[Debatte-Grundeinkommen] Grüne Jugend - aktueller Beschluss
Alexander Nabert
mail at alexander-nabert.de
Do Apr 26 19:05:00 CEST 2012
Liebe Leute,
hier der aktuelle Beschluss der Grünen Jugend zum BGE:
http://www.gruene-jugend.de/show/1073789.html
Liebe Grüße,
Alex
Für ein Bedingungsloses Grundeinkommen – sozial und ökologisch, lokal
wie global
25.04.2012: Auf dem 38. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND wird das
Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens mit folgendem Beschluss
konkretisiert.
Seit einigen Jahren streitet die GRÜNE JUGEND für die Einführung des
Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) als Basis eines neuen
Sozialstaates. In den Debatten der vergangenen Jahre zu diesem Thema hat
sich gezeigt, dass beim Grundeinkommen immer über zwei verschiedene
Dinge diskutiert wird – die Grundidee und das Konzept.
Während es sowohl innerhalb der GRÜNEN JUGEND als auch in der
Grundeinkommensbewegung große Übereinstimmungen für die Idee des
Grundeinkommens gibt, ist die Frage nach der Umsetzung weitestgehend
strittig. Und dabei umfasst der Begriff Konzept nicht nur die Höhe des
Grundeinkommens und die häufig diskutierte Finanzierungsfrage sondern
auch sehr viele Detailfragen, wie Zeitpunkt und Zeitraum der Einführung,
d.h. die Frage, ob es schrittweise oder als Gesamtkonzept eingeführt
werden soll, oder die Ebene, auf der das Grundeinkommen eingeführt
werden soll. Dies ist der Versuch, sich in vielen Punkten des Konzeptes
einer gemeinsamen Basis anzunähern. Aus diesem Grund werden die Fragen
zur Grundidee nicht erneut behandelt. Diese sind anderen Beschlüssen zu
entnehmen, insbesondere „Der ermutigende Sozialstaat“ vom 26.
Bundeskongress sowie dem Grundsatzprogramm „Selbstverständnis“ der
GRÜNEN JUGEND.
1. Das Bedingungslose Grundeinkommen – die Rettung für Deutschland?!
Wir sind uns sicher, dass die Einführung des Bedingungslosen
Grundeinkommens in Deutschland viele Probleme der Sozialsysteme lösen
kann und eine tatsächliche Achtung der Menschenwürde ermöglichen würde.
Wir wollen daher den Prozess, an dessen Ende die Einführung eines
Bedingungslosen Grundeinkommens stehen soll, aktiv gestalten und für ein
Modell werben, das unseren Ansprüchen an ein wirklich emanzipatorisches
und sozial wie ökologisch gerechtes Grundeinkommen gerecht wird.
Da die GRÜNE JUGEND Nationalstaaten ablehnt, ist uns die Einführung des
BGE in Deutschland nicht genug. In einer Welt ohne Nationalstaaten ist
das Bedingungslose Grundeinkommen ein wichtiger Bestandteil der globalen
Solidarität. Solange die Vision der staatenlosen Welt nicht erfüllt ist,
gilt: Auch für alle anderen Länder ist das Grundeinkommen ein sinnvoller
Schritt in Richtung Menschenwürde. Wir erhoffen uns daher möglichst
schnell eine europaweite Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens.
Mittelfristig ist es uns ein wichtiges Anliegen, ein weltweites
Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen zu schaffen. Bis das
Bedingungslose Grundeinkommen weltweit eingeführt ist, können lokal
eingeführte Grundeinkommensmodelle helfen, Akzeptanz zu schaffen –
deshalb müssen wir auch in Deutschland diesen Schritt gehen und
Initiativen für eine europaweite Einführung unterstützen! Eine
Angleichung der Sozialsysteme sollte auch eine Angleichung der
Steuersysteme mit sich ziehen – so kann eine echte Gleichstellung der
Nationen im internationalen Wettbewerb leichter erreicht werden.
Das Bedingungslose Grundeinkommen soll auch als Maßnahme globaler
Gerechtigkeitspolitik in Form zweckgebundener Transferzahlungen vom
Globalen Norden in die Länder des Südens genutzt werden. Zum einen kann
dies helfen, die Idee des Grundeinkommens weiter zu verbreiten, vor
allem aber zeigt das Beispiel Namibias (Otjivero), dass dies eine
äußerst effiziente Methode ist, die Selbstbestimmung der Menschen zu
ermöglichen, Armut und Kriminalität abzubauen und sinnvolle
Investitionen zu ermöglichen, die einen nachhaltigen Nutzen haben.
Dadurch würden einige Fehlinvestitionen – wie zum Beispiel in das
Militär – vermieden werden. Allerdings dürfen die direkten Zahlungen an
die Staatskassen nicht vollends eingestellt werden, da auch
Infrastruktur geschaffen werden muss – hier gilt es, die richtige
Balance zu finden.
Darüber hinaus soll es Anstrengungen von Deutschland geben, das
Grundeinkommen (beziehungsweise die bedingungslose Existenzsicherung und
gesellschaftliche Teilhabe ohne Gegenleistung) in möglichst vielen
internationalen Abkommen zu verankern.
Die GRÜNE JUGEND steht für menschliche Einwanderungspolitik. Diese wird
auch nicht durch die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens
gebrochen. Das bedingungslose Grundeinkommen soll jedem und jeder
zustehen, der/die seinen Erstwohnsitz auf dem Bundesgebiet der
Bundesrepublik Deutschland hat oder der/die sich derzeit in einem
Verfahren zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung befindet. Eine
Bindung des Grundeinkommens an die Staatsbürgerschaft lehnen wir ab.
2. Die Finanzierungsfrage
Im Zentrum jeder Grundeinkommensdebatte und jedes
Grundeinkommenskonzeptes steht sie: Die Finanzierungsfrage. Ein
Grundeinkommen nach dem Motto „Hauptsache Grundeinkommen!“ lehnen wir
ab. Wir fordern das bedingungslose Grundeinkommen mit einer sinnvollen,
sozial- und ökologisch verträglichen Finanzierung und akzeptieren nicht
den versteckten Sozialabbau unter dem Grundeinkommensmantel. Dadurch
geht das Grundeinkommen Hand in Hand mit der Frage nach dem
Steuersystem. Wir wollen deshalb insbesondere hohe Einkommen und
Vermögen besteuern. Für die GRÜNE JUGEND ist die Einführung eines
Bedingungslosen Grundeinkommens auch eine Maßnahme der Umverteilung von
oben nach unten.
Wir halten es nicht für sinnvoll, sich auf eine feste Summe des
Grundeinkommens festzulegen, da bei dem radikalen Systemwandel, den wir
hier beschreiben, viele Eventualitäten und Variablen sind, bei denen
nicht vorherzusagen ist, wie sich Preise und Einkommen entwickeln werden
und was wir uns mit dem vorgeschlagenen Steuersystem leisten können. Für
uns steht aber fest, dass das bedingungslose Grundeinkommen die Existenz
sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen soll. Die Höhe soll
jedoch nicht in Relation zum Durchschnittseinkommen berechnet werden, da
so für den Fall, dass die Lohnentwicklung der Preisentwicklung
hinterherhängt, das Effektiveinkommen sinken würde. Der Bedarf soll
deshalb über Methoden wie den „Warenkorb“ erfolgen und auch potentielle
Sonderbedarfe miteinbeziehen. Jedem Menschen steht der gleiche
Grundeinkommensbetrag bedingungslos und unabhängig vom Alter zu. Wir
wollen die Finanzierung auf drei Säulen stellen: 1. Konsum-, 2.
Einkommens und 3. Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung. Die
letzten zwei dienen der sozialen, erstere der ökologischen
Ausdifferenzierung.
2.1 Mit Steuern steuern – ökologische Wende durch eine Steuerreform
Eine reine Konsumsteuer sieht keine Lenkwirkung vor. Diese ist aber
eines der wichtigsten Ziele des bedingungslos ökologischen
Grundeinkommens: Die GRÜNE JUGEND setzt sich für eine Lösung ein, die
gleichermaßen die sozialen als auch die ökologischen Probleme angeht und
dabei ökonomische Vernunft aufweist.
Es gibt zwei messbare Größen die relevant für ein nachhaltig
ausgerichtetes Steuersystem relevant sind: CO² Ausstoß und
Ressourcenverbrauch. Diese beiden größen sollen „eingepreist“ werden:
Diese Steuern sollten umso höher sein, je mehr CO² ausgestoßen wird und
je mehr Ressourcen verbraucht werden. Dies macht nachhaltiges Handeln
für Unternehmen und KonsumentInnen ökonomisch sinnvoll. Dieser Effekt
sollte direkt in die Konsumsteuer implementiert werden.
Die GRÜNE JUGEND spricht sich für ein Konsumsteuermodell aus, das nach
dem Grundsatz „je nachhaltiger das Produkt oder die Dienstleistung,
desto niedriger die Steuern“ funktioniert. Durch diese Abstufungen wird
es für Unternehmen attraktiv gemacht, die Dienstleistung oder das
Produkt so zu verbessern, dass weniger Steuern gezahlt werden müssen und
das Produkt oder die Dienstleistung somit günstiger angeboten werden
können und für KonsumentInnen wird es attraktiv gemacht, zu
Substitutionsgütern zu greifen, weil sie wesentlich günstiger würden
(z.B. Bahn statt Flugzeug). Eine Lenkung mit diesem Mechanismus gibt
also nicht nur den KonsumentInnen Anreize eher zu den nachhaltigen
Produkten zu greifen, sondern auch den Unternehmen, nachhaltig,
ressourcensparend und CO² arm zu produzieren. Zusätzlich zu diesem
System soll es ein sehr ähnliches System (aber in einer anderen Höhe)
bei der Energieerzeugung geben. Dadurch wird die Lenkwirkung in der
Energiewirtschaft zusätzlich gestärkt. Während Windenergie,
Wasserenergie und Solarenergie nahezu steuerfrei sein soll, soll Strom
aus Kohlekraftwerken mit einer relativ hohen Stromsteuer belegt werden.
2.2 Einkommen fair besteuern!
Wir wollen vor allem hohe Einkommen stärker besteuern, um die
Finanzierung des Grundeinkommens sozial verträglich zu gestalten. Wir
wollen deshalb eine progressive Staffelung bei der Besteuerung des
Bruttoeinkommens, um eine tatsächliche Umverteilung von oben nach unten
umzusetzen. Dadurch werden mittlere Einkommen nicht unverhältnismäßig
belastet, sondern im Wesentlichen wirklich hohe. Darüber hinaus sind
Steuererleichterungen weitgehend abzuschaffen.
Die GRÜNE JUGEND spricht sich zudem dafür aus, die Besteuerung von
Kapitalerträgen - also Zinsen, Mietzahlungen, etc. - wieder in die
Einkommensbesteuerung einzugliedern bzw. an diese zu koppeln. Dies
stellt sicher, dass die in der Einkommenssteuer verankerte Progression,
und damit die sozial gerechte Erhebung von Steuern, auch für
Kapitalerträge sichergestellt ist.
2.3 Vermögen und Finanztransaktionen besteuern!
Neben der Einkommenssteuer braucht ein Steuersystem weitere Steuern, um
sozialverträglich zu sein („starke Schultern müssen stärker belastet
werden“): Der wichtigste Grundpfeiler hierfür ist die Vermögenssteuer.
Diese sollte ab 500.000 Euro Vermögen greifen und jedes Jahr 7,5% des
Vermögens betreffen. Daraus resultiert, dass die, die vom neuen System
profitieren, gerne nach oben streben dürfen, aber ab einem Vermögen von
einer halben Millionen Euro ihren Profit in Teilen wieder dem Staat
zuführen müssten. Denn: Eigentum verpflichtet.
Zwei weitere Steuern werden aus dieser Logik heraus dringend notwendig,
wobei keine davon allein stehen kann: Die Schenkungs- und die
Erbschaftssteuer. Diese beiden Steuern besteuern ebenfalls Vermögen.
Allerdings gibt es zwei grundlegende Unterschiede zur Vermögenssteuer:
Einerseits werden diese Steuern nur einmal fällig und andererseits sind
sie an eine Bedingung (Vermögensübertragung) geknüpft. Aus der Bedingung
heraus werden beide Steuern zu Gerechtigkeitssteuern: Sie gleichen
bestehende Chancenungerechtigkeiten aus und beugen der Festigung und
Konzentration von wirtschaftlicher Macht vor.
Diese drei Steuern (Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer) werden
in Unternehmen mit wesentlich höheren Freibeträgen und einem
progressiven Anstieg des Steuersatzes erhoben, um kleine und mittlere
Unternehmen nicht unangemessen stark zu belasten.
Zur Bekämpfung und Regulierung von Finanzmarktspekulationen soll eine
europäische bzw. weltweise Finanztransaktionssteuer von 0,05% gelten.
Diese ist eine sinnvolle Ergänzung zur Vermögensbesteuerung und wirkt in
einer gerechten Weise dazu, dass die Finanzmärkte stabilisiert und
reguliert werden. Das hierdurch gewonnene Geld soll explizit für
internationale Aufbauhilfen eingesetzt werden („Steuer gegen Armut“).
