[Debatte-Grundeinkommen] Das bedingungslose Grundeinkommen ist unsere Antwort auf Hartz IV

Werner Popken Werner at Stuerenburg.com
Mo Mai 30 11:39:13 CEST 2011


Hallo Kurt!

Herzlichen Dank! 

Kurt Sprung schrieb am Sonntag, 29. Mai 2011, 18:58:03:
> Das bedingungslose Grundeinkommen ist unsere Antwort auf Hartz IV

Ja. Ich bin auch für das bedingungslose Grundeinkommen, allerdings in
der Form 2.0: http://www.Bandbreitenmodell.de/grundeinkommen.html 

> Hartz IV ist offener Strafvollzug. [...]

Alles richtig. Die hohen Produktionsleistungen wurden nicht obwohl,
sondern durch Entlassungen erreicht, die durch Rationalisierungen
möglich wurden. Und dieser Mechanismus wird sich nicht abschwächen,
sondern verstärken, so wie er sich in den vergangenen 50 Jahren
verstärkt hat, und zwar auch noch in beschleunigtem Tempo, so wie er
sich in den vergangenen 50 Jahren in immer stärkerem Maße beschleunigt
hat.

Siehe 1.3.2.: Produktivitätssteigerungen zerstören Arbeitsplätze
http://www.selectiv-verlag.de/Kapitel_1_3_2.html

> Müssen wir uns noch Sorgen machen über Arbeitslosigkeit, wenn ein Grundeinkommen erst einmal existiert? Ich bin fest davon überzeugt: Nein. Ich glaube, dass die Wirtschaft insgesamt vom
> Grundeinkommen stark profitieren wird, ich glaube, dass sich viele Menschen erfolgreich mit ihren persönlichen Fähigkeiten selbständig machen werden, dass sich viele Menschen aus eigenem Antrieb
> fortbilden werden, ich glaube, dass viele Menschen erst einmal durchatmen werden, eine Sabbatphase in ihr Berufsleben einlegen werden und gestärkt wieder zurückkehren werden. Ich glaube, dass viele
> Menschen dem Überdruck am Arbeitsplatz mit Hilfe des Grundeinkommens Paroli bieten werden. Dieser Punkt ist mir sehr wichtig.

Alles richtig, aber vielleicht etwas zu euphorisch gesehen. Eine
Sabbatphase kann ich mir erlauben, wenn ich eine Garantie auf die
Rückkehr habe. Das bedingungslose Grundeinkommen ist nicht mit einer
solchen Garantie ausgestattet. Aus der Traum.

Außerdem klingt aus dieser Aussage die Hoffnung durch, daß man durch
Fortbildung die drohende Arbeitslosigkeit bannen könne. Das ist
ebenfalls ein Irrtum. Zweifellos gibt es Menschen, die nicht genug
oder falsch ausgebildet sind, aber das trifft für die überwältigende
Mehrheit der Arbeitssuchenden nicht zu. Jeder, der aufgrund der
zunehmenden Rationalisierung seinen Arbeitsplatz verliert, ist
hochqualifiziert und hat bis dahin gute Arbeit geleistet. Plötzlich
ist er überflüssig. Wo sollen die Arbeitsplätze herkommen, die diese
Leute einnehmen sollen? Die Deutsche Bank hat vor Jahren ihren Gewinn
enorm gesteigert und gleichzeitig 6000 Leute entlassen. 6000
hochqualifizierte Leute aus den Bankenwesen - wo sollten die neue
Arbeit finden? Auch die Banken automatisieren wie verrückt und zwar
mit dem Ziel, die Kosten zu drücken und die Arbeitnehmer überflüssig
zu machen. Das war denen schon bei der Einführung des Bankautomaten
klar - für die Beschäftigten des Bankenwesens ist das nicht neu.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist nicht viel anders als Hartz IV.
Man kann vielleicht etwas besser leben, aber man bleibt dennoch ein
Mensch zweiter Klasse. Das bedingungslose Grundeinkommen ist einfach
zu niedrig, die normalen Gehälter sind schon viel zu niedrig, um ein
würdevolles Leben führen zu können. Das Elend in den Krankenhäusern,
sowohl beim Pflegepersonal als auch bei den Ärzten, ändert sich seit
Jahrzehnten nicht, die Zustände in den Altenheimen schreien zum
Himmel, wohin man schaut: Die Probleme sind unübersehbar. Wir brauchen
eine grundsätzliche Änderung, und diese Änderung kann nur an der
Wurzel des Übels ansetzen, und das ist der Wegfall der Arbeitsplätze,
die Belohnung der Rationalisierung durch das Steuersystem bei
gleichzeitiger Verringerung der Kaufkraft - ein absolut idiotischer
Mechanismus. Daran ändert das bedingungslose Grundeinkommen nichts.

