[Debatte-Grundeinkommen] "Arbeit=Lohnarbeit" oder "Arbeit= Hobby"? (Martin Brucks) war [Re: Recht/Pflicht...]

Martin Brucks m.brucks at emsltd.de
Mi Okt 6 12:50:48 CEST 2010


  Hallo Agnes und andere,

kurz und knapp:

Ob Arbeit von mir als ein Übel empfunden wird entscheide ich selbst.

Die (Lohn-) Arbeit per se als ein abzuschaffendes Übel darzustellen war 
einer der größten Fehler der Geschichte.

Die Ansicht, Menschen, die andere für sich arbeiten lassen würden selbst 
nicht arbeiten ist an der Realität vorbei, von Ausnahmen abgesehen.

Die Befreiung des Menschen vom direkten Zusammenhang zwischen Überleben 
und Nahrungsbeschaffung durch Jagd, Sammeln oder Anbau und Zucht hat zu 
einem Tauschsystem geführt und klugerweise zur Vorratsbildung, die auch 
vor Geld und Gut nicht Halt macht.

Es ist einzig das persönliche Befinden was für den der es hat über gut 
oder schlecht entscheidet, das Einfügen des Wortes "mit" öffnet die Tür 
für die dahinter stehende Theorie (Ideologie).

Egal in welcher Position oder Situation ein Mensch steht, gelingt es mir 
nicht, ihn persönlich zu "berühren" wird er bei dem bleiben, was ihm als 
sicher weil vertraut und funktionierend erscheint, bei dir ist mir das 
nicht gelungen.

Die Einführung des BGE ist nichts weiter als eine gesellschaftliche 
Notwendigkeit, sie kann den herannahenden Kollaps der Staaten beenden 
der durch die immens teure "Reparatur"- Politik und die Abkehr seiner 
Bürger von den Entscheidern hervorgerufen wird. (Eine deutsche 
Wiedervereinigung hätte es nicht gegeben, wenn nicht zum einen die 
Pleite der DDR gedroht und zum anderen die Unterstützung der Bevölkerung 
gefehlt hätte.)


