[Debatte-Grundeinkommen] Weg mit dem "offenen Strafvollzug Hartz IV" - Novum im Deutschen Bundestag!

Werner Popken Werner at Stuerenburg.com
Do Mai 26 22:39:31 CEST 2011


Johannes Ponader schrieb am Donnerstag, 26. Mai 2011, 18:10:21:
> Sie sind ja schon sensibilisiert gegenüber der Schulden- und Zinsproblematik.
> Haben Sie sich mal eine Meinung zum Münchner Modell gemacht? Nur so als Impuls.
> http://www.muenchener-modell.de

Hallo Herr Ponader!

Herzlichen Dank für Ihren Hinweis! Ich bin kein Experte für
Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft oder Zinsproblematik. Auch das
Bandbreitenmodell habe ich nicht erfunden, sondern bin dabei, es in
allen Einzelheiten zu verstehen, und kann nicht absehen, ob mir das
gelingt. Diesen Anspruch habe ich aber auch gar nicht - ich muß nicht
alles verstehen und ich kann auch nicht alles verstehen.

Allerdings fand ich bisher die Argumentation Jörg Gastmanns absolut
einleuchtend und nachvollziehbar. Ich glaube also, ihm in dieser
Hinsicht als Experten vertrauen zu können und warte darauf, daß
irgendjemand ernsthafte Argumente gegen seine Vorstellungen
entwickelt. Das ist in den fünf Jahren seit Erscheinen seines Buches
nicht geschehen und erscheint daher unwahrscheinlich. Da dieses Feld
nicht mein Gebiet ist, erwarte ich am allerwenigsten von mir, hier ein
Haar in der Suppe finden zu können.

Deshalb sehe ich mich auch kaum in der Lage, das Münchner Modell
einzuschätzen oder zu kritisieren. Wenn ich das richtig sehe, handelt
es sich bei Ihrem Vorschlag allerdings um Freigeld; inwiefern sich das
von anderen Freigeld-Vorstellungen unterscheidet, kann ich nicht
beurteilen.

Aus einem anderen Briefwechsel fand ich Jörg Gastmanns Einschätzung
des Freigeldes nach INWO, die ich Ihnen hier präsentieren möchte.

     Deren Freiwirtschafts-/Freigeld-Idee ist durchaus charmant, hat
     aber auch einen Nachteil, der eine ausreichende und dauerhafte
     Akzeptanz bei den Bürgern eher unwahrscheinlich macht: Beim
     Freigeld wird Bargeld und Giralgeld (Geld auf Girokonten /
     Buchgeld) mit einem ständigen Wertverfall versehen (je nach
     Version 4-12% pro Jahr). Das Geld selbst wird in einem solchen
     System also besteuert. Freigeld "verfault" durch dessen Besitz.
     Dies soll die Geldbesitzer dazu motivieren, ihr Geld nicht zu
     horten, sondern so schnell wie möglich für den Konsum auszugeben.
     Der Haken: Wer will schon, daß seine Ersparnisse "verfaulen",
     also immer wertloser werden? Im Land der Sparer ist das kaum
     vorstellbar.

     Da kein vernünftiger Mensch eine Partei wählt, die ihr Geld
     verfaulen lassen will, ersannen die Anhänger des
     umlaufgesicherten Geldes Ausnahmen: Wer sein Geld auf Sparbüchern
     oder in Immobilien, Wertpapieren oder sonstigen
     Unternehmensbeteiligungen anlegt, kann die Geldentwertung
     umgehen. Durch diese Ausnahmen verliert das umlaufgesicherte Geld
     den größten Teil seiner Wirkung, weil das Bargeld nur rd. 2%
     Anteil am gesamten Volksvermögen ausmacht. Wenn die
     Umlaufsicherung seine Wirkung entfalten soll, muß das gesamte
     Geld in den Umlauf gezwungen werden - also das Geld auf
     Sparbüchern und Festgeldkonten, und auch alle anderen Sparformen
     wie Aktien, Schatzbriefe, Rentenfonds, Aktienfonds und
     Lebensversicherungen.

