[Debatte-Grundeinkommen] Fwd: [BbG newsletter] Es gibt Momente, da haelt die Zeit den Atem an - Bericht vom 1. Mai in Berlin]]

Norbert Maack norbert.maack at solargeneration.de
Di Mai 5 18:47:27 CEST 2009


Ich erlaube mir diesen Bericht über die 1.Mai-Aktion in Berlin zur 
Kenntnis zu geben.



------------ES GIBT MOMENTE, DA HAELT DIE ZEIT DEN ATEM AN - BERICHT VOM 1. MAI
IN BERLIN------------

Es gibt Momente, da hält die Zeit den Atem an, damit das Unerwartete geschehen
kann.
Bericht vom 1. Mai in Berlin.

Wir hatten ja nur vor, als „Bundesagentur für Einkommen“ die große
Gewerkschaftsdemo etwas gegen den Strich zu bürsten. Während diese auf dem Weg
zum Brandenburger Tor „Arbeit für Alle“  propagierte, wollten wir von der
DemoSpitze ausgehend nach hinten unseren "Aufruf zum 1.Mai" und unseren "Antrag
auf bedingungsloses Grundeinkommen" verteilen.

Die Sache fing schon gut an. Zu unserem Verdruss – aber doch: wie sehr zu
unserem späteren Glück - kam Andreas, der einen Bollerwagen mit Musik
mitbringen wollte, zu spät zu unserem Treffpunkt. Das brachte uns in die
Verlegenheit, erst starten zu können, als der große Zug schon aufgebrochen
war. Es war nicht leicht, von hinten her den ganzen Zug zu überholen bis wir an
seiner Spitze waren. Dann aber kam der unglaubliche Moment. Was für ein
Unglück, wenn wir zur Unzeit angekommen wären.

Der erste von uns war an der Spitze, da hielt der ganze Zug plötzlich an. Die
Polizei musste wohl erst die weitere Demoroute sichern. Vorne am
Demonstrationszug wurde ein riesiges Transparent getragen, dessen Botschaft
„Arbeit für Alle bei gerechten Löhnen“ war.

In den Raum zwischen der Demo-Spitze und der Polizei stürmten nun Diana,
Thomas und Marion hinein – und spannten unser schönes neues goldgelbes Banner
„Bundesagentur für Einkommen“ gegenüber den Bannerträgern der
Gewerkschaft – allesamt deren Spitzenfunktionäre - auf.

Der Polizei war diese Aktion natürlich gar nicht recht und es kam zu kurzem
Wortgefecht. „In drei Minuten seid ihr hier weg“ drohte ein Polizist..
In drei Minuten? Das war das Stichwort für Diana. Statt die „drei Minuten“
als Bedrohung aufzufassen, nahm sie sie als Chance wahr: „Drei Minuten? Das
ist geil“ - mit diesen Worten bat sofort um unser Megaphon. Und dann geschah
das Unerhörte: Vor einem riesigen, wie von Geisterhand angehaltenen,
Demonstrationszug in einem völlig stillen Raum – hinter uns bestens
abgesichert von einer völlig überraschten Polizei – vor uns die Spitze der
Gewerkschaft, die hinter dem Plakat “Arbeit für Alle zu fairen Löhnen“
versammelt war, stand Diana, flankiert vom goldgelbe Banner „Bundesagentur
für Einkommen“ – über dem Banner leuchteten zur Freude der Gewerkschaft
noch weitere Aussagen wie: „Nie wieder „Vollbeschäftigung – Wir haben
besseres zu tun“ usf. – und hielt einen Vortrag zum Grundeinkommen.
Darüber, dass Arbeit nicht ein „Wert an sich“ und wie Grundeinkommen ein
Schritt in bessere Zeiten sei. Und die einzigen Zwischenrufe kamen rhythmisch
vom Polizisten der laut die Zeit abzählte: „Zweieinhalb Minuten – Zwei
Minuten – eineinhalb Minuten“ usf.  Es war unglaublich.
Und da ich gerade auch da war, nutze ich meinerseits die Gelegenheit, um den
Altvordersten der Gewerkschaft allen persönlich unseren – recht provokanten
-  „Aufruf zum 1.Mai“ (Textauszug: „In Zeiten produktivitätssteigernder
Rationalisierungen stellen Aufrufe zur Vollbeschäftigung nichts als einen
Ausdruck von Realitätsverlust dar.“) und unsere „Anträge auf
Bedingungsloses Grundeinkommen“ in die Hand zu drücken.

Ein teils unsicheres, teils überraschtes Lächeln auf den Gesichtern der
Gewerkschafter – manche haben bei Dianas Vortag allerdings auch anerkennend
genickt und fast alle haben unseren Aufruf aufs freundlichste entgegen genommen
– da traten wir zur Seite und der Zug ging weiter.

Freunde, war das ein Moment, ein Moment wie es einen derartigen so schell wohl
keinen zweiten gibt – und es ist nicht einfach, davon zu sprechen, denn das
Herz ist so voll und die Empfindungen sind so tief …

Aufrufe und die Anträge haben wir dann mit Genuss von vorne nach hinten durch
die ganze Demo verteilt. Sie wurde uns teils förmlich aus den Händen gerissen
– vor allem im „schwarzen Block“ als ich “Wir ärgern die Bundesagentur
für Arbeit“ rief.

Und als der Zug vorbei war, da standen wir beseligt, selber überrascht und
betroffen miteinander und hatten die Empfindung: Da war eine höhere Macht mit
im Spiel.

(Der Moment an der Spitze ist gefilmt worden – es wäre toll, der Filmer
stellte die Sequenz ins Netz …)

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Wir sind dann zum Treff mit Susanne Wiest gegangen. Zur Siegessäule – diesem
so symbolträchtig von Susanne ausgesuchten Ort.
Wie sind wir so schön gekrönt worden beim Empfang. Das Wetter war herrlich
und eine größere Anzahl von Freunden kam zusammen. Auch die weiteren
Mitglieder unserer Bürgerinitiative, die – statt die Demo „rückwärts
durchzubürsten“ – „Anträge“ in  tausende von Briefkästen in Berlin
eingeworfen hatten, gesellten sich zu uns dazu. Da war erst vieles zu erzählen.
Aber plötzlich hatte Georg eine Idee: Wie wäre es, unser Banner oben auf der
Siegessäule anzubringen? Kaum gedacht, war man schon auf dem Weg nach oben. Und
dann prangte es da, unser Banner, auf der Siegessäule, mitten in Berlin,
befeuert vom Engel des Sieges, den unsere Zeit in einem weitaus höheren, als
dem niederen militärischen Sinne so nötig braucht.

Wir trollten uns dann in eine stille Ecke des Tierparks um aufs gemütlichste
noch zusammen zu sein. Und ermattet und froh gingen wir später nach Hause.

Es gab noch ein drittes für uns wichtiges Ereignis – aber davon jetzt schon
öffentlich zu sprechen, ist noch nicht geschickt.

Mit Empfindungen, die unbeschreiblich sind:
Ralph Boes





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