[Debatte-Grundeinkommen] "Gegenleistung" fürs BGE

Martin Brucks m.brucks at emsltd.de
Di Okt 19 10:57:07 CEST 2010


  Hallo Agnes und alle anderen,

Ich habe früher schon einmal geschrieben, dass es mir wichtiger ist, das 
BGE sobald als möglich zu bekommen als die Frage des politischen und 
gesellschaftlichen Überbaus.
Das riecht auf den ersten Blick natürlich nach anbiedern.
Mit dem einfacheren Zugang zur "Welt" sind ein paar merkwürdige Dinge 
passiert denn es ist nichts mehr wie es mal war.
Alles woran wir vor 40 Jahren noch fest geglaubt haben bedarf heute 
schon einer gewissen Blauäugigkeit um weiterhin daran festzuhalten.

Eines aber zeigt sich (für mich) sehr deutlich, es wird immer Menschen 
geben, denen das Dasein als solches nicht genügt, diese Menschen streben 
nach mehr, mehr Geld, mehr Einfluss, mehr Anerkennung. Wir sind auf die 
Straße gegangen um diese Menschen zu bremsen, sie sollten nicht mehr 
Geld und schon garnicht mehr Einfluss haben, Anerkennung für ihr tun 
hätten wir ihnen ja gerade noch zugestanden.
Heute sehe ich den Menschen, die diesen inneren Antrieb zu mehr haben, 
egal auf welcher Ebene, den Motor unserer Gesellschaft und ich werde den 
Teufel tun, diesen Motor bremsen zu wollen.
Es gibt einen Faktor hierbei, der weiterhin einen üblen Beigeschmack hat 
- die Macht.
Für die wenigsten derer, die nach Macht streben ist das Zweck an sich, 
der überwiegende Teil will über den Faktor Macht seine Ideen und Wünsche 
sicher und schneller verwirklicht sehen und würde auf Macht genausogut 
auch verzichten können.
Teile der Wirtschaft haben das längst erkannt (andere nicht). Nach den 
Jahren des internen Wettbewerbs, Neides und Missgunst als vermeintliche 
Triebfeder für Wachstum und Innovation weiß man heute, dass es überhaupt 
keinen Sinn macht, wenn Kräfte in einem Unternehmen gegeneinander 
arbeiten, man muss sie alle mitnehmen von ganz oben bis ganz unten.
Zurück zu Politik und Gesellschaft bedeutet das, das Streben nach Macht 
aufzugeben, es ist eine überholte Angelegenheit.
Nur der Dialog, das Ernstnehmen der Interessen anderer, führt zu einer 
positiven Weiterentwicklung. Auch hier sind wir angewiesen auf die 
Motoren, die Menschen, die bereit sind mehr zu tun als andere.
Das Scheitern weil der Dialog fehlt zeigt sich gerade bei Stuttgart21, 
nach wie vor bei der Atomkraft und bei den Verschärfungen von Sanktionen 
auf nahezu allen Gebieten auf denen Politik versagt hat. (Sanktionen 
sind das letzte Aufbäumen vor dem "Tod")

In unserer BGE Debatte heißt das für mich, in den Dialog mit denen 
einzutreten, die eigentlich nur ihren Trieb nach mehr ausleben wollen, 
sie sind nicht Gegner sondern werden Befürworter des BGE sein nachdem 
sie erkannt haben, worin der persönliche Vorteil liegt und der ist keine 
Schande. Der persönliche Vorteil ist dann problematisch wenn sich jemand 
der Macht bemitteln muss um ihn zu erreichen, beim BGE handelt es sich 
aber um eine win-win Situation, es gibt also keine Verlierer, also 
bedarf es auch nicht des Mittels der Macht um zu den Gewinnern zu gehören.
Die Aussage "es gibt keine Verlierer" ist natürlich nicht ganz richtig, 
die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben und deshalb an ihren 
"alten" Vorstellungen zur Not mit Gewalt (Sanktionen) festhalten wollen 
sind schon heute die Verlierer und es gibt sie auf beiden Seiten, bei 
den Befürwortern und bei den Gegnern des BGE.


