von hier und heute in eine Gesellschaft ohne
> privates Eigentum ist eine offensichtliche Illusion.
>
> Was bleibt als Schlussfolgerung daraus?
> Schluss mit dem bloßen Neidgedanken. Kümmere man sich darum, wie die
> Wirtschaft vielleicht besser laufen könnte, so dass alle letztlich mehr
> davon haben - vielleicht auch die Quandts - beispielsweise weniger Neid und
> Bedrohung.
> Das ganze ja vielleicht dank Einführung eines BGE. -> Das Prinzip: "Leben
> und Leben lassen" ist dann zweiseitig. Und wenn man den Quandts, ...
> vermitteln kann, dass sie nicht mit noch mehr Kapital und noch höheren
> Schutzzäunen und mehr Personenschutz besser und sicherer leben, sondern dank
> der wirklich allgemeinen Wohlfahrt, dann wird ihre persönliche Rendite aus
> ihrem Kapital auch immer weniger wichtig und statt dessen wichtiger wird die
> gesellschaftliche Rendite aus der gesamten Wirtschaft. Also ich gönne den
> Quandts locker ein BGE oben auf die Rendite ihres Vermögens oben drauf.
> Dafür legen wir doch alle zusammen, oder? Dass sie zu ihrem eigenen Vorteil
> auch so großzügig sein sollten und mir auch eins gönnen sollten, muss ihnen
> vielleicht noch erklärt werden - klar geht das letztlich irgendwie scheinbar
> zu Lasten ihrer Rendite - aber eben nicht zwingend zu ihren Lasten sondern
> erhöht ihrer Nutzen (..- und ich behaupte: durch die BGE-verursachte
> Umstrukturierung der Wirtschaft und Hebung ungenutzter Potentiale könnte
> sich die Rendite des Kapitals eventuell sogar erhöhen.)
>
> So herum wird ein Schuh daraus.
>
> AgneS
>



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