> Die Schönen und die Reichen und die ganz schön Reichen wollen mit ihrem vielen Geld der Welt ihren Willen aufzwingen. Geld ist Macht. Jetzt die gute Nachricht: wir müssen den Reichen nicht ihr Geld
> wegnehmen, um diese Bedrohung zu zerstören. Die gewalttätige Macht des Geldes rührt von der Erpressbarkeit der Armen her. Das Grundeinkommen verhindert diese Erpressbarkeit und beendet damit auch
> die Gewalttätigkeit, die von Reichtum und Geld ausgeht. Wir müssen allerdings den Reichen so viel Geld wegnehmen, damit ein Grundeinkommen überhaupt zustande kommt. Ein Grundeinkommen, das über
> Mehrwertsteuern finanziert würde und das damit grundsätzlich den Reichen entgegen käme, leistet in meinen Augen den gleichen Beitrag wie ein Grundeinkommen, das überwiegend aus Einkommen finanziert
> würde. In beiden Fällen wären Menschen durch Arbeitslosigkeit nicht mehr erpressbar.

Auch das ist richtig und zu kurz gesehen. Geld ist Macht und Macht muß
kontrolliert werden. Das bedingungslose Grundeinkommen kontrolliert
gar nichts. Die Macht kann sich weiterhin ungehindert entfalten und
unseren Planeten plündern zu Lasten kommender Generationen.

Wir leben in einer Demokratie, alle Macht geht vom Volke aus, aber das
Volk schläft. Da kommt jemand, der eine Lösung anzubieten hat, und
keiner will sich damit beschäftigen.

Siehe 1.2.5.: Verhinderer
http://www.selectiv-verlag.de/Kapitel_1_2_5.html

> Unsere Gesellschaft droht unter Fachidiotie zu ersticken. Steuergesetze werden nicht im Sinne der Steuerzahler gemacht. Das Recht der Steuerzahler diese Gesetze verstehen zu dürfen wird mit Füßen
> getreten. Das ist eine gravierende Form von Entmündigung. Die Einführung eines Grundeinkommens bietet auch die Chance ein Steuerrecht einzuführen, das von allen, die diese Steuern auch bezahlen
> müssen, verstanden wird.

Genau. Steuersysteme steuern die Gesellschaft. Es reicht aber nicht,
das Steuersystem zu vereinfachen, sondern man muß wegen der
Steuerungspotenz genau wissen, in welche Richtung man steuern möchte,
und die Steuern dann entsprechend gestalten.

Die Verständlichkeit ist das geringste Problem. Die Frage ist, was man
mit der Steuergesetzgebung anrichtet, wem sie nützt, welche
Auswirkungen sie hat.

> Politiker sind wie Fahnen im Wind. Das Umschwenken der Bundesregierung vom Kurs der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hin zum Ausstieg beweist das. Lasst uns nicht vergessen: Wir sind der
> Wind! Unsere Antwort auf Hartz IV ist das bedingungslose Grundeinkommen.

Ja eben. Mal weht die Fahne so, mal weht sie so. Gestern Abend wehte
sie wieder in eine Richtung, die den meisten von uns nicht gefallen
wird. Wer glaubt denn noch an Politiker? Das ist ein frommer Glaube,
ehrenwert, aber doch reichlich naiv, wobei an sich nichts gegen
Naivität einzuwenden ist, aber wenn es um Politik geht, konkrete
Forderungen, die durchgesetzt werden sollen, ist Naivität eigentlich
weniger angebracht.

Siehe 7.4.: Der Würgegriff der Parteien
http://www.selectiv-verlag.de/Kapitel_7_4.html

Mit freundlichen Grüßen
Werner 

-- 
_____________________________________________________________________

Dr. Werner Popken  · Hauptstr. 13 · 32609 Hüllhorst · stuerenburg.com
Tel +49-5744-511-574 · Fax +49-5744-511-575 · Mobil +49-151-2327 3955
  




Kurt Sprung schrieb am Sonntag, 29. Mai 2011, 18:58:03:
> Das bedingungslose Grundeinkommen ist unsere Antwort auf Hartz IV