Martin Brucks




Am 13.10.2010 11:23, schrieb Agnes Schubert:
> Joerg Drescher schrieb:
>> Hallo AgneS, und wen's sonst noch interessiert,
>> die moralische Frage und Begründung mag in Deinen Augen keinen Sinn 
>> haben, weil eben irgendwelche "Mächte" dagegen sprechen, dennoch 
>> "wunderte" sich schon Darwin (wertneutral):
>> /Unter den Wilden werden die an Körper und Geist Schwachen bald 
>> eliminiert; die Überlebenden sind gewöhnlich von kräftigster 
>> Gesundheit. Wir zivilisierten Menschen dagegen tun alles mögliche, um 
>> diese Ausscheidung zu verhindern. Wir erbauen Heime für Idioten, 
>> Krüppel und Kranke. Wir erlassen Armengesetze, und unsere Ärzte 
>> bieten alle Geschicklichkeit auf, um das Leben der Kranken so lange 
>> als möglich zu erhalten./
> Dabei geht es noch gar nicht mal nur um "irgendwelche" Mächte. "Die 
> moralische Frage ..." ist eine sekundäre Abbildung, eine zusätzliche 
> das Wesen vertuschende äußere Erscheinungsform der eigentlichen 
> Begründung: des Egoismus,. Dieser steht als Triebkraft hinter 
> letztlich jedem Handeln und jedem Wollen.
>
> "/... Wir zivilisierten Menschen dagegen tun alles mögliche, um diese 
> Ausscheidung zu verhindern."
> /////Das ist ja wohl mal ein Witz. Unter "alles mögliche" verstünde 
> ich etwas anderes. Leute verhungern, erfrieren ... bei Überfluss in 
> den Läden und nicht ausgelasteten Produktionskapazitäten, ...
>
> /"Wir erbauen Heime für Idioten..."
> /Wir haben ein Bildungssystem, dass jene mit wenig Bildung von 
> weiterer Bildung ausschließt (Abgang nach oder gar vor Ende der 
> Hauptschule) und jene mit viel Bildung den Zugang zu weiterer Bildung 
> ermöglicht (Universitäten, ...) . Wir schaffen also (zusätzlich zu 
> biologischen Bildungsproblemen Einzelner) die Sorte Auslese, die immer 
> Dümmere und Schlauere hervorbringen *muss*!
>
> Hätten wir wirklich das Anliegen mit /Armengesetzen/ uns einem woher 
> auch immer stammendem allgemeinen Menschenrecht auf Existenz o.ä. 
> unterzuordnen, dann würden sich diese Armengesetze nicht nur auf die 
> Nachbarn beziehen, sondern jeder Staat würde alle Armen weltweit 
> gleich behandeln. Da sieht man schnell, dass das eben gegen bestimmte 
> Interessen im jeweiligen Staat verstieße und wie sehr eben auch die 
> Armengesetze, wohl nur scheinbar einer höheren Moral geschuldet sind. 
> Eher sorgen sie einerseits für sozialen Frieden, der für eine 
> Marktwirtschaft unabdingbar ist, und andererseits erhalten diese 
> Armengesetze die Reservearmee der Arbeitslosen, auf die man dann bei 
> bedarf wieder mit Gewinn zugreifen kann, wenn sich deren Arbeit für 
> das Kapital lohnt.
> Und dennoch: das Mitgefühl, was Einzelne anderen Einzelnen 
> entgegenbringen, ist auch Triebfeder für genannte Heime usw. Aber es 
> ist letztlich gleichfalls purer Egoismus, der dieses Mitgefühl mit 
> Heimen zu befrieden sucht. Das sieht man daran, dass man sich eben 
> solche Heime auch immer leisten können muss und es erst nach anderem 
> auch gewissen Luxus eine Option zum Handeln darstellt - je nach dem, 
> wie stark einen der Hunger (auch jener nach Luxus) oder eben das 
> Mitgefühl belastet.
> Um zum Thema BGE zurückzukehren: Mir reicht es keineswegs, BGE zu 
> erbetteln, in dem man an das Mitgefühl jener appelliert, die z.Z. die 
> Macht und die Mittel haben es zu gewähren oder zu verhindern. Dann 
> schon eher es ihnen als Geschäft anzubieten, bei dem indirekt auch sie 
> ihren Schnitt machen. Oder aber man setzt sich dafür ein, dass jene, 
> die mit BGE direkt besser fahren für die Durchsetzung des BGE die 
> Macht ergreifen.
>
>> Macht ist eine Kraft, die Goethe im Faust durch Mephistos 
>> Selbstverständnis erklärbar ist: /Ich bin ein Teil von jener Kraft, 
>> die stets das Böse will und stets das Gute schafft. /Jellinek spricht 
>> deshalb (da er öfters auf Goethe Bezug nimmt) von der/ "normativen 
>> Kraft des Faktischen"./ Um das zu verstehen, sollte man allerdings 
>> das Original lesen: "Allgemeine Staatslehre" , Kapitel 11, Staat und 
>> Recht. http://www.archive.org/details/allgemeinestaats00jelliala (ist 
>> deutsch).
>> Wenn man das durch hat, wird man wahrscheinlich verstehen, wie Recht 
