[Debatte-Grundeinkommen] Studie - Ab 1.600 Euro würde jeder Zweite zu Hause bleiben

Andre Trecksel grundeinkommen at andre.trecksel.de
Di Okt 26 15:42:28 CEST 2010


Hallo zusammen.

Zunächst mal @Jens: wie kommst du denn auf »Feindbild«? Da hast du wohl was falsch interpretiert. Hätte es in den vergangenen 200 Jahren keine Unternehmer und damit Unternehmen und damit Arbeitsplätze gegeben, hätten wir heute nicht den Wohlstand den wir haben. Natürlich gab es immer auch schlimme Ausbeuter, Kapitalisten im Wortsinne, die an nichts anderem interessiert waren als am Kapital und denen die belange der Belegschaft am A vorbeigingen. Aber heute, so denke ich, stellen die schwarzen Schafe nur eine Minderheit dar.


Am 25.10.2010 um 14:17 schrieb Patrick Gabler:

> 1.200€ ist das Durchschnittseinkommen, wie realistisch sind also 1.600€ GRUNDeinkommen? Klar ist, dass davon wohl auch die Krankenversicherung zu bezahlen ist, also 200-300€ schon mal weg, somit ist es nicht "netto" im heutigen Sinne. Aber gehen wir mal davon aus:
> 
> Nun, es wäre zunächst die Frage, was "nicht mehr arbeiten" bedeutet. Einmal hab ich erlebt, dass jemand das so beschrieb "Um die Kinder kümmern und vielleicht ein Buch schreiben" - ja wenn das keine Arbeit ist?!

Klar ist jede Tätigkeit irgendwie Arbeit und ich sehe in der Kinderbetreuung ganz klar – sehr wichtige – Arbeit. Diese Studie aber versteht unter Arbeit, die Arbeit für einen Arbeitgeber und nicht die Arbeit für sich oder die Kinder. So sieht es auch die Mehrheit des Gesellschaft. Gartenarbeit wird ja auch erst als Arbeit anerkannt, wenn man im fremden Garten gegen Geld arbeitet. Oder: Wenn man in der Fußgängerzone vor 10.000 Passanten Musik spielt wird das nicht als Arbeit angesehen, sondern eher als Bettelei oder zumindest als Privatvergnügen, erst wenn diese 10.000 Leute Eintritt für ein Konzert zahlen, wird das als Arbeit anerkannt. Genauso verhält es sich mit dem Schreiben eines Buches; als Autor wird man erst anerkannt, wenn man Bücher verkauft und davon leben kann.


> Wenn sich die meisten selbst um ihre Kinder kümmern, wäre demnach Kinderbetreuung überflüssig. Nun ist aber bekannt, dass frühe Förderung bei Kindern sehr wichtig ist - und es stellt sich die Frage ob es "nur noch" das Grundeinkommen geben soll, oder der Staat nicht auch sehr viel in Infrastruktur stecken muss. Infrastruktur und Grundeinkommen, oder anders gesagt, soll der Staat nur eine Aufgabe haben, die Armut zu verhindern: materiell und geistig.

Immer wieder hört, sieht und liest man von Müttern die vereinsamen und geistig unterfordert sind, weil sie nicht mehr im Berufsleben stecken und bei der Kindererziehung nicht ausreichend geistig ernährt werden. Warum sollten Mütter denn »nur zuhause sitzen« und sich allein um die Kinder kümmern? Ich denke, wenn alle ein Grundeinkommen haben, dann können sich mehr Frauen Kinderbetreuungsangebote wahrnehmen, weil sie dann das Geld dazu haben. Außerdem würden solche Angebote auch günstiger werden, weil ein(e) KinderbetreuerInn ja bereits grundversorgt sind und somit nicht angewiesen sind auf das Erwerbseinkommen. Ich denke auch, dass sich dann Familien eher zu Gemeinschaften zusammenschließen die sich abwechselnd um alle Kinder kümmern, so dass einzelne Mütter mehr Zeit für andere Aufgaben wahrnehmen können, ohne dass dabei Betreuungskosten anfallen.

Mit Grundeinkommen hätten Lehrer höhere Gesamteinkommen, während ihr Arbeitgeber (das sind wir) geringere Kosten für deren Gehälter hätte. Somit könnten auch mehr Lehrer eingestellt werden.


> Noch ein Denkanstoß: Was hilft das viele Geld, wenn man dafür wenig bekommen kann? Wenn der Staat seine sonstigen Investitionen zurück fährt, auch die Produktion der Privatwirtschaft sinkt.

Wie meinst du mit »Was hilft das viele Geld, wenn man dafür wenig bekommen kann?« Wenn die Produktion sinkt, weil ein produzierendes Unternehmen weniger Subventionen erhält, dann ist das nur zu begrüßen, denn dessen Produktion war nicht an der Nachfrage orientiert.


> Letztlich muss das Grundeinkommen wohl an das BIP gekoppelt werden.

Ja. Woran denn sonst? Es kann nur verteilt werden, was erwirtschaftet wird. 
(Bei der Umverteilung geht es nicht um das was erwirtschaftet wird, sondern um das was in der Vergangenheit erwirtschaftet wurde aber nicht entsprechend verteilt.)

Allerdings können wir davon ausgehen, dass das BIP sinken wird durch ein Grundeinkommen (wenn nicht durch andere Wirtschaftszweige kompensiert). 
Z.B. wenn die Menschen weniger arbeiten, sich etwas entspannen, werden auch Arztbesuche weniger, Medikamentenkonsum wird weniger, stressbedingte Unfälle könnten abnehmen, Alkoholkonsum könnte abnehmen, statusorientierte Anschaffungen könnten abnehmen, etc. … All dies senkt das BIP.


> Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das heutige Ehrenamt noch Ehrenamt ist, wenn alle genug Geld hätten, kann man auch sowas finanzieren und nicht nur sagen, du hast dein Grundeinkommen, also arbeite für lau.

Wenn man von der Gesellschaft eine Grundversorgung bekommt, kann man gar nicht für die Gesellschaft »für lau« arbeiten. 


> In untem stehenden Zitat ergeben die Werte zusammen mehr als 100%, d.h. viele würde auch Faulenzen, aber eben auch die anderen Dinge tun.
> 
> "Die gewonnene Freizeit würden die Befragten vor allem nutzen, um mehr Zeit mit ihrem Partner zu verbringen (64%), sich sozial zu engagieren (43%), sich um ihre Kinder zu kümmern (36%) und um zu faulenzen (33%). Ein Drittel der Befragten würde unabhängig von einer staatlichen Zahlung weiterhin arbeiten wollen."



Viele Grüße,
Andre
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