> Hartz IV ist offener Strafvollzug. Der Sozialstaat hat sich zu einem autoritären Sozialstaat gewandelt. Die Fürsorge für Arme, Schwache und Hilfsbedürftige wandelte sich zu einem „Fördern und
> Fordern“. Der Grund ist einfach: der Wirtschaft gelang es in den zurückliegenden Jahrzehnten zu erblühen, und hohe Produktionsleistungen zu erzielen, obwohl, oder sogar indem viele Mitarbeiter
> entlassen wurden. Der unglaublich hohe Arbeitslosenstand selbst war über diesen Zeitraum hinweg der Mühlstein, der die Arbeitsbedingungen und die auszuhandelnden Löhne und Gehälter an die unterste
> Schmerzgrenze herabdrückte. Der wirtschaftliche Erfolg zieht inzwischen an mehr als der Hälfte aller Deutschen vorbei. Sie sind nur noch Zuschauer beim Exportweltmeister Deutschland. Der Erfolg
> Deutschlands kann von ihnen nur noch im Fernsehen bewundert werden. „Zur Belohnung“ dürfen sie sich von überall her als Schmarotzer unserer Gesellschaft herabwürdigen lassen, auf die jederma
>  nn ungestraft spucken kann.


> Behördenwillkür gegen Arbeitslose entspringt einem gewandelten Verständnis. Arbeitslose und Geringverdiener werden erfolgreich gegeneinander ausgespielt. Das bedingungslose Grundeinkommen wirkt
> hierbei in zweierlei Hinsicht. Zum Einen wird Arbeitslosigkeit finanziell gegenüber jeder Arbeit, die Einkommen erbringt, bestraft. Wer arbeitet, dem geht es automatisch finanziell besser als jedem
> Arbeitslosen. Zum Anderen wird die Grundsicherung für Arbeitslose von fast aller Behördenlast entsorgt. Da gibt es nichts mehr zu bewilligen und also auch nichts mehr, was vorenthalten werden kann.
> Es gibt keine Sanktionen mehr, weil ein Arbeitsloser seiner „Mitwirkung“ nicht nachkommt, denn die Sanktion ist durch ein niedrigeres Nettoeinkommen bereits ausgesprochen.


> Müssen wir uns noch Sorgen machen über Arbeitslosigkeit, wenn ein Grundeinkommen erst einmal existiert? Ich bin fest davon überzeugt: Nein. Ich glaube, dass die Wirtschaft insgesamt vom
> Grundeinkommen stark profitieren wird, ich glaube, dass sich viele Menschen erfolgreich mit ihren persönlichen Fähigkeiten selbständig machen werden, dass sich viele Menschen aus eigenem Antrieb
> fortbilden werden, ich glaube, dass viele Menschen erst einmal durchatmen werden, eine Sabbatphase in ihr Berufsleben einlegen werden und gestärkt wieder zurückkehren werden. Ich glaube, dass viele
> Menschen dem Überdruck am Arbeitsplatz mit Hilfe des Grundeinkommens Paroli bieten werden. Dieser Punkt ist mir sehr wichtig.


> Die Schönen und die Reichen und die ganz schön Reichen wollen mit ihrem vielen Geld der Welt ihren Willen aufzwingen. Geld ist Macht. Jetzt die gute Nachricht: wir müssen den Reichen nicht ihr Geld
> wegnehmen, um diese Bedrohung zu zerstören. Die gewalttätige Macht des Geldes rührt von der Erpressbarkeit der Armen her. Das Grundeinkommen verhindert diese Erpressbarkeit und beendet damit auch
> die Gewalttätigkeit, die von Reichtum und Geld ausgeht. Wir müssen allerdings den Reichen so viel Geld wegnehmen, damit ein Grundeinkommen überhaupt zustande kommt. Ein Grundeinkommen, das über
> Mehrwertsteuern finanziert würde und das damit grundsätzlich den Reichen entgegen käme, leistet in meinen Augen den gleichen Beitrag wie ein Grundeinkommen, das überwiegend aus Einkommen finanziert
> würde. In beiden Fällen wären Menschen durch Arbeitslosigkeit nicht mehr erpressbar.


> Unsere Gesellschaft droht unter Fachidiotie zu ersticken. Steuergesetze werden nicht im Sinne der Steuerzahler gemacht. Das Recht der Steuerzahler diese Gesetze verstehen zu dürfen wird mit Füßen
> getreten. Das ist eine gravierende Form von Entmündigung. Die Einführung eines Grundeinkommens bietet auch die Chance ein Steuerrecht einzuführen, das von allen, die diese Steuern auch bezahlen
> müssen, verstanden wird.


> Politiker sind wie Fahnen im Wind. Das Umschwenken der Bundesregierung vom Kurs der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hin zum Ausstieg beweist das. Lasst uns nicht vergessen: Wir sind der
> Wind! Unsere Antwort auf Hartz IV ist das bedingungslose Grundeinkommen.


> Siehe auch: http://www.archiv-grundeinkommen.de/sprung/201105_Sprung_Auswirkungen_BGE.pdf


> Kurt Sprung




Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen