[Debatte-Grundeinkommen] Ist ein Grundeinkommen überhaupt nötig?

Michael Opielka michael.opielka at isoe.org
Di Mär 3 23:38:58 CET 2009


Lieber Herr Drescher,

 

Ihre melancholische Position in Ehren. Aber es gibt auch Argumente, zum
Beispiel hier:

 

http://www.sw.fh-jena.de/fbsw/profs/michael.opielka/downloads/doc/2009/Opiel
ka_Gesellschaft_fuer_Alle_in_Soziologie_heute_3_2_Jg_2009_S_12-17.pdf

 

Beste Grüße

Michael Opielka 

 

 

________________________________________________

 

prof. dr. habil. michael opielka

institut für sozialökologie (isö)

pützbungert 21

d-53639 königswinter

fon +(49)-2244-871659

fax +(49)-2244-871664

michael.opielka at isoe.org

www.isoe.org

 

Von: Joerg Drescher [mailto:iovialis at gmx.de] 
Gesendet: Dienstag, 3. März 2009 23:35
An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
Cc: Grundeinkommen Redaktion; kontakt at grundeinkommen.de;
r.mandler at pt-system.com; info at forum-grundeinkommen.de;
ludwigpaul.haeussner at iep.uni-karlsruhe.de; bge-portal at bge-portal.de; Michael
Opielka
Betreff: Ist ein Grundeinkommen überhaupt nötig?

 

Hallo zusammen,

 

wenn man sich einmal überlegt, was ein Grundeinkommen psychologisch
anrichtet, frage ich mich immer mehr, ob das überhaupt der richtige Weg ist.
Die wenigsten Menschen kommen damit klar, einfach nur Mensch zu sein. Wenn
man Leute auf der Straße fragt, wer sie sind, so bekommt man häufig zur
Antwort: Ich bin Ingenieur, Arzt, Sekretär, Arbeitsloser... Wer sagt schon
gerne: Ich bin Mensch? - Das ist doch jeder und niemand ist dann mehr etwas
besonderes. Wo bleibt das Individuum?

 

Die Idee eines Grundeinkommens, so wie sie heute oftmals vermittelt wird,
beraubt Menschen ihrer Identität und Individualität. Das stößt (natürlich)
auf Ablehnung. Der Begriff "Grundeinkommen" scheint die Idee nur
unzureichend zu beschreiben.

 

Ich kann mich noch gut an den Berliner Kongress erinnern, als mir Christoph
Schlee stolz sagte: Ich bin nun Pressesprecher im Netzwerk. Wer war er aber
davor? Ein Niemand? Plötzlich hatte er eine Aufgabe und für sich einen Sinn
im Leben mit dem Gefühl, "Diener" für eine "gute Sache" zu sein - gegeben
durch eine Position, die seinem Wesen entspricht (oder wenigstens seiner
Vorstellung davon). Dorothee Schulte-Basta und Reimund Acker waren "für eine
gute Sache" in New York - ermöglicht von Menschen, die gleichfalls an "die
gute Sache" glauben und anderen damit Dinge ermöglichen, die der Einzelne
nicht hätte. Bedingungslos!

 

Menschen rufen nicht nach Geld, sondern nach einer Aufgabe, die ihnen Sinn
im Leben gibt und das Gefühl, für eine Gemeinschaft nützlich zu sein. Die
wenigsten wollen etwas geschenkt, sondern für das, was sie tun, Anerkennung
als das, was sie sind: Menschen. Es geht ihnen um eine Selbstentfaltung als
Mensch unter Menschen.

 

Wo aber ist in einer BGE-Gesellschaft diese Aufgabe? Ist ein BGE nicht
absoluter Liberalismus, der die Abhängigkeit von Geld verstärkt? Entläßt man
den Menschen nicht in eine Freiheit, mit der jeder einzelne dann selbst
zurechtkommen soll? Versucht man etwa einen "neuen, besseren Menschen" zu
kaufen? Alleingelassen mit etwas Geld, damit er selbst etwas aus sich und
seinem Leben macht?

 

In einer konsumfinanzierten BGE-Gesellschaft ist der Einzelne nur noch als
Konsument notwendig - kein Unterschied zu heute. In einer
einkommensfinanzierten BGE-Gesellschaft unterstützt derjenige mit Einkommen
jene, die kein Einkommen haben - wieder kein Unterschied zu heute. Heute
verwirklicht sich ein Teil der Gesellschaft auf Kosten anderer und wieso
sollte sich dies unter einem BGE ändern - unabhängig von der Finanzierung?

 

Ist unser Ziel nicht vielmehr eine Gesellschaft, die aus vielen
Gemeinschaften besteht - kleinen Inseln, in denen sich Menschen gegenseitig
helfen, damit sich jeder entfaltet? Wollen wir nicht Gemeinschaften, die
andere Gemeinschaften unterstützen - ohne Neid, Gier und Hass? Brauchen wir
dazu überhaupt ein Bedingungsloses Grundeinkommen? Oder ist das BGE
wesentlicher Bestandteil des "emanzipatorischen Sozialstaats"? Hilfsmittel
im "jovialen Staat", der die hier aufgeworfenen Aufgaben "zum Wohle aller"
zu lösen versucht? Garantiert!

 

Nachdenkliche Grüße aus Kiew,

 

Jörg (Drescher)

Projekt Jovialismus

http://www.iovialis.org

http://www.smi2le.org

 

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