[Debatte-Grundeinkommen] Offener Brief an Attac zur Presseerklärung zum Grundeinkommen ,in Namibia

Hartmut Keller Hartmut.Keller at t-online.de
Mi Mär 31 15:07:23 CEST 2010


Lieber Willi!

Du hast natürlich nach Meinung vieler Menschen völlig recht: Die Art und
Weise, wie wir Menschen miteinander umgehen, was die Verteilung des Landes
mit den damit verbundenen Eigentumsverhältnissen auf unserer begrenzten
Mutter Erde angeht, ist bares Unrecht und schreit zum Himmel. Das ist ein
Thema, dem sich nun wirklich schon ganz viele Menschen mehr oder minder
erfolgreich widmen. 

Doch nun, lieber Willi, verknüpfst Du die Vergabe eines BGE an 1.000
bettelarme Menschen in Namibia mit der Idee, dass durch diese Maßnahme
erreicht werden soll, "Zitat Willi: ... die Bezieher des BGE ruhig zu
stellen und von ihrem notwendigen Kampf für die Enteignung des Landes
abzuhalten." Man nennt diese Methode mittlerweile Tittitainment, oder? 

Sag mir, lieber Willi, suchst Du immer nach Gründen, damit ein Weg nicht
begangen wird oder bist Du einfach nur total geblockt und verbittert über
die derzeitigen Verhältnisse, die Dich davon abhalten, nach einem Weg zu
suchen und nicht nach Gründen, um den Weg bloß nicht beschreiten zu müssen.
Ich muss Dir ehrlich sagen, ich finde Deine Argumentation überhaupt nicht
hilfreich, um nicht zu sagen kontraproduktiv. Wir alle oder zumindest fast
alle, die wir uns um die Verbreitung der Idee des BGE bemühen, wissen doch,
dass mit der Einführung eines BGE auch eine elementare Veränderung unseres
Wirtschaftssystems einhergehen muss. Als da sind dramatische Veränderungen
der Eigentumsstrukturen, Einführung eines neuen Geldsystems ohne
Positivzinsen, um mal 2 elementare Baustellen zu nennen, die wir angehen
müssen. Aber nur, weil ich gegenwärtig meinen Fuß noch nicht in die Tür zu
den Machtzentren dieser Welt gezwängt kriege, verteufele ich den BGE-Versuch
in Namibia doch nicht als infame, abgefeimte und zynische
Ruhestellungsmaßnahme der bösen, dunklen Mächte. Ich denke, damit tust Du
den armen Menschen in Otjivero-Omitara wirklich Unrecht und keinen Gefallen.
Wie sollen sich die armen Menschen denn überhaupt wehren? Mit BGE haben sie
keine Chance und ohne BGE erst recht nicht. Und sie wehren sich doch. Die
begehen doch "tresspassing" und stehlen oder stahlen vor Einführung des BGE
sich Dinge für ihren Lebensunterhalt zusammen. Zu etwas anderem sind sie
doch ihrer Armut wegen überhaupt nicht in der Lage. Diese Art von Widerstand
endet aber immer nur im Knast und bestärkt die Mächtigen doch nur in ihrem
Vorgehen gegen "dieses faule, kriminelle Gesindel". 

Lieber Willi, geh einfach mal in Dich und überlege Dir, womit Du unserer
Bewegung eher nützt und wodurch eher schadest. Dieser Diskurs schadet meiner
Meinung nach eher. Hier noch ein Tipp: Lies doch einfach noch einmal die
Bergpredigt. Mit Hass, Schuldzuweisungen, Arroganz, Überheblichkeit,
Selbstgerechtigkeit - so sagt Jesus - wirst Du nichts erreichen. Versuch es
mal mit Liebe, Demut, Barmherzigkeit und Verständnis - auch Deinen Feinden
gegenüber. Ich versuche das seit geraumer Zeit zu praktizieren - zu Anfang
war es ziemlich schwierig, aber jetzt geht es schon sehr gut - und seitdem
ich das tue, übrigens aus vollem Herzen, habe ich viel mehr Erfolg und viel
mehr Zuhörer, als zu der Zeit, als ich noch Hartmut der Haudrauf war,
obgleich ich immer noch dieselbe harte, unerbittliche, beängstigende,
bedrohliche und ungeliebte Wahrheit sage. Lediglich in einem anderen
Tonfall, denn der Ton macht die Musik.