Gruß  Martin


Am 06.10.2010 11:52, schrieb Agnes Schubert:
> Hallo BGE-Fangemeinde!
>
> Hallo Martin,
> ich danke für Deinen zum Teil aufschlussreichen - weil Fehler 
> verdeutlichenden - Beitrag als Antwort auf mein: "_/Dazu kommt auch 
> das fortbestehende Anbiedern von Lohnempfängern an die Arbeitgeber 
> (letztlich die Kapitaleigner und daraus Renditebezieher) für ein wenig 
> Luxus über die Garantie des BGE hinaus./_"
>
> "/ 1. Menschen die gerne arbeiten haben mehr vom Leben, sie bleiben 
> gesündern, sind ausgeglichener und haben eine positive Ausstrahlung 
> gegenüber anderen
>     (das trifft nicht zu wenn Arbeit nicht gewollt ist in Qualität 
> oder Quantität)/"
>
> Wäre die Arbeit allgemein kein Übel (mehr), so könnten wir uns den 
> ganzen Blödsinn von Eigentum, Geld, ... bis hin zum BGE sparen. Kommt 
> es eines Tages also mit Hilfe von Arbeitserleichterungen (alles was 
> Arbeit angenehmer macht) so weit, das alle notwendige Arbeit selbst so 
> viel innere Befriedigung schafft, das die Produkte zur Bedarfsdeckung 
> so nebenbei abfallen, dann ist für alle Menschen Beruf nicht nur 
> tatsächlich gefühlte innere Berufung und ihre "Arbeit" ist eigentlich 
> besser mit Hobby oder Ehrenamt zu bezeichnen. Da sind wir aber (noch) 
> nicht. Also ist das, was mit Arbeit bezeichnet wird für die Mehrheit 
> der Lohnarbeiter erst einmal ein Übel, auf das sie verzichten würden, 
> wenn sie den Lohn, den sie dafür als Gegenleistung bekommen, gar nicht 
> bräuchten. Da sie aber den Lohn brauchen, ist ihre Arbeit für sie eben 
> ein *notwendiges *Übel.
> Es ist also dringend zu unterscheiden zwischen "Lohnarbeit" (zzgl. 
> privater unliebsamer Arbeit wie Putzen, Sommer- gegen Winterreifen 
> wechseln, ...) und geliebtem "Tätigsein" (Putzen für Leute mit 
> Putzfimmel, ... für Gummi- und Reifenfetischisten? .... )
> Dass Menschen, die für Lohn arbeiten, mehr vom Leben haben als jene, 
> die dank Eigentum für sich arbeiten lassen und in ihrer von Lohnarbeit 
> befreiten Zeit (=Freizeit)  ihren persönlichen Neigungen nachgehen 
> können, halte ich für ein Gerücht. Es mag Einzelfälle geben, dass 
> Menschen, die im Lotto gewinnen, mit der *plötzlichen 
> *Situationsänderung nicht klar kommen. Es mag unter den Reichsten auch 
> Menschen geben, die stark depressiv sind, ... . Aber alles, was ein 
> Lohnabhängiger kann, kann ein vom Lohn nicht Abhängiger auch - ja, 
> manche von jenen machen die Lohnarbeit dann tatsächlich als Hobby und 
> nehmen den Lohn nur, um nicht aufzufallen :-) .
> Und die Art der Untätigkeit, zu der jene verdammt sind, die zwar 
> eigentlich vom Lohn abhängig sind, aber nicht einmal diesen erarbeiten 
> können und somit Lohnersatz bekommen, als Argument *gegen *das "Übel 
> der Arbeit" anzuführen ist grotesk. Das solch mangelhafte 
> Existenzgrundlage gleichzeitig zu sozialer Ausgrenzung und schlechter 
> Gesundheit usw. führt, ist ja wohl klar.
>
>
> "/2. Die meisten Menschen sind beides, Nichteigentümer und Eigentümer, 
> bringe ich mein Auto, Fahrrad oder was auch immer in die Werkstatt bin 
> ich der Eigentümer
>     (Arbeitgeber)/"
>
> Ja, aber (für diesen Zusammenhang) nicht im *Wesen*tlichen. Jeder hat 
> ein wenig Eigentum und viele von ihnen sind auch noch Stolz darauf 
> (Erstens ist genau dieses Eigentum - wie ein Auto, um zur Arbeit zu 
> fahren - selbst unwesentlich und zweitens ist Eigentum nichts anderes 
> als das mit der Gewalt des Staates erzeugte Recht, anderen etwas 
> vorzuenthalten).
> Wesentlich ist hier jedoch der Unterschied, wozu das Eigentum taugt. 
> Hat man welches, um sein Leben mit der Arbeit  zu ermöglichen (oder 
> etwas erträglicher zu machen), oder hat man Eigentum, das einen in die 
> Lage versetzt, ohne Arbeit (in höherer Güte) zu leben - dank dem 
> systeminnewohnenden Zwang zur Arbeit bei der ersten Gruppe.
>
> /"3. Luxus ist ein Gut, auf dass sich leicht verzichten lässt ... es 
> nimmt nur deshalb so viel Raum ein, weil wir die Angst vor der Armut 
> von unseren Eltern elementar gelernt haben.
>     Anerkennung für das geleistete und der daraus entstehende Stolz 
> auf sich selbst aber auch die Möglichkeit selbst zum Eigentümer werden 
> zu können sind Triebfedern
>     die Menschen arbeiten lassen."
> /
> "Luxus" meinte hier (im obigen Satz von  mir) genau das, was über die 