     Da das mit den deutschen Sparern nicht zu machen ist, drängt sich
     die Frage nach einer Trennung zwischen Sparvermögen und liquidem
     Vermögen auf. Aber wie soll man das abgrenzen? Soll man Sparer,
     die mit Aktienfonds für ihr Alter vorsorgen, für die "Hortung von
     Geldanlagen" bestrafen, indem man Wertpapiere "verfaulen" läßt?
     Sollte man für Sparbücher eine Ausnahme machen - und warum dann
     nicht auch für Tagesgeldkonten und Schatzbriefe? Die Frage ist
     unbeantwortet, wie man eine Grenze zwischen Geldformen ziehen
     kann, die "verfaulen" sollen - oder auch nicht. Selbst, wenn es
     eine solche Abgrenzung gäbe, würde eine Flucht aus den
     benachteiligten in die privilegierten Anlageformen das System
     umgehen.

     Ganz im Sinne von Dietrich Dörners Buch "Die Logik des
     Misslingens / Strategisches Denken in komplexen Situationen"
     schafft  man mit einer Problemlösung neue bzw. andere Probleme.
     Wenn die Geschichte der Menschheit eines lehrt, dann ist es die
     Gewißheit, daß Menschen alles ihnen Mögliche unternehmen, um
     Abgaben zu umgehen. Folglich ist es logisch, daß eine Flucht aus
     dem Bargeld vor allem in Immobilien, Wertpapiere und sonstige
     Unternehmensbeteiligungen stattfinden wird - und das auch wieder
     mit entsprechenden Rendite- bzw. Zinsforderungen, die das System
     doch eigentlich bekämpfen will.

     Eine Antwort auf Immobilienspekulationen sehen die Anhänger des
     Freigelds im "Freiland", also einem Konzept, in dem aller Boden
     Eigentum der Gemeinden bleibt und die Nutzer ihn lediglich
     pachten können. Auch das ist eine grundsätzlich gute Idee.
     Allerdings löst man damit das Problem der Immobilienzinsen
     (Mietzinsen) nicht, denn die auf dem Boden stehenden Gebäude
     stellen den Hauptanteil des Gesamtwerts von Immobilien dar und
     wirken weiterhin als Kapitalanlage (mit Zinsforderungen).

     Desweiteren würde das Freigeld eine massive Umschichtung von Geld
     in Unternehmensbeteiligungen auslösen. Die finanzielle
     Oberschicht würde daher alle werthaltigen Unternehmen (keine
     wertlosen 1-Mann-Unternehmen) aufkaufen - und dafür auch wieder
     Renditen/Zinsen fordern.

     Wollen wir in einem System leben, in der alle werthaltigen
     Unternehmen einer kleinen Oberschicht gehören, und alle anderen
     für die Oberschicht arbeiten?

     Wie man die Konzentration von Unternehmensanteilen und
     Wohnimmobilien in den Händen einer kleinen Oberschicht beseitigen
     kann, lesen Sie unter
     http://www.bandbreitenmodell.de/vermoegensbeschraenkungen.

     Zur Beseitigung von Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen taugt
     Freigeld leider nicht, weil es die Ursachen nicht beseitigen kann
     (Rationalisierungen, Automation, Mismatch, etc.).
     (http://www.bandbreitenmodell.de/hauptursachen_arbeitslosigkeit
     .html) 

     Das Bandbreitenmodell (www.bandbreitenmodell.de/vision) wirkt
     noch grundsätzlicher gegen das Zinsproblem. Der beste Kredit ist
     der, den die Verbraucher und Unternehmen überhaupt nicht brauchen
     (http://www.bandbreitenmodell.de/minimaler_kreditbedarf.html) -
     weil sie selbst liquide sind.

     Völlig kapitulieren muß die Freiwirtschaft der INWO bei
     www.bandbreitenmodell.de/handlungsdruck.

Mir leuchtet diese Argumentation vollkommen ein. Was sagen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen
Werner 

-- 
_____________________________________________________________________

Dr. Werner Popken  · Hauptstr. 13 · 32609 Hüllhorst · stuerenburg.com
Tel +49-5744-511-574 · Fax +49-5744-511-575 · Mobil +49-151-2327 3955




Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen