[Debatte-Grundeinkommen] Volksentscheid ins Grundgesetz ... ?

Christian Wilke Luxus_chris at web.de
Di Nov 3 17:27:02 CET 2009


Lieber Herr Lischer,

"Warum machen wir keine Internetumfrage zu dem Thema?"

Abgesehen davon, dass ich eine solche Umfrage weder methodisch noch technisch zu implementieren wüsste, - glaube ich nicht, dass sie sinnvoll wäre. Man müsste für eine quantitative Statistik das Thema runterbrechen auf eine einfache Frage, etwa: Sollte das Volk a) durch Abstimmungen pol. Entscheidungen zur Entscheidung stellen und treffen können, b) durch bundesweite (organisierte) Volksinitiativen im Entscheidungsprozess mitwirken (aber letztlich nicht selbst entscheiden) können oder c) weiß nicht. - Es handelt sich ja im Grunde um eine Begriffskritik (einen theoretisch fundierten Vorschlag), sodass es mir für eine Umfrage zu voraussetzungsvoll erscheint. Selbstredend kann jemand (Sie?) eine diesbezügliche Umfrage lancieren, interessiert wäre ich allemal.

Mir geht es einmal darum, die Rede von der 'Staatsgewalt des Volkes' kritisch zu prüfen und in diesem Zusammenhang den Volksbegriff (eine Konstruktion des Staates) historisch zu schattieren. Es mag unerhört klingen, aber die Macht, die ich und 'meine Volksgenossen' schlicht nicht haben, ist kein politischer Fehlgriff, sondern das geht, wie Sie sicher wissen, mit gesellschaftsumfassenden Modernisierungsprozessen zusammen. Selbst diejenigen, die in Wahlen vom Volk gewählt werden, haben nicht Macht, sondern es sind politische Ämter, die Macht in organisatorisch handhabbare Form bringen, es ist Rhetorik, die Entscheidungsspielräume offenlässt und als solche legitmiert und nicht zuletzt ist es die Regierungs-/Opposition-Konfiguration, in der Vorschläge durch oppositionelle Kritik als auch anders mögliche Vorschläge erscheinen und wo somit die Notwendigkeit von Entscheidungen (von Alternativen) prozessualisiert wird. - Ich habe in diesem Zusammenhang auf Niklas Luhmann hingewiesen. Wenn nun zu bedenken ist, dass Macht Unbestimmtheit (von Entscheidungen) voraussetzt und bewirkt, dann wäre ein Volksentscheid eine Art politischer Parasit, der die Macht des Staates sowohl (zur Legitimation, Korrektur etc.) erfordert als auch destabilisiert. Hingegen wäre eine analog gedachte Volks-empfehlung, bei der die Regierung Vetorecht (und vielleicht 'Alternativvorschlagszwang') hat, eine Potenzierung der Staatsgewalt bei einem in die Peripherie des Staates integriertem Entscheidungsdruck durch das 'Volk'. Das Volk 'hat' dann soviel Macht, wie aus der Unbestimmtheit von Entscheidungen resultiert, die es dem System zuführen (und moralisch gestatten!) kann.

Kurz:
- Erweiterung des (möglichen) thematischen Spektrums (+Unbestimmtheit)
- Möglichkeit der Entscheidung darüber, ob eine Volksempfehlung entschieden werden soll oder nicht (+Macht)
- erhöhte Entscheidungsanforderungen an das Zentrum des Systems (+politische Peripherie)
- ...
--> ... entspricht den in der systemtheoretischen Analyse erörteten Möglichkeitsbedingungen des politischen Systems

- Volksentscheide(!) depotenzieren politische Macht
- minimieren die Unbestimmtheit von Entscheidungen, weil entschieden werden muss, 'eh das Volk es tut'
- führen zu Konfusionen mit den Entscheidungen der (gewählten ...) Regierung
- müssten hinsichtlich des Themenspektrums politisch restringiert, verklausuliert werden
- ...
--> ... widerspricht ~


Mit freundlichen Grüßen,
Christian Wilke

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