> Mittel der bloßen Existenz (und für was das BGE - je nach Höhe - noch 
> taugen mag), hinaus geht.  Die Worte "ein wenig" davor sollten 
> eigentlich verdeutlichen, dass das Wort Luxus hier eher ironisch zu 
> verstehen ist, denn Im Grunde bleibt man trotz des Lohnes ja meist 
> dennoch vom Lohn abhängig. Zu einer wirklichen Änderung des 
> Lebensstiles führt diese Art des Luxus i.A. also nicht.
> Die Möglichkeit Eigentümer zu werden,. ist aber doch genau nur dann 
> eine Triebkraft zur Lohnarbeit, wenn Eigentum nützlich ist. Dazu ist 
> der Fall, wenn einerseits die Angst vor Armut bestehen bleibt (dank 
> der Abhängigkeit von Lohnarbeit und Ungewissheit der künftigen 
> Fähigkeit zur Lohnarbeit) und andererseits Eigentum das bisschen 
> "Luxus" (hier mal die Ironie noch deutlicher) ermöglicht.
> Zu Anerkennung und Stolz als Triebfeder braucht man - wie bereits 
> erwähnt - keinen Lohn und somit keine Lohnarbeit. Gegenteilige 
> Annahmen darüber rühren wohl auch eher von dem her, was wir /"von 
> unseren Eltern elementar gelernt haben".
>
> //
> /"/Es ist immer das Befinden, was uns Dinge tun oder lassen lässt und 
> was am Ende darüber entscheidet ob es uns damit gut oder schlecht geht.
> Warum sollten wir das ignorieren um einer Theorie willen?"
>
> /Die Bedeutung dieser Sätze für den Zusammenhang hier erschließen sich 
> mir leider nicht. Dem ersten Satz kann ich zustimmen, sobald ein "mit" 
> eingefügt wäre: /"was am Ende /*mit */darüber entscheidet" /Aber was 
> soll er *hier *bedeuten? Und wer ignoriert *das*(?) in welcher Theorie?/
>
> "Ich halte das Arrangement mit den bestehenden Verhältnissen daher für 
> unerlässlich und zwar nicht im Sinne der Unterwerfung sondern der 
> Zur-Kenntnisnahme.
> Wenn ich weiß, dass mein Gegenüber keinen Druck verträgt, ich ihn aber 
> dennoch zu etwas bewegen möchte muss ich entweder nach anderen 
> Zugangsmöglichkeiten suchen oder ihn brechen./ "
>
> Ja. Und? Das heißt? Was folgt daraus wofür?
>
>
>
> Gruß AgneS
> /
> /PS.: Ein Vorabkommentar für alle, die hier wieder auf das Argument 
> verfallen wollen, dass es ja reiche, wenn die Leute tätig bleiben und 
> es keine Lohn-/Wertarbeit geben müsse:
> *Aus der Lohn-/Wertarbeit muss sich letztlich das BGE finanzieren, so 
> man es nicht in Form von Gutscheinen für die Inanspruchnahme der 
> Ergebnisse von Ehrenamt und Hobby ausgeben will.
>
>
>
>
>
> *
>>
>> Hallo Agnes und andere,
>>
>> "Dazu kommt auch das fortbestehende Anbiedern von Lohnempfängern an 
>> die Arbeitgeber (letztlich die Kapitaleigner und daraus 
>> Renditebezieher) für ein wenig Luxus über die Garantie des BGE hinaus."
>>
>> Aus diesem Satz lese ich folgende Thesen:
>>
>> 1. Arbeiten ist ein (notwendiges) Übel
>> 2. Mensch ist entweder Lohnempfänger (Nichteigentümer) oder 
>> Arbeitgeber (Eigentümer)
>> 3. Wer mehr arbeitet tut dies für Luxus
>>
>> Ich halte alle drei Thesen für unzureichend.
>>
>> 1. Menschen die gerne arbeiten haben mehr vom Leben, sie bleiben 
>> gesündern, sind ausgeglichener und haben eine positive Ausstrahlung 
>> gegenüber anderen
>>     (das trifft nicht zu wenn Arbeit nicht gewollt ist in Qualität 
>> oder Quantität)
>> 2. Die meisten Menschen sind beides, Nichteigentümer und Eigentümer, 
>> bringe ich mein Auto, Fahrrad oder was auch immer in die Werkstatt 
>> bin ich der Eigentümer
>>     (Arbeitgeber)
>> 3. Luxus ist ein Gut, auf dass sich leicht verzichten lässt (ich 
>> mache mir nichts aus Geld aber es beruhigt) es nimmt nur deshalb so 
>> viel Raum ein, weil wir die Angst vor der
>>     Armut von unseren Eltern elementar gelernt haben.
>>     Anerkennung für das geleistete und der daraus entstehende Stolz 
>> auf sich selbst aber auch die Möglichkeit selbst zum Eigentümer 
>> werden zu können sind Triebfedern
>>     die Menschen arbeiten lassen.
>>
>> Es ist immer das Befinden, was uns Dinge tun oder lassen lässt und 
>> was am Ende darüber entscheidet ob es uns damit gut oder schlecht geht.
>>
>> Warum sollten wir das ignorieren um einer Theorie willen?
>> Ich halte das Arrangement mit den bestehenden Verhältnissen daher für 
>> unerlässlich und zwar nicht im Sinne der Unterwerfung sondern der 
>> Zur-Kenntnisnahme.
>> Wenn ich weiß, dass mein Gegenüber keinen Druck verträgt, ich ihn 
