[Debatte-Grundeinkommen] Sehr treffend von André Gorz und gut passend für ein BGE

Axel angetumoi at orange.fr
Mi Jun 24 21:27:27 CEST 2009


Die Umsonst-Ökonomie 
André Gorz und der Kollaps des Marktes 
André Gorz, Sozialphilosoph und Marxist, glaubte fest an die Befreiung des
Menschen von seinem schlimmsten Erzfeind, dem Kapitalismus. Der Zeitpunkt
sei nahe, meinte der linke Vordenker vor seinem Freitod 2007, an dem sich
das Kapital selbst zugrunde richte. Arbeitslosigkeit und Preisverfall seien
deutliche Vorzeichen. Jetzt ist posthum sein letztes Buch erschienen, 
Auswege aus dem Kapitalismus: Beiträge zur politischen Ökologie", dessen
Texte er kurz vor seinem Tod zusammenstellte. 
Im Kapitalismus muss der Konsum ständig wachsen. Anders können
wirtschaftliche Gewinne immer weniger realisiert werden. Immer neue
Wachstumsfelder müssen gefunden werden. Deshalb wird die Warenwelt bis ins
Absurde aufgeblasen. Kurz vor seinem Tod 2007 verkündete der Sozialphilosoph
André Gorz ganz nach Karl Marx, dass die Sebstverwertung des Kapitals an
eine innere Grenze stößt. Im globalen Konkurrenzkampf fallen die Werte ins
Bodenlose. Am Ende kollabiert das kapitalistische System, so prognostizierte
Gorz es 2004. 


"Der Wert von Waren sinkt, objektiv", sagte André Gorz 2004. "Und die Frage
ist, wie kann man bei sinkenden Kosten und sinkendem Wert der Waren, dennoch
hohe Profite einschleusen." Bis heute sorgen Werbe- und Marketingexperten
dafür, dass die Nachfrage mittels psychologischer Techniken wächst. Das
Bewusstsein der Konsumenten wird so bearbeitet, dass ständig neue
Bedürfnisse und Wünsche geweckt werden. Billig hergestellte Waren werden
durch den Stempel der Marken bis zum Fünfzigfachen künstlich aufgewertet.
Immer neue Moden suggerieren ein Veralten von Produkten. 


Der Wert der Arbeit sinkt 
Alle Mittel werden aufgeboten, um den Konsumenten zu verführen. Man hämmert
ihm ein: Das, was Du da kaufst, ist eine individuell nur für Dich allein
hergestellte, ganz private Dienstleistung. "Dann verkauft man zum Beispiel
ein Auto nicht wegen seiner Leistungen oder seinem Gebrauchswert, sondern
wegen der Schönheit seiner Scheinwerfer oder seines Hinterns", erklärt Gorz
2004. Immer effektivere Automaten produzieren immer größere Warenmengen und
brauchen dazu immer weniger Arbeiter. Der Wert der Arbeit sinkt, Löhne und
Gehälter schrumpfen. Damit die Konsumenten die Produkte noch kaufen können,
müssen sie immer billiger werden. 


"Wohin wir gehen, ist eine Umsonst-Ökonomie", so der Sozialphilosoph. "Das
heißt nicht, dass wir sie erreichen werden. Denn die Kapitalbesitzer sind
auch nicht verrückt. Eines Tages, wenn nicht alles zusammenbricht, was eine
Möglichkeit wäre, werden sie sagen: 'Die Waren müssen ihre Käufer kaufen'.
Dass sich der Kapitalismus seine Kunden, seine Käufer kaufen muss, indem es
Zahlungsmittel umsonst verteilt." 


Die Suche nach Geldvermehrung führt ins Leere 
Was André Gorz 2004 prognostiziert hat, ist 2009 mit der so genannten
Abwrackprämie Wirklichkeit geworden. Immer öfter werden Steuergelder an die
Konsumenten verteilt, damit sie neue Waren kaufen und alte wegwerfen. Gorz
jahrzehntelange Beschäftigung mit der inneren Logik des Kapitalismus bringt
ihn schließlich zu der Erkenntnis, dass die verzweifelte Suche nach
Geldvermehrung zwangsläufig ins Leere führt. Welche Investitionen lohnen
sich noch? Wenn der zirkulierende Geldwert sich nicht mehr vergrößert, tritt
Stillstand ein. Das kapitalistische System zerstört sich selbst. Der
Zusammenbruch ist unausweichlich. 


In seinem letzten Buch bekräftigt André Gorz noch einmal, was er schon als
junger Mann in seinem Buch "Der Verräter" dargestellt hat: Die völlige
Entfremdung des Menschen. Damals glaubte er, in der radikalen Analyse seines
eigenen falschen, angepassten Ich einen Ausweg zu finden. Schließlich zog er
sich ganz aufs Land zurück, auf der Suche nach einer alternativen, freieren
Lebenswelt. Auch sein Buch "Wege ins Paradies" schrieb er hier und erfand
ständig neue Konzepte, wie der uralte Menschheitstraum zu verwirklichen sei,
ein würdiges Leben ohne Fronarbeit zu führen. 


Diktatur über die Bedürfnisse der Menschen 
In "Auswege aus dem Kapitalismus" fasste er ein letztes Mal seine Ideen
zusammen. Wie könnten die zivilen Auswege aus dem kapitalistischen
Zwangssystem aussehen? Seine Thesen waren: Die Ressourcen werden knapper,
der ökonomische Schrumpfungsprozess wird unausweichlich. Doch in der Krise
scheint es, als wachen die Menschen aus dem Konsumrausch auf und erkennen,
dass weniger konsumieren, besser leben heißt. Die Diktatur über die
Bedürfnisse verliert an Kraft, wenn der Mensch erfährt, dass er mit weniger
mehr schaffen kann, dass er im genügsamen Überfluss bei weitaus weniger
Arbeit viel besser, angstfreier und freundschaftlicher mit anderen
zusammenlebt. 


Geld fungiert wieder als einfaches Tauschmittel, das sich auf den regionalen
Tauschkreislauf beschränkt. Die Angst vor Zins und Tilgung hat ein Ende.
Gorz setzte seine ganze Hoffnung auf die heraufziehende Wissensgesellschaft,
auf die Lebensphilosophie der freien Softwareproduzenten, für die
Information einen gemeinschaftlichen, unentgeltlichen, unverwüstlichen Wert
besitzt. Der Tauschwert von Linux beispielsweise sei gleich Null und für
jedermann frei nutzbar. Die neue Wissensgesellschaft besitze die Grundzüge
eines Protokommunismus. Der Mensch ist kein Erfüllungsgehilfe der
kapitalistischen Megamaschine mehr. 


Der Traum vom lohnfreien Leben in Würde 
Mit der freien Software werde die Selbstproduktion in eigenen digitalen
Fabriken möglich. Jeder Gebrauchsgegenstand lasse sich herstellen. Das
dazugehörige Programm könne man sich einfach aus dem Netz holen oder sein
eigenes Allen zur Verfügung stellen. Sein ganzes Leben lang hat Gorz darüber
nachgedacht, wie der Mensch sich von qualvoller entfremdeter Lohnarbeit
befreien und sein Leben in Würde gestalten kann. Er selbst hatte mit seiner
eigenen bescheidenen Lebensführung vorgeführt, dass ein Leben jenseits von
Konsum und Warenflut möglich ist. Seine ausgeprägte Sensibilität für
gesellschaftliche Entfremdungsprozesse hat uns den Blick auf eine bessere
Zukunft geöffnet. 




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