>> entsteht. Damit sollte klar werden, warum wir noch kein 
>> Grundeinkommen haben und wie wir es vielleicht doch erreichen: das 
>> Faktische muß eine normative Kraft entwickeln.
> Das geht mir jetzt aber langsam ein wenig zu weit! Du gehst nicht auf 
> meine Argumente ein, meinst aber, mir ein Buch zum Lesen zu geben, 
> würde mir schon die Augen öffnen. Da gehe ich mit dir jetzt so um, wie 
> mit vergleichbaren Zeugen von "besserem Wissen" : *Tür wieder zu!*  
> Deinen persönlichen "Wachturm" darfst du also selber lesen - und zwar 
> so lange, bis du die scheinbaren Argumente darin zumindest selber 
> soweit verstanden hast, dass du sie hier auch bringen kannst.
>> Die von mir so gern genannte "Pflicht" hat in meinem Verständnis viel 
>> mit Reife zu tun. Und es entwickelt sich weltweit eine neue "/Kultur 
>> der Reife/", die mit LOHAS, LOVOS oder "Creative Culture" umschrieben 
>> wird. Die "einfachen Leute" kommen weniger mit propagierten 
>> Freiheiten durch ein Grundeinkommen zurecht, als mit 
>> nachahmungswürdigen Vorbildern, die zeigen, wie man leben kann/soll. 
>> Deshalb entwickelt sich diese Kultur auch wesentlich schneller und 
>> konkreter als die abstrakte und erklärungsbedüftige Idee eines 
>> Grundeinkommens, die erst irgendwann in Zukunft "möglicherweise" 
>> Erfolg hat und keine praktische Anwendung aufzeigt: Außer einem 
>> begründeten "Ich will, ich will, ich will..." kommt nicht viel rüber, 
>> was eher Unreife zeigt. Wenn diese "neue Kultur" allerdings normative 
>> Kraft entwickelt, wäre ein Grundeinkommen in meinen Augen problemlos 
>> möglich... Ich bin zuversichtlich, denn das Leben könnte so einfach 
>> sein :-)
> Das hört man doch immer wieder gern ;-)
> Mir nichts dir nichts wird man von einem eingebildeten Schnösel für 
> "unreif" erklärt, weil man schlicht sagt, was man will. Verpackte man 
> es aber in ein "Menschenrecht", dass einem dann als solches ja 
> zustünde - oder besser: was anderen ja zustünde, die mehr oder weniger 
> davon gleichfalls positiv wie negativ betroffen seien, - dann hätte es 
> etwas von Reife, ja?
> Wie gut die nachahmungswürdigen /Vorbilder/ funktionieren, kann man 
> z.B. am Jesus von Nazareth sehen. Wenn die Umstände gegen das 
> vorbildliche "brave, anständige" Tun sprechen, dann lässt man es immer 
> auch mal schnell bleiben. Nur dass man sich dann auch noch einreden 
> darf, selbst schuld zu sein an seinem Elend, weil man seine 
> Menschlichkeit nicht hin zu einer Bessermenschlichkeit entwickelt 
> habe. Immer noch also die Floskel: "Jeder ist seines Glückes Schmied"
>
> Was du hier letztlich mit deinem Geschwätz von "Pflicht" willst, ist 
> den Leuten etwas unterzujubeln, dass sie trotz eines BGE dann so 
> handeln, als hätten sie keines, weil "/die "einfachen Leute" ... 
> weniger mit propagierten Freiheiten durch ein Grundeinkommen 
> zurecht"/kommen. Wenn es letztlich so ausgehen soll, dann könnten wir 
> es mit dem BGE auch gleich lassen.
> Dein Unterfangen ist nicht sonderlich neu. Du möchtest den Menschen 
> ändern, damit er besser in die Verhältnisse passt, damit er unter den 
> Verhältnissen als "besserer" Mensch dann auch dort existieren kann. 
> Ich will, dass sich die Verhältnisse ändern, damit der Mensch mit 
> seinen bestehenden Trieben glücklicher wird. (oder eher noch: "... 
> damit *ich* glücklicher werde." - "Mensch" bringe ich hier nur, weil 
> ich hoffe, dass es anderen Menschen wie mir geht und wir unsere Kräfte 
> vereinen.)
>
> AgneS
>
>
> _______________________________________________
> Debatte-grundeinkommen Mailingliste
> JPBerlin - Politischer Provider
> Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
> https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: <https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/attachments/20101019/685b8a4d/attachment.html>
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : m_brucks.vcf
Dateityp    : text/x-vcard
Dateigröße  : 733 bytes
Beschreibung: nicht verfügbar
URL         : <https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/attachments/20101019/685b8a4d/attachment.vcf>


Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen