[Debatte-Grundeinkommen] Freier Wille und Gemeinwohl

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Fr Apr 6 15:16:03 CEST 2012


Hallo Jens und wen's sonst noch interessiert,

könnte es sein, daß Du Dich ein wenig in Widersprüche verfangen hast? Oder 
sind Dir gewisse Sachverhalte nicht ganz klar.

Punkt 1:
Wer "sein Geschenk des Lebens" akzeptiert, ist verpflichtet, es zu erhalten. 
Damit sind wir unfrei. Und selbst wenn wir andere "verpflichten" für unseren 
Lebensunterhalt zu sorgen, müssen wir immer noch selbst Nahrung aufnehmen, 
bzw. die Endprodukte, die aus dem Stoffwechsel entstehen, auszuscheiden. 
Diese "Pflicht" können wir niemandem übertragen, wenn wir selbst sein 
wollen. Allerdings könnte es sein, daß andere sich "verpflichtet" fühlen, 
uns am Leben halten zu wollen, indem sie uns an eine Maschine hängen...

Punkt 2:
Sklave ist objektiv, wer von anderen als reines Werkzeug (Mittel) mißbraucht 
wird und der Zweck vernachlässigt wird (vgl. Kant: zugleich als Zweck, 
niemals bloß als Mittel). Andernfalls würdest Du alle, die für andere 
Menschen etwas tun - sei es auf freien Stücken (moralisch) oder Sorge um 
Nachteile (legal) - als Sklaven bezeichnen und sie damit abwerten.Und wenn 
Du sagst, "auf eigene Kosten Pflichten anderer mit erfüllen", degradierst Du 
eine BGE-Gesellschaft zu einer "Sklavengesellschaft", wobei Du einräumst, 
daß die Egoisten darin "untergehen" würden.

Punkt 3:
Geschlechtsakt kann ein altruistischer Akt sein, wenn es darum geht, den 
Partner zu befriedigen. Inwieweit das Tiere können, kann ich nicht sagen. 
Aber vielleicht hat die Natur gerade den Egoismus dazu entworfen, um sich 
eine Hintertür offen zu lassen, Arten zu erhalten.

Punkt 4:
"Altruismus" würde ich nicht von "Klugheit" abhängig machen. Es ist auch 
prinzipiell nichts gegen Egoismus einzuwenden, wenn dieser nicht auf Kosten 
und zum Schaden einer Gemeinschaft ausgelebt wird.

Punk 5:
Leistungsloses Grundeinkommen kann es geben, um Leistung zu ermöglichen, 
wovon ein Teil der geleisteten Leistung als Grundeinkommen umverteilt wird. 
Das schließt dann nicht aus, daß es kein Einkommen auf Leistung geben kann - 
wer viel leistet bekommt auch mehr, wer nichts leistet, bekommt aber 
immerhin soviel, um sich von der Leistung anderer etwas leisten zu können.

Viele Grüße soweit aus Kiew,

Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus


----- Original Message ----- 
From: "Jens Kasten" <jens.kasten at gmx.com>
To: "Joerg Drescher" <iovialis at gmx.de>; 
<debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Friday, April 06, 2012 10:09 AM
Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Freier Wille und Gemeinwohl


Hallo Jörg,
hallo Agnes,

danke für Eure Anregungen zum Thema Egoismus - Altruismus.

wer nicht Egoist genug ist, sich keinen fremden Willen - zur Erfüllung der 
Existenzpflicht anderer oder wozu sonst noch - aufzwingen zu lassen, bzw. 
aufzwingen lassen zu wollen, der ist ein Sklave.
Wenn er/sie sich damit behaglich fühlt, auf eigene Kosten die Pflichten für 
andere mit zu erfüllen, ist er/sie fast schon ein leidenschaftlicher Sklave. 
Gibt es zu viele davon, wird es eng für die Egoisten, die mit dem Egoismus - 
der Selbsterhaltung, der erweiterten Selbsterhaltung, dem Eigennutz (im 
Gegensatz zur Selbstsucht) - der anderen Fremdexistenzpflichterfüller 
rechnen, um sich von dieser Last zu befreien.

Dass Dir jemand das Leben "geschenkt" hat, verpflichtet dich zu nichts. Denn 
es hätte keine 3 Tage gedauert, dass du ohne weitere Unterstützung dieses 
Leben beendet hättest.
(Fraglich ob ein Vergewaltiger als Schenker hier in Betracht kommt)
Wenn dich kein anderer wollte und du trotzdem da bist, dann ist es besser, 
wenn du dich willst, wo du es doch im Selbsterhaltungstrieb nicht gerade mit 
einem schmächtigen Gegner zu tun bekommst, wenn du entscheidest, dass das 
nicht dein Spiel ist.
Der Geschlechtsakt ist per se keine altruistische Tat.
Die Aufzucht der Jungen in den meisten Fällen schon eher.
Doch auch hier werden alle jungen in die Rolle der Altersversorger 
"eingeführt". Und dieser Kreislauf hat nichts anrüchiges.

Selbst innerhalb von Familien kann es jedoch die Tendenz geben, das Spiel 
'jeder übernimmt Teile der Pflichten für die Existenz anderer' zu weit zu 
treiben.