2.4 Die Neuorganisation der Subventionen
Unserer Auffassung nach gibt es Subventionen häufig allein aus dem
Grund, Arbeitsplätze zu erhalten. Solche am Leben gehaltenen
Arbeitsplätze bewirken häufig eine geringere Wertschätzung. Da das
bedingungslose Grundeinkommen mit dem Grundsatz der Vollbeschäftigung
bricht und es nicht mehr erste Aufgabe des Staates ist, Arbeitsplätze
auf Krampf zu schaffen, können solche Subventionen wegfallen.
Jede Subvention, die auf diese Weise gestrichen wird, entlastet den
Haushalt und trägt zur Finanzierung des Grundeinkommens bei. Ein
Großteil der Subventionen kommt lediglich einigen Wenigen zu Gute. In
Form von Infrastrukturinvestitionen (z.B. Bildung), Schuldenabbau oder
Grundeinkommen würde dies gesamtgesellschaftlich positive Auswirkungen
haben.
Die einzigen Subventionen, die langfristig erhalten bleiben sollen, sind
die, die eine ökologische, kulturelle oder soziale Berechtigung haben.
3. Das Bedingungslose Grundeinkommen allein ist kein Sozialsystem!
Von einigen Personen und Gruppen innerhalb der Grundeinkommensbewegung
wird fälschlicherweise angenommen, dass das Bedingungslose
Grundeinkommen alle Sozialleistungen und Institutionen, die diese
Ausgaben verwalten, komplett ersetzen kann. Gegen diese Annahme wehren
wir uns vehement.
Unserer Ansicht nach darf das Bedingungslose Grundeinkommen lediglich
alle bisher bestehenden Sozialleistungen bis zu ihrer Höhe ersetzen.
Sollten weitere Ansprüche darüber hinaus gemäß den heutigen Gesetzen
bestehen, sollen diese weiterhin (bedarfsgeprüft) ausgezahlt werden.
Dennoch können die entsprechenden Behörden weitestgehend zusammengelegt
werden, da etliche Sozialleistungen vollständig substituiert werden.
Wir wehren uns dagegen, dass Grundeinkommen und Mindestlohn
gegeneinander ausgespielt werden und wollen daher einen flächendeckenden
Mindestlohn, der verhindern soll, dass ArbeitgeberInnen mit dem Argument
der Absicherung durch das Grundeinkommen Menschen zu Dumping-Löhnen
einstellen.
Darüber hinaus gehören zu einem abgerundeten Sozialsystem kostenfreie
und selbstbestimmte Bildung für den gesamten Lebensweg. Das
bedingungslose Grundeinkommen ist kein Argument für Studiengebühren oder
andere Bildungsgebühren. Auch Informationsangebote des Staates und
andere staatliche (oder staatlich finanzierte) Beratungsstellen wie
Berufsinformationszentren, Frauenhäuser, Jugendzentren und Sportvereine
dürfen nicht mit der Begründung ersetzt werden, dass sich Menschen mit
Grundeinkommen finden würden, die diese Dienste ohne staatliche
Zahlungen anbieten.
4. Das Ende von unsinnigen Beschäftigungsmaßnahmen
Bei der Arbeitslosenversicherung können große Teile der Kosten ersetzt
werden, insbesondere die Bürokratie und die Arbeitslosengelder I und II
bis zu ihrer Höhe. Allerdings ist es keinesfalls hinzunehmen, die
Arbeitsplatzvermittlungen, Berufsberatungen und Weiterbildungsmaßnahmen
einfach zu kürzen, weil es „nicht mehr nötig ist, eine Erwerbsarbeit zu
haben“ und diese „sowieso unerwünscht ist“. Darüber hinaus kann dies nur
ein Argument dafür sein, bestehende Angebote zu überdenken und die
Effizienz zu steigern, da unsinnige Konzeptionen wie zum Beispiel
1-Euro-Jobs durch Unternehmensgründungsberatung oder Weiterbildungen für
die Kreativwirtschaft ersetzt werden können.
Auch wenn wir einen Zwang zur Erwerbsarbeit ablehnen, so verkennen wir
dennoch nicht die bedeutende Rolle, die die Erwerbsarbeit als
gesellschaftlicher Integrationsfaktor derzeit innehat. Deswegen ist es
für uns unerlässlich, dass der Staat weiterhin eine aktive
Arbeitsmarktpolitk betreibt, aber erst die Einführung des
Bedingungslosen Grundeinkommens ermöglicht es den Jobcentern und
Arbeitsagenturen wieder, den Menschen zu helfen statt nur
Arbeitslosigkeit zu verwalten.
-------------- nächster Teil --------------
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