>> aber dennoch zu etwas bewegen möchte muss ich entweder nach anderen 
>> Zugangsmöglichkeiten suchen oder ihn brechen.
>>
>> Gruß
>>
>> Martin
>> Am 04.10.2010 14:04, schrieb Agnes Schubert:
>>> Hallo Diskussionsgemeinde, hallo Joerg,
>>>
>>>
>>> Joerg schrieb in der Mail an Edwin:
>>> "... Daraus abzuleiten, es gäbe "Kein Recht auf Pflicht", nenne ich 
>>> Dilletantenphilosophie. Was hier manche machen: Freiheit wird zum 
>>> obersten Recht erklärt! Wozu brauchen wir dann einen Staat? Wozu 
>>> brauchen wir dann Gesetze? ... "
>>>
>>> "Freiheit von Pflichten" ist nicht "oberstes Recht", sondern eher 
>>> noch "oberster Wille"! (Das gilt , wenn Du Pflicht auch als 
>>> "Einsicht in Naturnotwendigkeiten" definierst, auch beim Kampf gegen 
>>> die Hindernisse bei der Bedürfnisbefriedigung, die einem die Natur 
>>> so auf macht.) "*Rechte*" - so wie ich das Wort verstehe -  müssen 
>>> gewährt werden. Das geht im Grunde nur da, wo einem ohne dieses 
>>> Recht etwas vorenthalten werden kann. Schafft man beispielsweise 
>>> eine Macht ab, die einem etwas vorenthalten *kann*, dann hat man 
>>> danach nicht mehr Rechte, sondern weniger. Aber möglicherweise ja 
>>> mehr *Möglichkeiten.
>>> *Der Staat wiederum ist so eine Anhäufung von Macht (Gewaltmonopol, 
>>> ...). Erste Aufgabe ist Eigentumsschutz und zweite Selbsterhalt zum 
>>> Zwecke der ersten Aufgabe.
>>> Das Eigentumsrecht ist also ein Pflicht an die Nichteigentümer. Wozu 
>>> Nichteigentümer dieses Recht oder "besser" dieses "Recht auf 
>>> Pflicht" also brauchen, sollen ihm doch mal die Eigentümer (also die 
>>> augenscheinlichen Nutznießer des Staates ) erklären. Scheinbar geht 
>>> das nicht so einfach, deswegen Bedarf es z.B. des Gewaltmonopoles.
>>>
>>>
>>> Joerg schrieb unlängst auch
>>>> ... Werner Rätz meinte mal, man solle das Grundeinkommen 
>>>> nichtmonetär denken... Was liegt also näher, das Grundeinkommen mal 
>>>> als "Recht" zu denken, wie es eigentlich viele fordern...
>>>
>>> ... ein Recht als Ausgleich für eine Pflicht, die heute den Menschen 
>>> ja erst einmal davon abhält, seine Grundbedürfnisse zu erfüllen.
>>>
>>> Dieser Pflicht "Beachtung des Eigentumsrechtes der anderen" wird mit 
>>> Hilfe von BGE auch bei Nichteigentümern ein Grund hinzugefügt, 
>>> dieser Pflicht aus innerer Einsicht nachzukommen, der ohne Androhung 
>>> staatlicher Gewalt daherkommt. (Die Kuh, die man melken kann, 
>>> schlachtet man nicht so leicht)
>>> Jene, die also trotz oder wegen der Existenz von Eigentumsrechten 
>>> allein ihr Leben nicht gestalten können, bekommen aus dem System, 
>>> dass sich auf Eigentum begründet, eine Art Ausgleich - also ein 
>>> "Recht"  - zugestanden, von jenen, die ihnen auch die oben genannte 
>>> Pflicht auferlegten.
>>> Die BGE-Fangemeinde richtet also ein Bittgesuch an die Inhaber der 
>>> Macht (Interessensvertreter der Eigentümer) den sozialen Frieden 
>>> (neben der Nutzung des Drohpotential des Gewaltmonopoles) nicht nur 
>>> *individuell *finanziell zu stützen ("Hartz4" u.a.), sondern dieses 
>>> *allgemein *zu tun. Das dafür scheinbar einzig taugliche Versprechen 
>>> an die Eigentümer, dass sie dadurch (mit ihrer finanziellen 
>>> Verpflichtung, die unweigerlich damit auf sie zu kommt, ) letztlich 
>>> nicht weniger, sondern noch mehr von ihrem Eigentum haben, 
>>> funktioniert in der Tat nur bei Erhaltung (oder Ausdehnung) der 
>>> Anerkennung des "Eigentumsrechtes" in den Köpfen der 
>>> Nichteigentümer. Die zuvor auferlegte Pflicht der "Beachtung des 
>>> Eigentumsrechtes" muss in ihrer Durchsetzung insgesamt also billiger 
>>> werden. Dazu kommt auch das fortbestehende Anbiedern von 
>>> Lohnempfängern an die Arbeitgeber (letztlich die Kapitaleigner und 
>>> daraus Renditebezieher) für ein wenig Luxus über die Garantie des 
>>> BGE hinaus.
>>> Sehen die bisher Mächtigen diesen Handel nicht ein, so bleibt den 
>>> BGE.Fans nichts anderes als Aufzugeben, oder die bisherige Form der 
>>> Demokratie selbst in Frage zu stellen und ihre Interessen bewusst 
>>> gegen die Interessen der Eigentümer durchzusetzen.
>>> Zu klären bleibt also, ob die Interessen der Eigentümer und der 
>>> BGE-Fans widersprüchlich sind, oder im Gegenteil
>>>
>>> Gruß AgneS
>>>
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