Ungeachtet dessen, dass ich heute Kritik an Deiner Einstellung äußern
musste, empfinde ich Dich als einen der vielen wertvollen Menschen, die
diese Welt braucht. Ich grüße Dich ganz herzlich.

Hartmut Keller

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de
[mailto:debatte-grundeinkommen-bounces at listen.grundeinkommen.de] Im Auftrag
von Markus Schallhas
Gesendet: Dienstag, 30. März 2010 19:57
An: freidenker-ml at listi.jpberlin.de;
debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de; willi übelherr
Cc: SADOCC; Attac Oesterreich; "Attac Österreich"@ilpostino.jpberlin.de;
webmaster at SteinbergRecherche.com; Presse; markus at lobis.it; schweiz at attac.org
Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Offener Brief an Attac zur
Presseerklärung zum Grundeinkommen ,in Namibia

Hallo Willi,

Weil mich Dein Mail auch über diese Weg erreicht, anbei nochmals dieselbe
Antwort.

lG,
Markus

... Hallo Willi,

Ich habe in Österreich die Rundreise mitorganisiert.

Da ich beides für wichtige Anliegen halte, sowohl eine Landreform, wie
auch das Grundeinkommen, möchte ich Dir antworten.

Zum Namen des Ortes:

Im 1 Jahresbericht auf www.bignam.org  steht dazu auf Seite 19:

"After careful examination of several villages in Namibia,
the site chosen for the BIG pilot project was the
Otjivero settlement and the Omitara 'town' in the Omitara
District. Otjivero-Omitara was selected for its manageable
size, accessibility, and poverty situation."

"Otjivero" stimmt insofern schon.

Zur Landfrage:

Ich stimme Dir völlig zu, dass die heutige Situation ein Resultat von
Kolonialismus und Landraub ist. Dies sieht Herbert Jauch ebenfalls so.

Wir haben in Österreich diese wichtige Tatasache in unserer
Presseaussendung auch nicht erwähnt. Das Grundeinkommen ist in Namibia
neben der unmittelbaren Unterstützung meiner Meinung als ein Element zur
Stärkung in der politischen Auseinandersetzung zu sehen. Ich habe diese
Zusammenhänge für selbstverständlich gehalten. Es wäre wahrscheinlich
besser gewesen sie extra zu betonen.

liebe Grüße,
Markus




-------- Original-Nachricht --------

Betreff:     Offener Brief an Attac zur Presseerklärung zum Grundeinkommen 
in Namibia

Datum:     Mon, 29 Mar 2010 19:13:25 +0200

Von:     willi übelherr <wube at gmx.net>

An:     freidenker-ml <freidenker-ml at listi.jpberlin.de>, netzwerk ge 
debatte <debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>

CC:     Steinberg Recherche <webmaster at SteinbergRecherche.com>, 
markus at lobis.it, office at sadocc.at, infos at attac.at, presse at attac.at, 
schweiz at attac.org




An die Mitglieder und Freunde von Attac,


am Freitag, den 28.03.2010 wurde von der Presseabteilung von Attac
Deutschland eine Mitteilung veröffentlicht.

Erfolgreiche Info-Tour über Grundeinkommensprojekt in Namibia

Bundesregierung muss Widerstand gegen bedingungslose
Sozialgeldtransfers in Entwicklungszusammenarbeit aufgeben

http://www.attac.de/aktuell/presse/detailansicht/datum/2010/03/28/erfolgreic
he-info-tour-ueber-grundeinkommensprojekt-in-namibia/?cHash=cf3cd9df9eb74130
cfe5362615801225


Zunächst einige sachlichen Klarstellungen. Das Dorf Ojivero gibt es nicht.
Es gibt das Dorf Omitara am Kanal Otjivero, nord-ost-östlich von Windhoek.