Die fehlende Möglichkeit, von der Geburt an Egoismus zu leben, enthält in 
der Fürsorge, im Altruismus von Eltern und Betreuern auch die fehlende 
Notwendigkeit, diesen zu entwickeln.
Mit wachsenden Möglichkeiten fallen Unterstützungsleistungen weg.
Das Kind muss nicht überall hin gehoben werden, sondern kann sich mehr und 
mehr alleine fortbewegen ...
Die Waage neigt sich bei normaler Entwicklung hin zu mehr Selbständigkeit, 
Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Eigenwahrnehmung, Interessen ... etc.
Bis Kinder im Alter von 12 bis 14 nicht mehr ganz verstehen, warum sie von 
den Eltern noch Restriktionen hinnehmen sollten, wo sie doch "schon alles 
wissen und alles können"

Wo es an Fürsorge fehlt (sehr schmaler sachlicher Grat) wird sich Egoismus 
schneller entwickeln, und wahrscheinlich Züge von Selbstsucht annehmen, von 
einer krankhaften Ausrichtung auf das Selbst begleitet sein.
Geben und Nehmen werden aus dem Gleichgewicht kommen.

Doch die Frage, welcher Trieb stärker ist, ob Selbsterhaltung oder 
Arterhaltung, ist überaus wichtig und spannend.
Ich meine das der Selbsterhaltungstrieb mit seinen Erscheinungsformen primär 
ist, auch wenn seine Befriedigung im arterhaltenden Gewand erscheint.
Jeder kann sich für ein Leben ohne Kinder entscheiden.
Aber eben nicht alle.

Der Eigennutz ist für die Klugen im Gemeinnutz am besten verankert.
Daher erscheinen einige "sozialer" als andere, als jene, denen die Sorge, zu 
kurz zu kommen ständig auf der Stirn geschrieben steht. Die den Zusammenhang 
zwischen den einzelnen Interessen, den fremden und den eigenen nicht recht 
herzustellen vermögen.

Wir alle wollen gut leben. Wir behaupten, dass wir nicht auf Kosten anderer 
leben wollen. Das ist solange ein hehres Ziel, solange die Umstände das 
Schmarotzen erlauben, ja geradezu belohnen. Die wirtschaftliche Praxis, vor 
allem die finanzwirtschaftliche Praxis lehrt uns, dass anständig fast schon 
verstaubt ist.

Das BGE unterbindet die Möglichkeit auf Kosten anderer zu leben nicht.
Das BGE ist darauf angewiesen, dass jene, die kraft ihrer Vermögen die 
Möglichkeit haben, die es vermögen, darauf verzichten, den Zins zu erheben, 
der neben der Bodenrente, das Symbol für die Übergabe von eigenen 
Existenzpflichten des Zinserhebers an andere ist.

Jeder kann sein Leben mit leistungslosem Einkommen bestreiten.
(indem er andere dazu verpflichtet, seine Existenz zu bestreiten)

Leistungsloses Einkommen für alle kann es nicht geben.

gruß jens


-------- Original-Nachricht --------
> Datum: Thu, 5 Apr 2012 17:39:05 +0300
> Von: "Joerg Drescher" <iovialis at gmx.de>
> An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Freier Wille und Gemeinwohl

> Hallo Agnes und wen's sonst noch interessiert,
>
> offenbar reden wir über zwei unterschiedliche Dinge - ich spreche bei der
> Willensfreiheit zukunftsbezogen auf "wozu frei" und Du
> vergangenheits-/gegenwartsbezogen von "wovon frei". Der Wille kann nicht
> "wovon frei" sein, denn der "Wille muß sein wollen" - andernfalls müßte
> er
> sich seiner Grundlage berauben. Das drückte ich damit aus, daß der
> Mensch
> diese Freiheit gegenüber dem Tier hat.
>
> Das Grundproblem besteht entsprechend darin, wie ich meine "Freiheit zu"
> willentlich nutzen kann, um meine "Existenzpflicht" zu bewerkstelligen.
> Und
> da kamen dann ein paar clevere Leute auf die Idee, andere "zu versklaven",
> indem sie deren Freiheit zur Erfüllung ihrer Pflicht so einschränkten,
> daß
> diese "Sklaven" zusätzlich zu ihrer "Existenzpflicht" die der
> "Sklavenhalter" stückweise mit erfüllten. Das würde durch ein
> Grundeinkommen
> wegfallen. Allerdings: Die "Sklavenhalter", die die Möglichkeit hätten,
> "andere zum Leben verpflichtete" zwar nicht gänzlich von ihrer Pflicht zu
> befreien, aber sie nicht mehr zu ihrer Pflicht zwingen zu können, um
> selbst
> davon zu profitieren, werden wohl den Teufel tun, etwas daran zu ändern.
> Und
> die "Sklaven" sind sogar oftmals glücklich, überhaupt "Pflichten" zu
> haben,
> damit sie ihrem Leben einen Sinn geben können.
>
> Mit Deinen Ausführungen zum Egoismus (vor allem Deine Antwort an andere
> Listenteilnehmer) überforderst Du mich, weshalb ich Dein Ego auch nicht
> weiter füttern möchte. Du vergißt bei der Geschichte, daß es jemanden
> gab,
> der Dein Leben wollte (aus Egoismus oder anderen Gründen); aber jetzt
> benutzt Du Deinen vermeintlichen Egoismus, damit Du Dir selbst glauben
> machen kannst, "gewollt zu sein". Ein Grundeinkommen würde dieses
> "gewollt
> sein" ein Stück weit bestätigen.
>
> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus
>
>
>
> ----- Original Message ----- 
> From: Agnes Schubert
> To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> Sent: Wednesday, April 04, 2012 1:58 PM
> Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Freier Wille und Gemeinwohl
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