Dieses Dorf ist eigentlich ein Camp, eine provisorische Ansiedlung von
Menschen ohne Land und damit ohne Grundlage der Selbstversorgung. Dieses
Dorf ist völlig eingekesselt von privaten Farmen. Nur wenige Meter breit ist
der Grünstreifen am Damm, der zum Verbleib die Menschen motivierte, weil das
ganze Land privat besetzt ist. In der Geschichte Afrikas erst durch die
Europäer entstanden.

In der Erklärung von Attac, wie in allen Berichten, auch von Herbert Jauch,
wird die Tatsache des Landraubs an den Afrikanern durch die Deutschen nicht
thematisiert, nicht mal erwähnt. Es interessiert niemanden der Autoren. Wir
finden aber einen aktuellen Bericht der AZonline aus Namibia.

Wieder Wilderer aus Omitara erwischt vom 8.1.2010
http://www.az.com.na/polizei-und-gericht/wieder-wilderer-aus-omitara-erwisch
t.100483.php

Jede Person mit etwas historischem Wissen weiß sofort, um was es hier geht.
Auch bei uns in Europa wurden die frei lebenden Tiere zum Privateigentum der
Feudaleliten bestimmt. Dieser Artikel beschreibt eindringlich die koloniale
Besatzung von Namibia, die auch heute noch das Leben der afrikanischen
Namibianer bestimmt, abgesehen von der kleinen schwarzen Elite, die gekauft
und korrumpiert ist.

Einen guten Eindruck, vor allem, wenn wir auch zwischen den Zeilen lesen,
gibt uns der Bericht eines Reisenden in 2 Teilen:
Bericht aus Otjivero
http://markus-lobis.blog.de/2008/07/18/bericht-aus-otjivero-teil-i-in-the-mi
ddl-4466927/
http://markus-lobis.blog.de/2008/07/19/bericht-aus-otjivero-teil-ii-am-15-je
den-4471172/

Die Gründe der Armut der afrikanischen Bevölkerung sind die kolonialen
Strukturen, und hier vor allem der geraubte Landbesitz, die die Deutschen
geschaffen haben, um das enteignete Land den Europäern zur Verfügung zu
stellen. Jede Person kann sich über den geschichtlichen Verlauf informieren.
Selbst Wikipedia reicht hierfür schon aus unter den Stichworten 'Namibia'
und 'Herero'.

Daß nun auch Attac mit einer öffentlichen Erklärung auf der Basis der
Verleugnung der realen Bedingungen nach außen tritt auf dem Niveau aller
verleumdenden bürgerlichen Presseinstanzen, ist einfach nur abscheulich und
weist auf eine schamlose Ignoranz hin.

Es klingt für mich extrem zynisch, wenn in einem Dorf entlang der Straße,
eingekesselt in privat angeeignete Ländereien, zu denen die Eingeborenen
keinen Zugang mehr haben und mit privaten und staatlichen Gewaltorganen von
dessen Nutzung abgehalten werden, ein stiftungsbasiertes Grundeinkommen zu
organisieren, um sie ruhig zu stellen und von ihrem notwendigen Kampf für
die Enteignung des Landes abzuhalten. Weil das Land bietet alle Bedingungen
für die Entfaltung der Natur und sichere Lebensverhältnisse für die
Menschen.

Wenn nun das Grundeinkommen gedacht wäre, den Menschen die grundlegenden
Bedürfnisse zu decken, um sie besser in die Lage zu versetzen, den
politischen Kampf dort zu führen, dann wären allerdings die Erklärungen
anders zu lesen.

Wir können die gleichen Prozesse beobachten in Brasilien, wo das
Grundeinkommen die Antwort auf die Bewegung der Landlosen ist. Daß die
Europäer nicht geeignet sind, die Bedingungen der Armut aufzulösen, liegt
bei derem Lebensstil in diesen Ländern nahe. Daß die SWAPO derart
degeneriert sich dem billigen Verkauf anbat und anbietet, ist furchtbar.

Wir sollten uns aber leiten lassen von der eindeutigen Solidarität zu den
Völkern, die von der freien Gestaltung ihres Lebensräume mit Gewalt getrennt
wurden und werden, wie in Namibia und Afrika, Palästina, Australien und auf
dem amerikanischen Kontinent.

mit Grüßen, Willi Übelherr, Bielefeld




-- 

David Walch

Pressesprecher Attac Österreich

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